Radio Rock Revolution
Unter der Regie von Richard Curtis ("Tatsächlich Liebe") kämpft eine Handvoll Rock-'n'-Roll-Rebellen im Jahr 1966 gegen den Musik-Muff der BBC.
Originaltitel
The Boat That Rocked
Regie
Dauer
135 Min.
Kinostart
16.04.2009
Genre
FSK
12
Produktionsland
Cast & Crew
Der Graf
Quentin
Desiree
Charlotte
Minister Dormandy
Gavin
Eleonore
Angus
Dave
Twatt
Marianne
Simon
Bob
Premierminister
Carl
Mark
Harold
Felicity
Thick Kevin
John
Miss Clitt
Redaktionskritik
Basierend auf wahren Ereignissen erzählt dieses Feel-good-Movie vom Kampf einer Handvoll DJs gegen die Langeweile im Äther
„Video Killed the Radio Star“, sang die britische Synthiepop-Band The Buggles 1979. In den Swinging Sixties aber waren solchen Befürchtungen undenkbar. Damals genossen vor allem in England die DJs der in der Nordsee umherschippernden und allen Wellen und Übelkeitsattacken trotzenden Piratensender einen regelrechten Ikonenstatus – revolutionierten sie doch nicht nur den Massengeschmack, sondern auch den Umgang mit den Zuhörern und den Sprachgebrauch on air. Angestaubte Ansagen und Klassikmarathons wurden ersetzt durch rotzige Punksongs von The Kinks („All Day and All of the Night“), The Who („My Generation“) oder auch Creams „I Feel Free“.
Die perfekte Handlung für ein beschwingtes Feel-good-Movie made in Britain.
Zwei Stunden Rock ’n’ Roll pro Woche: Mehr gewährt das britische Radio seinen Zuhörern nicht. Schließlich ist allein die BBC mit ihren Informationssendungen sowie Jazz- und Klassikprogrammen für die akustische Fortbildung der englischen Untertanen zuständig. Blöd nur, dass 25 Millionen Menschen einen ganz anderen Geschmack haben. Und vor allem einer reagiert auf diesen Trend: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sendet der Piratensender Radio Rock seine Programme – und garniert dieses mit lockeren Sprüchen und frivolen Wortspielereien. Stars des zusammengewürfelten Haufens sind der notgeile Kugelblitz Doctor Dave (Nick Frost), der amerikanische „Gott der Wellen“, genannt The Count (Philip Seymour Hoffman), sowie der arrogante Paradiesvogel Gavin (Rhys Ifans). Im Zaum gehalten werden diese Überegos von Programmchef Quentin (Bill Nighy), dessen schüchterner Patensohn Carl (Tom Sturridge) eines Tages mitten in das wilde Treiben katapultiert wird. Neben ihren Sessions lassen es die DJs auf ihrem Kahn nämlich ganz im Stile der freien Liebe ordentlich krachen.
Während der Popkahn aber gemächlich vor der Küste Englands auf See treibt, braut sich in London Unheil zusammen. Der erzkonservative Minister Dormandy (Kenneth Branagh) – eine cholerische Mischung aus Adolf Hitler und einem verkniffenen britischen Beamten – schmiedet boshafte Pläne, um dem Piratensender und seinen „drogenverseuchten, kulturlosen Umtrieben“ ein für alle Mal den Garaus zu machen. Doch er hat nicht mit der Unterstützung der britischen Bevölkerung gerechnet.
Richard Curtis, Fachmann für romantische Komödien – der 52-Jährige inszenierte die lockere Episodenkomödie „Tatsächlich ... Liebe“ und schrieb die Drehbücher zu den Kassenschlagern „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Notting Hill“ und „Bridget Jones — Schokolade zum Frühstück“ – setzt in seiner zweiten Regiearbeit weniger auf Liebeleien und Verwechslungen als vielmehr auf anarchischen Slapstick.
Inspiriert durch die Geschichte einer Handvoll schwimmender Piratensender wie Radio Caroline, der unter anderem vor der Isle of Man in der Irischen See lag, erzählt Curtis aus der Sicht des unschuldigen Carl eine psychedelische Zeitreise voller Wortwitz, mit einem charismatischen Ensemble, dem man den Spaß förmlich ansieht, und einem Soundtrack, der die Beine zuckeln und die Ohren klingeln lässt – auch wenn nicht alle Songs aus den 60er-Jahren stammen.
Dabei konzentriert sich Curtis aber nicht nur auf den chaotischen und subversiven Alltag an Bord, sondern auch auf die verbohrten Maßnahmen des Establishments gegen die „Rock-’n’-Roll-Pornografie“: Mit dem „Marine Broadcasting Offences Act“ hungerte das Vereinigte Königreich am 15. August 1967 die illegalen Stationen regelrecht aus. Jegliche finanzielle Unterstützung der unlizenzierten Stationen, die von ausgemusterten Frachtern mit bis zu 60 Meter hohen Sendemasten außerhalb der Dreimeilenzone auf Sendung gingen, wurde unter Strafe gestellt. Das Todesurteil für die privaten Stationen. Ausnahme: Radio Caroline, das auch heute noch, wenngleich legal, die Insel mit neuester Musik versorgt.
Auch wenn aufgrund der Kriminalisierung der Ätherrebellen und ihrer Sponsoren weitestgehend Funkstille auf hoher See herrschte, der Schreck einer Konkurrenz vor der eigenen Küste rüttelte die British Broadcasting Corporation, kurz BBC, auf: Nur einen Monat nach dem Inkrafttreten des Gesetzes passte der Monopolist sein Programm an die jungen Hörerinnen und Hörer an – bizarrerweise mit der Hilfe der vorher so verhassten Radiopiraten wie DJ-Legende Tony Blackburn. Bis heute sendet BBC auf Radio 1 Chartmusik, und Radio 2 befriedigt den Geschmack von Easy- Listening-Fans – flankiert von lockerem Geplauder.
Außerhalb Englands existierten einige Stationen noch bis in die 70er-Jahre hinein. Radio Nordsee International etwa bezog sein schwimmendes Hauptquartier auf der „Mebo II“, einem ehemaligen norwegischen Trawler, der vor der südholländischen Küste bei Noordwijk vor Anker lag. Durch zunehmende Konkurrenz auf dem hart umkämpften Werbemarkt machten damals aber so manche Piratensender ihrem Namen unrühmliche Ehre: Anfang der 70er-Jahre kam es zu einem Bombenanschlag auf die „Mebo II“ durch Mitglieder von Radio Veronica. Und sogar der durchgeknallte Flower-Power-Friseur Mario Welman aus Amsterdam versuchte, das Schiff zu kapern. Nur einer von diversen Enterversuchen.
Solche dramatischen und merkwürdigen Ereignisse klammert Richard Curtis in seinem Film zugunsten der unbekümmerten Stimmung weitestgehend aus. „Ich wollte keinen Film darüber machen, wie Jimi Hendrix an Drogen stirbt oder wie ein Fan während eines Rolling-Stones-Konzerts zusammensackt“, sagt Curtis. „Ich wollte nur einen Film machen über einen Sender, den die Leute geliebt haben.“ Dass die Story dabei eher als loses Gerüst für eine Vielzahl von Sketchen dient, ist angesichts seiner Leidenschaft für das Thema mehr als verzeihlich.
Diese Begeisterung springt dank wilder Tanzeinlagen auf dem Oberdeck, wilder Orgien im Schiffsrumpf und einem berauschten Wir-Gefühl nämlich schon beim Vorspann auf den Zuschauer über. Selbst während der bekifftesten und entrücktesten Diskussionen an Deck hat man so das Gefühl, Teil dieser freigeistigen Subkultur zu sein.
Community-Kritiken zu Radio Rock Revolution