Bundeskanzler Olaf Scholz hat Einblicke in seine Telefonate mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegeben. Diese Gespräche seien bis zu eineinhalb Stunden lang, berichtete der SPD-Politiker am Montagabend beim Ständehaus-Treff der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf. Das letzte sei im vergangenen Dezember gewesen. Manchmal verzichte Putin auf die deutsche Übersetzung, weil er schon verstanden habe, und manchmal spreche der Kreml-Chef auch Deutsch – „wenn‘s passt“, sagte Scholz.
Seine Gespräche mit Putin seien stets eingebettet in Gespräche mit Deutschlands Verbündeten und dabei kristallisiere sich heraus, wann ein Austausch anstehe. „Es ist nicht so, dass ich SMS schicke und frage: Wollen wir wieder?“ Es gebe eine für diese Zwecke geeignete Telefonschalte, sagte der Kanzler noch über die Besonderheiten dieser Gespräche. Trotz der unterschiedlichen Meinungen seien die Telefonate stets höflich. Er sei mit Putin per Sie, sagte Scholz.
Scholz: Darf keinen „Diktatfrieden“ Russlands mit der Ukraine geben
Scholz sieht keine Möglichkeit eines Friedens zwischen Russland und der Ukraine ohne einen Rückzug russischer Truppen. „Es kann nicht auf einen Diktatfrieden Russlands gegenüber der Ukraine herauslaufen“, sagte Scholz. „Wir müssen uns auf die Möglichkeit einstellen, dass es länger dauern kann“, sagte er auf die Frage nach der Dauer des Kriegs: „Das kann schon länger aus dem Lot bleiben.“ Der russische Präsident Wladimir Putin dürfe den Krieg nicht gewinnen, bekräftigte Scholz. Grenzen dürften nicht mit Gewalt verschoben werden.
„Dieser furchtbare Angriffskrieg und seine Folgen werden uns noch lang beschäftigen“, sagte Scholz auch mit Blick auf die Zerstörungen durch die russischen Angriffe in der Ukraine. Diese würden einen „langen Wiederaufbau in der Ukraine erfordern“.
Kanzler pocht auf Ende des Einstimmigkeitsprinzips in der EU
Scholz (SPD) forderte zudem tiefgreifende EU-Reformen und bezeichnete ein Ende des Einstimmigkeitsprinzips als unvermeidbar. „Es muss so sein, dass nicht ein Land alles aufhalten kann.“
„Wir dürfen die Tatsache nicht als Problem sehen, dass nicht immer alle einer Meinung sind“, sagte Scholz. Es müssten Wege gefunden werden, um zu einer Entscheidung zu kommen. „Wir können nicht einfach alle institutionellen Strukturen so lassen, wie sie sind.“
Scholz pochte darauf, bei bestimmten Aufgaben mit qualifizierter Mehrheit entscheiden zu können und nannte als Beispiele die auswärtige Politik oder bestimmte Finanzthemen wie Steuerfragen. „Das wären schon mal gute Schritte.“
Angesichts der Blockadepolitik vor allem Ungarns hatte Scholz Ende August in seiner Prager Europa-Rede dafür geworben, schrittweise zu Mehrheitsbeschlüssen in der EU überzugehen, wie es die Ampel-Regierung auch im Koalitionsvertrag vereinbart hat.
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