Wer zu lange starr an einem nicht mehr haltbaren Versprechen festhält, verliert. Denn Pragmatismus und überlegte rechtzeitige Anpassungen an Entwicklungen sind stets besser als Tatenlosigkeit. Das gilt in der Politik immer, aber vor allem in der besonders von der Psychologie der Märkte abhängigen, daher höchst sensiblen Währungspolitik.
1944 hatten die westlichen Staaten unter Führung der USA für die Zeit nach dem absehbaren Sieg im Zweiten Weltkrieg ein neues Währungssystem für die Welt erdacht, das die Stabilität des traditionellen Goldstandards (in dem Papiergeld auf Wunsch immer von der ausgebenden Zentralbank in Gold umgetauscht wurde) mit den Vorteilen begrenzt flexibler Umtauschkurse verbinden sollte – die Regierungen und Zentralbanken die Möglichkeit gaben, durch maßvolle Auf- oder Abwertungen der eigenen Währung Impulse für die Entwicklung der heimischen Wirtschaft zu geben.
Das Ergebnis wurde als Bretton-Woods-System bekannt und sah vor, dass die US-Notenbank Dollar in Gold umtauschen sollte (zum festgelegten Kurz von 35 Dollar pro Feinunze), während es gleichzeitig eine Pflicht der Notenbanken gab, die Devisenkurse auf dem freien Markt durch Devisenkäufe oder -verkäufe gegenüber dem Dollar als Leitwährung zu stabilisieren. Der neu geschaffene Internationale Währungsfonds als überstaatliche Einrichtung sollte das System kontrollieren und unterstützen.
Auf diese Weise entstand ein Währungsgefüge, das ein Vierteljahrhundert weitgehend stabil war: Das britische Pfund zum Beispiel schwankte 1953 bis 1967 lediglich zwischen 2,77 und 2,82 Dollar, also um 2,5 Prozent, der Schweizer Franken zwischen 0,22 und 0,24 Dollar. Bretton Woods funktionierte, weil immer wieder in Absprache der Notenbanken Währungen auf- oder abgewertet wurden. Die westdeutsche Mark etwa wurde 1961 von 4,20 DM pro Dollar auf nunmehr glatt vier DM pro Dollar aufgewertet und 1969 erneut auf 3,66 DM pro Dollar – je weniger DM für einen Dollar bezahlt werden mussten, desto höher war ihr Wert als Devise.
Doch um 1970 war das Bretton-Woods-System nicht mehr haltbar. Das hatte mit einem unlösbaren Zielkonflikt zu tun, dem „Trilemma des Wechselkursregimes“. Wenn die Ziele der Politik gleichermaßen möglichst stabile Wechselkurse wie geldpolitische Autonomie der einzelnen Notenbanken (oder Regierungen) sein sollten und zusätzlich Kapital sich frei bewegen können sollte, so sind prinzipiell maximal zwei dieser Ziele gleichzeitig zu erreichen, aber niemals alle drei.
Weil die Bundesregierung von Bundeskanzler Willy Brandt im Mai 1971 den Wechselkurs von Mark zu Dollar weitgehend freigegeben hatte und die US-Währung anschließend gegenüber dem westdeutschen Geld um fast zehn Prozent abstürzte, bestand im Sommer höchster Handlungsbedarf. Alle Fachleute erwarteten mit Spannung, was geschehen würde – und wann.
Am 15. August 1971 war es soweit: US-Präsident Richard Nixon kippte die Goldbindung des Dollar und gab damit faktisch den Goldkurs frei. Die US-Währung stand schon seit Jahren unter Druck, weil die Regierung in Washington viel mehr ausgab (u.a. für den Vietnamkrieg und das Raumfahrtprogramm), als gemessen an der Wirtschaftskraft zur Verfügung stand. Schlagartig saßen US-Touristen im Ausland ohne Geld da, weil ihre Dollarnoten von Banken nicht mehr akzeptiert wurden. Schlimmer noch: Die internationalen Handelsbeziehungen drohten zusammenzubrechen.
„Jedes große Industrieland wird heute in seiner inneren Wirtschaftspolitik eingeengt, weil es bei festen Wechselkursen auf die außenwirtschaftlichen Zusammenhänge Rücksicht nehmen muss“, erklärte WELT die grundlegenden Zusammenhänge: „Nur die USA konnten sich ungestört den heimischen Fragen zuwenden, ohne an die internationalen Folgen denken zu müssen.“
Doch inzwischen war der wirtschaftliche Druck dafür zu groß geworden – das britische Pfund war schon 1967 von 2,78 auf 2,38 Dollar aufgewertet worden und sogar der französische Franc von 0,20 auf 0,18 Dollar. Die US-Regierung musste reagieren.
Grundsätzlich gab es zwei Möglichkeiten: Entweder, wie der US-Nationalökonom Paul A. Samuelson vorgeschlagen hatte, den Kurs von 35 Dollar pro Feinunze Gold erhöhen müssen. Saluelsons Wort hatte Gewicht, war ihm doch gerade erst der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1970 verliehen worden.
Doch das hätte einerseits Goldspekulanten sowie der am Rohstoff Gold starken Sowjetunion genutzt, andererseits wäre unklar gewesen, ob so eine Maßnahme wirklich die Wettbewerbsfähigkeit der USA nennenswert verbessert hätte. Vermutlich wäre bald die nächste Anpassung nötig gewesen – der Einstieg in eine permanente Abwertungskrise.
Deshalb entschied sich die Regierung in Washington gegen Samuelsons Rat für die zweite Möglichkeit: Auf alle Importe in die USA wurde eine Abgabe von zehn Prozent erhoben (was Importe für den einheimischen Markt verteuerte, also US-Produkte für im eigenen Land attraktiver machte) und gleichzeitig der garantierte Umtausch des faktisch abgewerteten Dollar in Gold ausgesetzt.
Die Reaktion kam umgehend: Die meisten wirtschaftsstarken Länder schlossen sofort den Devisenhandel, weil sie fürchteten, von „frei umher vagabundierenden Dollars“ (WELT) überschwemmt zu werden. Denn natürlich versuchte jeder Dollar-Eigentümer, dieses Geld in aufwertungsverdächtige Währungen zu tauschen. Für das Phänomen bürgerte sich der Begriff „Nixon-Geldklemme“ ein.
Trotzdem stürzte der Dollar ab – gegenüber dem japanischen Yen und dem Schweizer Franken zum Beispiel um jeweils fast zehn Prozent. Die Bundesrepublik und die Niederlande waren durch die faktisch bereits erfolgte Aufwertung ihrer Währungen über frei schwankende Wechselkurse gegen Dollarfluten geschützt.
Bretton Woods war damit im Kern gescheitert, aber bekanntlich leben Totgesagte mitunter länger. So schleppte sich das im Spätsommer 1971 notdürftig reparierte Weltwährungssystem noch anderthalb Jahre hin. Erst im Februar 1973 lösten die westeuropäischen Länder sowie Japan offiziell die Bindung an den Dollar als Leitwährung.
Gold, das schon immer aus mehr psychologischer Gründen als Notfallreserve in Krisenzeiten begehrt war, stieg bis 1975 auf 615 Dollar pro Unze, brach dann wieder ein auf 271 Dollar 2001. Seitdem stieg es wieder an bis auf ein (bisheriges) Allzeithoch von 2063 Dollar am 6. März 2022, bei allerdings immer wieder möglichen Kursbrüchen von fünf bis zehn, manchmal (wie 2014) auch um fast 25 Prozent.
Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.