Der Mitgründer und frühere Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, ist aus der Partei ausgetreten. Dies teilte der 78-Jährige am Donnerstag in Saarbrücken mit. „Ich wollte, dass es im politischen Spektrum eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit gibt, deshalb habe ich die Partei Die Linke mitgegründet. Die heutige Linke hat diesen Anspruch aufgegeben“, heißt es in einer Erklärung Lafontaines.
Die Partei habe sich „allmählich zu einer Partei gewandelt, die ähnliche Ziele verfolgt und sich um dasselbe Wählermilieu bemüht wie die Grünen“. Deswegen hätten sich „viele Arbeitnehmer und Rentner abgewendet“, seien zurück zur SPD gegangen, Nichtwähler geworden oder hätten aus Protest für die AfD gestimmt. Normal- und Geringverdiener oder auch Rentner würden sich von der Linkspartei nicht mehr vertreten fühlen.
Lesen Sie hier eine Abrechnung Lafontaines im WELT-Interview von Ende 2021
Lafontaine warf dem außenpolitischen Sprecher der Fraktion, Gregor Gysi, der Parteivorsitzenden „Hennig-Welsow“ (sic!) und anderen Fraktionsmitgliedern vor, sich dafür ausgesprochen zu haben, dem Antrag der Bundesregierung für steigende Rüstungsausgaben und umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine zuzustimmen. Dies sei zudem eine Abkehr der friedenspolitischen Grundsätze der Partei, so Lafontaine weiter – auch wenn die Linksfraktion im Bundestag schließlich gegen den Antrag der Bundesregierung stimmte.
Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Linken bedauerten den Parteiaustritt von Oskar Lafontaine. „Als Gründungsvorsitzender und langjähriger Fraktionsvorsitzender hat Oskar Lafontaine bleibende Verdienste für die Partei Die Linke“, erklärten Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler sowie die Bundestagsfraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch am Donnerstag in Berlin. „Wir halten seinen Austritt für falsch und bedauern ihn.“
Auch Gregor Gysi schloss sich dem an. Er betonte aber, dass er entgegen Lafontaines Darstellung weiter „ein entschiedener Gegner der Aufrüstung“ bleibe. Gysi fügte gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ hinzu: „Meine Erinnerung an ihn und unsere Zusammenarbeit ist und bleibt überwiegend positiv.“
Wagenknecht will nicht austreten
Lafontaine hatte im März 1999 im Streit mit Bundeskanzler Gerhard Schröder den Vorsitz der SPD niedergelegt und 2005 nach dem Verlassen der SPD die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der ostdeutschen PDS zur Linkspartei vereint. Durch seinen Parteiaustritt hat sich ein gegen Lafontaine bei der Linkspartei laufendes Parteiausschlussverfahren erledigt.
Das Büro von Lafontaines Ehefrau Sahra Wagenknecht teilte auf WELT-Anfrage mit, die ehemalige Fraktionschefin werde Mitglied der Linkspartei bleiben und plane keinen Austritt.
Lafontaine selbst hat außerdem seine politische Karriere beendet, denn mit der Landtagswahl im Saarland am 27. März kehrt er nach mehr als 50 Jahren der aktiven Politik den Rücken. Zuletzt hatte er seit 2009 die Linksfraktion im saarländischen Landtag geführt. Am Mittwoch war er in seiner letzten Landtagssitzung mit reichlich Dankesworten verabschiedet worden.
„Oskar“, wie er im Saarland heißt, war fast alles, was man in einem politischen Leben in Deutschland werden kann: Oberbürgermeister von Saarbrücken, SPD-Landesvorsitzender, Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998), SPD-Kanzlerkandidat (1990), SPD-Bundesvorsitzender, Bundesfinanzminister, Mitgründer der Linkspartei und deren Partei- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag.