Proxima: Die Astronautin | Film-Rezensionen.de
Proxima: Die Astronautin
© Koch Films

Proxima: Die Astronautin

Inhalt / Kritik

Proxima: Die Astronautin
„Proxima: Die Astronautin“ // Deutschland-Start: 24. Juni 2021 (Kino) // 25. November 2021 (DVD/Blu-ray)

Seit ihrer Kindheit schon träumt Sarah (Eva Green) davon, ins Weltall zu fliegen. Eben dieser Traum scheint nun in Erfüllung zu gehen, als sie Teil der einjährigen Welttraumission Proxima wird. Doch diese Freude wird durch mehrere Faktoren getrübt. Da wäre zum einen ihr Chef, der US-Amerikaner Mike (Matt Dillon), der ihr zu verstehen gibt, dass ihm ein Mann in ihrer Position lieber gewesen wäre. Vor allem aber macht ihr die Vorstellung zu schaffen, ihre junge Tochter Stella (Zélie Boulant-Lemesle) zurücklassen zu müssen. Denn auch wenn ihr Ex-Mann Thomas (Lars Eidinger) sich bereit erklärt, sie bei sich aufzunehmen, leicht fällt ihr die nahende Trennung nicht. Wie soll sie ihrer Tochter auch begreifbar machen, dass sie Stella nicht weniger liebt, nur weil sie fortgeht?

Die traditionelle Geschlechtertrennung

Auch wenn sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan hat im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zumindest in den Köpfen der Menschen gibt es nach wie vor viele verfestigte Vorstellungen. Das zeigt sich auch bei der Berufswahl, die trotz aller positiven Tendenzen noch immer von alten Rollenbildern geprägt sind. Das demonstriert Proxima: Die Astronautin anhand eines eher ungewöhnlichen Berufes, dem des Astronauten. Denn auch wenn es erst einmal keinen direkten Grund dafür gibt, warum ausgerechnet Männer diesen ausüben sollen, so zeigt ein Bild auf der Crew der Mission, dass bis zur Gleichstellung noch das ein oder andere Lichtjahr fehlt. Und auch die Art und Weise, wie Mike mit Sarah umgeht, demonstriert, dass das 21. Jahrhundert noch nicht dort ist, wo es sein sollte.

Das zeigt sich insbesondere auch bei Crew-Mitgliedern, die Kinder haben. Da wird schon recht deutlich impliziert, dass es die Mutter ist, die sich um diese kümmern muss, während der Vater ohne jegliche Einschränkungen zu den Sternen fliegen darf. Zumindest anfangs wirkt es daher so, als sei Proxima: Die Astronautin ein rein feministischer Film, der im Kontext des Weltraumflugs irdische Missstände anprangert. Und doch ist das Drama von Regisseurin und Co-Autorin Alice Winocour (Der Bodyguard – Sein letzter Auftrag) deutlich vielschichtiger, als es diese Beschreibung vermuten lässt. Zum einen entdeckt der anfangs so einseitig erscheinende Mike noch eine verständnisvolle Seite in sich. Und auch Thomas macht eine Wandlung durch: Will man zu Beginn noch an der Möglichkeit verzweifeln, dass er sich um Stella kümmert, wächst er in seine Rolle immer mehr hinein, bis er tatsächlich Sarah gegenüber ebenbürtig ist.

Gehen oder bleiben?

Dabei verschiebt sich auch der inhaltliche Fokus. Geht es zunächst vor allem darum, wie sich Sarah als Frau schlägt, nimmt die Beziehung zwischen ihr und Stella einen immer größeren Anteil an der Geschichte. Die zentrale Frage dabei ist: Darf sie als Mutter ihr Kind zurücklassen, um Teil der Mission zu werden? Das bedeutet nicht nur, dass sich die beiden lange nicht mehr sehen werden. Ganz ohne Gefahr ist die Mission zudem nicht. Da ist immer das Risiko, dass Sarah etwas zustoßen könnte und ihre Tochter die Mutter verliert. Eine der herzerweichendsten Szenen von Proxima: Die Astronautin ist dann auch, wie die Protagonistin einen Brief für den Fall der Fälle schreiben soll, so sehen es die Bestimmungen vor, der an die Hinterbliebenen überreicht werden kann. Die letzten Worte an eine trauernde Familie.

Emotionale Momente gibt es in dem Film auch darüber hinaus an mehreren Stellen. Dankenswerterweise zeigt sich Winocour hier aber von einer sehr zurückhaltenden Natur. Das Drama, welches auf dem Toronto International Film Festival 2019 debütierte, hat an Herzschmerzkitsch kein Interesse, versucht nicht, das Publikum zu manipulieren. Es hält sich auch mit Urteilen zurück. Proxima: Die Astronautin lässt offen, ob die Entscheidung Sarahs richtig ist. Steht die Pflicht als Mutter über dem Recht der Selbstverwirklichung? Ist es wichtiger, sich um das eigene Kind zu kümmern oder die Menschheit in ihrer Gesamtheit voranzutreiben? Wie groß dürfen und sollten persönliche Opfer sein?

Stark gespielte Ruhe

Das ist alles sehr ruhig erzählt, für manche sicherlich zu ruhig. Proxima: Die Astronautin ist keiner dieser Filme, die dem Publikum alles abnehmen möchten. Getragen wird das Drama dabei durch Eva Green, die hierfür eine Nominierung als beste Hauptdarstellerin bei den Césars 2020 erhielt. Sie hält die Balance aus Stärke und Schwäche. Verkörpert eine Frau, die für ihre Überzeugungen kämpft und einen festen Willen hat, gleichzeitig aber auch von kontinuierlichen Zweifeln heimgesucht wird. Unterstützt wird die Französin dabei durch ein prominentes internationales Ensemble, welches die menschliche Komponente der Science-Fiction-Geschichte schön herausarbeitet. Auch wenn das konkrete Szenario für die meisten sehr fern sein dürfte, kann sich hier doch jeder selbst wiederfinden und Denkanstöße für das eigene Leben mit auf die Reise nehmen.

Credits

OT: „Proxima“
Land: Frankreich, Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Alice Winocour
Drehbuch: Alice Winocour, Jean-Stéphane Bron
Musik: Ryūichi Sakamoto
Kamera: George Lechaptois
Besetzung: Eva Green, Zélie Boulant-Lemesle, Matt Dillon, Aleksey Fateev, Lars Eidinger, Sandra Hüller

Bilder

Trailer

Interview

Alice Winocour Proxima InterviewWas zeichnet gute Eltern aus? Und weshalb sind wir so von der Idee fasziniert, auf einen fremden Planeten zu reisen? Diese und andere Fragen haben wir Regisseurin und Co-Autorin Alice Winocour in unserem Interview zu Proxima: Die Astronautin gestellt.

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
César 2020 Beste Hauptdarstellerin Eva Green Nominierung
Prix Lumières 2020 Beste Hauptdarstellerin Eva Green Nominierung

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„Proxima: Die Astronautin“ erzählt von einer Frau, die Teil einer wichtigen Raumfahrtmission werden will und dafür ihre Tochter zurücklassen muss. Der Film beginnt als Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen, wandelt sich anschließend aber zu einem persönlichen Drama, welches persönliche und gesellschaftliche Verantwortung gegenüber stellt. Das ist sehr ruhig erzählt, geht aber doch zu Herzen und ist dabei packend gespielt.
8
von 10