Steinbrück bei Maischberger: „Putin wird nicht weggeputscht!“ | Politik | BILD.de

Steinbrück bei Maischberger: „Putin wird nicht weggeputscht!“

Peer Steinbrück (75, SPD) am Mittwochabend bei Maischberger

Peer Steinbrück (75, SPD) am Mittwochabend bei Maischberger

Foto: ARD
Von: JOSEF NYARY
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Der Kanzler klettert der Zeitenwende hinterher: heute Regierungserklärung, ab morgen Gipfel-Marathon. Die Ampel hängt über der Energieklamm, die Union träumt von neuen Höhen am Kühlturm und Sandra Maischberger schickt eine Promi-Seilschaft los.

Die Gäste

Peer Steinbrück (75, SPD). Der Ex-Kanzlerkandidat warnt: „Dieses Russland ist wirtschaftlich ein Zwerg, aber eine nukleare Großmacht. Das ist die Drohkulisse!“

Barbara Schöneberger (48). Die Entertainerin soll die Sendung mit Sprüchen aufpeppen, z.B.: „Ich war schon emanzipiert, als ich noch gar nicht wusste, was emanzipiert bedeutet.“

Ulrike Herrmann (58). Die Journalistin („taz“) sagte schon vor sechs Wochen bei „Maischberger“ voraus: „Es ist nicht möglich, dass Russland gewinnen kann!“

Michael Bröcker (45). Der Journalist („The Pioneer“) war in Butscha und fordert Härte gegen Putins Russland.

Ulrich Wickert (79). Der Ex-ARD-Moderator („Tagesthemen“) antwortete schon im April auf Maischbergers Frage, wie der Krieg am schnellsten zu beenden sei: „Waffen können es am besten!“

Über Putin kann es keine zwei Meinungen mehr geben. Hat das Zoff-o-Meter trotzdem was zu melden?

Wichtigste Worterklärungen

Als Ouvertüre soll der Ex-ARD-Moderator ein Neu-Wort erläutern: „Scholzen“. Seine Definition: „‚Scholzen‘ folgte auf ‚Merkeln‘ und bedeutet, etwas ganz emotionslos zu erklären, aber so, dass man ihn hinterher nicht festnageln kann. Als Gegensatz würde ich von ‚Habecken’ sprechen.“

„In der Ukraine heißt ‚Scholzen‘ viel versprechen, wenig halten“, ergänzt die Talkmasterin. Die „taz“-Journalistin versucht Scholz mit einem humorfreien Lamento rauszuhauen: „Der Vorwurf ist nicht richtig…“ Kollege Bröcker rät dem Kanzler, „mit Taten zu scholzen“. Witz, komm raus, du bist umzingelt!

Journalist Michael Bröcker (45)

Journalist Michael Bröcker (45)

Foto: ARD

Schon geht das Zoff-o-Meter los

Wickert regt sich gestikulierend über die zögerliche deutsche Waffenhilfe auf: „Es stehen diese ‚Marder‘ zu Hunderten auf den Hinterhöfen der deutschen Rüstungsindustrie. Warum werden die nicht geliefert?“

Ex-ARD-Moderator Ulrich Wickert (79)

Ex-ARD-Moderator Ulrich Wickert (79)

Foto: ARD

Prompt spult „taz“-Herrmann die typischen Verhinderungsargumente ab: „Nicht genug Munition. Nicht genug Ersatzteile. Wenn sie jetzt geliefert werden, und es gibt niemanden, der sie bedienen kann, dann werden die Leute, die drin sitzen, Kanonenfutter.“ Heilige Einfalt! Als ob jemand sowas ernsthaft erwägen würde!

Korrekteste Ortsbestimmung

„Der Krieg dauert schon vier Monate“, kontert Bröcker, „was hätten wir da alles an Ausbildung machen können! Die Marder sind doch in anderen Nato-Ostflankenländern längst einsatzbereit, und wir würden ja tauschen. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, als sie Olaf Scholz zulässt.“ Rumms!

Die „taz“-Frau findet die Politik des Kanzlers trotzdem gut: „Scholz führt von hinten, nicht von vorne“, lobt sie. Horrido! Olaf, der alte Etappenhase!

Journalistin Ulrike Herrmann (58)

Journalistin Ulrike Herrmann (58)

Foto: ARD

Bröcker ist darüber gar nicht glücklich: „Ich wünschte mir, er führte von vorne!“, murrt er.

Verblüffendstes Eingeständnis

Früher pflegte Wickert launig zu erklären, er sei wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten, habe aber nie Beitrag gezahlt und sei längst kein Mitglied mehr.

Jetzt verfeinert er seine Erzählung: „Ich bin ausgeschlossen worden Anfang der 80er Jahre, weil ich im Ausland Korrespondent war und keine Mitgliedsbeiträge mehr gezahlt habe“, lacht er schulterzuckend. „So war’s! Ich bin aber nicht wieder eingetreten.“ Heiterkeit im Publikum! 

Beschuss während der FahrtAngriff auf BILD-Team in der Ostukraine

Quelle: BILD

Knalligste Kritik

Steinbrück bringt die Talkmasterin mit einem Knopf in Gefahr, der sich in Bauchhöhe von seinem Hemd abzusprengen droht. Auch in seinen Sprüchen steckt Dynamit: „Es ist die tiefste Zeitenwende, die ich erlebt habe“, doziert er, aber „die Konsequenzen sind politisch nur unzureichend erklärt worden!“

Sein happiger Vorwurf: „Um mich beim Publikum unbeliebt zu machen: Ich glaube, dass in einer gewissen Trägheit der Zivilbevölkerung auch noch nicht begriffen worden ist, was diese Zeitenwende bedeutet. Scholz sollte die Folgen besser vermitteln!“   

Gnadenloseste Analyse

 „Wir haben uns alle nicht eingestehen wollen“, gibt Steinbrück zu, „dass – unabhängig davon, welche Hoffnungen es gegeben hat, auch in der ersten Phase von Putin – dahinter ein Mann stand, der eine ganz andere Vorstellung im Umgang mit Europa hatte, nämlich dieses Europa zu destabilisieren.“

„Darüber sind wir etwas ins politische Koma geraten“, stellt der SPD-Mann nüchtern fest, „und wachen jetzt alle auf. Auch das ist Bestandteil der Zeitenwende.“

Peer Steinbrück (75, SPD) im Talk mit Moderatorin Sandra Maischberger

Peer Steinbrück (75, SPD) im Talk mit Moderatorin Sandra Maischberger

Foto: ARD

Skeptischster Kommentar

Den Europa-Hoffnungen der Ukraine verpasst der SPD-Grande einen herben Dämpfer: „Scholz hat der Ukraine einen Kandidatenstatus zugeordnet, aber das bedeutet nicht automatisch eine Aufnahme in die EU“, erklärt er. „Es gibt da Aufnahmekriterien, und die Ukraine ist davon leider ziemlich weit entfernt!“

„Dieser Kandidatenstatus ist dem Krieg geschuldet“, erläutert Steinbrück weiter. Er selbst habe schon vor Jahren gesagt, dass es „eine Art Moratorium“ geben sollte: keine weiteren Beitritte, „bevor wir die EU reformiert haben.“

Jammervollster Einspieler

Maischberger zeigt wieder mal einen Ausschnitt aus ihrem letzten Interview mit Helmut Schmidt. Am 28. April 2016 hatte der damals schon sichtlich überforderte Ex-Bundeskanzler behauptet, das Vertrauen zu Putin sei nicht durch den russischen Überfall auf die Krim zerstört worden, sondern „durch die idiotischen Absichten der EU“.

Denn, so Schmidt damals weiter: Die „Ausdehnung der Europäischen Union“ sei „geopolitischer Blödsinn“ und eine „ziemliche Kinderei“ gewesen.

Steinbrück, Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, möchte sich von seinem Idol aber trotzdem nicht distanzieren: „Man kann darüber reden, ob Angebote in den Hinterhof der mächtigen Russischen Föderation angemessen sind, um zu einem gewissen Sicherheitsstatus in Europas zu kommen“, meint er.

Geschickteste Gegenpropaganda

 „Oder“, drechselt Steinbrück weiter, „ob in der Russischen Föderation die Ukraine ähnlich wahrgenommen wird wie zum Beispiel Kuba von den USA, als Hinterhof, in dem andere Mächte nicht einfach herumfummeln.“ Ja, die Amerikaner! Da ist es wieder, das 68er-Syndrom der SPD.

Dazu haut der Ex-Kanzlerkandidat gleich einen Schwung Argumente gegen die Ukraine raus: „Ein Land, das von Oligarchen durchsetzt war! Das hochkorrupt ist! Das erkennbar eine sehr politische Justiz hat!“

Präziseste Prophezeiung

„Mich beschäftigt jetzt viel mehr: Wie sieht ein künftiger Modus vivendi mit Russland aus?“, fragt Steinbrück dann und gibt gleich selbst die Antwort: „Putin wird nicht weggeputscht. Putin wird eine Konstante sein!“

Denn, so der Politiker: „Er befindet sich mit den weitesten Teilen seiner Bevölkerung in einer absoluten Übereinstimmung, die zwar die Sowjetunion ablehnen, aber die alte Macht der Sowjetunion genauso gern wiederhaben wollen wie Putin.“

Bunteste Putin-Phantasie

Zur Abwehr der aggressiven Pläne des Diktators empfiehlt Steinbrück, „dass man versuchen muss, in irgendeinen Kontakt zu treten, und seien es Lügner und Betrüger, von Herrn Putin angefangen bis zu Herrn Lawrow.“

Und, so der Politiker spöttisch, „dass man einen großen Knüppel unter dem Tisch haben muss. Das bedeutet, dass wir wieder auf Abschreckung setzen müssen. Aber die Vorstellung, dass Putin vom Blitz getroffen wird, während er einen sibirischen Tiger erdrosselt, ist ziemlich unwahrscheinlich.“ Har har!

Ehrlichstes Eingeständnis

Der Bundesregierung rät Steinbrück, „die Abschreckung deutlich zu erhöhen, was für die Grünen und die SPD ein sehr schwieriges Thema ist, weil wir plötzlich feststellen, dass die Bundeswehr nicht das Technische Hilfswerk ist.“

Über die Gasimporte sagt er: „Wir waren blind, und wir waren naiv, und zwar sträflich naiv.“ Und über Schröder: „Mich treibt um, wie ein Mann, der eine hochgradig zu respektierende Lebensleistung erbracht hat, sich selber auch für die Geschichtsbücher derartig zerstören kann.“

Schneidigste Schlussoffensive

Danach soll die Entertainerin das Spät-Publikum mit einem Lächeln ins Bett schicken, macht ihren Auftritt allerdings zu einer Dauerwerbesendung für ihre Samstagabend-Show „Verstehen Sie Spaß“, mit ambivalenten Personalbeurteilungen. Kostproben: 

Schöneberger über die Haartracht des Kollegen Gottschalk: „Ja, ist eine neue Frisur. Irgendwann muss der Bart ab.“

Über Kollege Jauch: „Nach der Sendung sitzen wir immer noch bis um drei und trinken. Ein Pfennigfuchser. Wir siezen uns.“

Entertainerin Barbara Schöneberger (48)

Entertainerin Barbara Schöneberger (48)

Foto: ARD

Über Elon Musk: „Ich habe ihm gesagt, dass mein schönster Moment im Leben ist, nackt in einen See zu springen. Ich weiß nicht, ob dieser Satz bei ihm noch nachwirkt.“

Über die Queen: „Die ist toll. Das sollte man wirklich anstreben: Sich in den richtigen Momenten nicht zu äußern. Einfach mal die Klappe halten.“ Amen!

Zitat des Abends

Schöneberger über deutsche Nachrichtensendungen:

Es gibt nicht mehr richtig und falsch, es gibt nur noch total falsch, megafalsch und superfalsch. 

Fazit

Gefährliche Polit-Klippen und einige Fast-Abstürze, dazu wolkige Ausblicke, und die Talkmasterin hielt das Rettungsseil immer griffbereit: Das war eine Talkshow der Kategorie „Gratwanderung“.

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