Seine letzten Worte als US-Präsident haben Geschichte geschrieben: „Auch wenn ich euch heute verlasse, eines will ich euch sagen: Ich bin kein Gauner.“ Dann flog er am 8. August 1974 ab, weil man ihn sonst seines Amtes enthoben hätte: Nicht als Verbrecher in die Annalen eingehen zu wollen, versteht sich von selbst. Doch schon an dieser Formulierung wird erkennbar, was Richard Nixon (1913–1994) bei seinen Landsleuten den Spitznamen „Tricky Dick“ einbrachte.
Ein Gauner – im Original-Zitat „crook“ – bezeichnet einen Hinterhofkriminellen, jemanden, der Kaugummiautomaten knackt oder gefälschte Schecks in Umlauf bringt. Dafür aber hielten Menschen mit Verstand diesen Mann ohnehin nie, denn er war viel zu intelligent, zu clever und zu konsequent in seinem Handeln. Das rhetorische Manöver, sich in der Hierarchie des Gesetzesbruchs eine niedere Stellung zuzuweisen, könnte also wieder eine Strategie gewesen sein, ein Trick.
Seinen Platz als umstrittenster US-Präsident hat Nixon inzwischen an Donald J. Trump verloren. Einzigartig aber ist noch immer der tiefe Zwiespalt, der sich durch sein Handeln zieht: Richard Milhous Nixon, ein Kind aus deutsch-amerikanischer Familie, wuchs in Kalifornien auf und galt schon bald als hochbegabt.
Seine Arbeiten zu Schulzeiten erhielten viele Auszeichnungen, sein Jura-Studium an der Duke-University schloss er als drittbester des gesamten Jahrgangs ab. Doch weil Arbeit bei den großen New Yorker Kanzleien in der Zeit der Großen Depression auch so schwer zu finden war, ging Nixon bald nach Kalifornien zurück und lernte dort mit Pat Ryan die Frau kennen, die er heiraten sollte.
Bekannte von damals erinnerten sich später, dass ihr Freund stets unter höchstem psychischem Druck gestanden habe. Als Navy-Offizier im Zweiten Weltkrieg machten seine Kameraden ähnliche Erfahrungen. Nach dem Ende ging er erst im Team McCarthy auf Kommunistenhatz und hatte sich bei den Republikanern bald so etabliert, dass er unter Dwight D. Eisenhower 1953 bis 1961 als Vizepräsident fungierte.
Schon zu dieser Zeit sorgte er für Aufsehen, wie 1959, als er in Moskau mit dem Sowjet-Chef Nikita Chruschtschow bei der „Küchendebatte“ Auge in Auge die Vorteile des Kapitalismus gegenüber dem Kommunismus verteidigte. Im Rennen um die Präsidentschaft unterlag er John F. Kennedy nur knapp, sein Ehrgeiz blieb ungestillt. Vor seiner Wahl 1968 sorgte er, ganz „Tricky Dick“, dafür, dass Friedensverhandlungen der demokratischen Regierung mit dem Vietnam scheiterten, um sich besser ins Bild zu setzen.
Frieden schenkte Richard Nixon seinen Landsleuten während seiner Amtszeit nicht, dafür viele neue Spannungen. Ja, er sorgte auf der einen Seite für einen neuen Umgang mit der Urbevölkerung, er erließ Gesetze, die sicherstellten, dass Minderheiten bei staatlichen Projekten beschäftigt werden mussten, er erkannte die Themen Frauenrechte und Umweltschutz.
Aber er entfachte gleichzeitig einen Krieg gegen Drogen, der Schwarze mit Heroinkonsum zusammenbrachte und ihn an der Seite eines von Medikamenten zugedröhnten Elvis Presleys zeigte. Noch dazu handelte er einen Abzug der Amerikaner aus Vietnam aus, der einer Kapitulation auf Raten gleichkam.
Den Einbruch in die Wahlkampfzentrale der Demokraten im Watergate-Gebäude, einem Hotel- und Büro-Komplex, nicht im Keim erstickt zu haben, ist bis heute beispiellos. So schuf Nixon die größte Stunde der amerikanischen Medien, angeführt von den beiden „Washington Post“-Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein, die in langen Recherchen das Verbrechen rekonstruierten und dabei mehr als einmal kurz davorstanden, zerstört zu werden. Noch ein Unterschied zu Trump, an dem die Presse durch viele digitale Neuabonnenten zwar reichlich verdiente, den sie aber durch das Aufdecken seiner Lügen nicht in letzte Bedrängnis brachte.
Richard Nixons Nachfolger Gerald Ford begnadigte ihn rasch. Es folgte eine schwere Venenentzündung und ein Dasein als jemand, der stets mit dem Argwohn seiner Umwelt zurechtkommen musste. Ein Lebensende, das man niemandem wünscht, das aber vorkommen kann, wenn man mit seinen Tricks vielen Menschen persönlich mehr geschadet hat, als ein kleiner Gauner das könnte.
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