Rücktritt: So verließ Richard Nixon das Weiße Haus - WELT
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So mühsam verließ Richard Nixon 1974 das Weiße Haus

„Unser nationaler Alptraum ist vorüber“: Fast zwei Wochen lang dauerte im Sommer 1974 der Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon. Selbst als seine eigene Partei ihn drängte, dokumentierte er trotzigen Durchhaltewillen.
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Dieser Skandal veränderte die USA

Es begann mit dem Einbruch in die Zentrale der Demokraten im „Watergate Hotel“ in Washington. Daraus wurde einer der größten politischen Skandale in der US-Geschichte: Lehrstück für eine Amtsenthebung.

Quelle: WELT/Kevin Knauer

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Das Ende war zäh. Sehr zäh. Schon seit Monaten stand der US-Präsident wegen der Watergate-Affäre unter Dauerbeschuss seiner politischen Gegner und nahezu der gesamten Presse. Doch erst als sich auch seine bisherigen Unterstützer, gegen ihn wandten, die Anführer der republikanischen Fraktion in beiden Häusern des US-Kongresses, gab Richard M. Nixon auf und trat zurück.

Am 27. Juli 1974 hatte das Verfahren zur Enthebung des 37. Präsidenten aus dem Amt einen entscheidenden Schritt gemacht: Der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses empfahl dem Plenum mit 27 zu elf Stimmen, Nixon wegen Behinderung der Justiz anzuklagen. Das bedeutete: Nicht nur alle 21 demokratischen Abgeordneten dieses Ausschusses hatten gegen Nixon gestimmt, sondern auch sechs Republikaner. Zwei Tage später, bei der Abstimmung über den Anklagepunkt „Missbrauch der Macht des Präsidenten“, waren es sogar sieben Republikaner, die gegen den eigenen Mann im Weißen Haus stimmten.

American congresswoman Barbara Jordan (1936 - 1996) from Texas, on the House Judiciary Committee during a hearing on the impeachment of President Richard Nixon, Washingon D.C., July 1974. Photo by Keystone/Hulton Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Die Abgeordnete Barbara Jordan aus Texas fand die entscheidenden Worte im Justizausschuss des Repräsentantenhauses
Quelle: Getty Images

Eine wesentliche Rolle hatte dabei die demokratische Abgeordnete Barbara Jordan aus dem US-Bundesstaat Texas gespielt. Mit Empörung hatte die 38-Jährige, übrigens die erste Afroamerikanerin, die ihren Staat in Washington vertrat, angekündigt: „Ich werde nicht zusehen, wie die Verfassung zerstört wird.“ Dieser wütenden, aber unübersehbar zutreffenden Zustandsbeschreibung konnten sich mehrere ihrer republikanischen Kollegen nicht verschließen.

Nun bröckelte die bisher scheinbar fest gefügte Front der Präsidentenpartei. Hamilton Fish Jr. (US-Bundesstaat New York) stellte fest: „Der Präsident ist verpflichtet, nicht gegen das Gesetz zu verstoßen, andere nicht anzuweisen, gegen das Gesetz zu verstoßen, und sich nicht an der Verschleierung von Beweisen zu beteiligen, die ihm bekannte Verstöße gegen das Gesetz betreffen.“ Sein Kollege William Cohen (US-Bundesstaat Maine) kritisierte Nixon, weil er „die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassung unter die Stiefel von Gleichgültigkeit, Arroganz und Missbrauch geraten ließ“. Ähnliche Stimmen republikanischer Abgeordneter folgten.

Nun war klar: Noch im August 1974 würde das Repräsentantenhaus mit deutlicher Mehrheit beschließen, Nixon anzuklagen. Zu entscheiden hatte darüber der Senat, in dem 67 Senatoren gegen den Präsidenten stimmen mussten, um ihn seines Amtes zu entheben.

Dennoch verkündete das Weiße Haus am 2. August noch Durchhaltewillen: Nixons Stimmung sei „sehr gut“, er denke auch weiterhin nicht an Rücktritt, verkündete der amtierende Pressesprecher Gerald „Jerry“ Warren. Am Ende werde der Präsident „Recht behalten“, behauptete der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der „San Diego Union-Tribune“– und erntete bei seinen Kollegen mühsam unterdrücktes Gelächter.

8th August 1974: View of the cover of an Extra edition of the New York Post from the day US president Richard Nixon resigned, with the headline, 'NIXON QUITS TONIGHT'. (Photo by Blank Archives/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Extrablatt der "New York Post" über Nixons Rücktritt
Quelle: Getty Images

Nur drei Tage später machte Nixon eine „dramatische Kehrtwende“. Auf Druck des Obersten Gerichtshofes waren mehrere Tonbänder aus dem Oval Office veröffentlicht worden, die seine zentrale Rolle bei der Behinderung der Ermittlungen nach dem Einbruch in der Wahlkampfzentrale der Demokraten im Hotel Watergate in Washington D. C. 1972 bewiesen. Nixon räumte ein, mittels direkter Anweisung an FBI und CIA versucht zu haben, „die Enthüllungen über den Skandal bewusst zu begrenzen“.

Obwohl ein US-Präsident niemals in die Ermittlungen der unabhängigen Justiz eingreifen darf, sah er darin aber nichts, was „den extremen Schritt eines Verfahrens zur Amtsenthebung eines Präsidenten rechtfertigen“ könne. Beobachter in der US-Hauptstadt wussten mehr: Das demokratisch dominierte Repräsentantenhaus werde Nixon nun gewiss anklagen.

Allerdings sei fraglich, ob im Senat die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande käme, denn zwar hatten die Demokraten auch hier mit 56 Sitzen die Mehrheit, doch eben nicht genügend Stimmen. 60 Senatoren seien fest für die Amtsenthebung des Präsidenten, 29 sicher dagegen. An die elf übrigen richtete sich offenbar die überraschende Kehrtwende des Präsidenten.

7th August 1974: A group of American Republican Party politicians at a press conference at the White House during the Watergate crisis; from left to right, Deputy Press Secretary Gerald Warren, Senator Barry Goldwater and John Rhodes, the House Minority Leader. It was at this meeting that Barry Goldwater informed President Nixon that impeachment could not be avoided and subsequently Nixon resigned. (Photo by Gene Forte/Keystone/CNP/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Nach dem entscheidenden Gespräch mit Nixon am 7. August 1974, v.l.: Pressesprecher Gerald Warren, die Senatoren Hugh Scott und Barry Goldwater sowie John J. Rhodes, Fraktionschef d...er Republikaner im US-Repräsentantenhaus
Quelle: Getty Images
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Doch es war zu spät. Am 6. August 1974 abends verkündete der Fraktionsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus John J. Rhodes, ein enger Freund Nixons, gegen den Präsidenten stimmen zu wollen. Am folgenden Nachmittag suchten Rhodes, der Minderheitsführer im Senat Hugh Scott und Barry Goldwater, der Rechtsaußen der republikanischen Partei, gemeinsam Nixon im Oval Office auf.

Sie teilten dem Präsidenten mit, dass er die Unterstützung der „Grand Old Party“ (wie die Republikaner in den USA genannt werden, obwohl sie historisch gesehen deutlich jünger sind als die Demokraten) verloren habe. Höchstens 15 Senatoren seien noch bereit, für Freispruch zu stimmen – nötig waren jedoch mindestens 34. Unmittelbar danach gaben die drei Parteigranden eine improvisierte Pressekonferenz und verkündeten einiges von dem, was sie mit Nixon besprochen hatten.

9th August 1974: President Richard Nixon (R) and Vice President Gerald Ford face each other in the Oval Office on the day Nixon resigned, White House, Washington, DC. (Photo by Hulton Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Vier-Augen-Gespräch von Gerald R. Ford und Richard M. Nixon im Oval Office am 8. August 1974
Quelle: Getty Images

Am folgenden Morgen, Donnerstag, den 8. August 1974, sprachen Nixon und sein erst seit neun Monaten amtierender Vizepräsident Gerald R. Ford unter vier Augen miteinander. Unter anderem ging es um die Begnadigung, die Ford für Nixon aussprechen sollte, sie erfolgte dann mit einer Schamfrist von vier Wochen Anfang September.

Nach dem Gespräch mit Ford begann der Abschied. Den Tag über empfing der Noch-Präsident politische Weggefährten und Mitglieder seines Kabinetts. Um 21 Uhr Washingtoner Zeit hielt er dann eine live übertragene Ansprache an die amerikanische Nation aus dem Oval Office, in der er seinen Rücktritt für den kommenden Tag ankündigte. Er sei zu dem Schluss gekommen, „dass ich aufgrund der Watergate-Affäre möglicherweise nicht die Unterstützung des Kongresses habe, die ich für notwendig halte, um die Aufgaben meines Amtes zu erfüllen“. Das war arg untertrieben.

Screen capture shows the CBS news coverage of the resignation of American President Richard Nixon (1913 - 1994), Washington DC, August 8, 1974. The image is time stamped at 9:04pm. (Photo by CBS Photo Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Standbild aus Nixons TV-Ansprache vom Abend des 8. August 1974
Quelle: Getty Images

Durch seinen Rücktritt wolle er „den Beginn dieses Heilungsprozesses beschleunigen, den Amerika so dringend benötigt“. Nixon räumte ein, dass einige seiner Urteile „falsch“ gewesen seien und sagte: „Ich bedauere zutiefst alle Verletzungen, die im Verlauf der Ereignisse, die zu dieser Entscheidung geführt haben, entstanden sein könnten.“

Am 9. August 1974 bald nach 11 Uhr verließen Richard Nixon und seine Familie das Weiße Haus. Sie nahmen den persönlichen Hubschrauber des Präsidenten, die Marine One; beim Besteigen reckte Nixon wie triumphierend die Arme in die Höhe. Dann ging es nach Kalifornien, in sein Privathaus La Casa Pacifica direkt an der Pazifikküste in San Clemente.

Der Republikaner Richard Nixon (M) macht mit beiden Händen das Siegeszeichen, bevor er den Hubschrauber besteigt, mit dem er nach seiner Rücktrittserklärung Washington verläßt. Um einer Amtsenthebung (Impeachment) wegen der "Watergate-Affäre" zu entgehen, ist Nixon am 9. August 1974 als erster Präsident der USA von seinem Amt zurückgetreten. |
Beim Einsteigen in seinen Hubschrauber macht Nixon am 9. August 1974 noch einmal ein Sieges-Zeichen
Quelle: picture-alliance / dpa

Nixon ließ ein an Außenminister Henry Kissinger adressiertes Schreiben zurück, in dem er förmlich seinen Rücktritt erklärte. Dieses Schreiben wurde offiziell um 11:35 Uhr geöffnet, womit der Rücktritt formal vollzogen war. Gerald Ford wurde wenige Minuten später als 38. Präsident vereidigt. Dabei fielen die Worte: „Unser nationaler Alptraum ist vorüber.“

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