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04.03.2004

Otto Hahn - Entdecker der Kernspaltung

Otto Hahn, der Entdecker der Kernspaltung, wäre am 8. März 125 Jahre alt geworden.

Otto Hahn – Entdecker der Kernspaltung

Otto Hahn (1879-1968) war der Pionier der Radioaktivitätsforschung in Deutschland. Von Haus aus Chemiker, verband seine Biographie ihn auf vielfache Weise mit Physikern: Er war Assistent Rutherfords in Montreal und arbeitete in Berlin über 30 Jahre lang mit der Physikerin Lise Meitner zusammen. Hahns wissenschaftliche Karriere gipfelte 1939 in der Entdeckung der Kernspaltung (mit Fritz Strassmann), für die er 1946 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. In der Nachkriegszeit setzte sich Hahn mit deutschen Atomphysikern, unter ihnen Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, für den Frieden und die atomare Abrüstung ein. In diesem Jahr wäre er am 8. März 125 Jahre alt geworden.

Am Abend des 6. August 1945 machte der britische Geheimdienstoffizier Major Rittner dem in Farm Hall, England, internierten Kernchemiker Otto Hahn eine erschreckende Mitteilung: Die Amerikaner hatten über Hiroshima eine Atombombe abgeworfen, die mehr als 100.000 Todesopfer gefordert hatte. „Ich war unsagbar erschrocken und niedergeschlagen“, erinnerte sich Hahn, „der Gedanke an das große Elend unzähliger unschuldiger Frauen und Kinder war fast unerträglich“. Hahn, der im deutschen Atombombenprojekt nur eine marginale Rolle gespielt hatte, fühlte sich als Entdecker der Kernspaltung persönlich verantwortlich für den Tod dieser Menschen. „Er sagte mir, dass er sich, als er die Tragweite seiner Entdeckung erkannt habe, ursprünglich mit Selbstmordgedanken getragen habe und dass jetzt, wo die Möglichkeit Wirklichkeit geworden sei, ihn die volle Schuld treffe“, protokollierte Major Rittner sein Gespräch mit Hahn. Ähnlich wie für Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, die während des Krieges eine „Uranmaschine“ (einen Reaktor) gebaut hatten, stellte sich für Hahn die Frage nach der Verantwortung des Wissenschaftlers für sein Handeln. In seiner zweiten Lebenshälfte setzte er sich aus humanitären Gründen gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ein und verurteilte eine Politik, die meinte, den Frieden dauerhaft durch die abschreckende Wirkung von Atomwaffen sichern zu können.

„a special smell for discovering new elements.“
Dass Hahn sich nach seiner Dissertation in Marburg dem noch jungen Gebiet der Radioaktivität zuwandte, verdankte er einem Zufall. Er wollte eigentlich eine Stelle in der Industrie annehmen. Da sein künftiger Arbeitgeber gute Englischkenntnisse erwartete, entschloss er sich zu einem Forschungsaufenthalt im Labor des Chemikers William Ramsay in London. Dort bewies er eine glückliche Hand: Schon nach wenigen Monaten entdeckte Hahn ein neues radioaktives Element, das er „Radiothor“ nannte. Ramsay, der „sehr frappiert (...) über die Kühnheit, Geschicklichkeit und Ausdauer von Dr. Hahn“ war, überzeugte ihn, in der Forschung zu bleiben. Im Herbst 1905 wechselte Hahn in das Labor Ernest Rutherfords, der zu dieser Zeit neben dem Ehepaar Curie ein Pionier der Radioaktivitätsforschung war. Nur zwei Jahre zuvor hatte er mit Frederick Soddy eine Theorie des atomaren Zerfalls aufgestellt und damit die alte Vorstellung von der Unwandelbarkeit der Atome umgestoßen. Anfänglich misstraute Rutherford der Entdeckung des Radiothors, doch Hahn konnte ihn rasch eines Besseren belehren: Er fand zwei weitere radioaktive Zerfallsprodukte; eines davon hatte ein Mitarbeiter Rutherfords zuvor bei seinen Untersuchungen übersehen. Anerkennend bestätigte Rutherford dem 25jährigen deutschen Chemiker „a special smell for discovering new elements.“

Hahn und Meitner – ein kongeniales Team
Im Sommer 1906 ging Hahn an das Chemische Institut des Nobelpreisträgers Emil Fischer in Berlin. Da der Forschungsschwerpunkt dieses Instituts in der Biochemie lag, suchte Hahn den Kontakt zu seinen Kollegen am Physikalischen Institut. In Montreal hatte er erfahren, wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen Physikern und Chemikern in der Radioaktivitätsforschung sein konnte. Auch in Berlin fand er rasch Freunde: Otto von Baeyer, James Franck, Gustav Hertz, Robert Pohl, Peter Pringsheim, Erich Regener und Wilhelm Westphal. Ende 1907 traf er die österreichische Physikerin Lise Meitner, mit der er bis zu ihrer erzwungenen Emigration 1939 ein kongeniales Team bildete. Wissenschaftlich ergänzten sich die beiden sehr gut, wie Werner Heisenberg rückblickend urteilte: Er charakterisierte Hahn als fleißig, gewissenhaft und selbstkritisch. Diese Eigenschaften hätten es ihm erlaubt, weiter als die meisten anderen Chemiker in das Neuland der Radioaktivität einzudringen. Meitners Stärke hätte dagegen auf der Deutung der Versuche gelegen. Sie interessierte sich für das „Warum?“ und beeinflusste daher stark die Fragestellung der Experimente. Meitner beschrieb die Zusammenarbeit mit Hahn als besonders stimulierend: „Wir waren beide begeistert von der großen Fülle der Probleme, die wir sozusagen jeden Tag vor uns gefunden haben, und wir waren voll Bewunderung für die erstaunliche Entwicklung der Physik und Chemie. Dass Hahn der beste lebende radioaktive Chemiker, also Radio-Chemiker, war und dass ich immer eine wasserreine Physikerin geblieben bin, für die die einfachste Formel aus der organischen Chemie immer Mystik bedeutete, war doch eine gute Grundlage und eine gute Ergänzung in unserer Zusammenarbeit.“

Das Forscherpaar begann zunächst mit einer systematischen Untersuchung der Beta-Spektren fast aller radioaktiven Elemente. Dazu arbeiteten sie mit Otto von Baeyer zusammen, denn das Chemische Institut besaß keinen Magneten, mit dem man eine genügend starke Aufspaltung des Beta-Spektrums hätte erzielen können. Oft wurden die Messungen zu einem Wettlauf mit der Zeit, denn die kurzlebigen Präparate drohten auf der Autofahrt zwischen den beiden Instituten zu zerfallen. Lise Meitner bereitete die gemessene kontinuierliche Energieverteilung der Spektren schweres Kopfzerbrechen, denn dies bedeutete scheinbar eine Verletzung des Energie-Erhaltungssatzes beim radioaktiven Zerfall. Eine zufrieden stellende Lösung des Problems fand sich erst 1930, als Wolfgang Pauli das Neutrino als zweites emittiertes Teilchen postulierte. Zu den ersten Erfolgen von Hahn und Meitner gehörte die Entdeckung, dass man bei einem Alpha-Zerfall den Rückstoß des Tochterkerns dazu verwenden konnte, ihn vom Mutterkern zu trennen. Diese Methode eignete sich vor allem für kurzlebige Kerne, bei denen ein chemischer Nachweis zu langwierig gewesen wäre. Hahn und Meitner fanden auf diese Weise zwei neue Zerfallsprodukte, „Radium C´´“ und „Thorium C´´“ (Die Namen sind in Anführungszeichen gesetzt, das sie von der heutigen Nomenklatur abweichen). 1911 begann Hahn außerdem mit der Firma Knöfler ein großtechnisches Verfahren für das von ihm entdeckte „Mesothorium“ zu entwickeln. Es sollte das etwa doppelt so teure Radium in der medizinischen Strahlentherapie ersetzten. Zu diesem Zeitpunkt genoss Hahn bereits internationale Anerkennung: 1910 wurde er in die Internationale Radium-Standard-Kommission gewählt, in der neben ihm auch Marie Curie, Ernest Rutherford, Bertram Boltwood und Frederick Soddy zu den ersten Mitgliedern zählten.

Auf dem Weg zur Kernspaltung
1912 siedelten Hahn und Meitner in das neu gegründete Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Chemie in Berlin-Dahlem. Hahn übernahm dort die Leitung der Abteilung Radioaktivität, während Lise Meitner zunächst den Status eines unbezahlten Gastes hatte. Die neuen, gut ausgestatteten Räume hatten gegenüber der alten Labor in Fischers Institut den Vorteil, noch nicht radioaktiv kontaminiert zu sein. Dies war für Hahn und Meitner weniger von gesundheitlicher Bedeutung (die Notwendigkeit des Strahlenschutzes war damals noch weitgehend unbekannt), sondern sie sahen darin die Chance, auch die Strahlung schwach radioaktiver Substanzen störungsfrei messen zu können. Dies waren gute Bedingungen für ihr nächstes gemeinsames Projekt: Die Suche nach der Muttersubstanz des Actiniums. Diese Arbeit wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzögert und zeitweise ganz unterbrochen. Hahn wurde im Januar 1915 gemeinsam mit James Franck, Gustav Hertz, Wilhelm Westphal und Erwin Madelung der von Fritz Haber geleiteten Spezialtruppe für Gaskampf zugewiesen. Als einer der wenigen Beteiligten hat Otto Hahn in seinen Lebenserinnerungen über seine Erlebnisse berichtet:

Am 12. Juni stand der Wind günstig, und wir bliesen eine Mischung aus Chlorgas und Phosgen, einem sehr giftigen Gas, ab. (...) Beim Vorgehen trafen wir auf eine erhebliche Anzahl gasvergifteter Russen, die vor der Wolke nicht mehr hatten fliehen können. Sie waren ohne Schutzmaske vom Gas überrascht worden und lagen oder hockten nun in bejammernswertem Zustand herum. Dem einen oder anderen versuchten wir mit unseren Rettungsgeräten das Atmen zu erleichtern, ohne jedoch ihren Tod verhindern zu können. Ich war damals tief beschämt und innerlich sehr erregt, denn schließlich hatte ich doch selbst diese Tragödie mit ausgelöst.

Mit der Entdeckung des Protactiniums, die 1918 nach mehr als sechs Jahren Forschung unter widrigsten Umständen gelang, fand die Zusammenarbeit von Hahn und Meitner ein vorläufiges Ende. Meitner hatte bereits während des Krieges die Leitung der physikalisch-radioaktiven Abteilung des Instituts übernommen und verfolgte nun eigene Forschungsschwerpunkte. Hahn wurde 1924 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie. Eine neue Phase intensiver gemeinsamer Forschung begann 1934, als Meitner von den „Transuran-Experimenten“ Enrico Fermis erfuhr. Fermi hatte Uran mit Neutronen bestrahlt und einen anschließenden Beta-Zerfall beobachtet. Daraus schloss er, dass er ein Element höherer Ordnungszahl erhalten hatte, also ein „Transuran“, und vermutete, es handelte sich dabei um Protactinium. Hahn ließ sich, trotz seiner vielen Verpflichtungen als Institutsdirektor, dazu überreden, diese Versuche zu überprüfen. Wenige Monate später stieß auch der analytische Chemiker Fritz Strassmann zu der Gruppe. Die drei Forscher konnten bald nachweisen, dass Fermis „Transuran“ nicht mit Protactinium identisch war. Aber eine schlüssige Deutung der Versuche war sowohl aus physikalischer als auch aus chemischer Sicht schwierig. Die Vermutung der Chemikerin Ida Noddack, der Urankern könnte in mehrere große Bruchstücke zerfallen sein, blieb unbeachtet – einerseits, weil führende Atomphysiker wie Bohr dies für unmöglich hielten, andererseits weil Noddack keinerlei Experimente unternahm, die ihre These hätten bestätigen können. In Paris schalteten sich 1937 Irène Joliot-Curie und ihr Mitarbeiter Paul Savitch in die Untersuchungen ein. Auch sie waren von ihren Ergebnissen verwirrt. Joliot-Curie äußerte, sie glaube manchmal, „alle chemischen Elemente in ihrem bestrahlten Uran“ zu haben.


Forschen unter der nationalsozialistischen Diktatur
Unterdessen spitzte sich die angespannte politische Lage immer weiter zu. 1933 hatte Hitlers „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ die Reihen der Akademiker stark gelichtet. In Hahns unmittelbarem Umkreis musste Fritz Haber als Leiter des KWI für Physikalische Chemie zurücktreten. Hahn übernahm für einige Monate die kommissarische Leitung des Instituts. Lise Meitner hatte 1933 ihre Lehrerlaubnis verloren, behielt aber als Mitarbeiterin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und als Österreicherin ihre Stellung als Leiterin der physikalisch-radioaktiven Abteilung. Auch für Hahn und Strassmann, die sich weigerten, einer nationalsozialistischen Organisation beizutreten, wurde das Leben zusehends schwerer. Die unerfreulichen, von NSDAP-Mitgliedern dominierten Veranstaltungen und Sitzungen veranlassten Hahn 1934, seinen Austritt aus der Berliner Universität zu erklären. Strassmann, der aufgrund seiner politischen Haltung keine Anstellung in der Industrie finden konnte, wurde von Hahn zeitweise aus einer „Notkasse“ des Instituts unterstützt. Ein offener Protest gegen die nationalsozialistische Herrschaft war die 1935 zu Ehren Fritz Habers veranstaltete Gedenkfeier. Haber war als gebrochener Mann im schweizerischen Exil gestorben. Hahn, Meitner, Strassmann und Planck nahmen an dieser Feier trotz des offiziellen Verbotes teil. Bis zur letzten Minute war unklar, ob die Machthaber die Veranstaltung verhindern würden. Für Lise Meitner wurde die Lage 1938 mit dem „Anschluss“ Österreichs bedrohlich. Sie musste heimlich fliehen, da ihre legale Ausreise nicht mehr möglich war. Die letzte Nacht verbrachte sie im Haus der befreundeten Familie Hahn.

Wenige Monate nach Meitners Flucht traten die Untersuchungen Hahns und Strassmanns in eine neue Phase ein. Angeregt durch eine Veröffentlichung Irène Joliot-Curies, in der sie angab, das leichte Element Lanthan als Zerfallsprodukt identifiziert zu haben, machten sich auch die beiden deutschen Chemiker auf die Suche nach leichteren Zerfallsprodukten. Allerdings suchten sie nach Radium, das ihnen aufgrund theoretischer Überlegungen plausibler erschien. Sie versuchten dazu eine chemische Fällung mit Bariumchlorid. Da Radium und Barium chemisch ähnlich sind, sollte das in Spuren vermutete Radium gemeinsam mit dem Barium ausgefällt werden. Zu Hahns und Strassmanns Überraschung ließ sich aber das vermeintliche Radium im Niederschlag nicht vom Barium trennen. An Lise Meitner, die Hahn brieflich über den Fortgang der Experimente informierte, schrieb er am 19. Dezember 1938:

Es ist nämlich etwas bei den Radiumisotopen, das wir vorerst nur Dir sagen (...) Es könnte noch ein merkwürdiger Zufall vorliegen. Aber immer mehr kommen wir zu dem schrecklichen Schluss: unsere Ra-Isotope verhalten sich nicht wie Ra, sondern wie Ba (...). Vielleicht kannst Du irgendeine phantastische Erklärung vorschlagen. Wir wissen dabei selbst, dass es eigentlich nicht in Ba zerplatzen kann. (...) Falls Du irgendetwas vorschlagen könntest, das Du publizieren könntest, dann wäre es doch noch eine Art Arbeit zu dreien.


Der Nobelpreis
Es ist viel darüber diskutiert worden, welchen Anteil Lise Meitner an der Entdeckung der Kernspaltung gehabt hat – nicht zuletzt deshalb, weil Hahn 1946 allein den Nobelpreis erhielt. Meitner hat, weil sie zuerst von den merkwürdigen Ergebnissen erfuhr, auch als Erste eine theoretische Deutung geben können (gemeinsam mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch). Die eigentliche gedankliche Hürde bestand jedoch darin, die Möglichkeit einer Kernspaltung anzuerkennen. Aus dem Briefwechsel zwischen Hahn und Meitner wird deutlich, dass Hahn und Strassmann diesen Schritt aufgrund ihrer experimentellen Befunde getan hatten. Meitner hatte die Aufgabe, das theoretisch unmögliche Ergebnis zu erklären. Sie konnte sich gedanklich darauf einlassen, weil sie unbedingtes Vertrauen in die experimentellen Fähigkeiten ihrer Berliner Kollegen setzte. Insofern ist es schwierig, die einzelnen Beiträge zu trennen – und dies zeichnet letztlich eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit aus. Eine gemeinsame Auszeichnung von Hahn, Meitner und Strassmann wäre gut zu begründen gewesen, doch wäre dann Frisch übergangen worden, weil die Statuten eine Aufteilung des Preises auf mehr als drei Personen verbieten. Die Akten des Nobelpreiskomitees zeigen, dass die Verleihung des Physik-Nobelpreises an Meitner und Frisch mehrfach erwogen wurde. Die explosionsartig anwachsende Literatur zur Kernspaltung und die Wirren des Krieges scheinen eine angemessene Würdigung ihrer Arbeit jedoch erschwert zu haben.

Hahn ist von manchen Historikern unterstellt worden, er habe Meitners Anteil an der Entdeckung der Kernspaltung verschwiegen. Das Verhältnis der beiden Freunde war in den ersten Nachkriegsjahren gespannt. Dies lag aber nicht zuletzt an Meitners wenig zufrieden stellenden Arbeitsbedingungen im Stockholmer Exil und Hahns Tendenz zur Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Meitner warf ihm in politischen Dingen eine gewisse Naivität vor. Zeitungsausschnitte, die Hahn seiner ehemaligen Kollegin zuschickte, belegen, dass er in Interviews die „wertvolle Zusammenarbeit mit Lise Meitner“ erwähnte. Auch in seiner Nobelpreisrede wird die Zusammenarbeit mit Meitner und Strassmann geschildert. Im Alter schrieb Meitner an Hahn, sie sei beim Durchlesen der alten Briefe aus der Nachkriegszeit erstaunt gewesen, „dass ich damals zu sehr habe merken lassen, wie schwer diese erste Zeit war und dass wir vieles oft aneinander vorbei gedacht haben; Du hast es hoffentlich ebenso vergessen wie ich.“

Leben mit der Bombe
In den letzten dreißig Jahren seines Lebens hat Otto Hahn sich immer wieder für die atomare Abrüstung eingesetzt. In einer viel beachteten Rundfunkansprache warnte er im Januar 1955 vor den Gefahren einer Cobalt-60-Bombe. Im gleichen Jahr war er mit Carl Friedrich von Weizsäcker und Werner Heisenberg einer der Initiatoren der Mainauer Kundgebung der Nobelpreisträger. Die Unterzeichneten erklärten es als eine Selbsttäuschung, dass die Politiker meinten, den Frieden durch eine atomare Bewaffnung dauerhaft sichern zu können. 1957 geriet Hahn in die Schusslinie des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß. Gemeinsam mit 17 weiteren deutschen Atomforschern hatte er sich in der „Göttinger Erklärung“ gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ausgesprochen. Weiter hieß es: „Jedenfalls wäre keiner der Unterzeichneten bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen“. Strauß zitierte ihn als Nestor der Göttinger 18 ins Bundeskanzleramt und machte ihm heftige Vorwürfe: „Was ich angestellt habe, ersähe man ja wohl aus dem ´Triumphgeschrei´ der Kommunisten“, habe Strauß ihm vorgehalten.

Als erster Präsident der 1948 gegründeten Max-Planck-Gesellschaft (die Nachfolge-Organisation der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft), leistete Hahn unschätzbare Beiträge zum Wiederaufbau der deutschen Wissenschaft nach dem Krieg. Dabei halfen ihm seine Herzenswärme, sein Humor und sein trotz aller Berühmtheit schlichtes Wesen, manche schwierige Situation zu meistern. Hahn starb 1968 mit fast 90 Jahren in Göttingen.

Anne Hardy

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Otto Hahn, Mein Leben. Die Erinnerungen des großen Atomforschers und Humanisten. München 1986.  
  • Dietrich Hahn (Hg), Otto Hahn. Leben und Werk in Texten und Bildern. Mit einem Vorwort von Carl Friedrich von Weizsäcker. Frankfurt 1988.  
  • Lore Sexl, Anne Hardy. Lise Meitner. Reinbek bei Hamburg 2002.  
  • Dieter Hoffmann (Hg), Operation Epsilon. Die Farm-Hall-Protokolle oder Die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe. Berlin 1993.

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