Ein Mord, zwei ungleiche Schwestern und der �bliche lange Schatten der Vergangenheit, der sich auf der eisigen Winterlandschaft Schleswig-Holsteins niederschl�gt. Das Genre ist per se ein Eiertanz, bei "Racheengel" muss sich der Zuschauer besonders dumm stellen. Wer bereit ist, die "K�nstlichkeit" der Thriller-Dramaturgie zu ertragen und �ber die psychologischen Ungereimtheiten hinwegzusehen, f�r den h�lt der Film an der Oberfl�che einiges bereit.
Foto: ZDFdie dunkle Schwester:
Katharina Wackernagel
Foto: ZDFdie helle Schwester:
Gesine Cukrowski
Ein Luxushotel in Travem�nde, ein Politiker liegt tot in der Badewanne. Ein typisches Selbstmordszenario – ein bisschen zu typisch f�r die Kommissarin Tina Campenhausen. Als wenig sp�ter ihre Schwester Jenny vor der T�r steht, zu der sie seit ihrer Kindheit keinen Kontakt mehr hatte, reagiert sie seltsam. All die Jahre hat sie nicht einmal dem eigenen Ehemann von ihrer Schwester erz�hlt. So furchtbar, wie sie als Kind gewesen sein soll, scheint sie heute gar nicht mehr zu sein. Vor allem Tinas Tochter Marie schlie�t die phantasievolle Tante in ihr Herz. Auch Kripo-Kollege Christoph ist von ihr angetan. Tina schweigt sich weiterhin aus. Vielleicht auch – weil sie Jenny sch�tzen will, von der sie ahnt, dass sie etwas mit dem Tod des Politikers zu tun haben k�nnte. Denn mit diesem Brederstein, wie er sich heute nennt, hatten beide in ihrer Kindheit schlimme Erfahrungen machen m�ssen.
Foto: ZDF / Stephan Persch"Racheengel" – Umarmung etwas zu nah (!) am Abgrund? Koeberlin, Wackernagel
Inhaltsbeschreibungen von Thrillern sind ein Eiertanz – so wie das Genre selber. Insbesondere im Fernsehen, wo das Realit�tsdiktat unsichtbar �ber allen Geschichten schwebt. Also muss man sich durchmogeln, um „die heikle Gratwanderung zwischen psychologischer Glaubw�rdigkeit und m�glichst effektvoller, durchg�ngiger Spannung“, wie es Redakteur Pit Rampelt nennt, zu bestehen. Die „K�nstlichkeit“ der Thriller-Konstruktion, das bewusste Zur�ckhalten von Informationen, um die Handlung in Gang zu halten, ja um sie �berhaupt zu legitimieren, ist eine B�rde. „Racheengel – Ein eiskalter Plan“ �berspielt das logische Dilemma, indem die „Verz�gerung“ der Vergangenheits(auf)kl�rung durch die Verschlossenheit der Hauptfigur motiviert wird, die in einem Schuldkomplex ihre Ursache besitzt. Das ist und bleibt ein Trick, mit dem sich das Genre behelfen muss. Will sagen: Um Thriller wie „Racheengel“ goutieren zu k�nnen, muss man sich (wie bei allen klassisch erz�hlten Genres) ziemlich dumm stellen. Au�erdem verr�t der Filmtitel dem, der mit dem Genre einigerma�en vertraut ist, mehr, als n�tig gewesen w�re. Weniger knallig, w�re die Genre-Verabredung lockerer und w�rde dem Zuschauer gr��ere M�glichkeiten geben, die Zeichen selbst zu „lesen“.
Foto: ZDF / Stefan Persch"Racheengel" – Wer steht hier unter Mordverdacht? Wackernagel, Cukrowski
Und es gibt einiges zu „lesen“: So gelingt es Gesine Cukrowski, helle und dunkle T�ne gleicherma�en zu treffen und die Spr�digkeit, die diese an den Tag legt, wird von Katharina Wackernagel mit einer Weichheit konterkariert, die in der Lage ist, f�r gelegentliche Irritationen in Sachen Sympathieverteilung zu sorgen. Koeberlin �berzeugt einmal mehr als der Kumpel schlechthin. Und der Februar 2010 sorgte daf�r, dass der „Eiskalte Plan“ auch in die richtige �sthetik gepackt wurde. „Die monochrome K�lte au�en und die Schein tr�gende W�rme innen, wurden zum leitenden Gedanken der Farbdramaturgie“, so Produzent Wolfgang Cimera. Eigentlich sollte der Film im fr�hen Herbst gedreht werden. So h�tte man die psychologischen Ungereimtheiten der Story nicht so gut hinter den Bildern von klirrender K�lte verstecken k�nnen. Vor allem der Winter hat diesen ZDF-Thriller also gerettet.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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