Theater
▶ DDR-Krimi mal anders: Polizeiruf zieht samt Publikum durch die Stadt
Neustrelitz / Lesedauer: 3 min
Kein Schuss. Kein Schrei. Keine Leiche. Aber Dramatisches muss passiert sein, wenn Vera Arndt herbeieilt. Schließlich ist die Kommissarin fernsehkrimi-bekannt, ermittelte 48 Mal im „Polizeiruf 110“.
Mord an einem Travestie-Künstler
Jahre später führt der Mord an einem Travestie-Künstler sie nun nach Neustrelitz, wo sie mit innovativer Ermittlungsarbeit konfrontiert wird: Ganz normale Bürger dürfen als Polizeihelfer an der Lösung der Fälle mitwirken. Na gut, nicht bei der echten Polizei, dafür bei einem so pfiffigen wie zugkräftigen neuen Format des Landestheaters – einer Verbrecherjagd durch die Innenstadt statt auf der Bühne.
„Sind Sie alle Zeugen?“, begrüßt Vera Arndt alias Schauspieler Dirk Schmidt, der die Story auch geschrieben und inszeniert hat, das unternehmungslustige Publikum am Bühneneingang. Hier verteidigt aber erst mal lautstark der einheimische Kollege sein Revier. Kojawiak, der gern Kojak genannt wird - wenn auch von einer Dame, die er lieber meidet: der suspekten Kunsthändlerin Alexandra von Hufenberg, die das Mordopfer gut kannte.
Überraschende Wendung
Also auf zum Tatort, denn tatsächlich gab es sogar drei Schüsse, bestimmt mehr als einen Schrei und auf jeden Fall eine Leiche, sodass es Spuren zu sichern gilt. Gern folgt das motivierte Publikum der Herausforderung, „Konzentriert! Und! Zügig!“ die Ermittlung zu begleiten, sucht bereitwillig nach Patronenhülsen und nimmt ebenso Anteil an der routinierten Zielstrebigkeit der Vera Arndt wie am cholerischen Naturell von Kojak, der sich schnell auf einen Verdächtigen einschießt. Den erwischen die Kommissare denn auch mitten auf dem Markt; Flucht, Ergreifung und Vernehmung münden schließlich in eine sehr überraschende Wendung des Mordfalls.
Der führt das Team samt den aufmerksamen Helfern zu einigen markanten Orten der Residenzstadt, zu denen unter anderem „kein Schloss“, aber auch das Kunsthaus und die Gedenkstätte der einstigen Stasi-Haftanstalt gehören. Vera Arndt würdigt das eine oder andere Gebäude mit Anmerkungen und Nachfragen, hält auch auf mehrminütigem Fußweg ohne Krimi-Action das Publikum bei Laune, mit einer Plauderei über ihre TV-Karriere als „schmückendes Beiwerk“.
Ein kleines Ensemble in bester Spiellaune
Als Kojak wiederum zieht Matthias Horn flotte komödiantische Register. Überhaupt lässt sich das Team gekonnt auf spontane Gegebenheiten ein, stoppt zum Straße-Überqueren mal eben ein paar Autos oder lässt Kommentare zu historischen Orten einfließen, die dem Vergnügen der ungewöhnlichen Inszenierung den Hauch einer kleinen Stadtführung hinzufügen.
Dazu die wunderbar zugespitzten Charaktere! Jenseits der gewohnten Bühnenatmosphäre sind sie allesamt bestens bei Stimme und Spiellaune, das Ermittlerduo ebenso wie Julian Felix König als pflichtbewusster Polizist Merwald, der sich flugs in den Dienst von Vera Arndt und gegen seinen Chef Kojak stellt, Anika Kleinke als schnippische Kunsthändlerin, Felix Erdmann als verstörter Verdächtiger und Alexander Mildner als aalglatter Anwalt.
Mehr über die Handlung des kriminalistischen Stadtrundgangs in klassischer TV-Krimi-Länge zu verraten, wäre gewiss sträflich. Auf jeden Fall ist nach dem poetischen Shakespeare-Schlossgarten-Spaziergang der vorigen Saison nun auch der „Polizeiruf 110“ eine überaus originelle und überaus gelungene Bereicherung des Spielplans, die vom Publikum überaus vergnügt aufgenommen wird. Die gute Idee, aus dem Theater herauszugehen, um Menschen für das Theater zu begeistern, soll nächstes Jahr auch in Neubrandenburg fortgesetzt werden.
Einige Termine sind bereits ausverkauft
In der aktuellen Saison sind die Verbrecherjagden am 28. April sowie 5., 8. und 18. Mai bereits ausverkauft. Weitere gibt es am 16., 23., 24. und 31. Mai sowie am 2., 8., 14., 16., 27. und 28. Juni
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