Wie verklagt man einen Präsidenten? – Im Interview mit Meltem Kaptan
Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan) führt in ihrem Bremer Reihenhaus das Leben einer gut gelaunten und liebevollen Hausfrau und Mutter. Die fünfköpfige Familie scheint glücklich, bis Rabiyes ältester Sohn Murat während einer Reise verhaftet wird und in Guantanamo landet. Schlagartig steht das Leben der Familie Kopf und Rabiye muss sich plötzlich mit Anwälten, Behörden und der Presse herumschlagen, bis sie sich schließlich in Washington vor dem Supreme Court wiederfindet.
Wem diese Geschichte bekannt vorkommt, der hat in den frühen 2000er Jahren vermutlich die Berichterstattung um Murat Kurnaz verfolgt, der vier Jahre unschuldig in Guantanamo inhaftiert war.
Der Regisseur Andreas Dresen nahm sich den Stoff um den Fall Murat nun aus einer ganz anderen Perspektive vor, nämlich der der Mutter Rabiye, die über all die Zeit für ihren Sohn kämpfte. Der Film, in dem diese wahnsinnig emotionale Geschichte erzählt wird, ist großartig besetzt mit Meltem Kaptan als Rabiye Kurnaz und Alexander Scheer als ihr Anwalt.
Wir durften Meltem vor der Premiere treffen und haben sie gefragt, wie sie die Dreharbeiten empfunden hat und wie es ist, eine Frau zu spielen, die es tatsächlich gibt.
ZEITjUNG: Hallo Meltem, erstmal freue ich mich, dass das heute geklappt hat! Ich habe gehört, dass du bis gestern noch in Istanbul warst und dort deinen neuen Film vorgestellt hast. Wie war das?
Meltem: Hallo, ja freut mich auch sehr! Weißt du was aufregend ist? Zu sehen, wie der Film in der Türkei ankommt. Ob an den gleichen Stellen gelacht wird, ob der Film an den gleichen Stellen berührt. Wie wird die Geschichte aufgefasst und angenommen? Und es war so schön zu sehen, dass der Film auch dort gut ankommt. Vieles funktioniert gleichermaßen und da merkt man gleich, dass das ein Film ist, der Grenzen überwindet.
ZEITjUNG: Ja das kann ich mir gut vorstellen. Schließlich ist der Film an sich auch extrem interkulturell. Da sind die deutschen Behörden auf der einen Seite, die amerikanische Justiz auf der anderen und dann natürlich auch die türkische Staatsangehörigkeit Murats, die einen großen Einfluss auf den Umgang mit ihm hat.
Meltem: Ja das stimmt. Nur ein Beispiel hierzu: Während der Berlinale gab es eine internationale Pressekonferenz, mit Journalist*innen aus den verschiedensten Ländern. Und im Laufe dieser Konferenz ist zunächst eine Frau aus Mexiko aufgestanden und hat gemeint, dass der Film in Mexiko gut funktionieren werde, weil Rabiye die typische mexikanische Mama verkörpern würde. Keine zwei Minuten später sprang eine Amerikanerin auf und entgegnete: „Nein, Rabiye ist eine typisch amerikanische Mutter“, und so ging das immer weiter. Egal ob Indien, Italien oder Tschechien, jede dieser Frauen konnte sich mit Rabiye identifizieren. Und da haben wir gemerkt: Diese Mütterlichkeit ist ein absolutes Ur-Thema, welches kulturübergreifend Emotionen auslöst. Jeder kennt das und jeder kennt solche Mütter.