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Was dieser Besuch über Deutschlands Verhältnis zu China aussagt

Korrespondentin für Asien
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (2.v.l, FDP) besucht einen Konfuziustempel in Taipeh Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (2.v.l, FDP) besucht einen Konfuziustempel in Taipeh
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (2.v.l, FDP) besucht einen Konfuziustempel in Taipeh
Quelle: dpa
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Bildungsministerin Stark-Watzinger besucht Taiwan – als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit über 25 Jahren. Peking ist empört. Doch ein starkes Signal, dass Deutschland sich von China distanziert, ist diese historische Reise dennoch nicht. Das sieht man vor allem an einem Punkt.

Lange machte allein das Wort „Taiwan“ deutsche Politiker nervös. China, der wichtigste Wirtschaftspartner der Bundesrepublik, sollte nicht verärgert werden. Nun ist die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf die von der Volksrepublik bedrohte Insel gereist, am Dienstag traf sie für einen zweitägigen Besuch in Taipeh ein. Man kann den Besuch historisch nennen, schließlich reiste mit der FDP-Politikerin zum ersten Mal seit 26 Jahren ein deutsches Kabinettsmitglied nach Taiwan.

Doch obwohl Deutschland inzwischen an der Seite der Ukraine steht, scheut es sich, bei Taiwan ebenso klar Position zu beziehen: Stark-Watzingers Ministerium betonte, es handele sich um einen Fachbesuch. Die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen und Außenminister Joseph Wu werden sich nicht mit der Ministerin treffen – aus deutscher Rücksicht auf Peking.

Nachdem die deutsche China-Politik unter Gerhard Schröder und Angela Merkel wirtschaftsgetrieben und ein Besuch Taiwans tabu war, soll sich das nun mit der „Zeitenwende“ und der angekündigten neuen China-Strategie der Bundesregierung ändern. Man will mehr vom „Systemrivalen“ Peking ab- und näher an demokratische „Wertepartner“ heranrücken. Mit ihnen sollen wirtschaftliche Beziehungen ausgebaut, Lieferketten diversifiziert werden. Die Reise Stark-Watzingers passt in dieses neue Zeitalter.

Doch so richtig scheint sich die deutsche Regierung nicht zu trauen, China die Stirn zu bieten. Stark-Watzinger sagte in Taipeh zwar, es sei eine „Ehre“, nach so langer Zeit die erste Bundesministerin in Taiwan zu sein. Gleichzeitig spielte sie die Bedeutung ihres Besuchs herunter, gegen den China protestiert hatte. „Es geht wirklich um fachlichen Austausch“, sagte sie am Rande einer Zeremonie zur Unterzeichnung einer wissenschaftlichen Kooperationsvereinbarung zwischen Taiwan und Deutschland.

Taiwan ist Weltmarktführer im Bereich Halbleiter, die in allen elektronischen Geräten verbaut sind. Kooperation im Bereich Bildung und Forschung mit Taiwan liegt auf der Hand. Bereits im November empfing Stark-Watzinger ihren Amtskollegen Wu Tsung-Tsong in Berlin, um über Mikrochips zu reden. In Dresden soll das erste europäische Werk des taiwanesischen Halbleiter-Giganten TSMC gebaut werden.

Festhalten an Ein-China-Politik

Bei ihrer Ankunft in Taipeh hatte Stark-Watzinger betont, man wolle sich eng über die Zukunftsthemen Halbleiterforschung, Grüner Wasserstoff und Batterietechnik austauschen. Die immer bedrohlicher auftretende Kommunistische Partei Chinas, die Taiwan als Teil ihres Staatsgebiets betrachtet, wurde nicht erwähnt.

Denn Deutschland befolgt weiterhin, genauso wie die USA, die sogenannte Ein-China-Politik. Diese erkennt die Volksrepublik als einzigen souveränen Staat in China an und erlaubt keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Deutschland unterhält nur eine inoffizielle Vertretung in Taipeh. Den chinesischen Anspruch auf Taiwan akzeptieren Unterschreiber dieser Politik aber nicht – anders als von Peking suggeriert.

Mehrmals sagte die deutsche Regierung indirekt, dass der Besuch Stark-Watzingers die Taiwan-Frage nicht aufbringen werde. Auf die Frage eines Reporters dazu sagte die Ministerin: „Die China-Strategie der Bundesregierung bleibt unverändert. Insofern steht dieser heutige Besuch hiermit nicht in Zusammenhang.“

Die Bemühung der deutschen Regierung, China nicht auf die Füße zu treten, zeigt sich auch daran, wen die Ministerin in Taiwan trifft. Laut einem Bericht der „Financial Times“ bot Taipeh der Bildungsministerin ein Treffen mit Außenminister Wu an, doch Berlin lehnte ab. Auch Gespräche mit Präsidentin Tsai wird es nicht geben. Dabei wurden in der Vergangenheit sogar einfache Parlamentarier von ihr empfangen, inklusive dreier Bundestagsdelegationen, die seit Herbst 2022 Taiwan besucht haben.

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Stark-Watzinger traf sich stattdessen mit ihrem Amtskollegen Wu, mit der Ministerin für digitale Angelegenheiten Audrey Tang und der Bildungsministerin Pan Wen-chung. Andere Länder sind da mutiger. Als die damalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi vergangenen August nach Taiwan reiste, traf sie sich mit Präsidentin Tsai. China nahm dies zum Anlass, fast eine Woche Militärmanöver rund um Taiwan durchzuführen und feuerte erstmals auch Raketen über die Insel.

Deutsch-chinesischer Handel auf Rekordwert

Dass Deutschland so vorsichtig ist, liegt an den langen und engen Wirtschaftsbeziehungen mit der Volksrepublik. So bezieht die Bundesrepublik 98 Prozent ihrer Seltenen Erden aus China, gleichzeitig ist das Land ein sehr wichtiger Markt für deutsche Autos. Im vergangenen Jahr stieg der Handel mit China auf einen Rekordwert – trotz aller politischen Warnungen vor zu viel Abhängigkeit: Laut dem Statistischen Bundesamt wurden Waren im Wert von rund 298 Milliarden Euro gehandelt, das entspricht einem Wachstum von rund 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Trotzdem zeigt die Reise von Stark-Watzinger, dass Deutschland sich nicht mehr vor ranghohen diplomatischen Besuchen in Taiwan scheut. Sie setzt ein Zeichen für mehr Solidarität unter Demokratien. Und der Zeitpunkt könnte geopolitisch nicht brisanter sein: Während die Bildungsministerin in Taipeh ist, trifft der chinesische Präsident Xi Jinping Wladimir Putin in Moskau. Das dürfte zur Arbeit Pekings an einer neuen Welt nach chinesischem Vorbild gehören.

Wirtschaftliche Verbindungen von Demokratien mit Taiwan geben dem Inselstaat mehr Sichtbarkeit und Sicherheit. Beides braucht es dringend. Erst vergangene Woche erkannte Honduras Taiwan die Staatlichkeit ab und nahm stattdessen diplomatische Beziehungen zu China auf. Nur noch 13 Länder unterhalten offizielle Beziehungen zu Taiwan, darunter Guatemala, Palau, Paraguay und das afrikanische Eswatini – allesamt weltpolitisch eher unbedeutende Akteure.

Vor allem in den vergangenen Jahren hat Peking alles daran gesetzt, durch wirtschaftliche Beziehungen politische Interessen durchzusetzen. So erfolgte die Entscheidung von Honduras gut einen Monat, nachdem das Land Verhandlungen mit China über den Bau eines neuen Wasserkraftwerks aufgenommen hatte. Taiwan wird dadurch immer mehr international isoliert.

Dass sich immer mehr Länder für China und gegen Taiwan entscheiden, schwächt Demokratien im Allgemeinen und auch die USA und Europa. Es ist unwahrscheinlich, dass die Ein-China-Politik demnächst abgeschafft wird.

Das weiß auch Taipeh und gibt sich mit seinen wichtigen inoffiziellen Beziehungen zu Ländern, wie den USA, Japan und EU-Mitgliedsstaaten zufrieden. Deutschland als größtes EU-Land sucht offenbar noch seine Rolle in diesem sich verändernden geopolitischen Geflecht.

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