Peter Sloterdijk: „Claudia Roth ist die unfreieste Gestalt im deutschen Kulturbetrieb“

Peter Sloterdijk: „Claudia Roth ist die unfreieste Gestalt im deutschen Kulturbetrieb“

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat der Berliner Zeitung ein Interview gegeben. Darin äußert er sich auch zum Documenta-Skandal.

Peter Sloterdijk
Peter SloterdijkBerliner Zeitung/Paulus Ponizak

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat im Vorfeld seines 75. Geburtstags, der am Sonntag gefeiert wird, der Berliner Zeitung ein Interview gegeben. In dem Gespräch, das in der Samstagsausgabe der Berliner Zeitung am 25. Juni 2022 erschienen ist, spricht er unter anderem über den Documenta-Skandal und positioniert sich kritisch gegenüber der medialen Erregung, die sich um die Schau in Kassel und das antisemitische Skandal-Banner der indonesischen Gruppe Taring Padi gebildet hat.

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Peter Sloterdijk sagt im Gespräch mit dem Chefredakteur der Berliner Zeitung, Tomasz Kurianowicz, über das Bild: „Es stand irgendwo in Asien 20 Jahre lang herum, niemand nahm davon Notiz, man musste es hierherschleppen, damit es Empörung erzeugt. (...) Für die Experten ein klarer Fall von antisemitischer Propaganda. Mir genügte ein kurzer Blick: ‚miserables Gemälde‘. Jedes zusätzliche Wort ist Verschwendung.“

Außerdem kritisiert Sloterdijk den Impuls, Israelkritik mit Antijudaismus gleichzusetzen. Er sagt: „Dass jede Art von Israelkritik mit den historischen Ausprägungen des Antijudaismus und des politischen Rassismus des 19. Jahrhunderts in eine Linie gestellt wird, halte ich für einen beklagenswerten anti-intellektuellen Mechanismus.“ Dass Kulturministerin Claudia Roth nun unter Druck stehe, sei folgerichtig in der Logik des Kulturskandals. Sloterdijk: „Man möchte Schuldige und anklagbare Instanzen schaffen, damit aus der Welt geschafft wird, was nie hätte geschehen dürfen. Bisher geht der Ruf ins Leere. Bald wird man konkrete Namen hören. Man darf darauf wetten, dass bald jemand auftritt mit der Forderung und sagt: ‚Frau Roth muss zurücktreten!‘“ Sie habe das Bild am Ende abhängen müssen, weil sie auf jeden „Pfiff“ zu reagieren habe. „Claudia Roth ist die unfreieste Gestalt im deutschen Kulturbetrieb“, sagt Sloterdijk.

Deutsche Politiker müssen gegen ihre Überzeugungen regieren

In dem Gespräch äußert sich Sloterdijk auch zum Ukraine-Krieg und lobt insbesondere die Haltung der Bundesregierung. Über Bundeskanzler Olaf Scholz äußert er sich positiv: „Wenn man alt-chinesische Maßstäbe auf Berlin anwendet, ist Scholz der ideale Herrscher. Er praktiziert eine leise Regierung und nahm nur einmal zum Theaterdonner Zuflucht, als er nicht unterlassen konnte, von einer Zeitenwende zu reden. (...) Deutsche Politiker müssen im Augenblick zumeist gegen ihre Überzeugungen regieren. Aus diesem Blickwinkel gesehen haben wir eine gute Regierung. Und zwar weil sie innerhalb kürzester Zeit das Gesetz des Handelns von Ideologie auf Situationsanalyse umgestellt hat. So eine lernbereite Regierungsmannschaft hatte keine Nation im 20. Jahrhundert vorzuweisen wie die deutsche in den letzten 150 Tagen.“

Das ganze Gespräch wurde am 25. Juni 2022 in der Berliner Zeitung am Wochenende veröffentlicht. Es wird am 26. Juni online ausgespielt.