Robin Gadermaier: Grenzgänger des Jazz - Robin Gadermaier: Grenzgänger des Jazz -

Robin Gadermaier: Grenzgänger des Jazz

Robin Gadermaier, Foto © Paul Nagl, Thats Jazz, z.V.g.
Robin Gadermaier, Foto © Paul Nagl, Thats Jazz, z.V.g.

Der Lehrer an der Musikschule Herzogenburg nimmt sich die Freiheit, sowohl im Jazz als auch im Pop mitzumischen. Für Robin Gadermaier ist die Bühne einer der letzten Orte, wo man wirklich frei sein kann. Dort sticht seine unkonventionelle Spielweise ins Auge, wenn er seinen Bass in der klassischen Akustik-Gitarrenposition auf einem Stativ spielt.

Fragen: Werner Harauer
Foto: Paul Nagl, z.V.g.

City-Flyer: Gibst du nach wie vor Unterricht als Basslehrer in der Musikschule Herzogenburg?

Robin Gadermaier: Ja, seit 2014 bin ich die zuständige Lehrkraft für E-Bass und Ensembleleitung.

CF: Ich nehme an, deine Schüler werden die Bassgitarre klassisch mit Riemen um den Hals tragen und nicht wie du auf einem Ständer?

Robin Gadermaier: So ist es! Die meisten entscheiden sich für die übliche Positionierung am rechten Bein, die den Einsatz des Stativs ausschließt, oder spielen ohnehin lieber im Stehen. Außerdem finden die meisten – inklusive mir –  das Stativ optisch nicht sonderlich ästhetisch 🙂

CF: Dein Handling am Bass ist auch sonst alles andere als „klassisch“. Wie unterscheidet sich deine Spielweise von einem Jazzbassisten mit elektronischem Bass?

Robin Gadermaier: Ich habe lediglich die „klassische Akustikgitarrenposition“ übernommen, und die gebräuchliche Gitarrenfußbank gegen das Stativ ausgetauscht, um den dadurch aufgestützten linken Fuß zu entlasten. Meine Spielweise leitet sich bezüglich der Positionierung des Instruments, sowie der verwendeten Spieltechniken von den beiden französischen Bassvirtuosen Hadrien Feraud (wiki) und Dominique di Piazza (wiki) ab.

CF: Ende September 2023 hat das GVT Trio, bei dem du als Bassist agierst, das Album „Narrisch“ veröffentlicht. Auf der Internetplattform Discogs ist die Platte unter „contemporary jazz“ gelistet. Also doch klassischer Jazz?

Robin Gadermaier: Wir bezeichnen uns mit dem GVT Trio als Jazz/Fusion Trio, diese Genre war aber beim Onlineupload nicht verfügbar. Vielleicht ist Jazzrock bzw. Fusion nicht mehr „in“ 😉

CF: Am Cover des Albums sind drei Tiere abgebildet. Sind das die Avatare vom GVT Trio, also von Aaron Thier, Georg Vogel und dir? Welches Tier bist du?

Robin Gadermaier: Diese Tierchen sind mit der Idee erschaffen worden unsere Avatare zu sein, aber ich hätte schon eine Idee wer ich davon sein könnte 🙂

CF: Du hast auch ein Album mit Eigenkompositionen angekündigt. Gibt es das Album schon?

Robin: Beim genannten GVT Trio Album stammen alle Nummern, bis auf zwei aus meiner Feder und jeder Musiker des Trios sieht dieses Album auch gleichzeitig als sein eigenes Soloalbum an.
Ich werde aber Ende des Jahres meine erste Solo CD mit ausschließlich Eigenkompositionen veröffentlichen. Die Aufnahmen laufen bereits und es wird sehr abwechslungsreich und fällt durch alle Genres gleichzeitig durch 🙂

CF: Jazz gilt gemeinhin als ernste Angelegenheit. Wenn man sich die Videos auf deiner Homepage anschaut, gewinnt man den Eindruck, du willst dem Klischee entgegenwirken. Besonders das Video mit der Frenchcore-Techno Einlage ist sowas von Nicht-Jazz. Was treibt dich an, solche Experimente zu machen?

Robin: Musik bedeutet für mich Freiheit. Die Bühne ist einer der letzten Orte, auf der man wirklich frei sein kann und darf! Sollte ich jemals einen Plattenladen betreiben, dann ist der Zeitpunkt gekommen in Genres zu denken, um meine Regale gut sortieren zu können. Als Musiker habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass die Mauern, die man sich rundum aufbaut, Sicherheit geben und Etiketten wie „Jazz“ manche Leute anziehen und andere abschrecken. Meine Erfahrung: Die gleichen Mauern, die mir einst Klarheit schenkten, können schnell zum eigenen, kreativen Gefängnis werden und die Weitsicht rasant einschränken.
Mein Antrieb für diverse Experimente ist: Faszination am Neuen, am Improvisieren und am Hineinspringen in den Kaninchenbau.

CF: Deine Experimente setzen ein profundes popkulturelles Wissen voraus. Die wenigsten Leser*innen werden wissen, was French-Core ist. Wie tief steckst du in der Popkultur?

Robin: Bis zum Hals 🙂 Durch meine Tätigkeit komme ich mit so viel unterschiedlicher Musik, von der ich selbst nicht wusste, dass sie existiert, in Berührung und ich liebe es, in diverseste musikalische Welten einzutauchen. In meinen zehn Jahren als Musiklehrer, gab es noch nie ein Lied, dass mir nicht getaugt hat. Wenn ich merke, dass mein Gegenüber mir etwas vorspielen will, von dem es begeistert ist, dann wirkt das jedes Mal magisch ansteckend!

CF: Du gehst dem Jazz oft fremd und warst zum Beispiel Gastmusiker bei den Bluesmopolitans und bei Lukascher. Da bewegt man sich als Musiker doch in einem strengen Korsett. Was ist der Reiz an solchen Kollabos?

Robin: Der Reiz für mich ist immer die Musik für sich und das gemeinsame Musizieren und Eintauchen. Ich habe diese Zeit mit den genannten Bands extrem genossen und sie haben mich als musikalischen „Jungspund“ auf Händen getragen. Danke!

CF: In deiner Bio steht, du hast zweimal die Audition zu „Teenage Rockstar“ gewonnen. Was ist der „Teenage Rockstar“? Wolltest du mal Rockstar werden?

Robin: „Teenage Rockstar“ wurde als Reality-Fernsehserie auf Super RTL ausgestrahlt. Zehn junge MusikerInnen wurden in zwei Rock/PopBands aufgeteilt und kämpften zwei Wochen lang auf Rügen unter der Expertise und Aufsicht von damaligen Popsternchen um den Titel „Teenage Rockstar“. Ich und meine damaligen Bandkollegen Joe Traxler und Max Langer nutzten dort jede freie Minute um John Coltrane´s „Giant Steps“ zu erlernen und heimlich Jazz und Fusion zu spielen … 🙂

CF: Dein Projekt mit dem Schlagzeuger Lukas Böck schlägt auch eine Brücke zur populären Musik. Man darf sich vom „Popsong bis zu Black- Metal-Blast, von beruhigenden Subbassfrequenzen bis zu schrillem E- Gitarrengeheule“ einiges erwarten. Wie weit gediehen ist das Album?

Robin: Das Album ist fertig. Aber wir haben uns dazu entschlossen, noch drei neue Nummer zu schreiben und aufzunehmen, sodass jede Rille der CD genutzt wird.

CF: Elektro Guzzi arbeiten sich mit analogen Instrumenten an Elektronischer Musik ab. Geht euer Projekt in eine ähnliche Richtung?

Robin: Im Vergleich mit Elektro Guzzi, klingen wir wie eine Unplugged Band. Ich verwende am Bass diverse Effekte und ein Fußpedal für Synthbässe und angetriggerte Midi Sounds, aber alles in allem ist es ein sehr akustisches, wenn auch stark vergrößertes Klangbild.

CF: „Dass man Leute zum Tanzen bringt, darf niemals verloren gehen,“ lautet ein Satz von dir. Zieht sich der Leitspruch durch dein persönliches Schaffen?

Robin: Einem totem Stück Holz Leben einzuhauchen, Instinkt spontan in Klang umzuwandeln, die Zeit zu unterteilen, Noten zum Leben zu erwecken und dadurch die Energie auf seine Umgebung zu übertragen ist magisch. Jede Band, jeder Künstler, jeder Song hat seine eigene Stimmung und Wirkung. Musik kann auf so viele verschiedene Arten verzaubern, aber am Ende des Tages ist es für mich immer wieder schön, durch rhythmische Synchronisation in den Moment einzutauchen. PS: It´s no fun not to like Pop 😉

CF: Auf Fotos sehe ich dich bei Konzerten meist sitzend vor deinem Gestell, in dem du die Bassgitarre eingespannt hast. Ist deine Haltung förderlich, wenn du die Leute zum Tanzen animieren willst?

Robin: Optisch NEIN. Musikalisch: JA, weil ICH dadurch meine Spieltechniken mit null Aufwand umsetzen kann.

CF: Wie kommen deine Ausflüge in die Niederungen des Pop bei der puritanischen Jazzwelt an?

Robin: Viele Leute werfen mir diesbezüglich die unedelsten Beweggründe vor… egal …. Miles Davis, Herbie Hancock, John Scofield, Pat Metheny und Robert Glasper sind wohl die bekanntesten Beispiele in Bezug auf Jazzgiganten, die Popsongs auf ihre eigene Art interpretiert haben!

CF: Was hast du bei deinen Auftritten im Volkstheater mitgenommen, als du mit Böck und dem Schauspieler Sören Kneidl das Kafka-Live-Hörspiel „In der Strafkolonie“ auf die Bühne brachtet? Und habt ihr die Musik selbst komponiert?

Robin: Ich habe bei diesem Auftragswerk die gesamte Musik selbst komponiert und mit Lukas Böck am Schlagzeug gemeinsam das „ganze Orchester“ dargestellt. Wir haben mit unserem ersten Stück „Frankenstein 2.0 – Ein Live Hörspiel“ im Herbst 2023 die Bezirke-Tournee vom Volkstheater bestritten und sind aktuell am Verfassen unseres dritten Streichs. Das Konzept dahinter kennzeichnet sich dadurch, ein Musikkonzert mit einer epochalen Geschichte zu verbinden – und das in Ästhetik und Lautstärke eines Rockkonzerts.

CF: An welchen Projekten bist du zur Zeit beteiligt? Bei welchen Bands bist du Mitglied?

GVT TRIO
slowklang
Rafael Trujillo Band
Sangam

CF: Was Auftritte betrifft, richtet sich dein Fokus eher Richtung Krems, obwohl du im Bezirk St. Pölten gemeldet bist. Warst du mal beim Marianne Mendt Jazzfestival in St. Pölten? Bist du daneben schon einmal in St. Pölten aufgetreten?

Robin: Ich war mit 16 Jahren beim MM Jazzfestival eingeladen und durfte dort zwei Nummern live im Radio spielen. Von 2017 bis 2022 war ich der Nachfolger von Werner Feldgrill in der Marianne Mendt Band mit Thomas Kugi, Mario Gonzi, Oliver Kent etc. …
In St. Pölten hab ich gespielt im Freiraum, Egon, Festspielhaus, in der Seedose mit Lukascher, Bluesmopolitans, Jugendjazzorchester Niederösterreich, Lukas Vendl/Carmen Semmler, the common blue und mit Amalea.

CF: Wann können wir wieder mit einem Auftritt in der Gegend rechnen? Wann mit einem Album?

Robin: Leider haben wir im Moment keinen fixen Termin, aber vielleicht ändert sich das ja durch deinen Artikel 😉
Dafür wird’s heuer CD´s rieseln: es kommt das zweite Album mit GVT Trio, das Debutalbum mit Slowklang, mein Soloalbum und das Duo Gadermaier//Böck a.k.a Sangam.

CF: Vielen Dank für das Interview.

www.robingadermaier.com

Werner Harauer
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Werner Harauer
Magister Phil. (Publizistik, Kunstgeschichte), City-Flyer Gründer (1997) und Herausgeber. Im Brotberuf Öffentlichkeitsarbeiter, Journalist und Grafiker, Vinyljunkie seit der Punk und Disco-Ära. Workaholic auf der Suche nach dem perfekten Popsong.

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      Werner
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