ROCKTIMES - Nachruf / Zum Tod von Richard Hayward
 

Nachruf / Zum Tod von Richard Hayward
R.I.P. He's the master of rhythm, he's a rock and roll king

Live-Fotos: © Markus Hagner


Nachruf vom 15.08.2010


Steve Braun
Die Welt ist etwas leiser und ein kleines bisschen weniger rhythmisch geworden: Richie Hayward, der Drummer von Little Feat, ist tot. Er starb am 12. August 2010, fast genau auf den Tag ein Jahr nachdem bei ihm Leberkrebs diagnostiziert worden war. Richie hatte, wie viele US-Amerikaner, keine Krankenversicherung und benötigte dringend eine Lebertransplantation. Eine Stiftung, von seinen Bandkollegen gegründet, war dabei, Geld dafür zu sammeln. Gevatter Tod war schneller ...
Große Freude kam auf, als bekannt wurde, dass Little Feat Ende August noch einmal Deutschland und die Schweiz beehren würden - mit Richie Hayward. Diese Tatsache suggerierte, dass sich sein Gesundheitszustand gefestigt hätte und Richie nach einem Jahr Zwangspause zurückkehren könne. Zwischenzeitlich war er durch Gabe Ford, den Sohn Robben Fords und Little Feat Drum-Tech, bei den Live-Shows - und wohl auch in Zukunft - ersetzt worden. Damit wären die 'Facts' abgearbeitet und ich kann etwas persönlicher werden ...
Richie HaywardKaum eine Band hat Klein-Steve in den 1970ern stärker geprägt als diese kleinen Füßchen aus dem sonnigen Kalifornien. Wobei Little Feat eigentlich etwas ganz anderes bedeutet. Dieses Wortspiel stammt noch aus den Zeiten der Mothers Of Invention. Lowell George, der zu gerne festes Mitglied bei Zappa geworden wäre, wurde von dessen Drummer wegen seiner kleinen Füße (feet) gehänselt. 'Feat' dagegen bedeutet 'Heldentaten', wird aber genau wie 'Feet' ausgesprochen - kleine Heldentaten! Was für ein trefflicher Name für diese außergewöhnliche Band und Richie Hayward, der George noch aus The Factory-Zeiten kannte, war Gründungsmitglied. Nach seinem und Lowells Tod 1979 ist jetzt nur noch Bill Payne aus dieser alten Garde übrig.
War es 1974 oder ein Jahr später, als mir "Dixie Chicken" wegen eines unglaublich coolen Covers im Plattenladen meines Vertrauens zunächst ins Auge und dann mitten ins Herz stach? War das ein 'schweinegeiler' Sound - noch nie zuvor hatte ich Vergleichbares gehört. Eine extrem rhythmische, mit zwei Percussionisten fungierende Mischung aus Westcoast Rock, Blues, Soul, Funk und Jazz mit gelegentlichen Cajun- und Country-Einsprengseln - eine wahnwitzige Musik ...
Begonnen hatte alles im Jahr 1969 als sich Lowell George und Roy Estrada von den M.O.I. mit Bill Payne und Richie Hayward zusammenschlossen. Nach dem noch etwas flippigen, von Flower Power beeinflussten, aber keineswegs uninteressanten Debüt-Album folgte mit "Sailin' Shoes" ein erstes dickes Ausrufezeichen. Danach kehrte Estrada zu den 'Mothers' zurück und Little Feat entschlossen sich zu einem 'großen Wurf': Neben dem neuen Bassisten Kenny Gradney kamen mit Paul Barrere ein zweiter Gitarrist und Sam Clayton als weiterer Percussionist dazu. Mit einem Schlag verbreiterten sich nicht nur die musikalischen Möglichkeiten, sondern verfügte die Band nun auch über vier Lead- und zwei weitere Background-Sänger. "Dixie Chicken" war das Ergebnis und das - für mich - beste Studio-Album der Band-Historie. Mit "Waiting For Columbus" folgte wenige Jahre später noch das beste Live-Album der gesamten Musikgeschichte. Punkt oder besser noch: Ausrufezeichen!
Dann folgte der Schock und kurz darauf die schwere Depression: Lowell George starb am 29. Juni 1979 - zerbrochen an seinen Süchten und letztendlich auch an sich selbst. Es war schwer für mich zu akzeptieren, dass Little Feat, diese Vollblutmusiker, nach ein paar Jahren ohne ihn weitermachten: "Let It Roll", dieser Albumtitel sollte Programm werden ... und "Dixie Chicken" wurde zukünftig von Richie gesungen.
Richie Hayward blieb bis zum bitteren Ende das rhythmische Herz Little Feats. Er musste so früh - was sind schon 64 Jahre? - sterben, weil er keine Krankenversicherung hatte. Ein Umstand, der für uns Westeuropäer völlig unverständlich ist. Man kann es nur begreifen, wenn man die Art der Nordamerikaner, ohne Netz und doppelten Boden zu leben, berücksichtigt. Dazu kommt das Leben eines Rock'n'Rollers: Immer mit Vollgas auf der Überholspur. 'Mr. Jack' und 'Mrs. Coke' suggerieren ebenso beständig Unsterblichkeit wie die nicht enden wollende Nachfrage nach einem gefragten Session-Musiker. Richie Hayward wurde von allen US-Größen für Studioaufnahmen und Live-Gigs angefragt: Bob Dylan, Eric Clapton, Robert Plant, Ry Cooder, Peter Frampton, Tom Waits, Joan Armatrading, Bob Seger, The Doobie Brothers, Robert Palmer, Taj Mahal, Buddy Guy, Van Dyke Parks, Carly Simon,
Stephen Stills, Warren Zevon ... Wer denkt da schon an solche 'Nebensächlichkeiten' wie eine schnöde Krankenversicherung?
Richie HaywardRichie Hayward war ein 'Workoholic', der zuletzt bei Little Feat nicht mehr ausgelastet war. Komplett neues Material gab es seit der 2000er Scheibe, "Chinese Work Songs", nicht mehr. Man mochte gar die Veröffentlichungspolitik seit der Gründung des eigenen Hot Tomato-Labels rügen. Jeder halbwegs harmonische Furz aus früheren Zeiten wurde nun veröffentlicht. Da war es nicht verwunderlich, dass sich manch alter Fan der 'ersten Stunden' mit Grausen abwandte.
Seit seiner Hochzeit mit Shauna Drayson am 23. Mai 2008 lebte Richie im kanadischen British Columbia, nahe der Grenze zu den USA. Dies ermöglichte weiterhin ausgedehnte Touren mit seiner Stammband.
Im August 2009 - ausgerechnet im Jahr des vierzigsten Bandjubiläums - wurde der verhängnisvolle Tumor in Richies Leber diagnostiziert. Natürlich die Leber ... bei Little Feat kreiste allzu oft der Jackie aus dem Hause Daniels. Am 9. August spielte er seine letzte Show in Billings, Montana. Eine Stiftung wurde für ihn gegründet, um das für eine Lebertransplantation notwendige Geld zu sammeln. Sweet Relief kümmert sich um Musiker, die schwer erkrankt und durch keine Krankenversicherung abgesichert sind - aktuell um Brian O'Connor, den ebenfalls an Krebs erkrankten Bassisten der Eagles Of Death Metal. Wer noch etwas Gutes im Sinne von Richie Hayward tun möchte, der möge dieser Stiftung etwas Geld zukommen lassen.
Leb wohl, Richie, RockTimes trauert um Dich. Verleih' den 'Heaven Allstars' Deine Taktstöcke, wie es vor Dir schon Lowell mit seiner Slide getan hat und macht gefälligst eine schöne Coverversion von "Dixie Chicken". Auf Euch beide ist diese Zeile aus dem "Rock'n'Roll Doctor" gemünzt:

»He's the master of rhythm, he's a rock and roll king ...«
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