Schlüsselwörter

1 Einleitung

Seit mehreren Jahrzehnten stehen die Feministische Filmwissenschaft und die Geschlechterforschung in einem fortwährenden Dialog. Die Feministische Filmwissenschaft hat zentrale Impulse sowohl für die Medienwissenschaft allgemein als auch spezifisch für die Herausbildung der Gender Media Studies seit den späten 1990er-Jahren ausgesandt (Peters und Seier 2014, 2016). Die sich anhand der Geschlechterperspektive ausdifferenzierende Theoriebildung war für die (psychoanalytisch orientierte, poststrukturalistisch geprägte) Filmwissenschaft der 1970er- und 1980er-Jahre ein zentrales Vehikel. Grundlegend dafür ist die Einsicht, dass Geschlechter durch kulturelle Praktiken der Repräsentation wie Film mit hervorgebracht werden (Peters und Seier 2014). Umgekehrt lautet eine zentrale Grundannahme der Feministischen Filmtheorie, dass auch Film über Geschlechterbilder sowie geschlechtlich strukturierte Blickkonstellationen operiert.

2 Felder und Gegenstände

Film als Ensemble von Ästhetiken ist genauso veränderbar und instabil wie Geschlecht als Ensemble von Praktiken – weder Anatomie noch Technologie sind als „Schicksal“ anzusehen. Vielmehr handelt es sich um zwei miteinander interagierende Prozesse: Analytisch geht die Denaturalisierung des Geschlechts häufig mit der Denaturalisierung von Darstellungs- und Inszenierungsweisen einher, die Geschlecht performativ hervorbringen (Seier 2007, S. 18). Die Realismusillusion des Films ist also ähnlich entlarvbar wie die vermeintliche Natürlichkeit des Geschlechts, das als kulturelle und soziale Konstruktion unmittelbar auf Medien als Kulturtechniken von Geschlecht beruht (Seier 2007, S. 24). Diese performativen Techniken umfassen nicht nur Medien der Visualisierung von Geschlecht wie vorgeburtliche Diagnostik, den Pass und das Kreuzchen auf einem Fragebogen, sondern auch filmische Medien wie Spiel- und Dokumentarfilm, die einerseits als Techniken der Einschreibung und der Stabilisierung bzw. Normalisierung und andererseits der Agitation und der kritischen Politisierung verstanden wurden (Koch 1989). Nicht zuletzt sind abweichende Entwürfe von Geschlecht und Begehren durch Filme intelligibel gemacht worden: Film kann so auch als eine audiovisuelle Technologie der Rahmung von Subjektivität verstanden werden (Butler 2009), die ermöglicht, was überhaupt denk- und fühlbar ist. Versteht man Gender als Ensemble von verkörperten Praktiken, Verhaltensweisen, Denk- und Wahrnehmungsweisen, die sich wiederholend einschreiben und verfestigen, ist offenbar, warum dem Film als „Technologie des Geschlechts“ (Lauretis 1987) eine produktive Schlüsselrolle in der Re-/Produktion von Geschlechterbildern zugeschrieben wird.

In allen Bereichen des Films ist Geschlecht wirksam und werden Geschlechterperspektiven fruchtbar angewendet. Film war historisch immer mit Geschlechterfragen verbunden (z. B. Keitz 2014). Hierzu zwei Beispiele: Film und Filmvorführungen restrukturierten die Teilung von Öffentlichkeit und Privatheit und stellten anknüpfend an andere öffentliche Spektakel um 1900 neue Öffentlichkeiten her (Schlüpmann 1990; Peters und Seier 2014). Heute ereignet sich eine andere Verschiebung in der Betrachtung und es werden in der Filmtheorie auch zuvor als privat verstandene Gefühle und körperliche Affizierungen als politisch verstanden.

Die filmische Darstellung von Männern, Frauen und Transgenderpersonen (Halberstam 2005) ist nicht nur analytisch aussagekräftig für die Geschlechternormen einer Gesellschaft, Kultur oder Gruppe und/oder ihrer Selbstwahrnehmung, die diese sich geben möchte – etwa anhand einer besonders fortschrittlich wirkenden Perspektive (zum Pinkwashing Puar 2007). Die Repräsentation von Geschlecht schreibt im Film wie auch anderswo Stereotype fest und bringt sie dadurch als wiederholende Bilder allererst hervor. So strukturieren Geschlechterstereotype Narrationen und Bilder von Filmen sowie das Erleben der Zuschauer_innen im nicht-/fiktionalen Film (Huskell 1974). Aktuell wurde die gegenderte Darstellungsweise von Frauen im Film mit einem quantitativen Forschungsdesign von der MaLisa-Studie im bundesdeutschen Fernsehen sowie in der Filmförderung beforscht (Prommer und Linke 2017, siehe für die anglofone Filmindustrie Jones und Pringle 2015).

Geschlecht und Begehren sind wechselseitig aufeinander bezogen zu denken (Butler 1991, 1997): Über die Gegenidentifizierung von Geschlecht und Begehren in der heterosexuellen Matrix (Butler 1991, S. 46) werden entsprechend Geschlechterbilder über Begehrensnormen fixiert. Begehren wird somit – jenseits und diesseits der Darstellung von Sexualität (Brauerhoch et al. 2011) – in der psychoanalytisch geprägten Feministischen Filmwissenschaft zum definierenden Strukturmoment des Films. Es entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Filme, die abweichende Blickkonstellationen sowie queere Charaktere und Lebensentwürfe inszenieren, aber auch die Gewalt und Macht der heterosexuellen Matrix thematisieren. Seit den 1990er-Jahren wird dafür der Begriff New Queer Cinema (Rich 2013) verwendet (Hanson 2005; Davis 2013; Dyer 2002).

Wie in den Gender Studies allgemein werden in der Filmwissenschaft Überschneidungen mit anderen analytischen Pers pektiven und Kategorien theoretisch und analytisch fruchtbar gemacht: in Bezug auf Race und Gender (Modleski 1999), einen transgender gaze (Halberstam 2006), im Bereich von Migration und Film (Heidenreich 2015), Whiteness und Männlichkeit im Film (Figge 2015), Antisemitismus sowie Darstellungen im und des Judentum(s) (Koch 1992), zur Perspektive von Geschlecht in Bezug auf Darstellungen von Jüdinnen und Juden haben Dorchain/Wonnenberg (2013) aktuelle Beiträge herausgegeben und verfasst, Begehren, Homonormativität und Race (z. B. jüngst Kohnen 2016) zu Austerität und Gender im Film (Davies und OʼCallaghan 2017), Disability (Chivers und Markotić 2010; Preston 2017), zu Alter (Eckert und Martin 2016; Chivers 2011) sowie zur postkolonialen Theorie des Films (Chow 2010; Minh-ha 1998). Die Feministische Filmwissenschaft hat über das Paradigma des Blicks auch andere Bereiche der intersektionalen Analyse beeinflusst, da sie die Ideologie der Apparatur selbst zu theoretisieren wusste.

3 Feministische Filmwissenschaft

Film intensiviert und reflektiert das Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit bzw. Un-/Sichtbarmachung, das unabdingbar ist, um Geschlechterdynamiken zu verstehen. Die Pole dessen, Blicken und Angeblickt-Werden, sind dabei zu wichtigen Spielarten der Feministischen Filmtheorie geworden. Laura Mulvey hat dieses Verhältnis 1975 als das den Film strukturierende erkannt und umfassend – und vielfach rezipiert und kritisiert – theoretisiert (Mulvey 1999).

Die Psychoanalyse als wichtiger Stichwortgeber Mulveys erfasste die Lust am Schauen als Faszination am Film (Skopophilie). Neben der Identifikation mit Darsteller_innen im Film wird in der Apparatustheorie die Identifikation mit dem Blick der Kamera selbst theoretisiert. Für Mulvey stellt die Inszenierung von Frauen darüber hinaus ein Paradox dar: Sind Frauen auch in jenem klassischen Hollywoodkino, auf welches sie sich bezieht, hyperpräsent und werden doch auf eine Weise präsentiert, die den Frauen im Publikum nur eine indirekte bzw. masochistische Zuschauer_innenposition zugesteht (Studlar 1992).

Blicktheorien sind einerseits erweiternd auch auf andere Bereiche im Zusammenhang mit Geschlecht übertragen worden, z. B. auf koloniale Dispositive (Kaplan 1997). Es hat sich aber andererseits auch eine ganze Reihe von Kritiken artikuliert. Sie richten sich z. B. auf die psychoanalytische Grundlage Mulveys und analysieren diese als heterosexistisch (Braidt 2016, S. 29). Die Filmkritikerin bell hooks (1992, 2016) hingegen fordert die Feministische Filmtheoriebildung auf, ihren weißen Blickwinkel zu reflektieren, und bezieht sich auf Rezeptionserfahrungen afroamerikanischer Frauen.

Dass diese Analyse für viele Women of Colour an der Realität der Mehrfachdiskriminierung vorbeiging, war einer der zentralen Kritikpunkte. Teresa de Lauretis (1985) adressiert ähnliche Bedenken der Homogenisierung des Frauenbilds schon früh und unterscheidet genau zwischen jenen Bildern von der Frau und von Frauen im Plural (damit auch für Frauen). Sie verschiebt die Frage der sexuellen Differenz in die Kategorie Frau selbst und macht auf innere Differenzen aufmerksam, die mitunter die Kategorie Frau und Mann aufzusprengen vermögen. Mit ihrem Konzept von Women entwickelt de Lauretis die Kernidee der Intersektionalität aus Sicht filmischer Praxis.

Neben dem Blick wurde von Kaja Silverman prominent die Stimme im Film theoretisiert (Silverman 1988). Auch im Verhältnis von Ton und Bild bzw. Stimme und Bild lassen sich Geschlechterverhältnisse analysieren bzw. schreiben sich diese über akustische Bilder fort. Für Silverman ist die Stimme die Schnittstelle zwischen Materialität und Bedeutung sowie zwischen Sprache und Körper. Ihre klassische Studie zur Stimme im Film wird mit großem Interesse von den Sound Studies rezipiert, die unterschiedliche Ebenen von Musik, Stimme und Geräusch im Film adressieren und mitunter den textuellen Zugang in Silvermans Werk weiter aufzulösen wissen (u. a. Sjogren 2006, einen Überblick gibt Vernon 2017).

4 Gender und Genre

Die Gender- und Genreforschung berücksichtigt die weiteren Kontexte, in denen Geschlechterentwürfe erscheinen und über die sie sich verwirklichen (Braidt 2008; Liebrand und Steiner 2004). Genres bilden dynamische, sich wiederholende und damit für die Rezipient_in wiedererkennbare Muster, die sowohl ästhetische Formen als auch Geschlechterbilder umfassen. So ist kein populäres Filmgenre ohne seine spezifischen Geschlechterentwürfe denkbar, z. B. die Femme fatale im Film noir oder der Cowboy im Western. Genrezitate leben in den viel hybrideren Gegenwartsentwürfen filmischer Medien häufig reflexiv weiter, z. B. im Comicfilm (Sina 2016).

Anknüpfend an die Frage vieler Kritikerinnen Mulveys, warum Frauen doch ins Männerkino gehen und was sie sich dort ansehen (Koch 1989, S. 125-136), gibt es eine Reihe von Publikationen, die sich mit dem sog. Frauenfilm beschäftigen. Dieses „Phantom-Genre“ (Altman 1998) wurde recht disparat theoretisiert und richtet sich wie eine Art Kompensation für die vordergründig rein männlichen Genres an Zuschauerinnen. Waren dies in den 1940er- und 1950er-Jahren noch hauptsächlich an Häuslichkeit orientierte Melodramen, von Mary Ann Doane entlarvend analysiert als vier Genres, die den Status quo weiblicher Oppression rechtfertigen (Medizin, Paranoia, mütterliches Melodrama und Liebesgeschichten; Doane 1999), lassen sich heute und im Klima des Postfeminismus vor allem die sog. Chick-flick-Filme als solche an Zuschauerinnen gerichtete Filme sehen (Dang 2016). Diese thematisieren eher einen Have-it-all-Status von erfolgreichen beruflichen Karrieren und materieller Ausstattung, platzieren als Hauptcharaktere aber vordergründig normierte Frauenbilder. Fraglich ist, ob diese Filme, die ein individualistisches, neoliberales Bild von Erreichbarkeit und Machbarkeit weiblicher Karrieren bedienen, einen progressiven Feminismus verkörpern oder nicht eher den Status quo vielfältiger weiblicher Erfahrungen unter das Bild der ‚weißen Blondine‘ à la „Legally Blonde“ (2001) subsumieren (Hollinger 2012).

Unter Film von und für Frauen werden jedoch auch die Produktionen aus dem deutschsprachigen Raum der 1970er-Jahre subsumiert, die sich häufig mit dokumentarischen Formen der Frage gelebter Erfahrung und Themen der Emanzipation widmen. Dokumentarismus als Form des Aktivismus und der Herstellung von Bewusstsein für internationale Problemlagen der Frauen ist dabei eine zentrale und wichtige Form des politischen Aktivismus gewesen, nicht nur für weiße Frauen (Brunsdon 1987).

Manche Autorinnen beziehen auch ganze Genres auf die Verhandlungen und Konflikte sexueller Differenz und geschlechtlicher Identität. So versteht Barbara Creed (2012; Chaudhuri 2007) den Horrorfilm als Austragungsort der Verhandlung der Mutabilität des Körpers und seiner durch „Abjektion“ (Kristeva 1980) gebildeten Subjektivität, indem er die ausgeschlossenen und potenziell bedrohlichen „Reste“ aufsucht. Für den Slasher-Film argumentierte Carol Clover in „Men, women and Chainsaws“ (1992) für eine Identifizierung mit dem „Final Girl“ als androgyner Figur und damit für eine flexible Identifizierung des weiblichen und männlichen Publikums.

Linda Williams hat sich in ihrem einflussreichen Text „Body Genres. Gender, Genre und Exzess“ (2009) anhand der sog. Body-Genres mit der körperlichen Affektion derjenigen Genres auseinandergesetzt, die eine hohe Popularität bei gleichzeitiger niedriger Zuschauer_innen-Distanz aufweisen, die also direkt auf körperliche Reaktionen wie Erregung oder Weinen abzielen: Pornofilm, Horrorfilm und Melodrama. Ebenfalls zahlreiche Debatten um Pornografie hat Williams gesondert in ihrer vielrezipierten Studie „Screening Sex“ (2008) gebündelt.

Neben den strukturellen Machtmechanismen und ihrer Kommunikation in der Form des Films gibt es zahlreiche Darstellungen von sexueller Gewalt (im TV etwa sehr prominent in der HBO-Serie „Game of Thrones“), die sich quer zu verschiedenen Genres finden. Die verstärkte Inszenierung sexueller Gewalt hat vor allem in jüngerer Zeit, auch außerhalb des sog. Rape-Revenge-Films Studien nach sich gezogen (Koch 2015, 2007; Kotthaus 2015).

5 Gender Media Studies

Teresa de Lauretis hat mit „Technologies of Gender“ ausgehend vom Film Medien als vergeschlechtlichende Technologien beschrieben, die Gender nicht nur repräsentieren, sondern produzieren. Mit Foucaults Begriff der Technologie des Sex (Foucault 2017) zeigt sie, wie Technologie zugleich als technologische und soziale Praxis Geschlecht hervorbringt. Dies ist neben Mulveys Analyse der Produktion von vergeschlechtlichten Positionen im Film eine weitere entscheidende Entwicklung ausgehend von der Feministischen Filmwissenschaft hin zu Gender Media Studies (Seier 2006). Andrea Seier hat daran anknüpfend das kulturwissenschaftliche Paradigma der Performativität entlang der Filmwissenschaft für die Gender Media Studies nutzbar gemacht (Seier 2007; Kandioler 2014). Die Einsicht, dass nicht nur die Abbildungen von Männern und Frauen, sondern die Technologien – z. B. des Films – selbst vergeschlechtlicht sind, nimmt ihren Ausgangspunkt von Mulveys Analyse des Blicks und der Identifikation der Frau mit ihrem Bild als Objekt über de Lauretis Engführung der sozialen und ästhetisch/apparativen Technologie des Geschlechts bis hin zur radikalen Entnaturalisierung, die Seier an beiden Dimensionen gleichzeitig vornimmt: Gender und Medien.

6 Rezeption

Die Kategorie Gender ist nicht nur wesentlich für die Analyse von Filmproduktionen (z. B. Darstellungen), sondern auch für die Rezeption. Produktion und Rezeption sind analytisch nicht strikt zu trennen und werden immer wieder als interagierend beschrieben. Produktives Kernproblem für die Feministische Filmtheorie ist, dass aus der Ästhetik des Films nicht automatisch eine ihrem Inhalt gleichende Rezeption aufseiten des Publikums folgt.

Zuschauerinnen und ihre Erfahrungen werden methodisch sehr unterschiedlich erforscht: von Studien über das frühe Kino (Schlüpmann 1990; Bean 2002; Gledhill und Knight 2015) über zahlreiche Theorien des Zuschauens und Erlebens sowie die Cultural Studies bis zu Phänomenologie und Affekttheorie (Rizzo 2012).

Vor dem Hintergrund der Fankulturen ist das wachsende Feld der Fan Studies ein neuerer Bereich der Filmwissenschaft, in dem Gegenentwürfe aufseiten der Rezeption aufscheinen (Hall 2007). Dabei wird die methodische Frage im Grenzbereich von Gender Studies und qualitativem, empirischem Forschungsdesign heute verstärkt in den Medienwissenschaften unter dem Konzept des Gefüges aus Produktion und Rezeption diskutiert (Bee 2018).

Eine stark auf die Erfahrung der Rezeption ausgerichtete Richtung in den Filmwissenschaften seit den 1990er-Jahren ist die Filmphänomenologie, die deutlich vom psychoanalytischen Paradigma der Feministischen Filmtheorie abweicht (Staiger 2017). Sie verschiebt das Paradigma vom Sehen zur Synästhesie (Sobchack 1992), unternimmt also eine Dezentrierung dieses Distanzsinns, und betont die Multimodalität und -sensualität filmischen Erlebens, z. B. in der Betonung der Taktilität (Marks 2002).

7 Politiken des Affekts

In den letzten Jahren sind in den Kulturwissenschaften und den Gender Studies verschiedene Affekttheorien breit diskutiert worden (Gregg und Seighworth 2009). Affekttheorie ist für Film eine Schlüsselperspektive, da dort intensive körperliche Erfahrungen gemacht werden, die nicht unbedingt als Narrativ oder semantisch verfasst sind. Film ist eine der wichtigsten Distributions- und Produktionstechnologien von Affekt (Jelača 2017; Kaplan 2015).

Die Beschäftigung mit dem Affekt adressiert eine Sphäre, die traditionell zumeist dem Persönlichen, zumindest aber dem Unpolitischen zugesprochen wird (Baier et al. 2014). Die starke Trennung von Affekt und Kognition ist ein Gegenstand der Kritik der Gender Studies und notwendig, um komplexe filmische Strukturen und Affizierungsprozesse zu verstehen.

Affekte werden auch als potenziell kritisch verstanden (siehe die Beiträge in Bose et al. 2015). Sie können eine kognitive Kritik, z. B. an Geschlechterverhältnissen und Zwangsheterosexualität, allererst ermöglichen, indem sie ein Nichtübereinstimmen mit Verhältnissen und Gegebenheiten anzeigen, etwa durch negative Gefühle. Film lässt sich insgesamt als Verhandlungsraum zeitgenössischer Affektpolitiken verstehen, die den Körper direkt adressieren (Clough 2011; Massumi 2015).

8 Fazit

In der Praxis der Feministischen Filmanalyse werden meist ein oder mehrere Perspektiven verbunden und als intersektionale Verknüpfung von Hautfarbe, Herkunft, körperlicher Eingeschränktheit, … fruchtbar gemacht, in der Differenzen als einander mobilisierend verstanden werden.

Durch die theoretischen Debatten um das Medium Film wurde in den 1970er-Jahren und wieder verstärkt seit den 2000er-Jahren deutlich, dass Geschlecht und filmische Medien prozessual miteinander verwoben sind. Heute erfordert die Ausdifferenzierung von Bewegtbildmedien neue Perspektiven der Filmwissenschaft im Hinblick auf Geschlecht, die konkrete Rezeptionssituation – etwa nicht nur der Kinoapparatur, sondern der mobilen Rezeption – genauso in den Blick nimmt wie veränderte Konstellationen zwischen verschiedenen Medienformen und dem Film, etwa in Ausstellungskontexten. Die Sichtweise verschiebt sich zunehmend von Einzelmedien zu Gefügen von Medien und erfordert entsprechend eine transversale Sichtweise auf die Intra-aktion von Film, Rezeptionskontexten und dem Publikum. In der Pluralität der existierenden Theorien lässt sich u. a. ein Perspektivwechsel von Geschlechterbildern im Film und dem Paradigma des Blicks zu (phänomenologischen) Erfahrungs- und zu Affekttheorien beobachten, die sich mit der Analyse von ineinander verzahnten Differenzen und Begehrensformen fruchtbar verbinden lassen.