Reiskirchener »Türenöffner« geht
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Reiskirchener »Türenöffner« geht

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Pfarrer Christian Stiller bei seiner Abschiedsrede in der Kirche in Ettingshausen. Foto: Launspach © Launspach

Pfarrer Christian Stiller wurde jetzt feierlich verabschiedet . Er arbeitet künftig als Schulpfarrer in Gießen.

Reiskirchen . An Ostern des Jahres 2019 lernt ein Berliner Energiebündel den ländlichen Raum Oberhessen kennen: Christian Stiller wird Pfarrer für die evangelischen Gemeinden Harbach, Ettingshausen und Hattenrod. Und die Kirchenbesucher kennen seitdem den Zwischenapplaus im Gottesdienst. Mit dem Pfarrer auf »Du und Du« wurde salonfähig zwischen den Generationen. Im Abschiedsgottesdienst wurde deutlich, dass die Gemeinden ihren Pfarrer nur ungern ziehen lassen. Die Chorgemeinschaft Harbach/Hattenrod eröffnete den Gottesdienst mit dem Lied »Lass die Sonne in dein Herz«. Ein Vertreter des Ortsbeirates Harbach sagte, dass es Stiller immer verstanden habe, den Menschen in der Gemeinde nah zu sein. Pfarrer Ciprian Tiba sprach über den schmerzlichen Verlust, der verursacht wird, wenn der Pfarrer vor Ort wegginge.

»Kirche muss nahbar bleiben«

Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes Ettingshausen, Reiner Schneider, spielte auf Stillers Wirken an, als er sagte »Nicht nur in der Predigt hat er ein schnelles Tempo vorgelegt.« Wie recht Schneider hatte. In der aktuellen Ausgabe »Die Dorfkirche« schreibt Stiller eine Zusammenfassung seiner Projekte: »Ob Telefongottesdienste, ob Zwischenraum oder Förderanträge…ob Kirchenbauerneuerungen, Büro-Umzüge oder Archivarien-Pflege.« Er verstand es, die Menschen für seine Ideen zu begeistern, auch wenn dies um 23 Uhr bei einem Telefonat dem Angerufenen nicht immer leichtfiel. In den fünf Jahren seiner Amtszeit waren und sind Krisen wie Corona, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine oder der Krieg im Nahen Osten präsent und begleiten ihn in seiner kirchlichen Arbeit. Den Reformprozess der evangelischen Kirche ekhn2030 sieht Stiller kritisch und hat auch den Mut, dies klar zu äußern. Die Kirche soll im Dorf bleiben, soll persönlich und nahbar sein. Dass ist ihm wichtig. Umso froher war er um die Gründung des Nachbarschaftsraumes, der 16 Kirchengemeinden umfasst.

In seiner Ansprache zu seinem Abschied mahnte er, dass Gott keine feste Größe mehr zu sein scheint. Alles wandele sich und Abschied falle nicht immer leicht. Er bat darum, offen zu sein im Leben. Altes vergehe, Neues beginne. »Fünf Jahre, die im Herzen wohnen und jetzt gehört ihr alle dazu«, so resümierte er. Dekanin Barbara Lang sprach in ihrer Verabschiedung »alles was ihr tut, das geschehe in Liebe. Liebe lässt Neues, nie Dagewesenes entstehen.« Es sei der Auftrag die Kirche zu gestalten. Zu Stiller gewandt fasste sie zusammen, dass er die Welt sehe. Er schaue genau hin, sehe was die Menschen bewege und bette es in die Theologie mit ein.

»Ein Pfarrer, der Visionen hat und mit anpackt.« Stiller selbst habe den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung geäußert. Seine Bewerbung als Schulpfarrer wurde entsprochen und seit dem ersten Februar dieses Jahres wirkt er in der Ricarda-Huch-Schule in Gießen. Dass Stiller einen Draht zu Kindern und Jugendlichen hat und die gleiche Sprache sprechen kann, wurde in vielen seiner Gottesdienste deutlich. Er versteht es, die biblischen Texte den jüngeren Kirchengästen verständlich zu machen, ohne deren Sinn zu verfälschen. Die Kinder des Ettingshausener Kindergartens und der Grundschule kamen gemeinsam als Überraschung mit Luftballons in die Kirche um ihrem Pfarrer ihre Wertschätzung zu zeigen. Ebenfalls unerwartet war der gesangliche Hochgenuss von Nicole Tamburro, die aus der Operette Frau Luna das Lied »Schlösser die im Monde liegen« vortrug. Dieses Lied entstammte einst aus einem Telefongottesdienst, den Stiller mit Pfarrerin Christin Neugeborn während der Pandemie abhielt. Aus dem Leben eines Pfarrers berichtete Stiller von einem Gesuch der besonderen Art. So konnte er mit Unterstützung der katholischen Pfarrer Tibia (Laubach) und Lukasz Szafera (Buseck) einer Bitte um Weihwasser entsprechen. Ein kurzer Anruf bei seinen katholischen Kollegen und keine 30 Minuten hatte er das wertvolle Wasser in der Hand.

Pfarrer Christian Stiller, der einstige Redakteur der Märkischen Oderzeitung, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Bundestages, ein Macher, ein Rebell im besten Sinne. »Seine Offenheit, auf Menschen zuzugehen, sein echtes Interesse an der Person und ihrer Geschichte hätten ihm schnell Türen geöffnet«, so ist in einem Zeitungsbericht zu seiner Ordination im Jahr 2019 zu lesen. Weiter steht dort er habe »viele Schlüssel besessen, die ihm Räume, oft auch neue Lebensräume geöffnet hätten«. Die Gemeinden Harbach, Ettingshausen und Hattenrod haben ihm ihre Räume geöffnet und sie werden für ihn stets offenbleiben.

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