Olympe de Gouges: Sie erklärte die „Rechte der Frau“ - WELT
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Kopf des Tages Olympe de Gouges

Sie erklärte die „Rechte der Frau“ – und starb unter der Guillotine

In der Französischen Revolution wandelte sich die Kurtisane Olympe de Gouges zur Publizistin. 1791 legte sie der Nationalversammlung die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ vor. Gut zwei Jahre später wurde sie zum Opfer des Terrors.
Portrait of Olympe de Gouges (Detail), Late 18th century. Private Collection. Artist : Kucharski, Alexandre (1741-1819). (Photo by Fine Art Images/Heritage Images/Getty Images) Portrait of Olympe de Gouges (Detail), Late 18th century. Private Collection. Artist : Kucharski, Alexandre (1741-1819). (Photo by Fine Art Images/Heritage Images/Getty Images)
3. November 1793: Die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Olympe de Gouges (geb. 1748) endet unter dem Fallbeil
Quelle: Heritage Images/Getty Images
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„Sie war sehr ungebildet, man hat sogar behauptet, dass sie weder lesen noch schreiben konnte ... diese unglückliche Frau, die voller Ideen war, wurde das Spielzeug und das Opfer ihrer nervösen Reizbarkeit.“ So hat Jules Michelet (1798–1874), der große Historiker der Französischen Revolution, über Olympe de Gouges geurteilt. Im zweibändigen „Kritischen Wörterbuch der Französischen Revolution“ von 1988 (dt. 1996; hrsg. v. François Furet/Mona Ozouf) kommt sie gar nicht vor. Heute ist ein Preis nach ihr benannt, mit dem das Eintreten für die Rechte der Frau geehrt wird.

An Olympe de Gouges (1748–1793) haben sich schon die Zeitgenossen gerieben. Für die einen war sie eine begnadete Stegreifdichterin, die an einem Tag ein Drama diktieren konnte und die zu den sinnlichen Stars der frivol-gelehrten Salons im vorrevolutionären Paris zählte. Den meisten Revolutionären jedoch galt sie als unberechenbarer Störenfried, wegen ihrer häufigen Seitenwechsel, der aggressiven Wortwahl, vor allem aber wegen ihres zentralen Ziels: den Anliegen der Frauen Gehör zu verschaffen. Groß ist das Wort, mit dem sie ihren Standpunkt begründete: „Sie (also Frauen, d. Red.) haben wohl ein Recht auf die Tribüne, denn sie haben ja auch ein Recht auf das Schafott.“

Anonymous. Full-length Portrait of Olympe de Gouges (1748-1793), French feminist. 1793. Watercolour, 0.21 x 0.28 m. Paris, musee du Louvre. (Photo by: Christophel Fine Art/Universal Images Group via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
"Die Frau bleibt dem Mann an Rechten gleich“: Olympe de Gouges
Quelle: Universal Images Group via Getty

Dieses Recht forderte Olympe de Gouges lautstark ein. Kaum ein Thema, zu dem sie nicht umgehend ihre Meinung kundtat, kaum ein Politiker, der sich nicht von ihr attackiert sah. Selbst Maximilien Robespierre und Jean Paul Marat hörten sich als „Ungeziefer, vermodernd im Sumpf der Korruption“ charakterisiert. Das sollte Folgen haben.

Eigentlich hieß sie Marie Gouze und wurde 1748 im südwestfranzösischen Montauban geboren, als Tochter einer Wäscherin und (offiziell) eines Metzgers. Allerdings gab es gute Gründe für die Annahme, dass sie einer Liaison ihrer Mutter mit dem adligen Autor Jean-Jacques Lefranc de Pompignan entstammte, der sich als Gegner Voltaires einen Namen gemacht hatte. Mit 16 heiratete sie, wurde mit 17 Mutter und war mit 18 Witwe. Die Ehe tat sie als erzwungenes Intermezzo ab, nahm den Namen Olympe de Gouge an und ging nach Paris.

„Ihre Schönheit, Eloquenz und wohl auch Hemmungslosigkeit ebneten ihr den Zugang zu den Salons der Hauptstadt. Mehr als 15 Jahre führte sie das unbeschwerte Leben einer femme galante im Kreise berühmter Männer“, schreibt ihre Biografin Gerda Marko. Doch das reichte ihr nicht. Als mit dem Alter ihre erotische Attraktivität schwand, verlegte sie sich zum Ausgleich auf die Schriftstellerei, finanziert von der Pension eines Liebhabers.

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Im Alltag und durch das Selbststudium hatte Olympe de Gouges ihr okzidentales Idiom abstreifen können. Aber die Naivität, mit der sie sich in die politischen Debatten einbrachte, blieb: „Ich mache aus meiner Unwissenheit eine Trophäe, ich schreibe aus meiner Seele, nicht aus Intellektualität.“

Das zeigte auch ihr berühmtester Auftritt. Im September 1791 veröffentlichte sie die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“. Sie verstand sich als kritische Antwort auf die kurz zuvor erfolgte Verabschiedung der Verfassung durch die Nationalversammlung, in der stets nur die maskuline Form Verwendung gefunden. Nach dem Vorbild der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ vom August 1789 hatte Olympe de Gouges ihr Manifest in 17 Artikel und eine Präambel gegliedert:

„Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich“, heißt es in Artikel I. Allerdings ersetzt die „Erklärung“ nicht einfach den Mann durch die Frau, sondern macht die „Bewahrung der natürlichen und unverjährbaren Rechte von Frau und Mann zum Ziel jeder politischen Vereinigung“ (Art. II.). „Die Grundlage jeder Staatsgewalt ruht ihrem Wesen nach in der Nation, die nichts anderes ist als die Wiedervereinigung von Frau und Mann“ (Art. III).

Olympe de Gouges / Zeichnung P.Vidal Gouges, Olympe de, eigentl. Olympe Gouze; franz. Schriftstellerin und Revolutionaerin; 1748 - (hingerichtet) 1793. - Portraet. - Zeichnung, um 1890, von Pierre Vidal nach zeitgenoessischem Bildnis.
Eine der „schönsten und tugendhaftesten Frauen“
Quelle: picture-alliance / akg-images

So visionär diese Proklamation erschien, so einfältig geriet ihre politische Durchsetzung. Ausgerechnet die Königin Marie Antoinette, die weitgehend verachtete Frau Ludwigs XVI., wurde als Unterstützerin angerufen. Ein Ausbund an Naivität. Nach ihrem gescheiterten Fluchtversuch nach Varennes im Juni war die königliche Familie die letzte Instanz, der die Durchsetzung einer Gesetzesinitiative zugetraut werden konnte.

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So kam es auch. Ohne große Debatte kassierten die Abgeordneten der Nationalversammlung de Gouges’ Antrag. Dabei wussten sie sich übrigens im Einklang mit der überwiegenden Mehrheit des weiblichen Publikums. Statt politischer Rechte forderten die Frauen auf den Straßen wirtschaftliche Sicherheit und Brot. Allenfalls bei den wenigen tausend Damen aus besseren Kreisen, die sich in revolutionären Vereinen zusammengefunden hatten, fielen ihre Forderungen auf fruchtbaren Boden. In einem Katalog der „schönsten und tugendhaftesten Frauen“, der 1792 erschien, wurde Olympe de Gouges der dritte Platz zugestanden.

Aber damit ließen sich ihre politischen Wechselspiele nicht entschuldigen. Zeitweilig bekämpfte sie hasserfüllt den König, dann bot sie sich in seinem Prozess als Verteidigerin an. Spätestens als der Wohlfahrtsausschuss im September 1793 den Terror auf die Tagesordnung setzte, brachte ihre „überbordende, völlig unkontrollierte Emotionalität“ (Gerda Marko) Olympe de Gouges in existenzielle Gefahr.

Ihr Eintreten für die gestürzten Girondisten brachte auch sie ins Gefängnis. Zeitweise sah es so aus, als würde man ihre Angriffe als Ausfluss weiblicher Verwirrung abtun. Aber mit der Eskalation des Terrors schwand auch die Nachsicht. Ihr Versuch, noch einmal schwanger zu werden, um der sofortigen Hinrichtung zu entgehen, scheiterte. Mit der Mahnung an die Nation, Robespierre würde sie als „Schandfleck der Revolution ... von Mord zu Mord führen, und schließlich wirst du gemeinsam mit diesen verabscheuungswürdigen Verschwörern zugrunde gehen“, unterzeichnete sie ihr Todesurteil. Am 3. November 1793 endete sie unter der Guillotine.

In ihrem „Politischen Testament“ schrieb Olympe de Gouges: „Mein Herz vermache ich dem Vaterland, meinen Anstand den Männern (sie können ihn brauchen), meine Seele den Frauen, kein liebloses Geschenk.“ Große Worte, denen sie im Leben nicht immer gerecht wurde.

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