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Wirtschaftsminister: Einst als Merkels linke Hand verspottet: Wie Altmaier sich jetzt Respekt verschafft
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Kabinettssitzung
Kay Nietfeld/dpa Angela Merkel mit Peter Altmaier (beide CDU).
  • FOCUS-online-Korrespondentin

Vor einem Jahr erschien Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) als Wackelkandidat im Kabinett. Selbst Parteifreunde waren unzufrieden. Spätestens seit Ausbruch der Corona-Krise ist unübersehbar: Der Mann bewegt viel – und verhindert noch mehr. Der persönliche Preis: Altmaier muss sich unbeliebt machen.

Sie wollten ihn nicht. Sie haben ihn rundweg abgelehnt. Kaum war Peter Altmaier (CDU) Bundeswirtschaftsminister geworden, fanden sich einige Funktionäre und nicht wenige Parteifreunde des Saarländers schnell in einer gemeinsamen Front wieder: Altmaier erschien ihnen zu unkonventionell, zu merkelnah, zu lässig, irgendwie zu grünenfreundlich. Und überhaupt: als Nachfolger eines Ludwig Erhard irgendwie unpassend.  Das sahen sie so, und das sagten sie auch.

Manche Porträts aus der Anfangszeit Altmaiers im Amt lesen sich fast wie die Dokumentation eines Suchspiels: „Ei, wo steckt er denn …?“ Gerade so, als sei der Mann zwar äußerlich schwer aktiv, betreibe in Wahrheit aber subtile Arbeitsverweigerung.

Nun, die Stimmung hat sich geändert. Grundlegend.

Die Sache mit den Socken ...

Eine Szene in diesem Sommer spricht da Bände. Treffen unter vier Augen mit einen Gesprächspartner aus der Union. Frage: „Und wie blicken Sie mittlerweile auf Altmaier?“ Es folgt ein Temperamentsausbruch mit Kritik am Wirtschaftsminister – an Altmaiers kurzen Socken, die neulich in einer Talkshow den Blick auf recht helle Unterschenkel freigaben. Die Socken als größtes Problem! Sonst: keine Klagen. Es sei doch „völlig klar“, dass der Saarländer eine guten Job mache, heißt es nur.

In Zeiten der größten ökonomischen Krise seit Bestehen der Bundesrepublik ist Altmaier präsent wie nur wenige. Als rigider Sachwalter der Interessen der Wirtschaft. Aktuell heißt das vor allem: als Spielverderber vom Dienst.

Frauenquote für Vorstände? Ein Lieferkettengesetz, das deutsche Firmen verpflichtet, soziale und humanitäre Mindeststandards sicherzustellen? Beinharte öffentliche Ansage Richtung Peking? Der Wirtschaftsminister steigt ein ums andere Mal auf die Bremsen.  

Altmaier als Spielverderber vom Dienst

Altmaier gehört tatsächlich eher zum liberalen, zum linkeren Flügel der CDU. Die Idee von Frauenquoten sind ihm nicht per se suspekt. Menschenrechte sind ihm seit seiner Anfangszeit in der Politik ein Anliegen. Im Herbst 2017 reiste er – damals noch als Kanzleramtsminister – zu Geheimgesprächen in die Türkei, um die Freilassung von Deniz Yücel, Meşale Tolu und Peter Steudtner zu erreichen. Was genau er am Ende beigetragen hat, bleibt nach diplomatischen Gepflogenheiten offen. Fest steht: Er hat gekämpft.

In diesen Wochen, in denen global ganze Märkte zusammenbrechen und die deutsche Volkswirtschaft ihre härteste Bewährungsprobe bestehen muss, setzt er eindeutig Prioritäten. Platt gesprochen: Er macht stur seinen Job. Und die Stabilisierung der Wirtschaft steht für ihn ganz, ganz oben. Er muss und will verhindern, dass in den nächsten Monaten ganze Strukturen zusammenbrechen. Hart kann er da sein, distanziert, wie man ihn früher nie erlebte.

Altmaier hat sich verändert. Spontanität hat er sich erkennbar abtrainiert.

„Der Peter“ ist distanzierter geworden

Der Mann mag Menschen. Und er mag‘s gesellig. Gute Gespräche, gutes Essen, guter Wein. Seitdem er in die Spitzenliga der deutschen Politik aufstieg, hat er es sich quasi zur persönlichen Aufgabe gemacht, für Verpflegung bei Pressegesprächen zu sorgen. Das ist seit Jahren ein ebenso festes Ritual wie seine Witze darüber. Gern auch noch garniert mit Infos zu seinem aktuellen Kampfgewicht. Ein ironischer Kommentar, dass er gerade wieder 200 Gramm oder so abgenommen hat, ist da immer mal drin.

„Der Peter“, wie er im Saarland heißt, gab sich auch öffentlich gern lieber als der nahbare Politiker, der – ob digital oder analog, frühmorgens oder in der Nacht – ansprechbar war. Als 2017 ein Twitterer schrieb „Wann platzt eigentlich Peter Altmaier?“, kam prompt die Antwort von ihm selbst: „Sie hoffen vergeblich! :-)“

Kein Unternehmen soll wegen Corona scheitern

Doch Altmaier hat die Hürden für Direkt-Konakt angehoben. Er ist vorsichtiger, seine Twitter-Spontan-Signale sind selten geworden. Das ist offenbar der persönliche Preis, den der 62-Jährige dafür zahlt, dass er in der Welt der Wirtschaft mittlerweile akzeptiert wird.

Welcher Maßstab in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gelten soll, hat er selbst gesagt: Kein Unternehmen soll wegen Corona scheitern. Aber ihm ist natürlich auch klar: Während der Pandemie werden es einige Firmen, die schon zuvor zu träge oder veraltet waren, nicht packen. Die dürftige Bestand an Eigenkapital vieler Firmen macht ihm Sorge.

Einst Merkels Vollstrecker

Jede zusätzliche Belastung für die Wirtschaft soll jetzt verhindert werden. Ende April haben sich die Koalitionsspitzen geschworen, „Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen möglichst zu vermeiden“. Das war Altmaier extrem wichtig. Jetzt will er erreichen, dass das kein bloßer Papier-Erfolg bleibt. Das Lieferkettengesetz ist für ihn ein Testfall. Die „versammelten“ Arbeitgebervertreter – Ingo Kramer (BDA), Dieter Kempf (BDI), Eric Schweitzer (DIHK) und Peter Wollseifer (ZDH) – lehnen den Plan strikt ab, und Altmaier ist auf ihrer Seite. 

Peter Altmaier
dpa/Lennart Stock/dpa Nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier soll das Programm vielen Mittelständlern helfen, die Krise zu überstehen.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) treiben das Projekt voran, das deutsche Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern in die Pflicht nehmen nimmt. Deren Lieferanten im Ausland sollen soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Der Bundeskanzlerin, so ist zu hören, ist das Projekt wichtig. Altmaier, der sich einst als Merkels politischer Vollstrecker, als deren rechte Hand (manche spotteten auch, er sei in Wahrheit die linke) unbeliebt machte, zieht jetzt womöglich am anderen Ende.

Altmaier als Verbündeten sehen

Mittlerweile erkennen Gegenspieler von einst, dass es auch für sie besser sein könnte, Altmaier weniger als Gegner denn als ihren Vertreter in der Regierung zu sehen. Selbst der Verband „Die Familienunternehmer“, dessen Präsident Reinhold von Eben-Worlée im vorigen Jahr noch über eine „Anti-Mittelstandspolitik“ des Ministers giftete, geht den Minister nicht mehr frontal an. Wenn Eben-Worlée wegen einer drohenden Rückzahlungswelle bei Corona-Soforthilfen für Selbstständige ein Nachsteuern bei den Überbrückungshilfen fordert, kann er Altmaier eher als Kombattanten betrachten.

Ernster ist Altmaier geworden in den letzten Monaten. Das hat wohl nicht nur damit zu tun, dass er gesundheitliche Rückschläge verbuchen musste. Im Oktober verletzte er sich, als er beim Digitalgipfel von der Bühne stürzte. Die heftige Kritik im letzten Jahr, die Reaktionen auf den ersten Aufschlag zu seiner „Industriestrategie“, hat ihn getroffen.

Merz als Gegen-Altmaier? Die Zeit ist vorbei.

Altmaier sei damals „bewusst“ falsch verstanden worden, um Friedrich Merz, den Kandidaten für den CDU-Vorsitz, als eine Art Alternativ-Wirtschaftsminister der reinen Lehre aufzubauen, meinen Strategen, die ihn mögen. Keine Frage: Merz wurde in dieser Phase auch von Bundestagsabgeordneten der Union als gefühlter Gegen-Altmaier bejubelt.

Nur: Die Zeiten sind vorbei. In der Pandemie muss schnell und entschieden gehandelt werden. Der Mann der Tat ist aktuell Altmaier.

Für den Saarländer waren das im vorigen Frühsommer harte Zeiten. Denn es gab nicht viele in den eigenen Reihen, die ihn in der kritischen Phase verteidigten. Der Fraktionsvorsitzende, Ralph Brinkhaus (CDU), CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Arbeitgeber-Präsident Kramer gehörten dazu. Fair war die Kritik an Altmaier nämlich längst nicht immer. Denn als er sein Amt antrat, fand er schließlich einen Koalitionsvertrag vor, in dem Wirtschaftspolitik fast eine Leerstelle war.

Scholz als Gegenspieler

Arg viel Macht hat ein Wirtschaftsminister in deutschen Landen ohnehin nicht. Für die Unternehmenssteuern und den Soli ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zuständig. Bei Steuersenkungen, die irgendwie nach Entlastungen der Besserverdienenden riechen könnten, steht der verlässlich auf der Bremse. Als (wahrscheinlicher) Kanzlerkandidat der SPD will und muss Scholz an seinem Sozialprofil arbeiten.

Konjunkturpaket im Bundestag
dpa/Bernd Von Jutrczenka/dpa Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier haten zuletzt an einem Strang gezogen.
 

Für einige Kosten- und Bürokratietreiber zeichnet aktuell Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) verantwortlich. Höhere Sozialabgaben gingen auf das Konto von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Immerhin: Die Regierung hat versprochen, dass Abgaben insgesamt unter 40 Prozent bleiben.

Wuseln ist gut, Trommeln ist besser

Altmaier hat gelernt, dass es nicht reicht, für seine Anliegen zu kämpfen. Über den Kampf zu reden, ist mindestens ebenso wichtig. Wuseln ist gut, Trommeln ist besser.

Er hat geliefert, und er will noch mehr liefern. Beispiele: Für zwölf Handwerke soll künftig wieder Meisterpflicht gelten. Im Konjunkturpaket sind zwei Milliarden Euro eingeplant, mit denen die Bundesregierung – ähnlich wie bei den Batteriezellen – ein europäisches 5G-Konsortium fördern wollen. Das Projekt „Gaia-X“ soll Europa ein Stückchen näher in Richtung Datensouveränität bringen.

Lob vom Unions-Olymp, von Söder

Mittlerweile hört der 62-Jährige sogar Lob vom aktuellen Unions-Olymp – aus den bayerischen Bergen. Viele Bundesminister seien in letzter Zeit, „zu ganz neuer Form aufgelaufen“, sinnierte der CSU-Vorsitzende Markus Söder zuletzt im Sommer-Interview des ZDF. Er nannte dann nur einen Namen: „Peter Altmaier“.

Wer den Saarländer im politischen Geschäft beobachtet, fragt sich oft, was größer ist, sein Hang zur Geselligkeit oder sein Ehrgeiz. In der aktuellen Krise gibt es da eine klare Tendenz: Eigenschaft zwei.

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