Offshore-Windkraft: „Der Markt allein wird das nicht richten“ - WELT
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Hamburg Offshore-Windkraft

„Der Markt allein wird das nicht richten“

Wirtschaftsreporter
Die Nordsee soll zum grünen Kraftwerk Europas werden

Die vier EU-Nordsee-Anrainer-Staaten wollen gemeinsam den Nordsee-Wind verstromen. Auf 150 Gigawatt soll die Off-Shore-Leistung in der Nordsee hochgefahren werden. Das ist eine Verzehnfachung und entspricht der Leistung von 100 Atomkraftwerken.

Quelle: WELT

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Deutschland will die Windkraft auf See stark ausbauen – doch heimische Unternehmen, etwa Werften, drohen dabei, außen vor zu bleiben. Zwei Offshore-Experten über die Probleme mit der Zukunftstechnologie.

Vor zehn Jahren stand an Deutschlands Küsten die modernste Offshore-Windkraft-Industrie der Welt. Von diesem Technologievorsprung blieb nur wenig übrig, nachdem die damalige Bundesregierung aus Union und SPD die Ausbauziele für Offshore-Windparks deutlich reduziert hatte.

Nun wiederum soll angesichts der Energiekrise durch ausbleibende und mittelfristig ohnehin unerwünschte Gaslieferungen aus Russland die Stromerzeugung auf dem Meer wieder stärker ausgebaut werden als je zuvor, so der Plan der regierenden Ampelkoalition – doch keine deutsche Werft stellt derzeit noch Konverterstationen oder Errichterschiffe für Offshore-Windparks her, auch Zulieferunternehmen im Inland berichten über Engpässe.

Daniel Friedrich (46), Bezirksleiter der IG Metall Küste in Hamburg, und Karina Würtz (41), Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Windenergie, sagen, was geschehen muss, damit Unternehmen wieder Vertrauen in den Offshore-Windkraft-Markt fassen. Der Bundestag wird die Neufassung des Windenergie-auf-See-Gesetzes wohl noch Anfang Juli vor der Sommerpause beschließen.

WELT AM SONNTAG: Die Bundesregierung reagiert auf die neue geopolitische Situation und will die Leistung an Offshore-Windkraft im deutschen Teil von Nord- und Ostsee bis 2030 vervierfachen bis 2045 verneunfachen. Doch die deutsche Wirtschaft ist darauf nicht entsprechend vorbereitet. Was nun?

Karina Würtz: Es gibt dabei einige ausgewiesene Engpässe, zum Beispiel bei den Fachkräften und auch bei den Produktionskapazitäten. Weltweit gibt es etwa nur wenige hoch spezialisierte Gießereiunternehmen wie etwa Siempelkamp in Nordrhein-Westfalen, die hochpräzise Gussteile für die nächste Generation von Offshore-Windturbinen herstellen können. Solche Unternehmen können und wollen ihre Kapazitäten nicht einfach nur anhand politischer Zielsetzungen ausbauen – wenn sie dann erleben müssen, wie die Ausbauziele politisch wieder kassiert werden.

Genau das ist im vergangenen Jahrzehnt mit der Offshore-Windkraft in Deutschland passiert. Es braucht einen sehr belastbaren Auftragsbestand und Projekt-Perspektiven, um solche kostspieligen Kapazitäten aufzubauen. Hinzu kommt: Auch andere Offshore-Märkte weltweit mit signifikanten Küstenlinien werden stark wachsen, in Asien wie auch in den USA, in Südamerika und in Australien. Das bedeutet für Deutschland zusätzliche Konkurrenz um knappe Kapazitäten, etwa auch um Monopiles, also die Stahlfundamente für Offshore-Windturbinen.

Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung Offshore Windenergie, und Daniel Friedrich. Bezirksleiter der IG Metall
Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung Offshore Windenergie, und Daniel Friedrich. Bezirksleiter der IG Metall
Quelle: Bertold Fabricius


Daniel Friedrich: Wir haben in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt nach einem ersten Boom beim Ausbau der Offshore-Windkraft Stopp und Stillstand erlebt. Nun stellt sich die Frage: Macht die Bundesregierung jetzt echte Industriepolitik und schafft eine belastbare Grundlage für dieses hochkomplexe Geschäft? Klar ist: Der Markt allein wird das nicht richten – jedenfalls nicht so, dass wir anschließend ein hohes Maß an Wertschöpfung für die Offshore-Windindustrie in Deutschland und in Europa haben werden.

WELT AM SONNTAG: Seit Ende des vergangenen Jahrzehnts gingen vor allem an den Küsten etliche Unternehmen und Arbeitsplätze der Offshore-Windkraft-Branche wieder verloren – und müssen jetzt mühsam neu aufgebaut werden.

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Friedrich: Die damalige „Strompreisbremse“ von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) brachte den beteiligten Unternehmen in der Tat viel Unsicherheit, ebenso die Umstellung des Ausschreibungssystems für neue Offshore-Windparks. Die Nachfrage nach Komponenten und Dienstleistungen brach ein, die Unternehmen bauten ihre Kapazitäten wieder ab, manch eines meldete Insolvenz an. Wir brauchen an diesem komplizierten Markt aber Beständigkeit.

WELT AM SONNTAG: Könnte Deutschland hier bei einer Schlüsseltechnologie abgehängt werden, wie es bei der Digitalisierung oft der Fall war oder auch bei der Solarenergie?

Würtz: Wenn in den aktuellen anstehenden Gesetzen wie dem Windenergie-auf-See-Gesetz die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden, kann das eine große Dynamik auslösen. Allerdings kann die Bundespolitik hier auch viel falsch machen. Die industriepolitische Steuerungswirkung der bisher vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Auktionssysteme kann weder industrie- noch klimapolitisch gewollt sein. Es wäre sinnvoll, die breite Kritik ernst zu nehmen, die Unternehmen und Verbände daran üben.

WELT AM SONNTAG: Welche Art von Sicherheit wollen denn die Unternehmen von der Politik haben?

Würtz: Es geht sehr stark zum Beispiel um Ausschreibungsbedingungen, die für die Betreiber von Offshore-Windparks, aber auch für die Hersteller von Offshore-Komponenten und von Dienstleistungen in Deutschland – und auch in Europa – einen attraktiven Markt entstehen lassen. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass Preisdeckel für den Offshore-Strom nicht so niedrig gesetzt werden, dass sich eine Produktion der dafür nötigen Anlagen eigentlich nur noch in Billiglohnländern lohnt.

Der Gesetzgeber hätte auch die Möglichkeit, über bestimmte ökologische Kriterien – wie etwa den Ausstoß von Treibhausgasen – die Produktion in Europa attraktiver zu machen. Es kann weder industrie- noch klimapolitisch gewollt sein, wenn zum Beispiel Fundamente für die Windturbinen in Fernost unter ganz anderen ökologischen Rahmenbedingungen produziert und dann zu uns nach Europa transportiert werden.

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WELT AM SONNTAG: Ein Nadelöhr sind auch die deutschen Seehäfen.

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Würtz: Die deutschen Seehafenbetriebe und Werften haben sich teilweise in den 2010er-Jahren finanziell stark engagiert – dann erlitten sie Schiffbruch, als der Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland zum Erliegen kam. Heutzutage wären wegen der immer größer und schwerer werdenden Turbinenteile substanzielle Investitionen nötig, zum Beispiel in Schwerlastkajen.

Die Mittel dafür können die Betriebe faktisch nicht allein aufbringen. Hier müsste die öffentliche Hand unterstützen, um die absehbar große Menge an Offshore-Komponenten für die deutschen Seegebiete zumindest zu einem hohen Teil auch über deutsche Häfen zu verschiffen – und nicht vorrangig über dänische und niederländische Häfen. In den Häfen geht es ja später auch um den Abbau und um das Recycling von Offshore-Anlagen.

WELT AM SONNTAG: Brauchen etwa die heimischen Werften auch finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand, speziell auch durch Bürgschaften?

Friedrich: Davon gehe ich angesichts vieler notwendiger Großprojekte für die Offshore-Windkraft aus, vor allem bei den sehr teuren Konverterstationen für den Anschluss von Offshore-Windparks an das Landstromnetz. Viele Banken haben sich aus der Finanzierung von Werften und Schifffahrt schon seit der Welt-Finanzmarktkrise 2009/2010 zurückgezogen. In Deutschland baut derzeit keine Werft mehr Konverterstationen, so wie Nordic Yards in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahrzehnt.

Ein Ergebnis dessen ist: Der Netzbetreiber Tennet lässt die neue Konverterstation „BorWin6“ für den deutschen Offshore-Markt in China und Indonesien bauen und sie auch mithilfe des chinesischen Staates finanzieren. Die wird dann um die halbe Welt nach Deutschland transportiert. Weitsichtig ist das nicht.

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WELT AM SONNTAG: Was muss in das Windenergie-auf-See-Gesetz aus Ihrer Sicht noch hinein, das bislang nicht drinsteht?

Würtz: Es gibt zur Teilnahme an den Auktionen für neue Offshore-Windparks bislang keine sogenannten „Prä-Qualifikationskriterien“. Das kann bei den Auktionen unbeabsichtigt dazu führen, europäische Hersteller von Komponenten zu „pönalisieren“, sie finanziell zu bestrafen. Auch könnte es dann passieren, dass kleinere Betreiber, die auf Projektfinanzierung angewiesen sind, von der Teilnahme an den Auktionen ausgeschlossen werden. Auch die aktuell so bedeutsame Inflation und ihre Effekte auf die Kosten für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparks sind nicht berücksichtigt. Das muss dringend geändert werden.

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