Spielzeit: 42:58 Medium: CD Label: Acid Jazz Records/Sony Music, 2011 Stil: Pop Review vom 16.11.2011 Wolfgang Giese

"Is This The Way To Amarillo?" Mit Sicherheit nicht, der Weg dieses Albums führt woanders hin.

Die Zeiten mit dem deutschen Produzenten Jack White sind vorbei, die Schlager sind verschwunden, nun ist es wieder an der Zeit, gute Popmusik vorzulegen. Anfänglich, also Anfang der Siebziger, war Tony Christies Popmusik auch gar nicht mal so schlecht, das Niveau sank erst nach und nach. 1999 gab es einen positiven Kick, als Jarvis Cocker (von Pulp) für ihn den Titel "Walk Like A Panther" schrieb. Das Album aus 2008, "Made In Sheffield", ließ auch mit guter Popmusik aufhorchen. Und nun "Now's The Time!" - doch wofür?

'Acid Jazz' las ich unter anderem als Bezeichnung für die Musik. Das hat mich dann doch leicht schmunzeln lassen, welche Unkenntnis hierbei dann doch zu Tage gefördert wurde. Wenn das britische Label Acid Jazz hier auch federführend bei der Produktion mit dabei war, bedeutet das noch lange nicht, dass diese Musik auch in diesen Topf geworfen werden kann. Möglicherweise wurde hier etwas verwechselt, denn Jazz ist das grundsätzlich gar nicht, was der gute Tony hier vorlegt.

Im Booklet ist alles sehr elegant gestaltet, offensichtlich ist in London fotografiert worden, man sieht das Riesenrad, das 'London Eye'. So will uns diese Gestaltung anscheinend vermitteln, dass hier Edles geboten wird. Tony hat wohl die Kleidung exklusiv maßgeschneidert bekommen, sind doch selbst die Schneider im Booklet genannt worden. Doch dieser Untermalung und Unterstützung braucht es gar nicht, die Musik kann durchaus für sich selbst sprechen.

Wir hören auf "Now's The Time!" eine Mischung aus Sixties Pop, Motown-Sound und Blue Eyed Soul - alles in ein modernes Gewand gehüllt. Ab und zu gesellt sich, wie auf "Too Much Of The Sun", auch noch eine Spur Jazz hinzu - ein Song, den man im Grunde durchaus in den Charts der Endsechziger hätte finden können. Ein wenig von dem, was Paul Jones (ex-Sänger von Manfred Mann) seinerzeit vorlegte, ist in ihm zu finden. "Nobody In The World" hingegen scheint den Motown-Studios entsprungen zu sein, herrlich, dieser leicht scheppernde Groove, inklusive typischem 'Huh Huh'-Chor! Mit dem Klang eines Spinetts und sattem Bläserarrangement weiß das Duett mit Róisín Murphy zu punkten. Ganz in Las Vegas-Crooner-Manier begegnet uns "Steal The Sun", begleitet nur vom Piano und zusätzlichem String Ensemble - leider nur vom Keyboard, echte Streicher wären der Hit gewesen!! So ist aus meiner Sicht die Chance auf eine wirklich gute Ballade vertan worden. Der oben bereits genannte Jarvis Cocker ist auch hier vertreten, mit "Get Christie", der einer der modernsten Songs des Albums ist.

Was gibt es sonst noch an Auffälligkeiten? Das hypnotisch-geheimnisvoll schleichende "Too Much Of The Sun", - ein persönlicher Anspieltipp von mir - das im Soul-Jazz in der Art von Boogaloo & Co. daher kommt. Das stark swingende "Key Of U" (ein Hauch des Jazzers Horace Silver ist vernehmbar) klingt im Stil der neuen Zeit - auch ganz klasse, dieser Titel. Noch einmal Motown gibt es mit "Workin' Overtime" zu hören. Der typische Sound des Baritonsaxofons prägt diesen Song ebenso wie der professionelle Gesang. Zum Schluss wird ein feiner Popsong mit einem Hauch des Beats der Sechziger geboten.
Im Gegensatz zu dem einen oder anderen 'abgehalfterten' Star vergangener Jahre hat Tony Christie ein wirklich gutes und modernes Pop-Album vorgelegt, mit dem er sich hinter vielen Jungstars, die auch auf 'Retro' machen, absolut nicht zu verstecken braucht - ganz im Gegenteil: Sie könnten noch von ihm lernen! Insgesamt wäre dies übrigens kein schlechter Soundtrack für das Remake eines alten James Bond-Films.

Line-up:
Tony Christie (vocals)
Steven Boyce Buckley (keyboards, string arrangements)
David Lewin (keyboards, guitars, programming, horn arrangements)
Andy Williams (keyboards)
Dean Honer (keyboards)
Dale Gibson (trumpet, flugelhorn)
Michael Ward (saxes, flute, horn arrangements, background vocals)
Cary Baylis (guitars)
Tim McCall (guitars)
Danny Lowe (bass guitar)
Sean Fitzgerald (percussion)
Nick Death Ray (percussion)
Richard Barratt (programming)
Sheila Gott (background vocals)
Philly Smith (background vocals)
Nesreen Bibi Shaw (background vocals)
Siobhan Gallagher (background vocals)
Róisín Murphy (vocals - #3)