Strom-Engpass in Oranienburg – Alarm im Habeck-Ministerium: „Nicht akzeptabel“
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Strom-Engpass in Oranienburg – Habeck-Ministerium und Netzagentur reagieren alarmiert: „Nicht akzeptabel“

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Eine wachsende Stadt, die immer mehr Strom frisst und nun an die Grenzen stößt: Oranienburg wird zum Symbol für schlechte Planung bei der Energiewende. Die Bundesnetzagentur ist besorgt.

Berlin – Innerhalb einer Woche ist die Stadt Oranienburg am Stadtrand von Berlin ins Zentrum der Debatte um die Energiewende gerückt. Stein des Anstoßes war eine Meldung vom 11. April auf der Webseite der Stadt, die die Bürgerinnen und Bürger darüber informierte, dass keine neuen Netzanschlüsse mehr möglich seien. „Um das Stromnetz in Oranienburg weiter stabil zu halten, können die Stadtwerke ab sofort keine Neuanmeldungen oder Leistungserhöhungen von Hausanschlüssen mehr genehmigen. Dies betrifft beispielsweise den Anschluss von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur“.

In den Medien, beginnend mit der Welt, wird das Thema natürlich schnell aufgegriffen – auch wir berichteten über den Fall. Es wird die Frage in den Raum geworfen, ob das anderen Kommunen und Städten auch so gehen könnte? Droht in Deutschland der Strom auszugehen?

Bundesnetzagentur reagiert: Strom-Engpass in Oranienburg „nicht akzeptabel“

Um es klar zu sagen: Nein. Das betont auch die Bundesnetzagentur, die den Vorfall in Oranienburg untersuchen will. „Der Bundesnetzagentur liegen keine vergleichbaren Fälle vor“, heißt es im Spiegel. Der vorliegende Fall sei auch „nicht akzeptabel“. Netzbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, das Stromnetz rechtzeitig und vorausschauend zu ertüchtigen, damit genau dieser Fall nicht eintritt. Vieles deutet darauf hin, dass Oranienburg sich in der Planung verschätzt hat. „Der Strombedarf unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller, als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde“, heißt es auch in der Mitteilung auf der Stadt-Webseite.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium unter Führung von Robert Habeck (Grüne) weist auf die gesetzliche Pflicht der Netzbetreiber hin: „Der Betreiber des Stromversorgungsnetzes und die Stadtwerke müssen Schritt halten [mit dem Bevölkerungswachstum]“, zitiert der Spiegel einen Sprecher. „Denn Strom ist ausreichend vorhanden – Netzbetreiber und Stadtwerke müssen aber zwingend sicherstellen, dass der Strom auch dort ankommt, wo er benötigt wird.“

Die Stadt hat auch den Bau eines neuen Hochspannungsnetzes beauftragt, allerdings viel zu spät, sodass dieses erst 2026 fertig wird. Bis zur Inbetriebnahme muss also eine Übergangslösung gefunden werden.

Mitnetz investiert in Stromnetz
Monteure erneuern eine 110 KV Hochspannungsleitung des Stromnetzbetreibers Mitnetz. © Jan Woitas/dpa

Der Verband kommunaler Unternehmen (VkU) ist derweil optimistisch, dass Oranienburg kein Vorbote sein wird: „Der Gesetzgeber hat die Planungsinstrumente für Verteilnetzbetreiber gerade erst nachgeschärft, dadurch dürften sich Prognosefehler in Zukunft leichter vermeiden lassen“, zitiert die Welt einen Sprecher.

Debatte um die Energie der Zukunft: Zwei Lager stehen sich gegenüber

Der Vorfall aus Oranienburg knüpft allerdings nahtlos an die Debatte um die Zukunft unserer Energieversorgung an. Zwei Lager stehen sich gegenüber: Diejenigen, die voll und ganz auf die Elektrifizierung vor allem im privaten Gebrauch setzen. Und diejenigen, die möglichst lange an der bestehenden Infrastruktur - also das Gasnetz - festhalten möchten. Wer denkt, es geht dabei nur um Meinungsverschiedenheiten, der irrt: Es geht um sehr viel Geld, das es hier zu verdienen oder zu verlieren gilt.

Auf der einen Seite steht Robert Habeck, der zu Beginn seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister das Ziel von 500.000 installierten Wärmepumpen pro Jahr herausgegeben hat. 2023 wurden nach Angaben des Bundesverbands Wärmepumpe 356.000 Geräte verkauft, das Jahr davor waren es 236.000 Wärmepumpen. Allerdings haben die Debatten um das Heizungsgesetz im vergangenen Jahr dazu geführt, dass im Laufe des Jahres 2023 weit weniger neue Wärmepumpen bestellt wurden. Hersteller beklagten deutliche Einbrüche, einige mussten gar Kurzarbeit anmelden. Sie sind besorgt, hatten sie zuvor doch von der Politik das deutliche Zeichen bekommen, dass sie ihre Kapazitäten erhöhen sollen – und massive Investitionen getätigt. Und nun schwächelt die Nachfrage.

Auf der anderen Seite steht die Gaslobby, die Milliarden in ein Netz investiert hat, das in den kommenden zehn Jahren weniger gebraucht werden soll. Insbesondere Stadtwerke sorgen sich um verlorenes Geld – und pochen deshalb auch auf andere Möglichkeiten für ihr Netz, wie Wasserstoff oder Biogase. Dass Wasserstoff für Heizungen nicht infrage kommt, darüber sind sich Experten und Expertinnen allerdings einig. Dennoch ist es nachvollziehbar, dass Unternehmen ihre Investitionen auch hier nicht einfach abschreiben wollen.

Fall Oranienburg sollte aufrütteln: Energiewende braucht gemeinsames Handeln

Der Fall Oranienburg sollte allerdings aufrütteln. Die Energiewende gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen, dafür dient es als gutes Beispiel. Wenn die Politik auf Wärmepumpen und E-Autos setzt, dann müssen Kommunen die richtigen Schlüsse ziehen und ihr Netz rechtzeitig ertüchtigen.

Stromkunden können auch einen eigenen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze leisten. Wer nämlich eine PV-Anlage installiert, baut heutzutage in der Regel auch einen Speicher mit ein. Das ist laut Experten und Expertinnen extrem wichtig: Wer eine Solaranlage mit Speicher installiert, kann unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 60 und 80 Prozent autark sein. Also: unabhängig von Netzschwankungen. Das wirkt sich natürlich auch entlastend auf das gesamte Stromnetz aus, wenn viele Stromkunden sich im Grunde selbst versorgen. Auch E-Autos können (theoretisch zumindest) als große Batteriespeicher dienen, dessen Vorrat das Haus anzapfen kann.

Sorgen machen müssen sich die Menschen um die Stromversorgung nicht. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2022 stellt der VDE fest, dass die Stromversorgung in Deutschland zu den zuverlässigsten der Welt zählt. Deutschland war der Untersuchung zufolge sogar auf Platz zwei der Weltrangliste, hinter Südkorea. Untersucht wurde, wie häufig und wie lange es im Jahr einen Blackout gab: im Schnitt 12 Minuten lang im Jahr 2021. Trotzdem schreibt der Verband in der Pressemitteilung vom April 2022, dass der „Aufwand zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit“ durch die Zunahme an erneuerbaren Energien am Netz steigt. An der Versorgungsqualität habe dies jedoch keinen Einfluss.

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