Paula Modersohn-Becker: Pionierin der Moderne | ARTinWORDS

Paula Modersohn-Becker

Wer war Paula Modersohn-Becker?

Paula Modersohn-Becker (Dresden-Friedrichstadt 8.2.1876–20.11.1907 Worpswede) war eine deutsche Malerin und Vorläuferin des Expressionismus. Ihr Werk gilt sowohl aus sozialer wie formaler Sicht als wegbereitend für die Moderne in Deutschland, denn stets war die Künstlerin auf der Suche nach der „großen Einfachheit der Form“ und dem lebendigen Ausdruck der Farbe. In den ägyptischen Mumienporträts aus dem Louvre (1.-4. Jahrhundert) fand sie diesen genauso wie in den Gesichtern alter Bäuerinnen und junger Kinder im niedersächsischen Worpswede. Darüberhinaus hielt sich die Malerin in einem revolutionären Selbstbildnis nackt fest.

Kurz nach der Geburt ihrer Tochter starb Paula Modersohn-Becker im Alter von 31 Jahren an einer Embolie. Ihr Werk besteht aus rund 734 Gemälde und etwa 1.500 Arbeiten auf Papier. Akzeptiert, sogar bewundert wurde sie nur von Künstlern, die sie genau kannten und beobachteten: Neben ihrem Mann, dem Maler Otto Modersohn, waren das zuerst Heinrich Vogeler (1872–1942), Rainer Maria Rilke (1875–1926) und der Bildhauer Bernhard Hoetger (1874–1949).

Kindheit

Minna Hermine Paula Becker kam am 8. Februar 1876 als drittes von sieben Kindern des Bau- und Betriebsinspektors der Berlin-Dresdner Bahn Carl Woldemar Becker (1841–1901) und dessen Ehefrau Mathilde Becker (1852–1926) in Dresden-Friedrichstadt zur Welt. Paula wuchs in einer gutbürgerlichen Familie und mit kunstsinnigen Eltern auf. Die Familie übersiedelte 1888 nach Bremen, wo sie sich am literarischen und künstlerischen Leben der Stadt beteiligte.

Mit zehn Jahren wurde Paula Becker zusammen mit anderen Kindern in der Sandgrube von Hosterwitz bei Dresden beim Spielen verschüttet. Bei dem Unfall kam die 11-jährige Cousine Cora Parizot ums Leben.
Als Paula Becker zwölf Jahre alt war, wurde der Vater als Baurat zur Preußischen Eisenbahnverwaltung nach Bremen berufen. Die Familie Becker zog in die Schwachhause Chaussee 29. Die junge Becker nahm am künstlerischen und literatirschen Leben der Hansestadt teil. Heinrich Vogeler, Gustav Pauli, Leiter der Kunsthalle Bremen, der Künstler und Schriftsteller Rudolf Alexander Schröder und Christiane Rassow, die Tochter des Bremer Bürgermeisters, zählte rasch zum Freundeskreis der Familie. Der Vater schloss sich dem Freundeverein des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle Bremen an. Ab 1888 besuchte Paula Becker die private Höhere Töchter-Bürgerschule von Ida Janson (1847-1923), die selber Französisch unterrichtete und in Paris gelebt hatte.

Kurz nach ihrer Konfirmation am 7. April 1892 erhielt Paula Becker eine Einladung ihrer Tante Maria (väterlicherseits) nach England. Die Halbschwester des Vaters lebte auf einem Landgut in Willey, unweit von London, da sie mit dem reichen Kaufmann und ehemaligen Plantagenbesitzer Charles Hill verheiratet war. Mit 16 Jahren hielt sich Paula Becker für neun Monate dort auf, um Englisch und Haushaltsführungzu lernen. Während dieses Aufenthalts entdeckte Paula Becker ihre Leidenschafts für das Zeichnen. Anfangs nahm Paula Becker private Skizzenstunden, wodurch ihr Talent entdeckt wurde. Ab der letzten Oktoberwoche 1892 durfte sie an der Londoner St. John's Wood Art School bei Ward Zeichenkurse belegen. Becker war die jüngste Teilnehmerin und alle zwei Tage von 10 bis 16 Uhr. Im Nachlass in der Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen, befinden sich Zeichnungen nach Gipsabgüssen griechischer Büsten. Kurz nach den Weihnachtsferien brach Paula Becker ihren England-Aufenthalt vorzeitig ab.

Ausbildung

Zurück in Bremen nahme Paula Becker am gesellschaftlichen Leben der Stadt teil und besuchte mit der Mutter jeden Donnerstag den Künstlerverein. Sie arbeitet im Haushalt mit und trieb Sport. Weiters nahm Paula Becker Zeichenstunden bei dem bremischen Oberbaudirektor Ludwig Franzius (1832–1903).

Auf Wunsch des Vaters besuchte Paula Becker das zweijährige Lehrerinnen-Seminar in Bremen (1893–18.9.1895) – wie zuvor ihre älteste Schwester Milly. Paulas Interesse für Kunst wurde beim gleichzeitigen Mal- und Zeichenunterricht bei dem Bremer Landschafts- und Architekturmaler Bernhard Wiegandt (1851–1918) gestillt. Ihre Eltern finanzierten diese Stunden, um ihr eine Anstellung als Zeichenlehrerin und damit finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen. Während dieser Phase weisen Paula Beckers Werke eine stilistische Nähe zur impressionistischen Malerei auf (→ Impressionismus). Paulas Mutter zeigte die Werke ihrer Tochter gerne her, während Paula selbst schon jetzt vorzugsweise im Verborgenen arbeitete.

Paula Becker wandte sich im Jahr 1893 dem Selbstporträt zu. Kurz zuvor war ein Porträtversuch mit einem Bekannten der Familie gescheitert. Ihre frühesten Versuche zeigen, wie sehr sie noch nach einer naturgetreuen Wiedergabe strebte. Rasch lotete sie in Kohle, Rötel, Pastell und Ölfarben technische wie stilistische Möglichkeiten aus. Bis 1907 folgten etwa 60 gezeichnete und ab 1897/98 gemalte Selbstbildnisse (→ Bremen | Paula Modersohn-Becker Museum: Paula Modersohn-Becker. Selbstbildnisse).

„Nun habe ich es an mir, die Leute nicht gerade zu idealisieren, vielmehr das Gegenteil. So hab ich Herrn Bischoff so ein wütendes Beamtengesicht gemacht, daß dieser mit rachsüchtigen Gedanken von uns schied. Seitdem zeichne ich mein teures Spiegelbild, und das ist wenigstens tolerant.“1 (Paula Becker in einem Brief an Kurt Becker, 26.4.1893)

Paula entdeckt die Worpsweder Künstler

Im April 1895 sah Paula zum ersten Mal die Kunst der Worpsweder Künstler auf deren ersten Gruppenausstellung in der Kunsthalle Bremen. Die Worpsweder Künstler galten als die Modernen, vor alem die Arbeiten von Fritz Mackensen, Otto Modersohn und Heinrich Vogeler. Im Herbst 1895 stellte die Künstlergruppe sehr erfolgreich im Münchner Glaspalast aus, wo sie ihren nationalen Durchbruch feiern konnte. Otto Modersohn verkaufte ein monumentales Bild an den bayerischen Staat. Paula Becker fiel in Bremen vor allem das Werk ihres späteren Ehemanns auf. In einem Briegf an ihren Bruder schrieb sie:

„Sonst interessierte mich noch riesig ein Modersohn. Der hat die verschiedenen Stimmungen in der Heide so schön geschildert, sein Wasser ist so durchsichtig und die Farben so eigenartig.“2 (Paula Becker in einem Brief an Kurt Becker, 27.4.1895)

Paula im Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin

Nach Abschluss der Lehrerinnenausbildung durfte sich Paula Becker am 11. April 1896 an einem Kurs der Zeichen- und Malschule des „Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin“ (gegr. 1867) einschreiben. Sie besuchte Kurse bei den Malern Jacob Alberts (1869–1941) und Curt Stöving (1863–1939). Zuerst zeichnete sie Bildnisse von zumeist alten Männern und Frauen in Rötel und Kohle, die Anerkennung fanden. Daraufhin durfte sie im Winter 1896 in die Aktklasse wechseln. Im Juni hielt sich Paula Becker bei Freunden immostfriesischen Jever an und im Juli/August bei ihrer Tante Marie Hill nach Hindelang im Allgäu. Zwei Tage reisten die Damen auch nach München, wo sie die Neue Pinakothek und die Schack-Galerie besuchten. Der Vater stand ihrem Kunststudium kritisch gegenüber und sorgte sich um die Zukunft seiner Tochter.

Am 12. Oktober 1896 kehrte Paula Backer nach Berlin zurück, wohnt bei ihrem Onkel Wulf von Bültzingslöwen in Berlin-Schlachtensee und begann eine eineinhalbjährige Ausbildung (Porträt, Akt, Landschaft). Diese konnte sie mit der finanziellen Unterstützung der Verwandtschaft antreten, da sich die wirtschaftliche Situation ihrer Familie verschlecherte. Vor allem Paulas Mutter ermöglichte ihrer Tochter, ihren Traum vom Malen zu realisieren. Die Porträtklassen wurden geleitet von Jacob Alberts und Martin Körte (1857–?), die Aktklasse von Ernst Friedrich Hausmann (1856–1914) und die Landschaftsklasse von Ludwig Dittmann (1865–1944). Ihre freien Freitag- und Samstagvormittage verbrachte sie in den Berliner Museen. Sie begeisterte sich für Rembrandt van Rijn und war besonders beeindruck von den Altdeutschen Meistern, darunter Hans Holbein. In der Nationalgalerie sah sie Gegenwartskunst, die sie allerdings nicht faszinierte.

Paula Becker nahm ab Februar 1897 Unterricht bei der 56-jährigen, deutsch-schwedischen Malerin Jeanna Bauck (1840–1926), die für sie auch ein Rollenvorbild für die ungewöhnliche Berufslaufbahn als Künstlerin wurde. Anfang März 1897 gab Paula Becker ihre Landschaftsstudien bei Max Uth (1863–1914) auf, um die ganze Woche über Porträts zu arbeiten. Im April/Mai entwarf sie Titelblätter für die Zeitschrift „Jugend“, die nicht gedruckt wurden. Im Kupferstichkabinett ließ sie sich Zeichnungen Michelangelos und Botticellis Zeichnungen zu Dantes Göttlicher Komödie vorlegen.

Erster Besuch in Worpswede

Im Juli und August 1897 besuchte Paula Becker erstmals die Künstlerkolonie Worpswede, wo sie Fritz Mackensen (1866–1953) und Fritz Overbeck (1869–1909) persönlich kennenlernte. Begeistert von Otto Modersohns Landschaften, wollte die angehende Künstlerin ihn kennenzulernen. Über die Landschaft von Worpswede äußerte sich begeistert in ihrem Tagebuch:

„Worpswede, Worpswede, Worpswede! Versunkene-Glocken-Stimmung! Birken, Birken, Kiefern und alte Weiden. Schönes blaues Moor, köstliches Braun! Die Kanäle mit den schwarzen Spiegelungen, asphaltschwarz. Die Hamme mit ihren dunklen Segeln, es ist ein Wunderland, ein Götterland! [...] Dann ist da noch der Modersohn. Ich habe ihn nur einmal gesehen und da auch leider wenig gesehen und gar nicht gefühlt. Ich habe nur in der Erinnerung etwas Langes in braunem Anzuge mit rötlichem Bart. Er hatte so etwas Weiches, Sympathisches in den Augen. Seine Landschaften, die ich auf den Ausstellungen sah, hatten tiefe, tiefe Stimmung in sich. Heiße, brütende Herbstsonne, oder geheimnisvoll süßer Abend. Ich möchte ihn kennenlernen, diesen Modersohn.“3 (Paula Becker, Tagebucheintrag vom 24.7.1897)

In dieser Phase malte sie ihr erstes Kinderporträt. Auch im Haus ihrer Eltern richtete sie sich im oberen Geschoss eines Stallgebäudes ein Atelier ein, in dem ihre Geschwister ihr Modell saßen.

Hinwendung zu Constantin Meunier

Paula Becker stellte im Oktober 1897 auf der Ausstellung der Malschule in Berlin erstmals in einer Gruppenschau aus. Der Besuch von Galerien und Ausstellungen wie der „Internationalen Kunst-Ausstellung“ (Anfang Oktober) in Dresden brachte ihr die internationale Avantgarde näher. Sie sah dort Werke von Eugéne Carrière, Edgar Degas, James Ensor, Claude Monet, Camille Pissarro, Alfred Sisley und Arnold Böcklin, Ferdinand Hodler, Kalckreuth, Max Klinger, Wilhelm Leibl, Max Liebermann, Giovanni Segantini, den Worpswedern sowie einer umfangreichen Sonderausstellung von Constantin Meunier (1831–1905). Die Impressionisten interessierten Paula Becker nicht mehr, stattdessen begeisterte sie sich für die Plastiken Meuniers. Im Mai 1898 schloss Paula Becker ihr Studium in Berlin ab.

Landschaften und Bäuerinnen aus Worpswede - das Frühwerk der Paula Becker

Bereits während ihrer ersten Studienjahre in der Mal- und Zeichenschule des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin 1898 suchte die junge Malerin Anschluss an die gerade berühmt gewordene Künstlerkolonie Worpswede etwa 20 Kilometer nordöstlich von Bremen. Auf die Arbeiten der Landschaftsmaler aus Worpswede, romantisch-pittoreske Ansichten des „Teufelsmoors“, war sie 1895 in einer Ausstellung in der Kunsthalle Bremen aufmerksam geworden. Damit, wie auch der weiteren Station im Münchener Glaspalast, feierte die Künstlerkolonie ihren Durchbruch.

Im Juli und August 1897 besuchte Paula Becker gemeinsam mit ihrer Familie Worpswede zum ersten Mal und war von der Atmosphäre so begeistert, dass sie sich zunächst für die Semesterferien dort niederließ um zu arbeiten. Nach dem Abschluss des Studiums in Berlin im Mai 1898 verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt am 7. September 1898 gänzlich in die idyllische Landschaft. Die in Dresden geborene Kunststudentin war vom unbändigen Wunsch beseelt, Malerin zu werden. Paula Becker verliebte sich sofort in Land und Leute und schwärmte nach ihrem ersten Besuch in dieser Gemeinschaft:

„Ich genieße mein Leben mit jedem Atemzug und in der Ferne glüht, leuchtet Paris. Ich glaube wirklich, dass mein stillster, sehnlichster Wunsch sich verwirklichen wird.“4 (Paula Becker in einem Brief an ihre Tante Cora von Bültzingslöwen, 7.9.1898)

Gemeinsam mit der Bremer Kaufmannstochter und Bildhauerin Clara Westhoff (1878-1954) und Marie Bock (1876–1956) wurde Paula Becker vom Figurenmaler Fritz Mackensen (1866–1953) unterrichtet. In diesen Jahren entstanden vor allem lebensgroße, schonungslos naturalistische Zeichnungen. Sie füllte ihre Skizzenbücher mit Landschaftszeichnungen, Figurenstudien und Kompositionsentwürfen. Erste Gemälde entstanden sowie eine Reihe Radierungen, die sie mit der Handpresse auf Vogelers Barkenhoff abzog.

Der um elf Jahre ältere Landschaftsmaler Otto Modersohn (1865–1943) wurde am 25. Mai 1901 ihr Ehemann. Beide waren angesehene Künstler, doch auch Paula Modersohn-Becker gelang es rasch, mit ihrer individuellen, von einigen als eigenartig empfundenen Malerei Beachtung zu finden. Dazu zählen u. a. großformatige Aktzeichnungen, in denen Paula Becker die Modelle aus dem Worpsweder Armenhaus in realistischer Weise festhielt. Mackensen soll die junge Künstlerin sogar gefragt haben, ob sie die Umwelt wirklich so sähe. Die Blätter machen auch heute noch ob der schonungslosen Wiedergabe des Gesehenen staunen. Damit setzte sie sich von der naturalistischen Auffassung der Worpsweder Maler bereits am Beginn ihres Aufenthalts deutlich ab.

Paula Beckers Bilder entstanden nicht mit Hilfe eines spontanen Malprozesses, sondern sind die Ergebnisse eines wohl reflektierten Vorgangs. Anstelle der naturalistischen Wiedergabe setzte Paula Becker zunehmend die Bildidee, die sich aus Farbe und Form zusammensetzt. Die Malerin stellte sich nicht mit ihrer Staffelei in die Natur, um einen Ausschnitt direkt auf die Leinwand zu übertragen. Sie soll sich, bevor sie mit dem Malen begonnen hat, ins Gras gelegt und die Augen geschlossen haben, um den Aufbau des geplanten Bildes gedanklich zu entwerfen. Sie strukturierte das Gesehene und kreierte „eine gute Komposition“, bevor sie an die Ausführung der Szenen ging. Wenn auch das Gefühl im Werk von Paula Modersohn-Becker eine wichtige Rolle spielte, so waren doch Form- und Farbfindungen zunehmend primäre Problemfelder, die es zu lösen galt. Das Erzählerische spielte im Rahmen ihrer Überlegungen kaum mehr eine Rolle. Das „Wesentliche“ war um 1900 eine auf zusammenhängende Formen, wenige Details und enge Bildausschnitte konzentrierte Malerei – sowohl in den Landschaftsmotiven wie Figurenbildern.

„Ich glaube, ich werde mich von hier fortentwickeln. Die Zahl derer, mit denen ich es aushalten kann, über etwas zu sprechen, was meinem Herzen und meinen Nerven naheliegt, wird immer kleiner werden.“ (Paula Becker in einem Brief an ihre Eltern, 12.2.1899)

Begeistert las Paula Becker das „Journal de Marie Bashkirtseff“ der jung verstorbenen Pariser Malerin Marie Bashkirtseff, in deren Ehrgeiz sie sich ein Beispiel nahm. Gemeinsam mit den Worpsweder Künstlerinnen Marie Bock und Clara Westhoff konnte Paula Becker ihre Kunst erstmals im Dezember 1899 in der Kunsthalle Bremen der Öffentlichkeit präsentieren. Die 21-jährige Paula Becker stellte Worpsweder Landschaften und Bauernporträts aus - darunter „Herbstlandschaft am Weyerberg mit Tümpel“ - und wurde dafür grob verrissen. Zwar hatte sich die Kritik des konservativen Malers Arthur Fitger in der Bremer Lokalzeitung vor allem gegen die seiner Ansicht nach zu moderne Ankaufspolitik gerichtet, doch muss es für Paula Becker wie ein FIngerzeig gewirkt haben.5 Worpswede, wo man den Naturalismus in einer idyllischen Landschafts- und Genremalerei pflegte, wurde ihr bald zu eng und zu wenig fortschrittlich. So suchte sie nach einer neuen Ausrichtung ihrer Kunst in der berühmtesten Kunstmetropole der Zeit. In der Neujahrsnacht 1900 machte sie sich zum ersten Mal auf nach Paris und erklärt ihrem späteren Ehemann diese Entscheidung damit „Staub abschütteln“ zu wollen.6

Paula und Otto

Die erste persönliche Begegnung mit Otto Modersohn ist erst für 1899 verbürgt (→ Lindau | Kunstmuseum: Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn). Einer ersten Einladung zu einem Künstlerfest folgten intensive Gespräche über Kunst, bei den der um elf Jahre ältere Maler Paula kollegial und vorurteilsfrei entgegentrat. Um 1900 bedeutete diese Wertschätzung auch in Künstlerkreisen viel und war nicht selbstverständlich. Modersohns Austritt aus der Künstlerkolonie Worpswede, Paulas erster Aufenthalt in Paris (1900) und der Tod von Otto Frau Helene folgten im ereignisreichen Jahr zwischen Sommer 1899 und Sommer 1900. Doch schon kurz darauf verliebten sich Paula und Otto ineinander. Ihre ganz auf die Kunst ausgerichtete Beziehung war von tiefer Zuneigung, großem gegenseitigen Respekt und einem intensiven Austausch über künstlerische Themen geprägt. Sie teilten eine Vorliebe für die fortschrittliche Malerei der Franzosen und setzten diese jeweils unterschiedlich in ihren eigenen Bildern um.

Am 25. Mai 1901 heirateten Paula und Otto in aller Stille. Aus Paula Becker wurde Paula Modersohn-Becker. Dem wirtschaftlichen Erfolg ihres Mannes und seiner Unterstützung verdankte sie, dass sie nicht das Schicksal vieler Künstlerinnen ihrer Generation teilen und zur Ehefrau, resp. Haushälterin, verwandeln musste. Denn: Otto Modersohn stellte ein Hausmädchen ein, das sich sowohl um die Tochter Elsbeth aus erster Ehe wie auch den Haushalt kümmerte. Paula Modersohn-Becker konnte sich weiterhin ihrer Kunst widmen, was Otto Modersohn im Bild „Paula Modersohn-Becker, im Garten malend“ (1901) festhielt. Auch ihre Paris-Aufenthalte unterstützte Modersohn großzügig – sogar jenen 1906/07, als ihre Beziehung auf der Kippe stand. Otto Modersohn fand es „wundervoll […] dies wechselseitige Geben und Nehmen“.7 Allerdings soll Otto Modersohn fünf Jahre lang die Ehe nicht vollzogen haben, was Paula Modersohn-Becker in große Selbstzweifel stürzte.8

Zahlreiche Zitate aus seinen Tagebüchern offenbaren eine intensive, wenn auch nicht immer friktionsfreie Auseinandersetzung mit Paula Modersohn-Beckers Kunst. Er konnte sich (im Stillen) eingestehen, dass einige ihrer Bilder „größer“ wirken würden als seine eigenen. Er freute sich über ihre Fortschritte im Geheimen und war überzeugt, dass sie eines Tages alle überraschen würde. Daher wollte Paula Modersohn-Becker auch, dass ihr Mann 1907 nach Paris kam, um Werke von Auguste Rodin und Paul Cézanne im Original zu studieren, um „zu sehen, wie weit man gehen kann, ohne sich um das Publikum zu kümmern“.9 Und so sollte es auch kommen! Erst nach Paulas frühem Tod 1907 sichteten Otto Modersohn und Heinrich Vogeler ihre Werke und entdeckten vieles, das ihnen unbekannt war.

Paula Modersohn-Beckers vier Aufenthalte in Paris

Anregung für ihre revolutionäre Malerei fand Paula Modersohn-Becker nicht in Deutschland – auch nicht unter ihren Kollegen der Künstlerkolonie Worpswede – sondern in Frankreich. In Summe hielt sich die Malerin etwa zwei Jahre in Frankreich auf. Während ihrer vier Paris-Aufenthalte (1900, 1903, 1905 und 1906/1907) studierte die Künstlerin die antiken und frühneuzeitlichen Werke des Louvre, wo sie besonders von Tizian, Sandro Botticelli, Hans Holbein sowie Rembrandt van Rijn beeindruckt war. Die lebenden Meister konnte sie im Musée du Luxembourg studieren. Hier fand sie bereits 1900 eine stattliche Sammlung an impressionistischen Werken vor. Besonders wichtig wurde für Modersohn-Becker die zeitgenössische Malerei in Paris u.a. von Paul Cézanne, Paul Gauguin, Edouard Vuillard, Maurice Denis und Aristide Maillol. Sie besuchte auch die Impressionisten-Galerien von Paul Durand-Ruel, Georges Petit, Ambroise Vollard und Berthe Weill, sah die Retrospektiven von Georges Seurat (→ Georges Seurat, Erfinder des Pointillismus) und Vincent van Gogh.Vermutlich war Paula Modersohn-Becker die erste deutsche Künstlerin, die die Bedeutung von Paul Cézanne voll erkannte. Die Begegnung mit Werken Gauguins in der Sammlung Gustave Fayet hinterließ ebenso bleibenden Eindruck bei der Malerin. Sie verspürte eine innere Verwandtschaft, suchten doch beide Künstler Ursprünglichkeit und Elementares in ihren Werken auszudrücken. Paul Gauguin fand das Ursprüngliche in der Südsee (→ Paul Gauguin. Werke aus der Südsee), Modersohn-Becker suchte es im niedersächsischen Teufelsmoor. Beide verschmelzen regionale Motive mit kühner Farb- und Formsprache. Nach dem Vorbild von Cézanne und den Nabis befreite sie sich von der genauen Nachahmung der Natur, von der stimmungsvollen Landschaftsmalerei der Worpsweder.

Paula Modersohn-Becker studierte in Paris sowohl an der École des Beaux-Arts als auch an den privaten Akademien Colarossi (1870 vom italienischen Bildhauer Filippo Colarossi gegründet) und Julian (1868 vom Maler Rodolphe Julian gründet). Die bekannteste Ausbildungsstätte ist die offizielle École des Beaux-Arts, Teil der renommierte Académie des Beaux-Arts. Hier arbeiteten die Studierenden nach klassischen Vorbildern und nach Modellen. Frauen wurden erstmals 1897 zugelassen.

Erster Aufenthalt in Paris (Neujahr 1899–Ende Juni 1900)

In der Silvesternacht 1900 reiste Paula Becker von Worpswede nach Paris. Ihr Ziel war, sich gänzlich neu zu orientieren. Offenbar hatte ihr die schlechte Kritik anlässlich ihrer ersten Ausstellungsbeteiligung in der Kunsthalle Bremen die Augen geöffnet. Ihrem späteren Ehemann erklärte sie die Entscheidung damit, sich den „Staub abschütteln“ zu wollen. Dem Rat ihrer Lehrerin Jeanna Bauck folgend, schrieb sie sich für Aktzeichenkurse an der Académie Colarossi ein. Ihre Professoren wurden Gustave Courtois und Georges Girardeau. Paula Becker ließ sich von der Stadt inspirieren, begeisterte sich für die gerade stattfindende Weltausstellung mit dem Skulpturen-Pavillon von Rodin an der Place de l’Alma und besuchte - auf der Suche nach ihrem Stil - Museen und Ausstellungen. Sie gewann im Semester-Wettbewerb die Medaille; außerdem besuchte sie mit Clara Westhoff die Anatomiestunden der École des Beaux-Arts. Wie Clara Rilke-Westhoff überlieferte, entdeckte Paula während dieses ersten Aufenthalts in Paris beim Kunsthändler Ambroise Vollard das Werk von Paul Cézanne. Nach einem halben Jahr kehrte die Malerin wieder nach Worpswede zurück.

Zurück in Worpswede traf Paula Becker auf Vogelers Barkenhoff sonntags im Weißen Saal den Freundeskreis: den frisch verwitweten Otto Modersohn, Heinrich Vogeler und seine spätere Frau Martha Schröder, Clara Westhoff, Marie Bock und Paulas Schwestern Milly und Herma. Oft waren die Dichter Carl Hauptmann und Rainer Maria Rilke zu Gast. Im September verlobten sich Paula Becker und Otto Modersohn heimlich, da das Trauerjahr noch nicht einmal ansatzweise verstrichen war. Außer einigen wenigen Figurenbildern malte Paula Becker fast ausschließlich Landschaften. Das Jahr 1901 war mit Hochzeitsvorbereitungen (Kochunterricht in Berlin, Januar/Februar), der Hochzeit (25. Mai) und dem Einrichten in dem neuen Hausstand gefüllt, brachte Otto Modersohn doch mit Elsbeth eine dreijährige Tochter mit in die Ehe.

In ihren Bildern beschäftigte sich Paula Modersohn-Becker 1902 überwiegend mit Figurengruppen in der Landschaft. Gelegentlich malte sie neben Otto Modersohn vor demselben Motiv. Sie setzte sich dabei intensiv mit ihrer Malerei auseinander und stellte Überlegungen zu Farb- und Bildaufbau an:

„[…] ich träume von einer Bewegung in der Farbe, von einem gelinden Schummern, Vibrieren, ein Schummern des einen Gegenstandes durch den andern.“10 (Tagebucheintrag von Paula Modersohn-Becker, 3.6.1902)

Zweiter Aufenthalt in Paris (8./9.2.–18.3.1903)

Paula Modersohn-Becker verkehrte in Paris mit Rainer Maria Rilke und Clara Rilke-Westhoff und schrieb sich wieder an der Académie Colarossi zum Aktzeichnen ein. Zudem zeichnete sie täglich im Louvre. Während ihres Aufenthalts 1903 entdeckte Paula Modersohn-Becker in der ägyptisch-römischen Abteilung des Louvre die ägyptischen Fayumporträts aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt. Diese hochrechteckigen, römisch-ägyptischen Mumienporträts boten für die Künstlerin eine interessante Lösung in Hinblick auf die formale und materielle Gestaltung: Frontale Ausrichtung, große Augen und Ketten prägen das Erscheinungsbild der etwa 2000 Jahre alten Porträts. Weiters sind die Bildnisse meist in der Technik der Enkaustik - d.h. Pigmente mit Bienenwachs gemischt - ausgeführt worden, was Paula Modersohn-Becker bestärkte, ihre pastose Malweise zu steigern und eine matte Oberfläche zu bevorzugen.

„Die große Einfachheit der Form, das ist etwas Wunderbares. Von jeher habe ich mich bemüht, den Köpfen, die ich malte oder zeichnete, die Einfachheit der Natur zu verleihen. Jetzt fühle ich tief, wie ich an den Köpfen der Antike lernen kann.“11

Im Louvre zeichnete sie nach Werken von Rembrandt und Veronese. Durch Vermittlung Rilkes konnte sie Auguste Rodin in seinem Atelier in Paris und in Meudon besuchen. Dort sah sie seine Skulpturen und erotischen Aquarelle. Wichtiger dürfte allerdings gewesen sein, dass er sie lehrte, wie weit ein Künstler gehen kann, ohne sich um das Publikum zu kümmern, schrieb sie am 3. März 1903 ihrem Ehemann.12 Nach einem Besuch des Musée du Luxembourg erwähnte sie Manets „Olympia“ und „Der Balkon“ sowie Pierre-Auguste Renoir, Zuloaga, Cottet und Edgar Degas. Sah die Sammlung Hayashi mit alt-japanischer Kunst.

Der Briefverkehr zwischen Paula Modersohn-Becker und ihrem Mann belegt, wie sehr sie sich in diesen Monaten emanzipierte. Zurück in Worpswede verbrachte die Familie Modersohn den Sommer auf Amrum. Im Winter 1903/04 schuf Paula Modersohn-Becker nur wenige Bilder, sie las viel französische Literatur. Im Jahr 1904 unterzog sie ihre BIlder einer kritischen Revision und arbeitete am Thema Kind in der Landschaft weiter, darunter „Mädchen im Birkenwald mit Katze“. Zunehmend entfremdete sie sich von der Künstlergemeinschaft in Worpswede.

Dritter Aufenthalt in Paris (14.2.–7.4.1905)

Von 14. Februar bis 7. April 1905 studierte Paula Modersohn-Becker erneut Aktzeichnen an der Académie Julian in Paris. Nun schloss sie duch Rilke Bekanntschaft mit dem norwegischen Schriftstellerpaar Johan und Ellen Bojer. Atelierbesuche bei den ehemaligen Nabis-Künstlern Edouard Vuillard und Maurice Denis bestätigten die Malerin auf ihrem künstlerischen Weg. Paula Modersohn-Becker sah auch Skulpturen von Aristide Maillol. Nachweislich nahm sie an der Eröffnung des Salons des Indépendants teil, wo sie Werke von Henri Matisse, den Künstlern des Fauvismus sowie Retrospektiven mit Gemälden von Georges Seurat und Vincent van Goghs studieren konnte.

Vom 29. März bis 7. April 1905 besuchten sie Otto, ihre Schwester Milly sowie Martha und Heinrich Vogeler. Gemeinsam sahen sie sich die Gauguin-Sammlung von Gustave Fayet an, besuchten Rodin und reisten nach Worpswede zurück. Dort beschäftigte sich Paula Modersohn-Becker verstärkt mit der Gattung Stillleben. Kaum zurückgekehrt, plante die Malerin bereits ihre nächste Reise nach Paris. Sie war der Ehe überdrüssig, litt unter der Kinderlosigkeit; die ehelichen Spannungen nahmen zu.

Vierter Aufenthalt in Paris (23.2.1906–31.3.1907)

Am 23. Februar 1906 verließ Paula Modersohn-Becker Worpswede in Richtung Paris und ließ Rainer Maria Rilke wissen, dass sie weder Paula Becker noch Paula Modersohn wäre. Auf der Suche nach einer neuen künstlerischen wie privaten Identität hielt sich die aufstrebende Künstlerin in Frankreich auf – obschon immer unterstützt von ihrem Ehemann (→ Bremen | Paula Modersohn-Becker Museum: Paula Modersohn-Becker. Selbstbildnisse). Gerade von ihrem Mann getrennt, wollte Modersohn-Becker in Paris ein neues, eigenständiges Leben beginnen und gestaltete den ersten Selbstakt einer Frau in der europäischen Kunstgeschichte. Kurz zuvor, im März 1906 hatte sie gemeinsam mit ihrer Schwester Herma Maurice Denis in seinem Atelier in Saint-Germain-en-Laye besucht. Beide waren auf der Suche nach Vereinfachung und Klarheit in ihrer Kunst.

Paula Modersohn-Becker und Bernhard Hoetger

Im April 1906 suchte Paula Modersohn-Becker den aus Dortmund stammenden Bildhauer Bernhard Hoetger in seinem Pariser Atelier auf. Kurz zuvor hatte sie in Bremen zwei seiner Bronzegüsse gesehen und die neue Einfachheit der Gestaltung entdeckt. Hoetger und seine Frau Lee freundeten sich mit der jungen Malerin an. So wurde der Bildhauer im Mai 1906 ein Entdecker ihres Werks, zeigte sie ihm ihre Arbeiten doch nach einigen Wochen Bekanntschaft. Als Hoetger die jüngsten Arbeiten Modersohn-Beckers als außergewöhnlich wichtige Kunstwerke erkannte, fühlte sich die Malerin erstmals in ihrem Leben geschätzt. Sie zahlte es ihm mit einer aufrichtigen Freundschaft und mehreren Porträts von Lee Hoetger und deren Schwester zurück (August 1906). Gemeinsam besuchten sie im Herbst Henri Rousseau in dessen Atelier.

Revolutionäres Selbstporträt als Akt

In Paris entstand eines ihrer bekanntesten Bilder: Paula, dreißigjährig, mit nacktem Oberkörper und ihre Hände an den Bauch gelegt, am 6. Hochzeitstag 1906, d. h. dem 25. Mai 1906, datiert. Obwohl Paula Modersohn-Becker mit den Armen ihren leicht gewölbten Bauch zu umarmen scheint, ist sie zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht schwanger.13 Vielleicht sollte diese Geste ihren Kinderwunsch ausdrücken. Ist diese Haltung vielleicht als Symbol künstlerischer Potenz zu lesen? Oder als ihre Zerrissenheit zwischen Künstlertum und Mutterschaft? Eine Anlehnung an die Venus-Darstellungen von Lucas Cranach dem Älteren, die sie im Louvre nachzeichnete, wäre ebenfalls denkbar.14

Zu den bestimmenden Merkmalen ihrer Kunst zählen Einfachheit, Größe und Zeitlosigkeit, wie sie selbst betonte. Unter dem Begriff „Größe“ verstand sie einen allgemeingültigen Zugang, das Gegenteil von Genremalerei. Desgleichen suchte sich die Malerin vom „akademischen Akt“ zu lösen und idealtypischen Vorstellungen zuwider zu laufen. Aber auch die Aktstudien bei Fritz Mackensen, die dem naturalistischen Prinzip und damit Detailgenauigkeit unterlagen, sind in diesem Bild nicht mehr zu erkennen. Das großangelegte Selbstbildnis, das die Malerin im Mai 1906 ohne zeichnerische Vorarbeiten schuf, basiert auf ihren künstlerischen Recherchen des Winters 1905/06 in Worpswede: Paula Modersohn-Becker setzt sich in den Monaten vor ihrer neuerlichen Abreise nach Paris mit großen Aktkompositionen auseinander und deklinierte die Haltung durch.

„Ich mag furchtbar gerne zwischen meinen Arbeiten schlafen und Morgens zwischen ihnen erwachen. Ich male Lebensgroße Akte und Stilleben mit Gottvertrauen und Selbstvertrauen.“15 (Paula Modersohn-Becker an Martha Vogeler, 21. Mai 1906)

Mutter und Kind

Nachdem Bernhard Hoetger Paule Modersohn-Becker Anfang Mai in ihrem Atelier besucht hatte, war er überzeugt von ihrem großen Talent. In den folgenden Wochen intensivster Arbeit schuf die Malerin ihre großen Figurenkompositionen der liegenden und sitzenden Mutter mit Kind. Damit setzte sie der Mutterliebe ein inniges Denkmal. Im Mai saß Rainer Maria Rilke ihr für sein Portrait Modell.

Versöhnung mit Otto Modersohn

Einige Monate nach der Entstehung des Selbstaktes sollte die Malerin erkennen, dass ihr Pariser Leben auch Einsamkeit bedeuten konnte und sie sich nicht dafür geschaffen fühlte. Außerdem hätte sie nie für sich alleine sorgen können, denn noch war Modersohn-Becker eine unbekannte Künstlerin aus Deutschland.

„Ich werde in mein früheres Leben zurückkehren mit einigen Änderungen. Auch ich selbst bin anders geworden etwas selbstständiger und nicht mehr voll zu viel Illusionen. Ich habe diesen Sommer gemerkt, dass ich nicht die Frau bin alleine zu stehen. Außer den ewigen Geldsorgen würde mich gerade meine Freiheit verlocken von mir abzukommen." (Paula Modersohn-Becker an Clara Rilke-Westhoff, 17.11.1906)

Das Bild von Paula und Otto wird bis heute von ihrem „Ausbruchsversuch“ 1906 geprägt. ABER: Bernhard Hoetger machte ihr klar, dass es ohne Geld sehr schwierig werden würde, ein eigenständiges Künstlerleben in Paris zu beginnen. Im Oktober 1906 lud Paula Modersohn-Becker ihren Mann ein, nach Paris zu kommen, wo sie sich versöhnten und ein weiteres halbes Jahr gemeinsam aufhielten. Die gemeinsame Begeisterung für die französische Malerei und die Anerkennung des dort Erreichten verband das Künstlerpaar über sein frühes und tragisches Ende hinaus. Im Fall von Paula Modersohn-Becker führte diese Offenheit zu einer außergewöhnlichen Bildsprache und ihrer Pionierstellung in der deutschen Malerei kurz nach 1900. Im Fall von Otto Modersohn führte seine Wertschätzung der Kunst von Vincent van Gogh dazu, dass er als einziger Worpsweder Künstler gegen Carl Vinnens Streitschrift zu „Überfremdung“ der deutschen Museen nicht unterzeichnete.

Paula und Otto Modersohn fanden in der Stadt der Liebe erneut zueinander, die Künstlerin kehrte zu Ostern 1907 nach Worpswede zurück. Im letzten halben Jahr ihres Lebens übertrug Paula Modersohn-Becker das in Paris Erlernte auf ihre Landschaftsbilder, Porträts und Selbstporträts und Bilder von den Bewohnerinnen von Worpswede. Zu den bestimmenden Merkmalen ihrer Kunst zählen Einfachheit, Größe und Zeitlosigkeit, wie sie selbst betonte.

Wie sehr die Pariser Avantgarde das Werk und das bildnerische Denken der kompromisslosen Malerin geprägt hat, wird aus einem ihrer letzten Briefe deutlich:

„Ich denke und dachte diese Tage stark an Cézanne und wie das einer von den drei oder vier Malerkräften ist, der auf mich gewirkt hat wie ein Gewitter und ein großes Ereignis. Wissen Sie noch 1900 bei Vollard. [...] Kommen Sie doch bald mit den Briefen, am liebsten gleich Montag, denn ich hoffe ja endlich bald anderweitig in Anspruch genommen zu sein. Wenn ich hier jetzt nicht absolut notwendig wäre, müßte ich in Paris sein.“16 (Brief von Paula Modersohn-Becker an Clara Rilke-Westhoff, 21.10.1907)

Modersohn-Becker und Picasso

Modersohn-Becker und Pablo Picasso waren 1906 formal an den gleichen Dingen interessiert und suchten sich entsprechend ähnliche kunsthistorische Vorbilder. Die parallele Entwicklung der beiden Künstler zeigt sich vor allem im Jahr 1906, wovon nicht nur der vielzitierte Vergleich von Picassos Bildnis der „Gertrude Stein“ mit Modersohn-Beckers Brustbild „Lee Hoetger mit Blume“ zeugt. Auch im Vergleich von Zeichnungen der beiden aus dem Herbst des Jahres offenbart sich ihre eng korrespondierende Entwicklung, die des Weiteren in kurze Zeit später entstandenen Werken deutlich wird. Wie Picasso so experimentierte auch Paula Modersohn-Becker mit verschiedenen Darstellungsarten von Maskenhaftigkeit.

Reduktion und Moderne

Am 25. Februar 1903 schrieb Modersohn-Becker während ihres zweiten Paris Aufenthalts in ihr Tagebuch:

„In den letzten Tagen habe ich viel Form gefunden und gedacht. Ich stand bis jetzt der Antike sehr fremd gegenüber. Ich konnte sie wohl schön finden an und für sich; aber ich konnte kein Band finden von ihr zur modernen Kunst. (…) Ich fühle eine innere Verwandtschaft von der Antike zur Gotik, hauptsächlich der frühen Antike, und von der Gotik zu meinem Formempfinden. Die große Einfachheit der Form, das ist etwas Wunderbares. Von jeher habe ich mich bemüht, den Köpfen, die ich malte oder zeichnete, die Einfachheit der Natur zu verleihen.“

Das Einfangen der Natürlichkeit des Menschen, die Reduktion auf einfache Formen sowie der Einsatz von leuchtenden Farben bedeuteten um 1900 einen vehementen Bruch mit der traditionellen Salonmalerei wie auch mit dem Impressionismus. Meist widmete sich Modersohn-Becker in ihren Bildern den Kindern, der einfachen Landbevölkerung, Stillleben aber auch in Form von etwa 60 gemalten und gezeichneten Selbstporträts. Sind die frühen, lebensgroßen Figurenstudien wie „Sitzender weiblicher Akt mit angezogenen Füßen“ (1899) noch dem Realismus verschrieben und belegen die Ausbildung der Künstlerin innerhalb der akademischen Tradition, so entwickelte sich Modersohn-Beckers Stil in den folgenden Jahren hin zu einer „einfacheren“ Gestaltungsweise mit zunehmend leuchtenden Farbwerten. Beide Gestaltungsmittel wurden von der Künstlerin zwischen 1901 und 1907 immer selbständiger eingesetzt. Zwischen 1906 und 1907 arbeitete Paula Modersohn-Becker mit leuchtenden, wie sie meinte „rauschhaften“ Farben, die deutlich ihre Herkunft von Gauguin und den Nabis verraten.

Modersohn-Beckers Ehemann achtete ihre Kunst, wenn es ihm auch schwerfiel, das Streben nach Unabhängigkeit und Internationalität zu akzeptieren. 1903 schrieb er in sein Tagebuch:

„Sie haßt das conventionelle u. fällt nun in d. Fehler alles lieber eckig, häßlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins. Sie ladet sich zuviel auf. 2 Köpfe 4 Hände auf kleinster Fläche, unter dem thut sies nicht u. dazu Kinder! Rath kann man ihr schwer ertheilen, wie meistens.“

Erst im Dezember 1905, kurz vor der Trennung des Ehepaares, konnte er ihre Kunst Anerkennung zollen:

„[Ihre Stillleben und Skizzen sind] das kühnste u. beste an Farbe, was hier in W. [Worpswede] je gemalt wurde.“

Auch der Schriftsteller Rainer Maria Rilke, der mit Modersohn-Beckers Freundin Clara Westhoff verheiratet war, entdeckte erst 1905 die neuen Qualitäten ihrer Kunst. Er traf sie zu Weihnachten 1905 und hielt fest:

„Das Merkwürdigste war, Modersohns Frau an einer ganz eigenen Entwicklung ihrer Malerei zu finden, rücksichtslos und geradeaus malend, Dinge, die sehr worpswedisch sind und die doch nie einer sehen und malen konnte. Und auf diesem ganz eigenen Wege sich mit van Gogh und seiner Richtung seltsam berührend.“17 (Rainer Maria Rilke in einem Brief an Karl von der Heydt)

Tod und Nachruhm

Nachdem Paula Modersohn-Becker am 2. November 1907 der lang ersehnten Tochter Mathilde das Leben schenkte, verstarb sie am 20. November an einer Embolie. Erst nach ihrem verfrühten Ableben wurde ihr Œuvre von knapp 750 Gemälden und 1.000 Zeichnungen in der Öffentlichkeit bekannt. Während ihres Lebens verkaufte die Pionierin der Moderne nur drei Bilder, eines davon „Säugling mit der Hand der Mutter“ (1903, Kunsthalle Bremen) an Rainer Maria Rilke.

Gustav Pauli (1866–1938), Direktor der Kunsthalle Bremen, wurde Paula Modersohn-Beckers erster institutioneller Förderer. Er kaufte kurz nach ihrem Tod das „Stillleben mit gelbem Krug“ von 1903/04 für sein Haus und veröffentlichte im Jahr 1919 das erste Werkverzeichnis zu Modersohn-Beckers Werk. 1908/09 organisierte Gustav Pauli in der Kunsthalle Bremen die erste Gedächtnisausstellung für Paula Modersohn-Becker (Winter 1908/09), gefolgt von Ausstellungen im Kunstsalon Paul Cassirer in Berlin (Mai 1908) und in der Galerie Arnold in Dresden. Vier Jahre später wurde ein Gemälde, „Alte Bäuerin mit auf der Brust gekreuzten Händen“ (1907), auf der Kölner Sonderbundausstellung gezeigt (1912): Paula Modersohn-Becker war somit eine von vier Künstlerinnen auf dieser bedeutenden Ausstellung der Moderne.

Die erste Retrospektive zu Paula Modersohn-Beckers Werk und Leben fand 1917 in der Kestnergesellschaft statt und war von Otto Modersohn und Heinrich Vogeler initiiert worden. Rainer Maria Rilkes Texte über die Malerin prägte noch Jahrzehnte die Wahrnehmung und Rezeption ihres Werks. Die Malerin hatte während ihres kurzen Schaffens ihre Werke vor der Öffentlichkeit verborgen, auch vor ihrem Ehemann. Otto Modersohn fand nach ihrem Tod Arbeiten im Atelier, die zuvor noch nie gesehen hatte. Wenig erstaunlich ist daher, dass Paula Modersohn-Becker nicht in den zeitgenössischen Quellen, darunter eine internationale Publikation zur Künstlerkolonie in Worpswede aufgenommen wurde und zu ihren Lebzeiten nur drei Bilder verkaufte.

Das Paula Modersohn-Becker-Museum eröffnete bereits 1927 in Bremen (Bau von Bernhard Hoetger, 1926/27). Als Paula Modersohn-Beckers Werke von den Nationalsozialisten ab 1933 als „entartet“ gebrandmarkt wurde, besaßen bereits 40 deutsche Museen Gemälde und Zeichnungen von ihr. In den folgenden Jahren wurden 23 Gemälde, 23 Zeichnungen und 22 Druckgrafiken aus deutschen Sammlungen entfernt.18 Das Paula Modersohn-Becker-Haus des Bremer Unternehmers Ludwig Roselius war davon nicht betroffen. Obschon der Sammler ein Anhänger des Nationalsozialismus war, verteidigte er die Künstlerin und bewahrte 59 Gemälde und 51 Arbeiten auf Papier in Bremen.

Die Aufarbeitung von Werk und Leben der Paula Modersohn-Becker setzte in den 1950er Jahren ein. Vor allem ihre Orientierung nach Paris und ihre kompromisslose künstlerische Haltung ließen sie als Pionierin der Moderne in Deutschland erscheinen. Auf der ersten und dritten documenta 1955 und 1964 in Kassel wurde diese Sichtweise bestätigt - und sie findet sich bis heute.

Literatur über Paula Modersohn-Becker

  • Making Modernism. Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz, Gabriele Münter, Marianne Werefkin (Ausst.-Kat. Royal Academy of Arts, London, 12.11.2022–12.2.2023), London 2022.
  • Paula Modersohn-Becker, hg. v. Ingrid Pfeiffer (Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt, 8.10.2021–6.2.2022), München 2021.
  • Paula & Otto. Kunst und Liebe im Aufbruch (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Lindau, [4.4.–27.9.2020] 15.5.–27.9.2020), Lindau 2020.
  • Ich bin Ich. Paula Modersohn-Becker. Die Selbstbildnisse, hg. v. Frank Schmidt für die Museen Böttcherstraße (Ausst.-Kat. Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen, 15.9.2019–9.2.2020), München 2019.
  • Paula Modersohn-Becker. Zwischen Worpswede und Paris (Ausst.-Kat. Rijksmuseum Twenthe, Enschede, 8.4.–12.8.2018; Von der Heydt-Museum, Wuppertal, 9.9.2018–6.1.2019), Zwolle 2018.
  • Paula Becker und Otto Modersohn (Ausst.-Kat. Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen, 25.8.2018-6.1.2019), Bremen 2018.
  • Paula Modersohn-Becker. Pionierin der Moderne (Ausst.-Kat. Bucerius Kunstforum, Hamburg, 4.2.–1.5.2017), München 2017.
  • Paula Modersohn-Becker – Otto Modersohn. Der Briefwechsel, hg. von Antje Modersohn und Wolfgang Werner, Berlin 2017.
  • Paula Modersohn-Becker. Pionierin der Moderne (Ausst.-Kat. Kunsthalle Krems, Krems, 14.3.–4.7.2010), Köln 2010.
  • Kai Artinger, Paula Modersohn-Becker. Der andere Blick, Berlin 2008.
  • Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, hg. v. Günter Busch und Liselotte von Reinken, revidierte und aktualisierte Ausgabe, bearbeitet von Wolfgang Werner, Frankfurt a. M. 2007.
  • Doris Hansmann, Akt und nackt. Der ästhetische Aufbruch um 1900 mit Blick auf die Selbstakte von Paula Modersohn-Becker, Diss. Weimar 2000.
  • Anne Röver, Die Nachzeichnungen Paula Modersohn-Beckers, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte,
    Bd. 16 (1977).

Alle Beiträge zu Paula Modersohn-Becker

31. Oktober 2023
Elizabeth Sparhawk-Jones, The Shoe Shop, Detail, um 1911, Öl auf Leinwand, 99,1 x 79,4 cm (The Art Institute of Chicago)

Madrid | Thyssen-Bornemisza: Künstlerinnen – Elisabetta Sirani bis Frida Kahlo Alte Meisterinnen und rebellische Moderne | 2023/24

Mit fast 100 Werken, darunter Gemälde, Skulpturen, Arbeiten auf Papier und Textilien, bietet die Ausstellung einen Überblick zu Künstlerinnen vom späten 16. Jahrhundert bis zu den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Die Präsentation konzentriert sich auf Gruppen von Künstlerinnen, Mäzeninnen und Galeristinnen.
4. April 2023
Pablo Picasso, Die orangefarbene Bluse – Dora Maar [Le corsage orange – Dora Maar], 21.04.1940, Öl auf Leinwand, 73 × 60 cm (Sammlung Würth, Foto: Volker Naumann, Schönaich © Succession Picasso/Bildrecht, Wien 2022)

Wien | Leopold Museum: Highlights der Sammlung Würth Amazing | 2023

Hans-Peter Wipplinger stellt eine für das Leopold Museum maßgeschneiderte Auswahl vom Impressionismus bis in die Kunst der Gegenwart zusammen. Obschon Malerei triumphiert wird auch die Skulptur thematisiert werden. Das Publikum darf sich freuen auf Charakteristisches von Max Liebermann, Metamalerei von Gerhard Richter bis Anselm Kiefers Aufarbeitung der Vergangenheit, österreichische Kunst der 1950er bis in die 1980er sowie einige Vertreter der französischen Avantgarde.
25. März 2023
Paula Modersohn-Becker, Kinder

Bremen | Paula Modersohn-Becker Museum: Die Zeichnerin Paula Modersohn-Becker Entdeckungen auf Papier | 2023

Unter den 100 ausgestellten Kunstwerken sind teils großformatige, frühe Zeichnungen aus ihrer Worpsweder Studienzeit, Skizzen aus dem Louvre oder Eindrücke des Pariser Stadtlebens bis hin zu kompositorischen Experimenten und beeindruckenden Formfindungen.
4. März 2023
Künstlerinnen Selbstportaet Emden

Emden | Kunsthalle Emden: HIER BIN ICH! Künstlerinnen-Selbstporträt Von Paula Modersohn-Becker bis Bunny Rogers | 2023

Die Ausstellung „HIER BIN ICH!“ richtet den Fokus auf weibliche Repräsentationsformen im 20. und 21. Jahrhundert. Aufgegriffene Themen wie Schwangerschaft, Mutterschaft, Identitätsfragen und Maskeraden, aber auch ein das männliche Selbstbildnis imitierender und gar persiflierender Impetus verdeutlichen, dass innerhalb des Künstlerinnenselbstporträts ein starkes gesellschaftliches Potential zur Verhandlung der Rolle der Frau liegt.
11. November 2022
Paula Modersohn-Becker, Mädchen mit Kind, Detail, 1902, Öl/Karton, 45.3 x 50.5 cm (Kunstmuseum Den Haag)

London | Royal Academy of Art: Modersohn-Becker – Kollwitz – Münter – Werefkin Pionierinnen der Moderne in Deutschland

„Making Modernism“ ist die erste große britische Ausstellung, die den Pionierinnen der frühen 1900er Jahren in Deutschland gewidmet ist.
20. August 2022
Franz Marc, Liegender Stier, Detail, 1913, Tempera auf Papier, 40 x 46 cm (Museum Folkwang, Essen, Foto: Jens Nober)

Essen | Museum Folkwang: Expressionismus am Folkwang Entdeckt – Verfemt – Gefeiert | 2022

Im Herbst 2022 zeichnet diese Ausstellung erstmals das besondere Verhältnis zwischen dem Museum Folkwang und den Künstler*innen des Expressionismus nach.
9. Oktober 2021
Paula Modersohn-Becker, Selbstbildnis mit rotem Blütenkranz und Kette, Detail, 1906/07 (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Rut und Klaus-Bahlsen-Stiftung, © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK)

Frankfurt | Schirn: Paula Modersohn-Becker

Die umfassende Retrospektive zu Paula Modersohn-Becker in der SCHIRN widmet sich im Herbst/Winter 2021/22 dem Gesamtwerk der Künstlerin und zeigt, wie sie zentrale Tendenzen der Moderne vorwegnahm.
3. Mai 2021
Paula Modersohn-Becker, Bildnis Lee Hötger vor Blumengrund, Detail, 1906, Öl/Ln, 92,4 x 73,6 cm (Bremen, Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum)

Bremen | Paula Modersohn-Becker Museum: Bernhard Hoetger und Paula Modersohn-Becker in Paris

Bernhard Hoetger (1874–1949) und Paula Modersohn-Becker (1876–1907) trafen einander zum ersten Mal 1906 in Paris. Dort ließen sie sich von der gerade entstehenden Avantgarde - darunter Pablo Picasso, Henri Matisse und André Derain - zu neuen Zugängen inspirieren. Getragen von der Suche nach „Größe“ und „Einfachheit“, entwickelten Hoetger und Modersohn-Becker Antworten auf die Pariser Künstler.
24. Mai 2020
Paula Modersohn-Becker, Mädchenbildnis mit gespreizter Hand vor der Brust, Detail, um 1905 (© Von-der-Heydt-Museum, Wuppertal)

Lindau | Kunstmuseum: Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn „Paula & Otto – Kunst und Liebe im Aufbruch“

Paula Modersohn-Becker (1876-1907) und Otto Modersohn (1865-1943) ist das bedeutendste deutsche Künstlerpaar des frühen 20. Jahrhunderts. Das Kunstmuseum Lindau präsentiert 2020 das faszinierende Thema von Liebe und Kunst im Aufbruch zur Moderne.
17. September 2019
Paula Modersohn-Becker, Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag, 25. Mai 1906, Detail, Öltempera auf Pappe, 101,8 x 70,2 cm (Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum)

Bremen | Paula Modersohn-Becker Museum: Paula Modersohn-Becker. Selbstbildnisse „Ich bin Ich“ als Selbstvergewisserung und Experiment der außergewöhnlichen Malerin

Über 60 Mal hat Paula Modersohn-Becker sich selbst zum Modell genommen. Unter diesen Selbstbildnissen befinden sich prominente Hauptwerke genauso wie überraschende Experimente der Künstlerin. Die Museen Böttcherstraße tragen nun zum ersten Mal mehr als 50 frühe und späte Arbeiten zusammen.
30. Juli 2018
Paula Modersohn-Becker, Mädchenakt mit Blumenvase, Detail, um 1907 (Von der Heydt-Museum Wuppertal)

Paula Modersohn-Becker. Zwischen Worpswede und Paris Von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt später Bilder der Malerin im Kontext

Paula Modersohn-Becker (1876–1907) erarbeitete sich selbstbewusst und selbstgewiss, unabhängig vom Urteil ihrer Lehrer, Malerkollegen und Kritiker zwischen 1900 und 1907 eine gänzlich neue Bildsprache. Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal besitzt mehr als 20 Gemälde zumeist aus der späten und reifen Zeit der Malerin. Gemeinsam mit dem Rijksmuseum Twenthe in Enschede organisiert es eine Ausstellung, die auf den internationalen Kontext der populären deutschen Malerin setzt.
29. Juli 2018
Portrait der Künstlerin Paula Modersohn-Becker in der Veranda ihres Hauses, Detail, 1901, Foto: Atelier Schaub, Hamburg (Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen)

Paula Modersohn-Becker: Biografie Lebenslauf und Werke der berühmten deutschen Malerin

Paula Modersohn-Becker (1876–1907) gilt als eine Wegbereiterin der Moderne und des Expressionismus in Deutschland: Hier findest du die wichtigsten Informationen zu ihrem Leben.
11. November 2017
Erich Heckel, Szene am Meer, 1912, Öl auf Leinwand, 96 x 121 cm (Von der Heydt-Museum Wuppertal, © Nachlass Otto Gleichmann, Foto: © Von der Heydt-Museum Wuppertal / Foto: Antje Zeis-Loi, Medienzentrum Wuppertal)

Bielefeld | Kunsthalle Bielefeld: Der böse Expressionismus

Die Brisanz des Expressionismus droht im Wohlgefallen zu verschwinden, weshalb die Kunsthalle Bielefeld mit „Der böse Expressionismus. Trauma und Tabu“ die wilden, antibürgerlichen Seiten der Kunstform aufdeckt.
27. November 2016
Paula Modersohn-Becker, Mädchen in rotem Kleid vor Sonnenblume, Detail, 1907 (Privatbesitz)

Paula Modersohn-Becker. Pionierin der Moderne Deutsche Malerin auf der Suche nach dem "Einfachen"

Das Werk von Paula Modersohn-Becker gilt als wegbereitend für die Moderne in Deutschland, denn stets war die Künstlerin auf der Suche nach der „großen Einfachheit der Form“ und dem lebendigen Ausdruck der Farbe. In den ägyptischen Mumienporträts aus dem Louvre (1.-4. Jahrhundert) fand sie diesen genauso wie in den Gesichtern alter Bäuerinnen und junger Kinder im niedersächsischen Worpswede.
31. Oktober 2015
Dora Hitz, Kirschenernte, Detail

Bielefeld | Kunsthalle Bielefeld: Künstlerinnen der Moderne in Deutschland Einfühlung und Abstraktion. Die Moderne der Frauen

Unter dem Titel „Einfühlung und Abstraktion. Die Moderne der Frauen in Deutschland“ präsentierte die Kunsthalle Bielefeld malerische Werke von Künstlerinnen seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre und führte in ausgewählten Positionen bis zur Malerei der Gegenwart.
10. Februar 2014
Wassily Kandinsky, Murnau, 1908, Ö auf Karton, Merzbacher Kunststiftung.

Expressionismus in Deutschland und Frankreich Was die deutschen Künstlern von ihren französischen Kollegen lernten

Bereits am Cover des umfassenden Katalogs wird deutlich, dass Timothy O. Benson, Kurator am LACMA und Organisator dieser Wanderausstellung, den deutsch-französischen Kunstaustausch über die Farbe definiert. Denn was der Begriff „Expressionismus“ genau beschreibt, das wussten bereits die Zeitgenossen nicht. Von Alfred Döblin bis Oskar Kokoschka reichen die Kommentatoren einer Kunstrichtung , die sich über Innerlichkeit, Mystik, Farbexperimenten und Farbexplosionen (bis ins Unrealistische), dynamischem Pinselduktus, Musikalität, Kubismus-Rezeption, Primitivismus (vom „nordischen“ Nolde, der ägyptisierenden Modersohn-Becker bis zur Rezeption afrikanischer Plastik durch die Fauves und die Brücke Künstler) u.v.m. als neu und zeitgemäß definierte.
  1. Zit. n. Günter Busch, Liselotte von Reinken, Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, revidierte und erweiterte Ausgabe, bearbeitet von Wolfgang Werner, Frankfurt a. M. 2007, S. 76
  2. Zit. n. Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, hg. v. Günter Busch und Liselotte von Reinken, revidierte und aktualisierte Ausgabe, bearbeitet von Wolfgang Werner, Frankfurt a. M. 2007, S. 123–124.
  3. Zit. n. Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, hg. v. Günter Busch und Liselotte von Reinken, revidierte und aktualisierte Ausgabe, bearbeitet von Wolfgang Werner, Frankfurt a. M. 2007, S. 114.
  4. Zit. n. Busch/Reinken 2007, S. 160.
  5. Paula Modersohn-Becker und die Direktoren der Kunsthalle Bremen von Gustav Pauli bis Wulf
    Herzogenrath, in: Paula Modersohn-Becker und die Kunst in Paris um 1900 – von Cézanne bis Picasso, hg. v. Anne
    Buschhoff und Wulf Herzogenrath (Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, 2007), Bremen 2007, S. 272–274.
  6. Paula Becker in einem Brief an Otto Modersohn, 30.12.1899, siehe: Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, hg. von Günter Busch und Liselotte von Reinken, revidierte und erweiterte Ausgabe bearb. von Wolfgang Werner, Frankfurt am Main 2007, S. 204.
  7. Otto Modersohn, Tagebuch, 15.6.1902, zit. n. Paula Modersohn-Becker. Otto Modersohn. Der Briefwechsel, hg. v. Antje Modersohn, Wolfgang Werner, Berlin 2017, S. 175.
  8. Das berichtet zumindest Clara Westhoff in einem Brief an Rainer Maria Rilke: „Sie sagt, daß sie all die fünf Jahre unverheiratet lebt, eigentlich, daß der Mann, neben dem sie lebt, nicht fähig war, aus Nervosität, das geschlechtliche Zusammenkommen auszuüben. Daß sie selbst gar nichts gefühlt und erlebt habe als eine große Enttäuschung, daß er nun seit einiger Zeit weniger nervös sei – daß nun aber für sie natürlich jede Annäherung zwecklos und ohne Sinn sei – also unmöglich ...“; zit. nach Doris Hansmann, Akt und nackt. Der ästhetische Aufbruch um 1900 mit Blick auf die Selbstakte von Paula Modersohn-Becker, Diss. Weimar 2000, S. 318.
  9. zit. n. Sylvia Wölfle, Kunst & Liebe im Aufbruch – Paula Modersohn Becker und Otto Modersohn, in: Paula & Otto. Kunst & Liebe im Aufbruch (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Lindau), Lindau 2020,12–27, hier S. 21.
  10. Zit. n. ebd., S. 376.
  11. Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern, hg. von Günter Busch und Liselotte von Reinken, revidierte und erweiterte Ausgabe bearbeitet von Wolfgang Werner, Frankfurt am Main 2007, S. 410; zit. n. Rainer Stamm, Parallele Erscheiungen. Paula Modersohn-Becker und die Moderne, in: Paula Modersohn-Becker, hg. v. Ingrid Pfeiffer (Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle, Frankfurt a. M., 2021), S. 157.
  12. Paula Modersohn-Becker – Otto Modersohn. Der Briefwechsel, hg. von Antje Modersohn und Wolfgang Werner, Berlin 2017, S. 227.
  13. Zur Interpretaiton siehe: Rainer Stamm, Paula Modersohn-Becker. Leben und Werk im Spiegel ihrer Selbstporträts, in: Paula Modersohn-Becker. Pionierin der Moderne, hg. v. Hans-Peter Wipplinger und Rainer Stamm (Ausst. Kat. Kunsthalle Krems, Krems 2010), Köln 2010, S. 21.
  14. Anne Röver, Die Nachzeichnungen Paula Modersohn-Beckers, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Bd. 16 (1977) S. 201–214.
  15. Busch/Reinken 2007, S. 544; zit. n. Wolfgang Werner, Selbstbildnis oder Figurenbild?, in: Ebena, S. 104.
  16. Zit. n. Busch/Reinken 2007, S. 583-584.
  17. Zit. n. Sammler der ersten Stunde. August von der Heydt entdeckt Paula Modersohn-Becker, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen 2017, S. 14.
  18. Kai Artinger, Paula Modersohn-Becker. Der andere Blick, Berlin 2008, S. 21.