1 Vorbemerkung

Modernes Führungsdenken muss ständig seine Werte und kulturellen Grundlagen überprüfen und gegebenenfalls an den Erfordernissen der Gegenwart und Zukunft erneuern. Dazu bedarf es allerdings zunächst der geistigen Auseinandersetzungen mit den Grundlagen des Berufes. Wenngleich also die moderne Polizei, die erst im 18. Und 19. Jahrhundert entstand, ihren Ursprung nicht im Bereich der bewaffneten Macht des Staates, dem Militär, sondern, wie der Name schon sagt, im Politikfeld der „Policey“, der innenpolitischen Sorge um das Gemeinwohl hatFootnote 1 ist Führung in der Polizei zumindest bis in die 1970er Jahre militärisch geprägt.Footnote 2 Insofern könnte es Sinn machen, bei der in der Literatur aufgeworfenen Frage, ob Einsatzlehre eine Erfahrungswissenschaft istFootnote 3, einen Rückblick auf die Wurzeln deutschen Führungsdenkens zu nehmen, welches dem Grunde nach im Militär, den Polizeien, bei den Organisationen der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr, in der Verwaltung sowie in der Wirtschaft gleich istFootnote 4 und somit die Grundlage für ein umfassendes und integriertes Krisenmanagement bildet.Footnote 5 Die nachstehenden Ausführungen wollen daher darlegen, inwieweit die theoretisch-methodischen Ansätze der preußischen Heeresreformer des frühen 19. Jahrhunderts, in deren Zentrum Gerhard von Scharnhorst, als einer der bedeutendsten Militärreformer in PreußenFootnote 6, stand, auch heute noch zielführend für eine moderne Einsatzlehre im Allgemeinen und im Krisenmanagement im Besonderen sein können, in deren Zentrum eine Führungskompetenz steht, die sich aus Selbstkompetenz, sozialer, methodischer und Fachkompetenz ergibtFootnote 7, und inwieweit gerade Scharnhorsts Gedanken hierfür entsprechende geistige Grundlagen und Anregungen bereitstellen. Scharnhorst hat nie in zusammenhängender Form seine kriegs- und militärtheoretischen Auffassungen entwickeltFootnote 8; ebenso wenig hat er eine Militärpädagogik hinterlassen.Footnote 9 Es ist daher notwendig sie aus zahlreichen Briefen, Denkschriften, Anfragen und sonstigen Dokumenten zu rekonstruierenFootnote 10 und seine Gedanken und Überlegungen müssen daher von den von ihm verfassten Bestimmungen über die Organisation und die Inhalte der verschiedenen Stufen der militärischen Bildung und Ausbildung entnommen werden.Footnote 11

2 Zielsetzung der Heeresreformer im Kontext der Gesamtreformen

Die preußischen Reformen werden allzu oft auf ihre Effekte im militärischen Bereich geschmälert, gleichwohl entfaltete sich ihre volle Wirkungskraft selbstverständlich auch in den militärischen Bereich hinein und erst durch ihre umfassende Konzeption an grundlegenden Veränderungen in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen, bis tief in das Bildungswesen von schulischer und universitärer Ausbildung und waren maßgeblich bestimmt und begleitet durch die intellektuellen Eliten aus Administration, Universität und Gesellschaft jener Zeit. Das gesamte preußische Reformwerk des frühen 19. Jahrhunderts war nachhaltig von Gedanken und Erkenntnissen der Aufklärung und des Neuhumanismus beeinflusst.Footnote 12 So ist es an einigen Stellen wirklich zu einem „Bündnis von Geist und Staat“ gekommen, indem das nationale Streben in Regierung und Armee nicht nur Förderer, sondern auch politische Führer gefunden hat.Footnote 13 Das strategische Ziel war es, neues Vertrauen und eine zuverlässige Bindung der Bevölkerung an ihren Staat zu schaffen.Footnote 14 Die hervorragende Bedeutung der Stein-Hardenbergschen Reformen, bei der es sich um einen weiten Zusammenhang gehandelt hat, zu denen die Heeresgestaltung, die Neuorganisation der obersten Staatsbehörden, die Schul- und Universitätsreform, die Gewerbefreiheit, die Steuerreform, die Bauernbefreiung und die Ständereform sowie die Judenemanzipation gehörenFootnote 15, liegt darin, dass sie es nicht nur unternahmen den preußischen Staat zu restaurieren, sondern zu modernisieren und dementsprechend sollten alle Einzelmaßnahmen und Gesetze einem großen politischen Erziehungsprogramm dienen.Footnote 16 Es handelte sich demzufolge nicht um Einzelreformen und Stückwerk, sondern um eine umfassende Modernisierung des preußischen Staates und seiner wesentlichen Grundlagen, um ihn für die Herausforderungen der Zeit zukunftsfähig aufzustellen. Für die Reformer kam es darauf an, eine deutliche Abkehr von den überlieferten politischen und militärischen Grundsätzen, die sich als überlebt erwiesen hatten zu vollziehen, was für den Bereich der Militärpolitik bedeutete, das die angestrebten Maßnahmen darauf abzielen mussten, die Verfassung und das innere Gefüge der Armee ebenso wie die Ausbildungsgrundsätze neu zu konzipieren, um auf diese Weise die Schlagkraft der deutlich verkleinerten Armee wesentlich zu steigern.Footnote 17 Scharnhorst hat versucht, den am Alten festhaltenden Positivismus zurückzudrängen und in einer Synthese von Tradition und Fortschritt besseren Methoden in Ausbildung und Disziplin und neuen Auffassungen in Taktik und Strategie Eingang zu verschaffen.Footnote 18 Das Ziel, das Stein und Scharnhorst anstrebten, konnte nur erreicht werden, wenn es auch zu Reformen in der Bildung und der Erziehung des ganzen Volkes kam.Footnote 19 Die Reformen des Heeres bildeten hierbei einen wichtigen Bestandteil der Neugestaltung des Staates, denn sie beschränkte sich nicht auf organisatorische und technische Verbesserungen, sondern war von ihren Schöpfern ausgerichtet auf die Erziehung zur Gemeinschaft: Armee und Nation sollten innig miteinander verschmolzen, die Armee zu einem lebendigen Organ der Nation werden.Footnote 20 Diese Forderung hat ein Mann aufgestellt, dessen Geist und Charakter der Militärreform vor allem ihren Geist aufdrückte, Gerhard von Scharnhorst, der übrigens früh im Geist der Aufklärung wurzelnd, besonders von ihrem pädagogischen Trieb und ihrem Wahrheits- und Erkenntnisdrang erfasst war, die Überlegenheit eines Volksheeres über Soldtruppen erkannt und die Überzeugung gewonnen hatte, dass man nur bei gründlicher Umbildung von Heeresverfassung und militärischer Erziehung den Kampf mit der Nationalarmee Frankreichs erfolgreich bestehen konnte.Footnote 21 Scharnhorst, der mit allen führenden Männern des deutschen Geistesleben in Beziehung getreten warFootnote 22, war klar, dass alle Bestrebungen einer militärischen Reform Stückwerk bleiben mussten, wenn es nicht gelang, die politischen Voraussetzungen für eine echte Verteidigungsbereitschaft der Nation zu schaffen.Footnote 23 Die im Jahr 1810 in Berlin als militärisches Gegenüber der im gleichen Jahr von Wilhelm von Humboldt eröffneten Universität gegründete Allgemeine Kriegsschule entsprach dieser Entwicklung und zugleich sollten Unstimmigkeiten zwischen den Reformern des zivilen preußischen Erziehungs- und Bildungswesens mit denen des militärischen Erziehungs- und Bildungswesens durch Regelung und Anordnung der Zusammenarbeit verhindert werden.Footnote 24 Dementsprechend weisen die Lehrpläne der Allgemeinen Kriegsschule aus, dass in ihnen allgemeinwissenschaftliche Gebiete gleichrangig neben rein militärischen stehen.Footnote 25 Diese entsprachen Scharnhorsts Überzeugung von der Notwendigkeit und dem Vorzug einer guten allgemeinen und militärwissenschaftlichen Bildung.Footnote 26 Die viel beweglicher gewordene Taktik stellte nun wesentlich höhere Anforderungen an die Ausbildung und Initiative des Offiziers.Footnote 27 Dazu bedurfte es also neben einer zeitgerechten militärwissenschaftlichen und allgemeinen Bildung das Bewusstsein der geistigen Grundlagen und politisch-gesellschaftlichen Zusammenhänge des Offiziersberufes zu vermitteln.Footnote 28 Es ging darum, das intellektuelle Niveau einer neuen Generation von Offizieren zu erhöhen.Footnote 29 In diesem Sinne war Scharnhorsts Ansatz zur umfassenden Modernisierung der preußischen Armee vor allem auch ein Grundstein zur Veränderung der Bildung und des Denkens der militärischen Führung, des Offizierskorps, welchen er nicht nur gegenüber den von Napoleon initiierten und geförderten Intrigen gegen die Reformer durchsetzen musste, sondern auch innerhalb des Offizierskorps gegen das Beharrungsvermögen altgedienter Generale und älterer Offiziere und für den vor allem immer wieder die Unterstützung des Königs, der immer wieder Form und Geist verwechselteFootnote 30, und der politisch-administrativen Eliten zu erringen war, welche nicht von ungefähr und unbegründet in Scharnhorsts Bestrebungen und denen sich hieraus ableitenden Hoffnungen und Begehrlichkeiten des Bürgertums an Teilhabe durch Teilnahme am Staat, revolutionäre Gefährdungen für das monarchische System und die privilegierte Stellung des Adels argwöhnten. Dabei setzte die Realisierung des geplanten Reformwerks einen nachhaltigen Wandel im politischen Bewusstsein der Bevölkerung voraus, woraus sich auch der besondere Stellenwert der Bildungs- und Erziehungsfragen im Rahmen dieses Reformprojekts erklärt, so das Stübig zu der Erkenntnis gelangt, das die preußischen Reformen im Grunde ein gewaltiges pädagogisches Projekt waren.Footnote 31 In diesem neuen Verständnis eines Wechselverhältnisses zwischen Staat und Erziehung war nicht nur der Mensch für den Staat als Bürger, sondern zugleich der Staat für den Bürger zu formen, so das man geradezu das Maß an Reformwillen an dem Grad der Bereitschaft ablesen kann, durch eine Reform der Erziehung nicht nur bessere Menschen und Bürger, sondern zugleich durch eine politische Reform Staat und Gesellschaft so zu bilden, dass sie der pädagogischen Idee vom mündigen Menschen eine Realisierungschance versprachen.Footnote 32 Was also in jenen wenigen Jahren zur Umgestaltung Preußens geschah, war erstaunlich, und der Geist der Freiheit und des Fortschritts, der hier Eingang gefunden hatte, erwies sich als kräftig genug, um die Macht des Staates wiederherzustellen und ihn seinen gewichtigen Anteil an der Befreiung Deutschlands nehmen zu lassen; allerdings war vieles noch unfertig und es war keineswegs ausgemacht, dass die Ideen der Reform sich wirklich durchsetzen würden, noch gab es starke Bastionen des alten autokratischen und aristokratischen Preußens, von denen in ruhigerer Zeit Gegenangriffe folgen sollten und insofern ist der Epoche der Reform in der Tat die der Restauration gefolgt.Footnote 33

3 Scharnhorsts Gesamtansatz und Teilkonzeptionen

Um die strategische Zielsetzung zu erreichen, mussten aus Untertanen mündige, verantwortungsbewusste und am Staatswesen teilhabende Bürger werden.Footnote 34 Dementsprechend könnte man Scharnhorsts Beitrag zu den Gesamtreformen in folgende Teilkonzeptionen gliedern:

  1. 1.

    Die Formung eines Bündnisses von Regierung, Volk, Nation und Armee. Hierzu war nach seiner Ansicht zunächst einmal eine entsprechende Hebung und Formung des Bewusstseins des Volkes notwendig. „Man muß der Nation das Gefühl der Selbständigkeit einflößen, man muß ihr Gelegenheit geben, daß sie mit sich selbst bekannt wird, daß sie sich ihrer annimmt; nur dann erst wird sie sich selbst achten und von anderen Achtung zu erzwingen wissen. Darauf hinzuarbeiten, dies ist alles was wir können.“Footnote 35 Diesen Gedanken formulierte Scharnhorst noch einmal an anderer Stelle und betonte zugleich die Umfasstheit seines Ansatzes: „Man darf bei der neuen Einrichtung die einzelnen Gegenstände nicht ohne das Ganze betrachten. Den Geist der Armee zu erheben und zu beleben, die Armee und Nation inniger zu vereinen, und ihr die Richtung zu ihrer wesentlichen und großen Bestimmung zu geben, – dies ist das System, welches bei den neuen Einrichtungen zu Grunde liegt …“Footnote 36

  2. 2.

    Die Einführung einer Allgemeinen Wehrpflicht als Ausfluss eines solchen Bündnisses, um das ganze Potenzial des Volkes an Zahl und Geist zu gewinnen und ausschöpfen zu können.

  3. 3.

    Die Entwicklung einer modernen Führungsorganisation, dem Generalstab, der es oblag, flexibel und dynamisch ziel- und wirkungsorientierte Entschlussvorschläge zu entwickeln sowie darauf basierende Planungen zu erarbeiten und umzusetzen.

  4. 4.

    Die Erziehung und Ausbildung von Führungsgehilfen, welche befähigt sind, in diese Führungsstruktur zu erfassen, sich einzubringen und in dieser ihre jeweiligen Einzelbeiträge in Ausrichtung auf das Ganze zu leisten.

4 Scharnhorsts wesentliche eigene Leistung für die Modernisierung

In Scharnhorst erfüllte sich in eigenartiger Weise das Ideal einer politischen Wissenschaft und einer wissenschaftlichen Politik.Footnote 37 Allerdings bestand die größte Herausforderung für Scharnhorst fortgesetzt und immer wieder darin – und war demzufolge auch die wesentliche Voraussetzung für jeglichen Erfolg – diese modernen und innovativen Ansätze dem König und den Leitungen der politischen Administration sowie der militärischen Führungsebene, der Generalität, zu vermitteln und diese für diese Reformen gegen alle äußeren und inneren Widerstände und Intrigen zu gewinnen und ihnen die notwendigen Entschlüsse zur Umsetzung abzuringen. Hier entwickelte Scharnhorst eine politisch-taktische Methode, um diese Aufgabe zu lösen und die er ebenso exakt handhabt, wie die wissenschaftliche, mit der er ein Bild von der neuen Wirklichkeit erhalten und seinen Zeitgenossen vermitteln konnte; beide Methoden sind in ihren Grundelementen eng miteinander verwandt, indem Scharnhorst sich zunächst genaueste Kenntnis von der Position des Gegners macht und dann analysiert, wo dieser objektiv am angreifbarsten ist, wo er selbst seine Position als unhaltbar ansieht, in welcher Punkten er bereit ist nachzugeben, welche Thesen in der Auseinandersetzung zu vermeiden sind, da sie nur unnötig Gegensätze aufreißen, wie man dem Gegner goldene Brücken bauen kann und wann insbesondere die Zeit gekommen ist, um dem Gegner, der schon ermüdet ist, die eigenen Hauptargumente mit der „Festigkeit des Vorsatzes“ und der „Stärke des Willens“ zu präsentieren und ihn zum Nachgeben zu zwingen.Footnote 38 Gegenüber einer allgemeinen, platten Fortschrittsgläubigkeit, die nach Neuerungen hascht und in bloßen Veränderungen bereits einen Wert sieht, betrachtet Scharnhorst den Fortschritt im Heer im Rahmen des großen lebensgesetzlichen Zusammenhangs, in dem dieses in einer feindlichen Umwelt im Kampf um seine und des von ihm verteidigten Staates Existenz steht.Footnote 39 Fortschritt heißt für Scharnhorst in Form bleiben und es ist schon als Fortschritt zu betrachten, wenn man die bestehenden Einrichtungen in einen Zustand besseren Funktionierens zu versetzen vermag, sie in dauernder Elastizität erhält und die traditionellen Formen mit lebendigem Geist erfüllt.Footnote 40 Für Scharnhorst ist eine Armee dann vom Geist des Fortschritts getragen, wenn sie sich von einer mechanischen, geist- und seelenlosen Betriebsamkeit löst, die Genauigkeit im Dienst nicht mit Pedanterie verwechselt, und welcher der tiefere Sinn einer militärischen Hierarchie – die Verkörperung eines echten Führertums – aufgegangen ist.Footnote 41 Für Scharnhorst gab es bei aller Exaktheit der Forschung keine Engstirnigkeit.Footnote 42

5 Scharnhorst und der Generalstab

Gerhard von Scharnhorst gilt heute als der Begründer des modernen Generalstabs, der Vorbild geworden ist, für viele westliche StreitkräfteFootnote 43 – wie das deutsche Führungsdenken insgesamt vor allem in den westlichen Streitkräften, sogar bei den BritenFootnote 44, große Aufmerksamkeit genießtFootnote 45 – wenngleich die Wurzeln nicht, wie Walter meint, bei Napoleon Bonaparte, „der Inkarnation des militärischen Genies“Footnote 46, liegen, eben weil sein System nicht unbedingt dem entsprach, was man sich später unter einem Generalstab vorstellte, da Napoleon durch seine Obsession mit persönlicher Kontrolle des Gesamtsystems seinen Generalstabschef auf einen Bürovorsteher reduzierte, welcher für die Befehlsexpedition und Berichtszusammenstellung verantwortlich war, von den operativen Planungen des Kaisers jedoch ausgeschlossen bliebFootnote 47, sondern bei Friedrich dem Großen.Footnote 48 Napoleons Generalstab kann nach Ansicht Millotats lediglich als militärisches Büro unter Leitung eines seine Entscheidungen umsetzenden Generalstabschefs beschrieben werden, da Napoleon keine Offiziere duldete, die sich selbstständig in Angelegenheiten der Operationsplanung und Truppenführung einmischten.Footnote 49 Auch in Preußen fehlten Übersicht, Schnelligkeit, Einheitlichkeit und sachkundige Beratung; die Führungsstäbe leisteten lediglich Zubringerdienste, standen gänzlich im Schatten eines charismatischen Feldherrn und hatten keinen Einfluss auf die Führungsentscheidungen.Footnote 50 Dagegen sah Scharnhorst im Generalstab eine durch Menschen gebildete Organisationseinheit, deren Strukturen sich flexibel an den zu lösenden Aufgaben ausrichten mussten, deren eigentlicher Wert sich aber durch das Innere Gefüge, das Können und die Leistungsfähigkeit seiner Angehörigen entfalten konnte und somit dem Feldherrn Entlastung von den Details der Führungsaufgabe schaffen konnte. Auch hier bestimmte die innere geistige Verfassung nach Ansicht Scharnhorst die äußere Form, auf die es ihm weniger ankam. „So wichtig ein guter Generalstab sein kann, so darf man sich doch von der bloßen Form nicht zu viel versprechen. Der Grad der Brauchbarkeit der Mitglieder des Generalstabes und der Geist, in dem der Oberbefehlshaber der Armee und der Chef des Generalstabes handelt, bestimmen den Wert des Generalstabes. Die Organisation ist an sich ein totes Wesen – erst durch inneres Leben, durch innere Kraft kann sie wirksam sein.“Footnote 51 Scharnhorst betrachtete die Heranbildung eines neuen Offizierstypus als entscheidenden Hebel für die Erneuerung der Armee.Footnote 52 Scharnhorsts Stärke liegt in der Art und Weise, wie er den Dingen auf den Grund geht und er verarbeitet in seiner eigenen Weise die Gesamtheit der militärischen und politischen Zeitprobleme indem er die Vorstellung vom neuen Menschen und seinen Bildungsidealen für eine zeitgemäße Erneuerung der militärischen Bildung verwendet und aus den neuen geistigen, politischen Grundlagen eine entsprechende Betrachtung und Bewertung der bisherigen Art der Geschichtsschreibung ableitet und daraus wiederum die Folgerungen für die Künftige zieht.Footnote 53 Die Herauslösung des Offiziersstands aus seiner innerstaatlichen Isolierung und sein Einbau in das Bewusstsein der anderen Berufsstände sowie die Anerkennung durch die breite Öffentlichkeit ist für ihn eine unumgängliche Notwendigkeit, denn das Militär kann und darf nur „ein Teil des Ganzen“ sein; und lediglich auf derartigen Grundlagen können für Scharnhorst die Voraussetzungen für ein Bündnis zwischen Regierung und Nation in Gestalt der inneren Teilnahme des Staatsbürgers am Wehrdienst geschaffen werden.Footnote 54 Scharnhorsts grundlegende Gedanken für die Erziehung des Soldaten besitzen somit auch heute noch dieselbe Geltung wie vor 220 Jahren und sind richtungsgebend für das Offizierskorps der gesamten zivilisierten Welt geworden.Footnote 55 Der Aufbau des Generalstabes war die Krönung seines Werkes.Footnote 56 Scharnhorst bildete die Generalstabsoffiziere zu verantwortungsvollen Gehilfen der höheren Führer aus.Footnote 57 Das Generalstabsdenken findet in der Gegenwart auch in der Politik und in der Wirtschaft seinen Niederschlag, denn in Anbetracht der Komplexität von Führung in Staat und Wirtschaft ist der Generalist mit seiner Fähigkeit zur gesamtstaatlichen Sicht gefragt, da er vor allem in der Lage ist, die Probleme der Gegenwart zu durchdenken.Footnote 58 Insofern sind die wesentlichen Elemente des deutschen Führungsdenkens, der Führungsprozess, das Führen mit Stabsorganisationen und das Führen mit Auftrag, die Auftragstaktik, in ihren Grundsätzen insbesondere im Krisenmanagement von Streitkräften, Polizeien, Organisationen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, Verwaltung und Wirtschaft gleich.Footnote 59

6 Die Auseinandersetzung mit dem Genie Napoleon als geistige Ausgangssituation

Scharnhorst hat – wie wohl kein anderer in jener Zeit – die Genialität des großen Korsen erkannt; aber zugleich auch die Schwächen seiner Politik.Footnote 60 Scharnhorst hat erkannt, dass es für den Erfolg unzureichend und nicht zielführend sein kann, dem Genie Napoleon Kräfte und Fähigkeiten gegenüber zu stellen, welche ihn in Quantität und taktischer Qualität übertreffen. Preußen besaß in dem Nachfolger Friedrichs des Großen keinen Nachfolger, der dem Genie Napoleons die Stirn bieten konnte und es besaß auch keine talentierten Generale, die es mit den nach der Methode napoleonischer Feldherrnkunst kämpfenden Generalen Frankreichs aufnehmen konnten.Footnote 61 Wesentliches Kriterium des fortschrittlichen Handelns ist für ihn das sich Anpassen an den Gegner und seine Maßnahmen.Footnote 62Auch hier fließen die theoretischen Denkgebäude Clausewitz‘, der theoretische Denker, der das strategische Handeln Napoleons begrifflich zu fassen wussteFootnote 63 und dem am tiefsten denkendem aller Militärphilosophen und MilitärschriftstellerFootnote 64, mit den praktischen Lehren Scharnhorsts zusammen. Erst durch Clausewitz‘ philosophische Vertiefung des Begriffs der Strategie in Verbindung mit der Politik und seine damit verbundene psychologische Analyse des Wesens der Heerführung – so hat Hans Delbrück gefolgert – ist das volle Verständnis der beiden Kriegsgewaltigen, Friedrich der Große und Napoleon Bonaparte, erschlossen worden.Footnote 65 In Clausewitz‘ Werk „Vom Kriege“, schuf dieser eine Theorie der wissenschaftlichen Kriegführung, die, vom rationalen Zweck denkend her aufgebaut, eine Lehre für das praktische Handeln gibt und dieses Werk diente Millionen von Generalstabsoffizieren im In- und Ausland und wurde zum Ausgangspunkt aller Diskussionen über die moderne Kriegführung.Footnote 66 Beide Reformer – Scharnhorst und Clausewitz – stellen die Persönlichkeit des militärischen Führers respektive des Feldherrn in dem Mittelpunkt ihrer Betrachtung und arbeiten die Selbstständigkeit und auch die Urteilfähigkeit als entscheidende Elemente heraus. Gleichwohl betont Clausewitz, der die Reformen seines Mentors als dessen persönlicher Adjutant begleiteteFootnote 67, wesentlich deutlicher als Scharnhorst die Rolle des Genius.Footnote 68 Scharnhorst kann hiermit, will hiermit weniger anfangen, kommt es ihm doch vor allem darauf an, Persönlichkeiten in größerer Anzahl heranzubilden, die gerade aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage sind, es mit dem Genie aufzunehmen und ihm erfolgreich entgegenzutreten und die Herausforderungen eben nicht allein aufgrund ihrer natürlichen Anlagen zu meistern. „[B]loßes Studium der Krieges-Wissenschaften, ohne Genie, [hat] niemals einen großen Feldherrn hervorgebracht […]. Indeßen würden wir auf der anderen Seite zu weit gehen, wenn wir das Studium der Krieges-Kunst für überflüssig halten würden.“Footnote 69 Auf einen Genius kann er nicht warten; Scharnhorst muss ohne einen solchen auskommen, also muss er handeln. Er weiß, dass – wie von Seekt es später einmal ausgedrückt hat, „[d]er Genius […] unfruchtbar [ist].“Footnote 70 Die Folgerung hieraus war die Institutionalisierung der militärischen Höchstleitung. Es ging darum, das Genie in einer Welt von unvollkommen Menschen, in der das Genie selten und zudem niemals vorhersehbar ist, zu sichern bzw. zu institutionalisieren – oder wenigstens ein System zu perfektionieren, das militärische Leistungsfähigkeit trotz aller Launen des Wechsels dauerhaft machte.Footnote 71 Den entscheidenden Lösungsansatz hierzu entwickelte Scharnhorst mit der Neukonzeption des preußischen Generalstabs und der Ausbildung von Offizieren für die Tätigkeit in dieser Organisation. Bei der Heranbildung des Generalstabs in einem besonderen Institut ging es Scharnhorst zunächst darum, wie er möglichst rasch eine brauchbare Mittelschicht von Gehilfen ausbilden könnte, da es nicht ausreiche dass „einige denkende Köpfe“ an der Spitze der Armee genügten, im Übrigen es ausreiche, das die anderen „bloß maschinenmäßig handeln“.Footnote 72 Von Seekt hat das Wesen der Generalstabsausbildung später einmal folgendermaßen zusammengefasst: „Der Generalstab ist wie jede andere Schule eine Schule für die Mittelmäßigkeit, nicht eine Schule bestimmt für Genies. … Von der Schule ist nur zu verlangen, daß sie dem Genie Mittel und Wege zu seiner Entwicklung bietet und daß sie ihm nicht Steine in den Weg legt und Irrwege weist. Der eigentliche Zweck der Schule ist die Erziehung eines möglichst hohen Durchschnittsmaßes und zugleich die Gewinnung einer Erziehungs- und Bildungsgrundlage, die dem einzelnen ermöglicht, nach seiner Begabung und seinen Kräften weiterzubauen und sich weiterzuentwickeln.“Footnote 73

7 Scharnhorsts bildungstheoretischer Ansatz im Rahmen der modernen Ansätze seiner Zeit

Für Scharnhorst ist eine pragmatische Auffassung von Bildung typisch, die Erkenntnisse nicht nur um ihrer selbst willen, sondern primär unter dem Aspekt des Verstehens der Gegenwart und der Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben fordert, wobei dafür – bezogen auf das Individuum – entscheidend ist, die „Entwicklung des Denkvermögens“, wohinter die Überlegung Scharnhorst steht, dass der Einzelne befähigt werden soll, sich selbstständig, das heißt unabhängig von vorgegebenen Richtlinien und Mustern, Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, die dann die Richtschnur seines Handelns bilden.Footnote 74 Im Zentrum seines Anliegens stand die Entwicklung selbstständiger Urteilskraft; diese verlangte aber nicht nur die empirische Kenntnisse, sondern auch theoretische Einsichten, um aus gegebenen Bedingungen die richtigen Konsequenzen zu ziehen.Footnote 75 Scharnhorst macht die Theorie zu einer wirklichen Richtlinie für das praktische Handeln; achtet anderseits peinlich darauf, dass man in der Praxis die großen Zusammenhänge nicht vergisst und stellt in seiner Person die Synthese zwischen Theorie und Praxis dar,Footnote 76 in dem er ein Grundproblem des Lebens auf seine Weise gelöst hat: die Einheit von Theorie und Praxis.Footnote 77 „Die Universitäts-Studien können überhaupt auch den Fleißigsten nicht zum geschickten Offizier machen. Es fehlt hier an Praktik. Der Soldat muß seine Kenntnisse in die Ausführungen übertragen. Dies ist ein besonderes Studium, denn zur Exekution wird oft mehr Geschicklichkeit erfordert, wie zum Entwurf.“Footnote 78 Es wurde eine wissenschaftliche, jedoch immer an den praktischen Erfahrungen orientierte Ausbildung bevorzugt, die im Sinne einer genauen Untersuchung vom Wesens des Krieges und der Benutzung aller bisher im Krieg gemachten, vornehmlich der jüngsten Erfahrungen betrieben wurde.Footnote 79 Damit hat er die Idee einer historisch-empirischen Wissenschaft in das Handwerk des Krieges hineingetragen.Footnote 80 Scharnhorst plädiert hierbei weder für eine Ansammlung von Kompendienwissen, noch für ein Verständnis der Vergangenheit aus sich selbst heraus; für ihn bedeutet das Studium der Geschichte zuallererst Erweiterung der eigenen Anschauungen durch die Auseinandersetzung mit einem über das individuelle Erleben hinausweisenden Erfahrungsbereich.Footnote 81 Scharnhorsts Ideal war das eines wissenschaftlich und praktisch in gleich hohem Maße durchgebildeten Offiziers.Footnote 82 Er fordert ein zusammenhängendes wissenschaftliches Studium, eine theoretische Grundlegung der praktischen Tätigkeit.Footnote 83 Scharnhorst trat somit für eine enge Verbindung von praktischer und theoretischer Ausbildung ein, wobei die Generalstabsoffiziere vor allem durch die Lösung konkreter Aufgaben in die Lage versetzt werden sollten, ihre Funktion als Führungsgehilfen später adäquat auszuüben.Footnote 84 Die Erziehung strebte eine zu selbstständigem Handeln befähigte Persönlichkeit an.Footnote 85 Das neue Militärerziehungswesen stand mit dem allgemeinen Bildungsideal der Reformzeit in unbedingtem Einklang und legte so den Grund nicht nur für die fachliche, sondern auch für die geistige Bildung des neuen Offiziersstands.Footnote 86 Insofern nahm das ganze Reformprojekt die Gestalt einer Bildungsbewegung an und atmete den ganzen Bildungsoptimismus der Aufklärung.Footnote 87 Dieses Ideal korrespondierte mit den in den Volksschulen angewandten Lehren des Schweizer Pädagogen Pestalozzi, nach denen der mechanische Drill vor allem durch Anleitung zur Selbstentfaltung des Geistes ersetzt wurde.Footnote 88 Auch diese Erkenntnis entsprach Scharnhorsts Überzeugung: „Die beständige Wiederholung einer Sache erschlafft den Geist und ermattet seine Tätigkeit, erzeugt Abneigung und Mißfallen.“Footnote 89 Allerdings resultierte die Bedeutung Pestalozzis für das Reformwerk nicht allein aus der Übereinstimmung der preußischen Reformer mit den pädagogischen und bildungspolitischen Vorstellungen des schweizer Pädagogen, sondern ebenso sehr aus ähnlichen Auffassungen über die anzustrebende gesellschaftspolitische Entwicklung.Footnote 90 Bei Pestalozzi, mit dessen modernen Ausbildungs- und Erziehungsmethoden auch Clausewitz intensiv auseinandergesetzt hatFootnote 91, fanden die Reformer ein Konzept, mit dessen Hilfe sie ihre Politik zu realisieren gedachten und die darauf abzielte, den Untertan zum Bürger heranzubilden, um den durch Gesetze, Verordnungen und Erlasse vorbereiteten Umbau des Staates mit Leben zu erfüllen.Footnote 92 Gleichsam korrespondierte dieses Konzept mit dem Ansatz Schleiermachers, welcher Erziehung als eine Kunst definierte, die aller pädagogischen Theoriebildung immer schon vorausliege, weswegen Pädagogik eine „Kunstlehre“ oder eine „technische Disziplin“ sei, mit der Aufgabe, „das besondere Bewußtsein“ in der Praxis zu fördern und deshalb die „… Dignität der Praxis […] unabhängig von der Theorie [ist]; die Praxis wird nur mit der Theorie eine bewußtere.“Footnote 93 Allerdings bedarf Reflexion auf die Praxis prägnanter Begriffe und Kriterien, welche Schleiermacher seiner Kulturethik entlehnt, weswegen für ihn pädagogische Theorie „… eine rein mit der Ethik zusammenhängende, aus ihr abgeleitete Wissenschaft [ist].“Footnote 94 Für Schleiermacher ist daher der Mensch „… ein Wesen, welches den hinreichenden Grund seiner Entwicklung vom Anfang des Lebens bis zum Punkt der Vollendung in sich trägt“, weswegen grundlegende Erziehung erregend und leitend auf jede Anlage wirken müsse, indem sie das in Erscheinung getretene weiter fördere, womit Schleiermacher die Entwicklung des Menschen als einen graduellen Prozess beschreibt, zu dessen Beginn die Einwirkung die Momente der Selbstständigkeit überwiegt, um schließlich am Ende auf starke Selbstständigkeit hinauszulaufen.Footnote 95 Dementsprechend zielt nach Schleiermacher Bildung in einem offenen, spannungsreichen Prozess gleichermaßen auf persönliche Individualität und Kulturgemeinschaft.Footnote 96

8 Die praxisorientierte Anwendung der Theorie als Methode Scharnhorsts

Das Ziel, welches Stein und Scharnhorst mit ihren Reformen vorschwebte, konnte nur erreicht werden, wenn es auch zu Reformen in der Erziehung und Bildung des ganzen Volkes kam; insofern war das Ganze bei allen zeitbedingten Lücken ein Anlauf, bei dem technische Vervollkommnung und eine neue Auffassung von Krieg mit dem Versuch einer engen Verbindung von Volk und Heer Hand in Hand gingen.Footnote 97 Mit den von den Reformern geforderten erhöhten Ansprüchen an die Qualifikation der Offiziere musste natürlich auch die Reform des Militärbildungswesens Hand in Hand gehen.Footnote 98 Bei der Auseinandersetzung mit Fragen der militärischen Bildung und Ausbildung stand für Scharnhorst bei der Präzisierung seiner eigenen Bildungskonzeption die Lösung praktischer Fragen und Probleme immer wieder im Vordergrund und seine pädagogischen Anschauungen vollzogen sich immer wieder gewissermaßen in der Herausbildung seiner militärischen Lehr- und Reformtätigkeit.Footnote 99 Inhalt und Methode Scharnhorsts werden für seine Zeit als neuartig bewertet.Footnote 100 Methodisch bedient sich Scharnhorst in seinem Vorgehen dreier Verfahrensweisen, welche ineinander übergreifen, einzeln, aber auch vielfach zugleich mit stets nach den Bedürfnissen verlegtem Akzent angewandt werden: der wissenschaftlichen, der praktischen und der politisch-taktischen.Footnote 101 Scharnhorst hatte den Krieg vom Handwerk zur Wissenschaft erhoben und Methoden entwickelt, die das Studium des Krieges auf wissenschaftlicher Basis möglich machten.Footnote 102 Als erstes steht als wissenschaftliche Methode eine klare und unvoreingenommene Situationsanalyse, durch die Scharnhorst sich ein umfassendes Lagebild verschafft. Er will sich ein Bild von der veränderten Umwelt machen und sie in ihren Zusammenhängen und Proportionen begreifen, um das Erkennbare zu erkennen sowie Ursachen und Wirkungen festzustellen.Footnote 103 Im Übergang zur Umsetzung des als Richtig erkannten verwendet Scharnhorst die praktische Methode, in der er bei Planung und Durchführung alle Schwierigkeiten, welche bei der Umsetzung auftreten können von vorne herein in Rechnung gestellt werdenFootnote 104 und somit Berücksichtigung finden. In bezeichnender Weise verbindet Scharnhorst seine Grundsätze mit einer pädagogisch geschickten Methode, um ihnen ihre Umsetzung in die Praxis zu sichern.Footnote 105 Den Eigentümlichkeiten der verschiedenen Zeiten, Verhältnisse und Umstände wurde sachlich Rechnung getragen; die allgemeinen Grundlagen ergaben sich auf diese Weise als Art des Unterrichtsgesprächs.Footnote 106 Der neue Lehrstoff wird daher durch eine neue Lehrmethode ergänzt, nach welcher an den Kriegsschulen vorgegangen werden soll und dessen oberstes Bildungsziel ist, „Denkende Offiziere“ zu erziehen, das heißt einen Nachwuchs heranzubilden, der die sklavische Nachahmung der bisherigen Pedanterie überwindet und eine kritische Einstellung gegenüber allen militärischen Dogmen besitzt, ebenso kritisch sich aber auch gegenüber neuen militärischen Ideologien verhält und sie auf ihre praktische Brauchbarkeit prüft.Footnote 107

9 Die Entwicklung antizipatorischer Fähigkeiten als wesentlicher Bestandteil der Führereigenschaften

Scharnhorst hat erkannt, dass er weder den Zufall noch andere Unwägbarkeiten ausschalten oder gar wegignorieren kann, sondern, dass man diese im Umgang mit den gestellten Herausforderungen berücksichtigen muss, um ihnen zu begegnen. Auch hier steht er im Gegensatz zur herrschenden Lehre seiner Zeit. Während die Kriegskunst der Zeit sich bemüht, den Zufall weitgehend auszuschalten und darin den Ausdruck wahren Feldherrentums sehen will, räumt ihm Scharnhorst den ihm gebührenden Platz ein.Footnote 108 Für Scharnhorst ist ein geschultes Auge, die Beobachtung aller wesentlichen Momente wichtiger als jedes System und alle noch so einleuchtenden Lehrsätze; und er warnt davor, die einzelnen Punkte, die er selbst als wichtig bei der Wahl der Angriffsart herausgestellt hat, zu überschätzen, sie im Ernstfall „ängstlich miteinander (zu) vergleichen, einem jeden seinen gebührenden Antheil und Einfluß geben“ zu wollen.Footnote 109 Scharnhorst verfügte über ein positiv-praktisches Verhältnis zu Wirklichkeit, wo ihn das letzte Detail interessierte, das Individuelle, wenngleich er dabei nicht stehen blieb, sondern ihm es gegeben war, hinter den Beispielen und Einzelheiten den strategisch-politisch-gesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen, sichtbar zu machen, in Einzelheiten einzuordnen und seine Überlegungen einzubeziehen.Footnote 110 Insofern verlangt Scharnhorsts wissenschaftlicher Ansatz eine Antizipation der in der jeweiligen Lage gebotenen Erfordernisse und Notwendigkeiten, welche ihn durch eigenmotivierte fortgesetzte und umfassende Aus- und Weiterbildung befähigen sollte, diese zu erkennen, zu analysieren und zu beurteilen: „Der Krieg erfordert einen an Tätigkeit gewöhnten Geist, Übung und Fertigkeit in der Beurteilung und Verrichtung seiner Vorwürfe. Wenn man nicht aufhört, tätig in seinem Beruf zu sein, so verlieren die Seelenkräfte, so ist man nicht mehr zu Verrichtungen, welche Einsicht und Beurteilung erfordern, tüchtig. Im Felde muß der Offizier fast beständig Mittel erfinden, vergleichen und die angemessensten auswählen. Je mehr man sich hierin übt, desto geschwinder und richtiger kann man die Lage und den Ausgang der Sache bestimmen, die möglichen Fälle nebeneinanderhalten und die möglichen Folgen sich darstellen.“Footnote 111 Scharnhorst untersucht die Realität des Krieges nicht aus doktrinärer Perspektive und er erklärt auch die herrschende preußische Doktrin nicht eng nach Vorschriften und Leitfäden, sondern für ihn ist die grundlegende mechanische Lehre nicht mehr der Mittelpunkt des Unterrichts; stattdessen legt er Nachdruck auf taktische und operative Probleme, wie sie zu verstehen seien und in den Grenzen des in Preußen Möglichen behandelt werden könnten.Footnote 112 „Wenn der Offizier vom Generalquartiermeisterstab eine gute militärische Bildung erhalten hat, so wird er im Kriege in kurzer Zeit in allen Fächern brauchbar sein; aber ohne eine gute Bildung in Friedenszeiten wird nie ein Offizier vom Generalquartiermeisterstab im Kriege etwas vorzügliches leisten. Denn es wird eine durch viele Untersuchungen militärischer Vorwürfe gebildete Bildungskraft und ein großes Magazin von Tatsachen, die aus der Geschichte uns gegenwärtig sein müssen, erfordert, wenn man in allen vorkommenden Fällen aus der Ähnlichkeit der Umstände den Erfolg einer Unternehmung einigermaßen beurteilen und die Fehler, welche die Erfahrung aufgedeckt hat, vermeiden will – wenn man alle die besonderen Umstände zu Rate ziehen und unter den mancherlei Möglichkeiten die zugänglichste wählen will.“Footnote 113 Scharnhorst verstand es somit, die größeren Sachzusammenhänge jeweils in ihren konkreten Einzelkomponenten zu erfassen und deutlich zu machen.Footnote 114 Mit dieser Ausbildung zum selbstreflektierten und antizipatorischen Denken legte Scharnhorst die Grundlagen für einen modernen Entscheidungsfindungsprozess und aktuelle Führungsprinzipien.

10 Scharnhorst als ein Begründer des Führens mit Auftrag und von Ansätzen eines Inneren Gefüges

Die neue militärische Praxis erforderte einen Soldaten, der im Unterschied zu früher in gewisser Weise auch selbstständig agieren musste und überdies bereit war, Verantwortung zu übernehmen.Footnote 115 Dementsprechend war eine aufgelöste Taktik nur möglich mit Soldaten, die einigermaßen selbstständig ausgebildet waren, die zudem wussten, dass sie nicht nur für Sold und Brot, sondern für ein höheres Ziel, für Ihr Vaterland kämpften, sondern ohne Zwang, aus Pflichtgefühl und Vaterlandsliebe das taten, was der Moment erforderte.Footnote 116 Es musste also eine neue Form gefunden werden, die neben straffer Disziplin, aber ohne entehrende Strafe, Selbsthandeln und Selbstdenken der Untergebenden ermöglichte und eine natürliche Führerauslese gewährleistete.Footnote 117 Im Vordergrund steht hier die „Anleitung zum Selbstdenken“ die systematische Entwicklung des eigenen Urteils, die Abkehr von bloßen „Begriffen“ und abstrakten Klugheitsregeln sowie die Entwicklung der Regel am Beispiel, sodass sie sich für den Schüler von selbst ergibt.Footnote 118 Scharnhorst hat die Gefahren, die in einer Überschätzung des bloßen Wissens lagen klar erkannt und immer wieder betont, dass er die Bildung nicht als eine reine Wissenssache betrachte, sondern sein Erziehungsideal vielmehr auf die Formung der Gesamtpersönlichkeit ausgerichtet sei.Footnote 119 Ausbildung der Fähigkeiten, Vermehrung der Kenntnisse und des wirklichen inneren Wertes sowie ständige Selbstüberprüfung bilden hiernach die Persönlichkeit des Offiziers.Footnote 120 Scharnhorst will die künftigen Befehlshaber in einem Geist erzogen wissen, nach welchem man es sich gegenüber künftigen Unterbefehlshabern ersparen kann, eine „ausführliche Disposition“ zu geben, wenn man auf verschiedenen Punkten zu Angriff übergeht und man ist vielmehr in der Lage, diesen eine „große Selbständigkeit (zu) lassen, so daß die notwendige Übereinstimmung im gesamten Angriff aus der Überzeugung und Zweckmäßigkeit des Handelns hervorgeht.“Footnote 121 Scharnhorst hatte das Schwergewicht seiner Erziehungsarbeit darauf verlegt, selbstständig „denkende Offiziere“ heranzubilden, die „nach den besonderen Umständen“ zu handeln und zu „außerordentlichen Hilfsmitteln Zuflucht“ zu nehmen verstanden und so galt sein steter Kampf den „mechanischen Köpfen“, der „Pedanterie“, der falsch verstandenen Disziplin und hemmenden Traditionen.Footnote 122 Scharnhorsts Führungskonzept verlangte, nur noch Zweck, Ziel und Richtung festzulegen, als Herzstück einer entscheidungssuchenden, beweglichen Führung und somit nur mittels Selbstständigkeit im Rahmen eines weit gefassten Auftrags möglichen Friktionen im Kampf hinreichend schnell begegnen zu können und damit die bis dahin praktizierten starren Führungsmethoden zu überwinden.Footnote 123 Hier ist im Grunde bereits das angelegt, was später einmal von Moltke zum „Führen mit Direktiven“ und später dann von von Seeckt als „Auftragstaktik“Footnote 124 bezeichnet, im 2. Weltkrieg seine volle Ausprägung und seinen Höhepunkt erfährt und heute noch im Deutschen Heer als „Führen mit Auftrag“ als oberstes Prinzip postuliert wird.Footnote 125 Mit diesem Ansatz macht Scharnhorst den neuen Typ des denkenden Offiziers innerhalb der höheren Taktik nutzbar, indem der Unterbefehlshaber von der Fessel der starren Befehlsform gelöst wird und ihm ein weiter Bereich für seine eigene Entscheidung überlassen wird.Footnote 126 Selbstständig soll er im Rahmen der ihm gestellten Aufgabe, die Mittel und Wege finden, die zum Ziele führen.Footnote 127 Hier ist also insbesondere die Selbstständigkeit der Offiziere verlangt, eine Schlüsselfähigkeit, welche eines der wesentlichen Elemente des Führens mit Auftrag ist.Footnote 128 Zugleich ist hierin auch das innere Gefüge begründet, was später in der Bundeswehr einmal „Innere Führung“ heißen wird.Footnote 129 Die Selbstständigkeit findet ihre Krönung in der Persönlichkeit von Kommandeuren, welche aufgrund ihrer Urteilsfähigkeit „nach der Natur der Sache“ zu entscheiden vermögen.Footnote 130 Das heißt, „die Kunst, die Erfahrungen zu benutzen und aus ihnen allgemeine Regeln zu ziehen“, die „der Natur der Sache“ entsprechen, kennzeichnet das Wesen der Arbeit des Generalstabsoffiziers.Footnote 131 Dementsprechend hängt für Scharnhorst die Erfahrung nicht von der Menge der Feldzüge ab, sondern von dem Geiste mit dem sie beobachtet sind.Footnote 132 Dementsprechend setzt Scharnhorst darüber hinaus auf wesentliche Merkmale, welche für eine Führerpersönlichkeit entscheidend sind: „Bey dem commandirenden General kömmt es überall nicht allein auf Erfahrung an, sondern auf Entschlossenheit, auf einen festen und unternehmenden Charakter, auf ein hohes heroisches Gefühl, auf Energie an. Ohne diese Eigenschaften wird er in verwickelten Umständen dem Staat schlecht dienen.“Footnote 133

11 Scharnhorsts pädagogisches Konzept

Beim Versuch, das Bildungsverständnis, welches in Scharnhorsts Reformvorschlägen für die militärischen Bildungs- und Ausbildungsanstalten sowie für die Generalstabsausbildung zum Ausdruck kommt, ergibt sich als für ihn typisch eine pragmatische, das heißt handlungsbezogene Auffassung von Bildung, die Erkenntnisse nicht um ihrer selbst willen, sondern primär unter dem Aspekt des Verstehens der Gegenwart und der Bewältigung eben dieser Gegenwart fordert.Footnote 134 Scharnhorst ging es um einen wissenschaftlich anspruchsvollen Unterricht in Verbindung mit den praktischer Erfahrungen im Felddienst, wobei methodisch die Gründlichkeit des Lehrens und Lernens Vorrang haben sollte vor der Menge des Lern- und Gedächtnisstoffes und an die Stelle des dozierenden Monologs der Lehrenden sollte das sokratische Lehrgespräch treten, an die Stelle des Quantums an Lehr- und Lernstoff die exemplarische Vertiefung, an die Stelle des bloßen Memorierens von Wissensstoff die Anleitung zum eigenen Urteil, sodass die Lernenden vom Beispiel ausgehen sollten und daraus wenige grundlegende Regeln ableiten sollten; und die Schüler sollten weniger fertige Ergebnisse repetieren als deren schrittweise Entstehung nachvollziehen.Footnote 135 Praktisch entscheidend ist für Scharnhorst, dass in den jungen Offizieren von vorneherein die Fähigkeit entwickelt wird, das theoretisch Erkannte im Felde anzuwenden.Footnote 136 Hierbei muss auch die Urteilskraft im jungen Offizier geweckt werden, wobei er zu lernen hat, dass die Kenntnis allgemeiner Regeln nicht genügt, dass es vielmehr entscheidend auf ihre Anwendung unter den gesonderten Umständen ankommt.Footnote 137 Scharnhorst bekämpft die abstrakten Klugheitsregeln, denn zweifellos sind die meisten der strategischen Grundsätze leicht zu verstehen, aber es ist schwer, sie durchzuführen und stets haben sie nur Wert unter ganz bestimmten Bedingungen und bei Berücksichtigung der besonderen Umstände, sodass der Offizier letztere kennen muss um zu sehen, welche Regeln er überhaupt verwenden kann.Footnote 138 Scharnhorsts bildungstheoretisches Ideal des Offiziers ist daher nicht einseitig orientiert, sondern praxisorientiert, basierend auf umfassenden theoretischen Grundlagen. Jede einseitige Ausbildung des Offiziers ist für Scharnhorst zu vermeiden; er muss „daher die Erfahrung mit der Theorie verbinden.“Footnote 139 Hier gibt es deutliche Übereinstimmungen in Formulierung, Einstellung und Geist mit dem theoretisch-methodischen Ansatz von Clausewitz.Footnote 140 Ableitung, Prüfung und Verbesserung der Theorie aufgrund der Erfahrung und gleichzeitig die Erprobung und Anwendung der Theorie an der Erfahrung sind bezeichnend für den dialektischen Vorgang im Denken auch von Clausewitz.Footnote 141 Für Scharnhorst ist gerade die reine Erfahrung der Nur-Praktiker „besonders vielen Vorurteilen unterworfen“ und die bloße Praxis führt also, da sie nur auf den begrenzten Beobachtungsmöglichkeiten eines Einzelnen beruht zu engen und daher schiefen Urteilen und insofern wäre es eine höchst missliche und dazu äußerst gefährliche Angelegenheit, darauf eine Theorie zu gründen.Footnote 142 Scharnhorst will mit seiner Unterrichtsmethode verhindern, dass der militärische Positivismus auf dem Wege über den Unterricht neue Nahrung erhält, sodass der Offizier sich daran gewöhnt, an die „Unfehlbarkeit der Regeln“ zu glauben und es sollen dem jungen Offizier daher keine Rezepte vermittelt werden, deren Wirkung er blindlings vertraut; er muss vielmehr um die Zusammensetzung des Rezeptes wissen und im Ernstfall das für ihn passende herausfinden können.Footnote 143 In der Ausbildung ist Scharnhorst daher auch jede Schulmeisterei verpönt; die Offiziere sind psychologisch geschickt zu behandeln, um ihre freiwillige Teilnahme zu erhalten.Footnote 144 Scharnhorsts Interesse lag darin, empirischen Stoff für die Einübung und Optimierung situativer Entscheidungsfindung zu sammeln.Footnote 145 Scharnhorst entwickelte hier eine Lehr- und Lernmethode, wie wir sie heute in modernen pädagogischen Ansätzen wiederfinden, denen es vor allen auf das Heben vorhandenen Wissens – von Erlerntem oder aus Erfahrung – zur Kompetenzvermittlung ankommt und dieses in den Mittelpunkt der Unterrichtung stellt.

12 Schlussbetrachtung

Im Ergebnis ist der Ansatz der Reformer Scharnhorst und Clausewitz ein auch heute noch moderner und damit richtungsweisender. Das heutige Verständnis von Theorie und Praxis ist grundlegend durch unsere Kenntnis von Wissenschaften geprägt, deren theoretische Einsichten sich unmittelbar in Handlungsanweisungen übersetzen lassen.Footnote 146 Somit stehen Theorie und Praxis in enger Beziehung zueinander. Die Theorie muss sich an der Praxis messen lassen. Die Gültigkeit der Theorie ergibt sich aus ihrer Bewährung und Überlebensfähigkeit in der Praxis.Footnote 147 Theorie und Praxis müssen in der Ausbildung daher in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, wenngleich zuweilen auch heute noch die Feststellung anzutreffen ist, dass „[d]er Begriff der Theorie […] im allgemeinen Sprachgebrauch einen Beigeschmack des Minderwertigen erhalten [hat].“Footnote 148 Indes ergänzen sich theoretisches Wissen und praktische Erfahrung wechselseitig und bedingen einander, um Stück für Stück auf der Grundlage erworbenen Wissens Anregungen und Ableitungen für lageangepasste eigene Entschlüsse und ihre Umsetzung zu gewinnen. Erinnerung darf daher nicht mit Erfahrung gleichgesetzt werden; Erinnerung wird nur durch reflektierte Antizipation zur Erfahrung. Bildung ist hierzu die Voraussetzung, die einen differenzierten Überblick über größere Zusammenhänge verschafft und damit zu einer entscheidenden Grundlage für selbstständiges Denken und Handeln wird.Footnote 149 Die Hauptaufgabe der Ausbildung bleibt aber immer eine mögliche Gleichmäßigkeit der Voraussetzungen, ein Gleichmaß des Wissens und der Anschauungen herzustellen; die Unterschiede ergeben sich dann viel weniger aus dem Können als aus dem Sein, viel weniger aus dem Wissen als aus dem Charakter.Footnote 150 Bildung und Erfahrung bedingen sich für die fortschreitende Befähigung gegenseitig gleichermaßen; beide bilden sich einer Spirale gleich zu einer Form aus, welche über die Zeit in einer Spitze mündet. Für ein modernes, umfassendes, im Sinne eines integrierten Risiko- und KrisenmanagementsFootnote 151 ist es durchaus hilfreich und nutzbringend, mit dem von Scharnhorst begründeten und überlieferten Können zu arbeiten und dieses in sachgerechter sowie ziel- und zweckgerichteter Art und Weise in moderne Strukturen und Prozesse der nationalen Sicherheitsarchitektur zu transformieren. Scharnhorst trat allen Ansätzen entgegen, welche „… überall einen größeren Werth auf die Form als auf den Geist legten.“Footnote 152 Es kommt in diesem Sinne auch für ein modernes Krisenmanagement entscheidend darauf an, eine besondere Situation, eine Katastrophe, eine Großschadenslage oder eine andere Krisensituation zu beherrschen, indem sie umfänglich erfasst und analysiert wird und ihr entsprechend flexibel und dynamisch entgegengetreten wird. Dabei ist es geboten, bei Vorliegen eines konkreten Sachverhalts rational-analytisch vorzugehen, um in logisch-stringenten Ableitungen gedanklich präzise zu untersuchen und elastisch darauf zu reagieren. Es geht dementsprechend bei der Ausbildung im Kern also darum, Verantwortliche in Stäben zur Gefahrenabwehr heranzubilden, die nicht nur starre Verrichtungsgehilfen sind, die mechanisch und pedantisch Aufgaben erledigen, sondern präzise, aber dennoch flexibel Entschlussmöglichkeiten und Empfehlungen erarbeiten können, und den politisch-administrativ Verantwortlichen entsprechende Führungsentscheidungen abringen können. Der nationale Führungsprozess ist daher kein starres Schema, sondern versteht sich als Anhalt zur Gestaltung eines schöpferischen Aktes, wonach anhand festgestellter Fakten in stringenter und logischer Anwendung, Elemente herausgearbeitet und Folgerungen gezogen werden und somit ohne gedanklich abzubrechen, sinnhafte sowie ziel- und wirkungsorientierte Möglichkeiten abgeleitet werden, um schlussendlich hieraus die zweckmäßigste Option für das Krisenmanagement auswählen zu können.Footnote 153 Dabei geht der Geist vor der Form. Um solches leisten zu können bedarf es auf der Grundlage theoretischer Erkenntnisse und persönlicher Erfahrung der Ausbildung und Entwicklung von Urteilsfähigkeit und Entschlusskraft sowie Durchsetzungsvermögen. Somit ist Scharnhorsts handlungs- und erfahrungsorientierte Methode, die sich zudem auf wissenschaftlich-theoretische Grundlagen zum Verständnis, zur Einordnung und zur Reflexion gründet auch heute noch hochaktuell und entspricht insofern ebenso modernen Bildungskonzepten.