Pro und Contra: Alle in die gleiche Rentenversicherung? | BR24
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Rentenkasse für alle: Was spricht dafür, was dagegen?

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Pro und Contra: Alle in die gleiche Rentenversicherung?

Das Generationenversprechen scheint gebrochen: Die Rente fühlt sich gerade für junge Leute nicht mehr sicher an. Wäre es da nicht fair und solidarisch, wenn einfach alle in dieselbe Rentenkasse einzahlen? Die wichtigsten Argumente dafür und dagegen.

Über dieses Thema berichtet: Das Verbrauchermagazin am .

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Dieser Beitrag ist aufgrund von Anregungen aus der BR24-Community entstanden. Im Rahmen des Formats "Dein Argument"  suchen wir in den Kommentarspalten nach zusätzlichen Argumenten, um sie in unsere Berichterstattung aufzunehmen. 💬

In den Kommentaren zu Rententhemen auf BR24 kommt immer wieder die Forderung auf, alle Beschäftigten in die gesetzliche Alterssicherung einzubeziehen, auch Beamte und Selbständige. Hier die wichtigsten Argumente dafür und dagegen.

Pro

Was spricht für eine Rentenkasse für alle? In der Diskussion werden vor allem drei Argumente genannt:

1. Das Argument der Gerechtigkeit

Sozialverbände wie der VdK stellen immer wieder fest: Es sei ungerecht, dass Arbeitnehmende und Beamte bei gleichem Arbeitsentgelt später sehr unterschiedliche Altersbezüge haben. Der VdK rechnete im Jahr 2019 bei seiner Kampagne #rentefüralle vor: Wenn eine Angestellte und eine Beamtin jeweils knapp 32.000 Euro im Jahr verdienen, bekomme die Angestellte nach 45 Arbeitsjahren im Alter von 67 Jahren eine gesetzliche Rente von weniger als 1.100 Euro. Wenn eine Beamtin für das gleiche Jahreseinkommen 40 Jahre lang bis zum Alter von 67 arbeitet, erhalte sie eine Pension von mehr als 1.900 Euro: "Also nahezu das Doppelte", kritisierte der VdK.

Auch in einigen Parteiprogrammen findet sich die Forderung nach einer "Bürgerversicherung" (Grüne) oder auch "Erwerbstätigen-Versicherung" (Die Linke), in die alle Berufstätigen einzahlen. Auch die SPD schreibt in ihrem Programm zur zurückliegenden Bundestagswahl: "Es ist an der Zeit, die Gesamtheit der Erwerbstätigen in die Rentenversicherung aufzunehmen und die Sondersysteme auf lange Sicht zu überwinden." Die AfD will zumindest Abgeordnete in die gesetzliche Rente einbeziehen.

2. Hoffnung auf mehr Stabilität

Diejenigen, die alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rente einbeziehen wollen, verbinden das auch mit dem Argument, damit werde die Basis der Rentenkassen verbreitert und gestärkt. Die Hoffnung ist also, dass die gesetzliche Rente stabiler wäre, weil mehr Menschen einzahlen.

3. Das Argument der System-Logik

Am Nebeneinander der verschiedenen Alterssicherungssysteme in Deutschland gibt es nicht nur die Kritik, diese Aufspaltung sei ungerecht und schwäche die gesetzlichen Rentenkassen. Es gibt auch die Einschätzung, diese Mehrgleisigkeit passe nicht zur Logik unseres Rechtssystems. Der langjährige Präsident des Bundessozialgerichts beispielsweise, Rainer Schlegel, hat wiederholt gefordert, auch Beamte, Richter, Selbständige oder Soldaten in die gesetzliche Rente mit einzubeziehen.

Es gebe keinen vernünftigen Grund, warum für solche Berufsgruppen andere Regeln zur Alterssicherung gelten sollen als für Arbeitnehmer, argumentiert Schlegel. Auch, dass etwa Ärzte oder Apotheker eigene berufsständische Versorgungswerke haben, gehört seiner Ansicht nach in die Welt des 19. Jahrhunderts und nicht in die Gegenwart.

Als Beispiel für Regelungen, die sich logisch nicht erklären lassen, nennt der ehemalige oberste Sozialrichter Deutschlands beispielsweise Vorstände von Aktiengesellschaften. Sie haben zwar einen Arbeitsvertrag, sind aber von der Rentenversicherungspflicht befreit. Chefs anderer Kapitalgesellschaften wie etwa GmbHs sind hingegen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.

Contra

Der Forderung nach einer einheitlichen Rentenversicherung werden vor allem drei Argumente entgegengesetzt.

1. Der Beamtenstatus ist eine ganz eigene Form der Beschäftigung

Diejenigen, die etwa die eigenen Pensionsregeln für Beamte verteidigen, erinnern immer wieder daran: Beamte haben rechtlich in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung. Sie arbeiten laut Gesetz nicht für einen Arbeitgeber, sondern für einen "Dienstherrn". Zu diesem stehen sie laut Gesetz "in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis".

Das bedeutet zum einen, dass Beamte beispielsweise nicht streiken dürfen. Der Dienstherr wiederum verpflichtet sich, seine Beamten auf besondere Weise sozial abzusichern, etwa eben durch Pensionszahlungen im Ruhestand, die einer anderen Logik folgen als die gesetzliche Rente. Es gilt das sogenannte "Alimentationsprinzip". Das Bundesinnenministerium formuliert es so: "Danach ist der Dienstherr verpflichtet, der Beamtin oder dem Beamten im aktiven Dienst, bei Invalidität und im Alter einen dem Amt angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren."

Auch bei Selbstständigen kommt aus verschiedenen Berufsverbänden oft die Argumentation, die Alterssicherung von Ärzten, Apothekern oder auch Unternehmerinnen habe eine ganz eigene Geschichte und diese Tradition habe sich bewährt.

2. Wer zusätzlich in die Rentenversicherung kommt, hat später zusätzliche Ansprüche

Ein Hauptargument der Gegner einer "Rentenversicherung für alle" lautet: Wenn Millionen 30- oder 40-Jährige, die bislang nicht in die Rentenkassen einzahlen, in die gesetzliche Rente einbezogen werden, dann schafft das nur kurzfristig eine Entlastung. Denn die Neuzugänge erwerben mit jedem Euro, den sie einzahlen, auch Ansprüche, die die Rentenkassen später an sie auszahlen müssen.

Dabei muss man beachten: Jemand, der 6.000 Euro im Monat verdient, zahlt zwar doppelt so viel in die Rentenkasse ein wie jemand, der 3.000 Euro hat. Der Besserverdiener hat hinterher aber auch doppelt so hohe Ansprüche an die Rentenkasse. Seine Beiträge entlasten die Rentenkassen unterm Strich also nicht.

Das Prognos-Institut kommt in einer Untersuchung, die die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hat, zu dem Ergebnis: Eine Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung könnte die Rentenkassen zunächst entlasten, allerdings nur bis zum Jahr 2070.

3. Die Umstellung wäre ein Mammutprojekt

Aus dem Deutschen Beamtenbund (DBB) kommt auch das Argument, eine Umstellung der heutigen mehrgleisigen Alterssicherung wäre mit gigantischem Aufwand verbunden. Eine Neuausrichtung würde bis zu 40 Jahre dauern, argumentiert der Beamtenbund. Während dieser Umstellungsphase werde es "zu einer immensen Doppelbelastung" kommen, warnt der DBB. Denn die verschiedenen Finanzierungslogiken der gesetzlichen Rente und der Beamtenpensionen müssten mit großem Aufwand zusammengeführt werden.

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