Zusammenfassung
‘Heinrich von Ofterdingen’ entstand in den letzten Wochen des Jahres 1799 und in den ersten Monaten des folgenden. Der erste Teil wurde in kaum vier Monaten abgeschlossen, der zweite blieb unvollendet. Novalis starb im März 1801.1 Die Idee zu diesem Roman entwickelte er eigenen Angaben zufolge2 im Zusammenhang mit Studien mittelalterlicher Chroniken in der Bibliothek des Historikers Major Funk. Artern am Fuße des Kyffhäuserberges, dem Ort und der Landschaft seines Aufenthaltes, können weitere Anregungen für die Romangestaltung zugeschrieben werden.3
„Die Geognostische (...) Fantasie wird im Meister gar nicht berührt.“ (Schr. II, S. 559)
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Literatur
Angaben zur Entstehungsgeschichte des Romans vgl. die Einleitung der Herausgeber von Novalis Schriften, Bd. I, S. 183ff. Zitiert wird hier und im folgenden nach der von Paul Kluckhohn und Richard Samuel herausgegebenen Kritischen Ausgabe der Schriften. 3. Auflage, Stuttgart 1977ff (Bd. IV nach der 2. Auflage 1975 ). Im weiteren abgekürzt mit Schr., Bandzahl in röm. Ziffern.
Vgl. Schr. IV, S. 534.
Vgl. Heinz Ritter: Der unbekannte Novalis. Göttingen 1967, S. 183ff.
Vgl. bes. Hans Joachim Mähl: Novalis’ Wilhelm Meister Studien des Jahres 1797. In: Neophilologus. Bd. XLVII, 1963, S. 286ff; Gerhard Schulz: Die Poetik des Romans bei Novalis. In: Deutsche Romantheorien. Hrsg. von Reinhold Grimm. Frankfurt/M. 1974, Bd. I, S. 125ff; Hans Joachim Beck: Friedrich von Hardenbergs ‘Oeconomie des Styls’. Die ‘Wilhelm Meister’ - Rezeption im ‘Heinrich von Ofterdingen’. Bonn 1976 und die Studie von Roland Heine: Transzendentalpoesie, Studien zu Friedrich Schlegel, Novalis und E.T.A. Hoffmann. Bonn 1985, bes. S. 27ff.
So August Coelestin Just in seiner Biographie: Schr. IV, S. 540.
Schr. III, S. 646 (Nr. 536). Vgl. auch den Brief an Ludwig Tieck vom 23.2.1800 in: Schr. IV, S. 321ff.
Vgl. Einleitung der Hrsg. zu Schr. I, S. 186.
Schr. III, S. 649 (Nr. 548). Seine Absicht, eine Rezension des ‘Wilhelm Meister’ für das ‘Athenäum’ zu verfassen, hat er mit Rücksicht auf Friedrich Schlegels Aufsatz fallengelassen. (Vgl. Vorwort der Hrsg. zu Schr. I, S. 19 ).
Vgl. Ulrich Stadler: Die theuren Dinge. Studien zu Bunyan, Jung-Stilling und Novalis. Bern/ München 1980.
Vgl. Ulrich Stadler. Novalis: Heinrich von Ofterdingen (1802). In: Romane und Erzählun-gen der deutschen Romantik: Neue Interpretationen. Hrsg. von Paul Michael Lützeler. Stuttgart 1981, S. 141f.
Neulich sagte er, als ich ihm meine musikalische Unbeholfenheit klagte, ich sei mit jenem Lehrling in dem Tempel zu Sais zu vergleichen (chrw(133)). Ich verstand ihn nicht, weil ich Novalis’ Schriften nicht gelesen, auf die er mich verwies. Ich habe heute in der Leihbibliothek geschickt, werde das Buch aber wohl nicht erhalten, da es herrlich sein soll, und also stark gelesen wird. - Doch nein; eben erhalte ich wirklich Novalis’ Schriften, zwei Bändchen, und der Bibliothekar läßt mir sagen, mit dergleichen könne er immer aufwarten, da es stets zu Hause sei; nur habe er den Novalis nicht gleich finden können, da er ihn ganz und gar als ein Buch, nach dem niemals gefragt würde, zurückgestellt.“ (Fantasie-und Nachtstücke. Hrsg. von Walter- Müller Seidel. Darmstadt 1985, S. 313 ).
Vgl. bes. Schr. III.
Vgl. Schr. I, S. 79ff.
Vgl. ebenso Werner Vordtriede: Novalis und die französischen Symbolisten. Zur Entste-hungsgeschichte des dichterischen Symbols. Stuttgart 1964, S. 50ff. Auf das Verhältnis zu anderen Werken, besonders zu den im folgenden noch ausführlich interpretierten von Hoffmann und Tieck, wird im Schlußabschnitt (VI) der Arbeit eingegangen. “Alle geistige Berührung gleicht der Berührung eines Zauberstabs. Alles kann zum Zauberwerckzeug werden.”(Schr. II, S. 565 )
Novalis: ‘Heinrich von Ofterdingen’ (=HvO) In: Schr. I, S. 252.
Vgl. Artikel ‘Bürger’. In: GeschGb, Bd 1, S. 687ff.
HvO, Schr. I, S. 208.
Vgl. Roland Heine: Transzendentalpoesie, a.a.O., S. 123.
HvO, Schr. I, S. 208.
Vgl. ebd., S. 207f. Der Hofkaplan mit seiner Weltabgewandtheit und einem “wohlgefälli-gen Lebenswandel” repräsentiert geistesgeschichtlich wie ökonomisch noch die alte (feudale) Ordnung, der die Kaufleute als Anhänger einer sich entfaltenden Warenwirtschaft gegenüberstehen. Vgl. dazu Jochen Hörfisch: “Übergang zum Endlichen”. Zur Modernität des ‘Heinrich von Ofterdingen’. Nachwort zu der vom Autor herausgegebenen HvO- Ausgabe. Frankfurt/M. 1982, S. 221ff und Roland Heine, Transzendentalpoesie, a.a.O., S. 115f.
HvO, Schr. I, S. 205.
HvO, Schr. I, S. 206.
Th. W. A.: Ästhetische Theorie. Frankfurt/M. 51981, S. 26.
Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Hrsg. von Wilhelm Weischedel nach der Ausgabe 1793 (=Werkausgabe Band X). Frankfurt/M. 41979.
HvO, Schr. I, S. 209.
HvO, Schr. I, S. 210. Später wird Klingsohr Heinrich belehren, daß Poesie als “strenge Kunst” betrieben werden müsse: “Als bloßer Genuß hört sie auf Poesie zu seyn.”(ebd, S. 282).
Schr. II, S. 447 (Nr. 77)/(Hervorhebungen H.G.).
HvO, Schr. I, S. 208.
Ein indirekte Werkzeug ist nicht selbst ein Mittel, kann aber zur Ausbildung “wunderthä-tiger Werkzeuge” dienen, die ihrerseits im Akt der Erkenntnis die Subjekt/Objekt-Differenz in sich aufzuheben vermögen. Vgl. dazu die folgende Anmerkung.
U. S. hat diese Struktur in mehreren Arbeiten, am ausführlichsten in seiner Habilitations-schrift (Die theuren Dinge, a.a.O., S. 116ff), nachgewiesen und besonders anhand der Arionsage sowie der Auffassung vom Gelde interpretiert.
Vgl. dazu Vorwort der Hrsg. in Schr. I, S. 16ff und Einleitung von H.J. Mähl in Schr. II, S. 299ff. Generell müssen als Grundzug des Hardenbergschen Rezipieren die fließenden Übergänge zwischen Übersetzung, Exzerpt und eigenen Gedanken im Auge behalten werden, was sich u.a. etwa auch in der Überschrift der Hemsterhuis-Studien niederschlägt: “Theils v(on) Hemsterhuis, theils von mir selbst.”(Schr. II, S. 361 ).
So Novalis über ihn “mit wildem Feuer” vorgetragen, referiert nach Friedrich Schlegel. In: Schr. IV, S. 572.
Vgl.Novalis: Vorabeiten zu verschiedenen Fragmentsammlungen. In: Schr. II, S. 562 (Nr. 179): “Hemsterhuis Erwartungen vom moralischen Organ sind ächt profetisch”. Vgl. zu den H.-Studien neben der Arbeit Stadlers (Die theuren Dinge, a.a.O., S. 150ff) vor allem Hans Joachim Mähl: Novalis: Hemsterhuis-Studien *1965*. In: Romantikforschung seit 1945. Hrsg. von Klaus Peter. Königstein/Ts. 1980, S. 180ff und ders. In: Einleitung zu Schr. II, S. 309ff.
Schr. II, S. 369 (Nr.29) bzw. S. 370 (Nr 30).
Dem entspricht die von Jochen Hörisch den Kaufleuten zugeschriebene “Feierabendsub- jektivität” der Kaufleute. Vgl. J. H.: Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 229.
J. H.: Soziologische Notizen zum Verhältnis von Arbeit und Freizeit. In: Konkrete Ver-nunft. Festschrift für Erich Rothacker. Hrsg. von Gerhard Funke. Bonn 1958, S. 219ff. Vgl. auch V. Graf Blücher. Artikel ‘Freizeit’ in WbSoz (Bernsdorf), S. 307f.
HvO, Schr. I, S. 210/Hervorhebung H.G.
Gerhard Schulz: Novalis und der Bergbau. In: Freiberger Forschungshefte D 11, 1955, S. 251. Mit nahezu identischer Formulierung findet sich die gleiche Auffassung schon bei Josef Dürler (Bedeutung Bergbau, a.a.O., S. 118f). Während Schulz jedoch Novalis’ Mit-telalterbild als “historischen Irrtum” und “in seiner ganzen Konzeption als rückwärtsgewandt, reaktionär und deshalb lebensunfähig” verurteilt, verteidigt Josef Dürler diese Sichtweise: “Wir können hunderterlei Chroniken und sonstige Berichte aus dem Mittelalter lesen und finden darin Menschen in ihrer nackten Brutalität, mit ihrem Egoismus und Materialismus, mit ihrem im Diesseits verankerten Sinn, mit ihrer Ungeistigkeit und Gottlosigkeit. Aber diese Menschen gehen eben auf Irrwegen, fernab vom richtigen Ziel; sie entstellen höchstens das wahre Bild vom Mittelalter; sie sind, was sie nicht sein wollen und darum nur negativ zu werten.(chrw(133)) was viele Menschen des Mittelalters im tiefsten Grunde sein wollten. Daran hielt sich Novalis.”(S. 118).
Hierunter fallen in besonderem Maße all die Arbeiten, die Novalis’ Ansichten eine ge-wisse Vorläuferschaft zu Marx’schem Gedankengut zubilligen. Vgl. etwa Richard Faber. Novalis. Die Phantasie an die Macht. (=Texte Metzler 12) Stuttgart 1970, Hans-B. Schlumm: Blauer Tagtraum - Goldenes Zeitalter. Die Versöhnung von Mensch und Natur bei Novalis. (= Materialis MT 5) Frankfurt/M. 1981 und Wolfgang Kloppmann: Eine materialistische Lektüre des Bergmann- Kapitels im ‘Ofterdingen’. In: Romantische Utopie. Utopische Romantik. Hrsg. von Gisela Dischner und Richard Faber. Hildesheim 1979, S. 222ff.
J. H.: Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 224.
Vgl. H. B.: Arbeit und Freizeit. In: Funkkolleg Geschichte. Weinheim/Basel 1979, SBB 2, S. 45ff.
Damit wende ich mich indirekt gegen Deutungen wie die Richard Samuels, der das “Kaufmannsthum” im ‘Ofterdingen’ in “idyllischer Form” dargestellt sieht und neben Handwerkgeselligkeit und künstlerische Kultur stellt. (R. S.: Die poetische Staats-und Geschichtsauffassung Friedrich von Hardenbergs (Novalis). Studien zur romantischen Geschichtsphilosophie. (=Deutsche Forschungen 12) Frankfurt/M. 1925, S. 115.
HvO, Schr. I S. 206.
Schr. III S. 464 (Nr. 1059).
Vgl. Schr. II, S. 439 (Nr. 67): “Der edle Kaufmannsgeist, der ächte Großhandel, hat nur im Mittelalter und besonders zur Zeit der deutschen Hanse geblüht.(chrw(133)) Unsere Kaufleute im Ganzen, die größten nicht ausgenommen, sind nichts als Krämer.” Ulrich Stadler sieht in der Mittlerfunktion der Kaufleute Ansätze, die über ihr sonstiges instrumentelles Handeln hinausgehen. Indem sie von Kunst erzählten und Heinrich diese vermittelten, “lassen (sie/H.G.) sich hier nicht von Habsucht leiten, sie verwerten ihr Wissen nicht zu einem fremden Zweck; vielmehr ist es allein schon die Mittlerfunktion an und für sich, die ihnen Freude bereitet (chrw(133)).” (Die theuren Dinge, a.a.O., S. 148). Mir scheint diese Einschätzung problematisch. Zwar vermögen die Kaufleute für Heinrich als “Zauberstab” dienlich sein, sie selbst verändern sich dadurch jedoch nicht. Ihre Erzählungen von der Dichtkunst erfolgen kaum aus zweckfreier Freude, vielmehr können sie ebenfalls als im Dienste der Feierabendunterhaltung (und damit der Arbeit) stehend interpretiert werden - man suchte sich einfach “mit allerhand Gesprächen und Erzählungen die Zeit zu verkürzen”.(HvO, Schr I, S. 206 ).
Vgl. HvO, Schr. I, S. 204. Auch in den ‘Lehrlingen zu Sais’ wird mit dem Begriff eine me-chanisierte und unhistorische Sehweise gekennzeichnet, die “die Natur zu einer einförmigen Maschine (chrw(133)) erniedrigt habe”. (Schr. I, S. 99 ).
HvO, Schr. I, S. 266.
HvO, Schr. I, S. 195/Hervorhebung H.G.
HvO, Schr. I, S. 198.
HvO, Schr. I, S. 326f.
HvO, Schr. I, S. 202. Zurecht betont Ulrich Stadler, daß im ‘Ofterdingen’ eigentlich alle tätigen Menschen “mehr oder weniger verkappte Kaufleute sind”; (U. S.: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 202) freilich, so muß hinzugefügt werden, in Abstufungen.
Vgl. Hermann Bausinger: Arbeit und Freizeit, a.a.O., S. 55f und K. P. M.: Anton Reiser. Ein psychologischer Roman *1785*. Frankfurt/M. 1979, S. 52ff.
HvO, Schr. I, S. 199.
Vgl. Robert Leroy/ Eckhart Pastor, die Heinrichs Traumwanderung in dreifacher Weise als ‘Potenzierung’ des väterlichen Traumwegs interpretieren, und damit die Unterschiede deutlich herausarbeiten.(R. L./ E. P.: Die Initiation des romantischen Dichters Der Anfang von Novalis’ Heinrich von Ofterdingen. In: Romantik. Ein literaturwissenschaftliches Studienbuch. Hrsg. von Ernst Ribbat. Kronberg/Ts. 1979, S. 38ff.
HvO, Schr. I, S. 199.
Vgl. HvO, Schr. I, S. 196ff. Beidesmal handelt es sich um einen von Menschen ge-schaffenen Gang (“gehauener Gang”, S. 196) zumindest einer, an dem gearbeitet wurde (“Stiege, die in den Berg hinein ging”, S. 201).
HvO, Schr. I, S. 202.
Heinrich berichtet über ihn, daß er “chrw(133)doch unwillkührlich und ohne es daher selbst zu wissen, eine stille Ehrfurcht und Gottesfurcht vor allen unbegreiflichen und höhern Erscheinungen” habe. (HvO, Schr. I, S. 327).
Vgl. a.a.O., S. 97ff.
Ebd., S. 109.
HvO, Schr. I, S. 329.
Heinrich bemerkt auch, daß es gerade jener Umgang mit den Blumen war, dem der Vater seine besondere Sensibilität verdanke (“Dies hat auch gewiß seinen Sinn (chrw(133)) so offen erhaltenchrw(133)” HvO, Schr. I, S. 329). Es wäre dabei zu bedenken, daß der Naturumgang im eingegrenzten Garten stattfindet, wo die Naturerfahrung deformiert erscheint. Indes: “Damit jedoch ist die Kategorie des Naturschönen nicht einfach verurteilt.”(Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 108). Des alten Ofterdingen Liebe zu den Blumen kann darüberhinaus auch als vorbereitend für Heinrichs Begegnung mit der Natur interpretiert werden. Der Weg führt von der Enge und Zivilisiertheit des Gartens zur ungebändigten freien Natur unter die Erde. Auch in diesem Sinne könnte von einer ‘Potenzierung’ der väterlichen Erfahrung gesprochen werden.(Vgl. Leroy/Pastor. Die Initiation, a.a.O., S. 50f). Eine analoge Konstellation, freilich mit ganz anderem Ausgang, findet sich in Tiecks ‘Runenberg’, wo Christian das väterliche Haus des Schloßgärtners (“der kleine beschränkte Garten meines Vaters”) verläßt, um “die für ihn bestimmte Lebensweise” bei “unterirdischen Bergwerken und ihren Arbeitern”, bei “Jägern und ihrer Beschäftigung” zu finden. (Vgl. Ludwig Tieck, Schriften in zwölf Bänden, a.a.O., Bd. 6, S. 187f).
HvO, Schr. I, S. 326.
Vgl. auch HvO, Schr. I, S. 326: “Ihr habt von Glück zu sagen, daß ihr habt aufwachsen dürfen, ohne von euren Eltern die mindeste Beschränkung zu leidenchrw(133)”
Jochen Hörisch: Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 232.
Vgl. HvO, Schr. I,S. 326: “Was mich am Meisten wundert, versezte Sylvester, daß er eure Erziehung ganz in den Händen eurer Mutter gelassen hatchrw(133)”
Vgl. Alexander Mitscherlich: Auf dem Weg in die vaterlose Gesellschaft. Ideen zur So-zialpsychologie *Neuausgabe* München 141982.
Vgl. vor allem den Schlußabschnitt (VI, Kap. 4) dieser Arbeit und zu Novalis bes. die Ar-beiten von Friedrich A. Kittler. Vgl. F. A. K.:Der Dichter, die Mutter, das Kind. Zur romantischen Erfindung der Sexualität. In: Romantik in Deutschland. Hrsg. von Richard Brinkmann. Stuttgart 1978, S. 102f. und ders.: Die Irrwege des Eros und die ‘absolute Familie’. Psychoanalytischer und diskursanalytischer Kommentar zu Klingsohrs Märchen in Novalis’ ‘Heinrich von Ofterdingen’. In: Psychoanalytische und psychopathologische Literaturinterpretationen. Hrsg. von Bernd Urban/ Winfried Kudszus. Darmstadt 1981. S. 421ff.
Der Hofkaplan gehört nach dem Urteil der Kaufleute zu diesen ‘weltfremden’ Wissen-schaftlern: “Es ist eben schlimm (chrw(133)), daß die Wissenschaften in den Händen eines solchen von dem weltlichen Leben abgesonderten Standes (sind).” (HvO, Schr. I, S. 207).
HvO, Schr. I, S. 207/Hervorhebung H.G.
HvO, Schr. I, S. 207.
HvO, Schr. I, S. 266.
HvO, Schr. I, S. 199.
HvO, Schr. I, S. 267.
Vgl. Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 133: “Subjektive Erfahrung bringt Bilder ein, die nicht Bilder von etwas sind, und gerade sie sind kollektiven Wesens, so und nicht anders wird Kunst zur Erfahrung vermittelt. Kraft solchen Erfahrungsgehalts, nicht erst durch Fixierung oder Formung im üblichen Verstande weichen die Kunstwerke von der empirischen Realität ab: Empirie durch empirische Deformation. Das ist ihre Affinität zum Traum (chrw(133)).” Insofern kann in diesem Punkt für die Träume gelten, was Adorno für die Kunst behauptet. Beide sind “chrw(133)tatsächlich die Welt noch einmal, dieser so gleich wie ungleich.”(Ebd., S. 499).
HvO, Schr. I, S. 207f /Hervorhebung H.G.
HvO, Schr. I, S. 208.
Selbst an der einzigen Stelle, wo sie den Erkenntniswert der Kunst zu ahnen scheinen und auch ästhetischer Erfahrung nahe sind, geht es letztlich nur um die Flucht in eine imaginierte Welt (“entreißen”), nicht um die Integration zweckfreier Gedanken: “Wie aus tiefen Höhlen steigen alte und künftige Zeiten, unzählige Menschen, wunderbare Gegenden, und die seltsamsten Begebenheiten in uns herauf, und entreißen uns der bekannten Gegenwart.” (HvO, Schr. I, S. 210).
Ulrich Stadler (Die theuren Dinge, a.a.O., S. 202f) sieht hier keine Wertung von Novalis. Durch das Lob jeweils nur der eigenen “Daseinsform” relativierten sich seiner Meinung nach der Kaufleute wie Heinrichs Werturteile. Stadler übersieht dabei m.E., daß durch Heinrich sehr wohl die Argumentation der Kaufleute relativiert wird, aber umgekehrt die Kaufleute seinen Gedanken ja “nicht zu folgen vermögen”, sich also schon durch ihr mangelndes Verständnis disqualifizieren.
Vgl. neben älteren Arbeiten z.B. auch Ursula Heukenkamp: Die Wiederentdeckung des ‘Weg nach innen’. Über die Ursachen der Novalis-Renaissance in der gegenwärtigen bürgerlichen Literaturwissenschaft. In: Weimarer Beiträge, Heft 12, Jg. 19, 1973, S. 105ff.
Vgl. dazu Hans Joachim Mähl: Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis. Studien zur Wesensbestimmung der frühromantischen Utopie und zu ihren ideenge- schichtlichen Voraussetzungen. Heidelberg 1965 und Hans Joachim Heiner: Das goldene Zeitalter in der deutschen Romantik. Zur sozialpsychologischen Funktion eines Topos *1972*. In: Romantikforschung seit 1945. Hrsg. von Klaus Peter. Königsstein/Ts. 1980, S. 280ff.
Brief an Friedrich Schlegel vom 5. April 1800. In: Schr. IV, S. 330.
So heißt es zu Beginn des zweiten Teils im HvO: “Es bricht die neue Welt herein/Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein(,)/ Man sieht nun aus bemooßten Trümmern/ Eine wunderseltsame Zukunft schimmern (chrw(133)) Alles muß in einander greifen/ Eins durch das Andre gedeihn und reifen;/ Jedes in Allen dar sich stellt/ Indem es sich mit ihnen vermischet/ Und gierig in ihre Tiefen fällt/ Sein eigenthümliches Wesen erfrischet/ Und tausend neue Gedanken erhält/ Die Welt wird Traum, der Traum wird Weltchrw(133)” (Schr. I, S. 318f).
Schr. II, S. 545 (Nr. 105): “Die Welt muß romantisirt werden. (chrw(133)) Romantisiren ist nichts
als eine qualit(ative) Potenzirung.“
HvO, Schr. I, S. 289.
HvO, Schr. I, S. 256 bzw. S. 281.
Auch Ulrich Stadler hat mehrfach darauf hingewiesen, daß die schlichte Charakterisie- rung von ‘actio’ und ‘contemplatio’ für den tätigen bzw. den betrachtenden Weg zu undifferenziert ist. Vgl. U. S.: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 202ff, 215f, 221f. In dieser Arbeit wird sich das vor allem an der Figur des Bergmanns zeigen, der Elemente beider Traditionen zu vereinigen vermag.
Schr. II, S. 378 (Nr. 39). Vgl. auch in den ‘Lehrlingen zu Sais’ den Begriff der “schaffendenBetrachtung” als Einheit von Wissen und Machen. (Schr. I, S. 101 ).
Schr. III, S. 377 (Nr. 618). Friedrich A. Kittler (Literatur und Literaturwissenschaft als Word Processing. In: Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven. Hrsg. von Georg Stötzel. Bd. 2. Berlin/New York 1985, S. 410ff) sieht in diesem “halluzinatorischen Lesen” die Funktion romantischer Ästhetik im allgemeinen und die des ‘Ofterdingen’ im besonderen. In seiner anregenden Betrachtung des Romans erscheint im Rückgang auf die Materialität und Medialität von Literatur HvO als Paradigma eines Diskurses über Datenverarbeitung: “Um 1800 (chrw(133)) etablierte sich (Dichtung/H.G.) als ein Medium, das Worte in Blumen und Blumen in Frauen verwandeln konnte - nicht technisch, aber psychologisch, nicht durch Maschinen, aber durch menschliche Interfaces. (chrw(133)) Der Roman (=HvO/ H.G.) hat bekanntlich kaum Handlung. Statt dessen führt jedes Kapitel, zumal im ersten und vollendeten Teil, Nachrichtenquellen der Zeit vor. Historie spricht, Archäologie spricht, Bergbau, Politik und Ökonomie sprechen, Poetik und Romantik nicht zu vergessen.(chrw(133)) Wissensformen, die vor der allgemeinen Alphabetisierung entweder auswendig gelernt oder von Spezialisten aus Folianten entziffert werden mußten, geben sich einem historisch neuen Verstehen hin, dessen Sinn (nach der Generalthese des Romans) im Verstehenden selber liegt. (chrw(133)) Ver-walten und Umschreiben, was Wissenschaften geschrieben haben, ist das Geschäft von Dichtung bei Novalis.”(S. 414ff) “Wie um diese Innovation der Lektüretechniken zu beweisen, hat der Ofterdingen lauter Interpretationen erfahren; sein Plot aber bleibt schlicht und einfach Datenverarbeitung.”(S. 415).
Schr. II, S. 470 (Nr. 125).
Vgl. Erläuterungen der Hrsg. In: Schr. I, S. 629.
Vgl. HvO, Schr. I, S. 195ff und Abschnitt III, Kap. 1.2. dieser Arbeit. Die Figur des ge-heimnisvollen Fremden taucht in Novalis’ Werk bereits in den ‘Lehrlingen zu Sais’ auf. Dort erscheint im Märchen von Hyacinth und Rosenblüte ein Mann “aus fremden Landen gegangen, der war erstaunlich weit gereist, hatte einen langen Bart, tiefe Augen, entsetzliche Augenbrauen, ein wunderliches Kleid mit vielen Falten und seltsame Figuren hineingewebt. (chrw(133)) So viel man nachher vernahm, so hat er viel von fremden Ländern, unbekannten Gegegenden, von erstaunlich wunderbaren Sachen erzählt, und ist drey Tage dageblieben, und mit Hyancinth in tiefe Schachten hinuntergekrochen.”(Schr. I, S. 93 ).
HvO, Schr. I, S. 239.
Vgl. HvO, Schr. I, S. 242: “Es läßt sich auch diese volle Befriedigung eines angebornen Wunsches, diese wundersame Freude an Dingen, die ein näheres Verhältniß zu unserm geheimen Daseyn haben mögen, für Beschäftigungen, für die man von der Wiege an bestimmt und ausgerüstet ist, nicht erklären und beschreiben. Vielleicht daß sie jedem Andern gemein, unbedeutend und abschreckend vorgekommen wären; aber mir scheinen sie so unentbehrlich zu seyn, wie die Luft der Brust und die Speise im Magen.”
Vgl. HvO, Schr. I, S. 240 und vgl. Johannes Mahr: Übergang zum Endlichen. Der Weg des Dichters in Novalis’ ‘Heinrich von Ofterdingen’. Diss. Würzburg 1968, S. 128.
HvO, Schr. I, S. 241ff.
Anthony Phelan weist in seinem Aufsatz (’Das Centrum das Symbol des Goldes’: Analogy and money in Heinrich von Ofterdingen. In: German Life and Letters. Heft 4, Jg. 37, Juli 1984, S. 307ff) darauf hin, daß der Bergmann das Gold für eine symbolische Verwendung fördern will: um Schmuck an “königlichen Kronen und Gefäßen” und “an heiligen Reliquien” herzustellen und Münzen, die “die Welt beherrschen und leiten” mögen (HvO, Schr. I, S. 242). Bei der Nutzung des Goldes für Münzen ist jedoch eine wichtige Unterscheidung zu beachten: ‘These coins, we may note, are not alloyed, they are respected and, the suggestion seems to be stable in the sense that their face value corresponds to their value by weight. In this quality they rule and lead the world, as instruments of the one whose image they bear. (chrw(133)) At the moment when gold in any form is perceived in relation to an individual as a possession,it becomes the source of false appearanceschrw(133)“(Ebd., S. 308f).
HvO, Schr. I, S. 244f.
HvO, Schr. I, S. 244.
Vgl. C. Rendtorff: Artikel ‘Beruf. In: HistWbPhil, Bd. 1, S. 1971, Sp. 833ff.
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie *1956*. Hrsg. von Johannes Winkelmann. Bd. 1, Köln/ Berlin 1964, S. 433.
Vgl. dazu vor allem die Arbeit von Mircea Eliade: Schmiede und Alchemisten. Stuttgart 1980, S. 60f. Die Vorstellung vom Bergbau als Geburtshilfe ergibt sich aus dem Glauben an eine belebte ‘Mutter Natur’. Ihre Schätze zu bergen, kommt der Beschleunigung eines organischen Wachstums gleich und erfordert darum größte Vorsicht und Verantwortung bei den Beteiligten (Metallurg, Schmied, Bergmann). Rituelle Vorgänge im Zusammenhang mit deren Arbeit, wie Gebet, Meditation und Askese deutet Eliade entsprechend als Tribut an diese Verantwortung. Vgl. dazu ausführlicher auch den Schlußabschnitt dieser Arbeit (VI, Kap. 4).Von Novalis ist bekannt, daß er sich in der Zeit vor Abfassung des HvO ausführlich mit Alchimie beschäftigte. Vgl. etwa seine diesbezüglichen Äußerungen im Brief an Friedrich Schlegel vom 26.12.1797: “Daß wir uns sehn könnten! Meine und Deine Papiere gegen einander auswechseln! Du würdest viel Theosophie und Alchymie finden.”(Sehr. IV, S. 242) Vgl. auch die Liste der von ihm in Freiberg entliehenen einschlägigen Bücher im ‘Ersten Chymischen Heft’ vom Juni 1798. (Sehr. III, S. 34f ).
HvO, Schr. I, S. 244f.
Vgl. Schr. II, S. 417: “Die Natur ist Feindin ewiger Besitzungen. Sie zerstört nach festen Gesetzen alle Zeichen des Eigenthums, vertilgt alle Merkmale der Formazion.”
Vgl. etwa Renate Vonessen: Natur und Entfremdung. Der Eigentumsbegriff bei Novalis im Anschluß an das “Blütenstaub”-Fragment Nr. 13. Diss. Freiberg. i. Br. 1974, S. 90: “In seinen (des Bergmanns/ H.G.) Reden finden sich Novalis tiefste Gedanken zum Eigentum, ja vielleicht darf man sagen, daß Novalis’ Idee des Eigentums in der dichterischen Gestalt des Bergmanns, zur vollkommenen Anschauung kommt.”
Ernst Bloch nennt Novalis dabei im Zusammenhang mit seiner Interpretation von Fichtes geschlossenem Handelsstaat. Vgl. E. B.: Das Prinzip Hoffnung *1959*. Bd. II, Frankfurt/ M. 51978, S. 642.
Vgl. vor allem Richard Faber: Die Phantasie an die Macht, a.a.O. und Wolfgang Klopp-mann: Eine materialistische Lektüre, a.a.O., S. 222ff.
J. H.: Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 230. Vgl. auch Schr. III, S. 378ff zum Geld und “geltenden Sätzen”: “Die W*issenschafts*L * ehre * oder die reine Phil*osophie* ist das Relationsschema der W*issenschaften* überhaupt. Sie entsteht aus dem Einfall statt würcklicher nahmhafter, individ *ueller*Dinge - allg*emeine* Dinge, denen jedes Ding substituirt werden kann (vid. Begr.*iff* v*on* Geld) (chrw(133)) Constructions oder Verhältnißformeln wurden - allg*gemein* Geltende Sätze. (Der Streit zwischen Id*ealism* und dogm*atism* ist wie das Steigen und Fallen von Gold und Silber.) Mit der Anhäufung d *es* Einen fängt d *as* Andre an seltner zu werden und wird gesucht - allmälich ist d *as* Gleichgewicht wieder da - neu häuft sich dies wieder an, und der umgek*ehrte* Process beginnt und so fort. Diese Erscheinung entsteht aus der Behandlung dieser Gegenstände, als Waaren. Der gewinnt an Geld oder Ruhm, der diese Ebbe und Fluth und ihre Gesetze am besten kennt (chrw(133)).”(Hervorhebungen H. G.).
Vgl. J. H.: Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 230f und Ulrich Stadler: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 198ff und siehe dazu Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Leipzig 1900 und Alfred Sohn-Rethel: Warenform und Denkform. Aufsätze. Frankfurt/M./Wien 1971, S. 101ff.
Vgl. vor allem den 1. Dialog von 1798/99 über den Buchmarkt, z.B.:“Lieber - ist nicht das Geld zum Beleben da-? Warum soll es nun nicht auch diesem BedürfniB unsrer Natur dienen, den Sinn für Gedanken beseelen und befriedigen?” (Schr. II, S. 662). Vgl. auch Ulrich Stadler: Die Auffassung vom Gelde bei Friedrich von Hardenberg. In: Romantik in Deutschland. Hrsg. von Richard Brinkmann. Stuttgart 1978, S. 148: “Angesichts dieser uneinheitlichen, widersprüchlichen Haltung Hardenbergs gegenüber dem Gelde - lassen sich verschiedene Positionen einnehmen. Man kann eine einzige Einstellung zum Gelde - die positive oder die negative - zur ‘eigentlichen’ Auffassung des Autors deklarieren und alles einer solchen Einschätzung Widerstrebende als unerheblich übergehen oder als Unklarheit, Unausgereiftheit der Ansichten eines Frühverstorbenen einstufen. Man kann aber auch - und das soll hier geschehen - den Widerspruch als notwendigen Ausdruck begreifen, in welchem die Hardenbergsche Reflexion über das Geld ihre Form gefunden hat.”
Ulrich Stadler hat in seiner Analyse eine genaue Betrachtung des Bergmanns aúsgespart, weil er meinte, daB sich dabei keine neuen Gesichtspunkte ergäben (Die theuren Dinge, a.a.O., S. 146). Dagegen versuche ich im folgenden zu zeigen, daß sich gerade an dieser Figur die Logik von Novalis’ uneinheitlichen Konstruktionen nachweisen läßt.
Vgl. in diesem Sinne auch Hans Joachim Beck, der in anderem Zusammenhang gegen die Kennzeichnung der Mittelalterlichkeit einwendet, “chrw(133)daß die (chrw(133)) das Mittelalter charakterisierenden Momente (.,.) Projektionen aus der Perspektive des modernen Erzählers darstellen.” (H. J. B.: Oeconomie des Stils, a.a.O., S. 171).
G. S.: Novalis und der Bergbau, a.a.O., S. 251. Auch Wolfgang Kloppmann geht letzlich von einer einheitlichen mittelalterlichen Bergmannsfigur aus, auch wenn er darin eine Zukunftsprojektion sieht: “Der mittelalterliche Mensch und seine gesellschaftlichen Verhältnisse sind Verheißungen einer Zukunft, die nicht Reproduktion der Vergangenheit ist.” (W. K.: Eine materialistische Lektüre, a.a.O., S. 234).
Ebd., S. 252.
H. H.: Die Harzreise. In: Gesamtausgabe, a.a.O., Bd. 6, S. 95. Vgl. dazu Norbert Altenhofer: Harzreise in die Zeit. Zum Funktionszusammenhang von Traum, Witz und Zensur in Heines früher Prosa. (=Schriften der Heinrich-Heine Gesellschaft 5) Düsseldorf 1972. N. A. wendet sich in seiner Interpretation der ‘Harzreise’ gegen Deutungen, die diese frühe Prosa als Flucht “aus der konventionellen Gesellschaft in die Ursprünglichkeit der Natur” werten, und zeigt, daß dies die höchst artifizielle rhetorische Struktur der Natur-und Milieubeschreibungen übersieht. So schreibt z.B. mit Bezug auf den Bergbau Hans Jürgen Geerdts: “Echtes menschliches Empfinden fand er ( Heine/H.G.) dagegen bei den einfachen Menschen der Harzbevölkerung, bei den Bergleuten und Hirten, zu deren schlichtem Leben er sich hingezogen fühlte.”(Zitiert nach N. A., S. 10 ).
HvO, Schr. I, S. 251.
HvO, Schr. I, S. 253ff.
Vgl.: “chrw(133)den Bauern war nicht wohl dabey zu Muthe, (chrw(133)) so überzeugend ihnen auch der Alte die Zeichen (chrw(133)) aufwies, und sie fragte, ob sie je etwas von Verwüstungen unter ihren Heerden und vom Raube benachbarter Menschen gespürt hätten (chrw(133))? Der Alte wollte nun weiter in den Berg, aber die Bauern fanden für rathsam sich vor die Höhle zurückzuziehn, und dort seine Rückkunft abzuwarten.” (HvO, Schr. I, S. 253). Bezeichnenderweise gehen die Kaufleute als Repräsentanten der ‘neuen Zeit’ ohne Furcht mit in die Höhle.
J. M.: Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 123. Etwas unbestimmt sieht J. M. die Fremd-heit und Seltsamkeit der Bergmannserzählungen “nur in ihrer ‘Neuheit” begründet. ‘Neuheit’ muß hier vor allem Aufgeklärtheit heißen. Während der Bergmann auf die Einheimi. schen fremd und neuartig wirkt, erscheint er Heinrich fremd und zugleich vertraut. Vgl. dazu im weiteren Kap. 3 in diesem Abschnitt..
Vgl. HvO, Schr. I, S. 239ff.
Vgl. etwa Richard Samuel: Novalis Heinrich von Ofterdingen. In: Der deutsche Roman. Vom Barock bis zur Gegenwart. Struktur und Geschichte. Hrsg. von Benno v. Wiese. Düsseldorf 1963, S. 268: “Was in Heinrich aufgeschlossen wird, ist niemals die Sache selbst, sondern ihr Geist (chrw(133))”. Vgl. ähnlich auch Armand Nivelle: Der symbolische Gehalt des ‘Heinrich von Ofterdingen’. In: Revue les langues vivantes. Bd. 16, 1950, S. 412.
Klingsohr wird dies für Heinrich später zusammenfassen: “chrw(133) die Natur und Geschichte sind Euch unter der Gestalt eines Bergmanns und eines Einsiedlers begegnet.”(HvO, Schr. I, S. 283).
HvO, Schr. I, S. 243.
Vgl. P. K: Die frühromantische Theorie der Mischung. Über den Zusammenhang von romantischer Dichtungstheorie und zeitgenössischer Chemie. (=Münchner Germanistische Beiträge Bd. 4) München 1968.
Schr. II S. 666f (3. Dialog).
Mehrfach wird im Roman auf “unermüdliche Geduld”, “hartnäckigen Fleifi”, “beständige Wachsamkeit”, “Aufmerksamkeit”, “Eifer und Beständigkeit” usw. als Voraussetzung für den Bergmannsberuf hingewiesen.(Vgl. HvO, Sehr. I, S. 245ff).
HvO, Schr. I, S. 266.
Wie dies etwa Johannes Mahr (Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 141f) vorschlägt: “Wie schon das Leben beider Männer (des Einsiedlers und des Bergmanns/H.G.) einen Ausgleich getrennter Positionen darstellt, (chrw(133)), so sind auch die Einsichten des Textes im Zusammenwirken beider gewonnen, im Gepräch zwischen dem Mann, dessen ‘Tätigkeit die Betrachtung’ und jenem, der ‘zur Geschäftigkeit geboren’ ist.”
HvO, Schr. I, S. 246f.
Vgl. W. B.: Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Nikolai Lesskows *1936*. In: W. B.: Über Literatur. Frankfurt/M. 1975, S. 33ff. Für die Interpretation der Bergmannslieder im Spannungsfeld zwischen Mittelalter und Aufklärung scheinen mir einige Kriterien Benjamins durchaus übertragbar: “Seele, Auge und Hand sind (chrw(133)) in einen und denselben Zusammenhang eingebracht. Ineinanderwirkend bestimmen sie eine Praxis (chrw(133)) Jene alte Koordination von Seele, Auge und Hand (chrw(133)) ist die handwerkliche, auf die wir stoßen, wo die Kunst des Erzählens zu Hause ist.”(S. 60) Und vgl. S. 53: “Dabei ist allen großen Erzählern die Unbeschwertheit gemein, mit der sie auf den Sprossen ihrer Erfahrung wie auf einer Leiter sich auf-und abbewegen. Eine Leiter, die bis ins Erdinnere reicht und sich in den Wolken verliert, ist das Bild einer Kollektiverfahrungchrw(133)” Benjamin hat den zunehmenden Verlust der Erzählkunst ja als Erfahrungsverlust begriffen, der vor allem mit dem Erleben des Ersten Weltkriegs beschleunigt wurde. Erste Anzeichen des Prozesses sah er jedoch bereits im Übergang zur Neuzeit mit dem Aufkommen des Romans.
Vgl. Gerhard Heilfurth: Das Bergmannslied. Eigenbesitz einer Berufsgemeinschaft. In: Der Anschnitt. Heft 3, Jg. 6, 1954, S. 10.
Vgl. die dtsch. Übersetzung von 1928. In: G. A.: Vom Berg-und Hüttenwesen. Ausgabe nach dem Orginal von 1556. München 21980 und vgl. Gerhard Heilfurth ( Das Bergmannslied, a.a.O.), der Belege für diese Praxis noch im (verhältnismäßig späten) Kohlebergbau des Ruhrgebiets gefunden hat.“Selbstverständlich gehören diese Zeugnisse in die Zeit einer patriarchalischen Betriebsordnung. Jetzt läßt der durchrationalisierte Massenbetrieb keinen Raum mehr für eine solche Entfaltung gemüthafter und gemütlicher Äußerungen.”(S. 10 )
Vgl. HvO, Schr. I, S. 247ff.
A.W. Schlegel wählte die Überschrift für die Einzelveröffentlichung des ersten Berg-mannsliedes im ‘Musen-Almanach für 1802’.
HvO, Schr. I, S. 245 und vgl. ebenso S. 244: “chrw(133)es giebt keine Kunst, die (chrw(133)) die Unschuld und Kindlichkeit des Herzens reiner erhielte, als der Bergbau.” Die scheinbare Schlichtheit der poetischen Einlagen im HvO schließt nicht aus, daß sie innerhalb des Romans höchst bedeutsame Funktionen im Sinne einer “Konzentrierung des Gehalts” einzelner Kapitelabschnitte haben. Vgl. Paul Kluckhohn zit. nach Gerhard Schulz: Die Berufstätigkeit Friedrich von Hardenbergs (Novalis) und ihre Bedeutung für seine Dichtung und seine Gedankenwelt. Diss. Leipzig 1958, S. 123f.
Diese Differenzierung ist aufschlußreich zu beobachten: Während sich der Kunstumgang der Bergleute offenbar nie aus der Einbindung in berufsbezogene Rituale löst, geht der Alte von der Erfahrung autonomer Kunst aus.
HvO, Schr. I, S. 244.
HvO, Schr. I, S. 259f.
HvO, Schr. I, S. 241.
Gemeinsam ist dem Bergmann und dem Dichter bei solch besonderer Erkenntnis das Be-kenntnis zu bescheidenen Lebensumständen, zu einem nach innen gerichteten Leben sowie einem unschuldig ‘kindlichen Gemüt’- unterschieden sind sie beide durch die verschiedenen Wege dahin: dem Poeten erschließt sie sich unmittelbar, dem Bergmann durch Arbeit.
HvO, Schr. I, S. 246.
Dieser erkennt in den Bergleuten “beynah verkehrte Astrologen” (HvO, Schr. I, S. 260).
HvO, Schr. I, S. 208.
HvO, Schr. I, S. 250f.
HvO, Schr. I, S. 251/Hervorhebungen H.G. Vgl. dazu auch Schr. II, S. 449 (Nr. 77): “Grober Eigennutz ist das nothwendige Resultat armseliger Beschränktheit. Die gegenwärtige Sensazion ist die lebhafteste, die höchste eines Jämmerlings. Über diese kennt er nichts höheres. Kein Wunder, daß der durch die äußern Verhältnisse par force dressirte Verstand nur der listige Sklav eines solchen stumpfen Herrn ist, und nur für dessen Lüste sinnt und sorgt.”
Positiv schildert der Bergmann das Heben der Schätze, wenn sie ‘belebend’ für die Ge-meinschaft sind, als Werkzeug dienen: Zu symbolischen Zwecken für den Landesherrn und die Kirche oder als Geld, um ganze Gegenden in ein “blühendes Land” zu verwandeln.(HvO, Schr I, S. 243) Vgl. ähnlich S. 260: “chrw(133) so kann der Bergmann überall seine Einsichten und seine Geschicklichkeit vermehren und mit nützlichen Erfahrungen seine Heymath bereichern.” Eine Vorstellung, die für Novalis offenbar auch in seinem Beruf als Salinenassesor maßgeblich war. So plädierte er für staatl. Salinennutzung, die intensiver als die private sei, “da sie gemeiniglich in den Händen der Privatleute unverantwortlich bewirthschaftet” werde (Schr. IV, S. 302) Hinweis bei Ulrich Stadler: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 328.
HvO, Schr. I, S. 242 bzw. S. 245.
Roland Heine scheint mir darum zu undifferenziert zu urteilen, wenn er den Bergmann ausschließlich dem ‘Weg der inneren Betrachtung’ zuordnet und grundsätzlich keine Vereinbarkeit zwischen ökonomischer Bestimmung und künstlerischem Streben sieht. (R H.: Transzendentalpoesie, a.a.O., S. 34 bzw. 134). Vgl. auch Kap. 1.3, Anmerk. 87 dieses Abschnitts. Wie dort bereits erwähnt, hat Ulrich Stadler zurecht auf die Tendenz der Verbindung von ‘Besonnenheit’ und ‘Produktivität’ im Roman hingewiesen. (Vgl. U. S.: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 215f). Er entwickelt seine These vor allem an der Interpretation des ’Kreuzfahrerkapitels’. Der Bergmann, der m.E. weit mehr noch diese Tendenz verkörpert, bleibt in diesem Zusammenhang unerwähnt. “Erwerbsbergbau - wissenschaftlicher, geognostischer Bergbau - Kann es auch einen schönen Bergbau geben?” (Sehr. II, S. 543 )
Halden sind im Bergbau Aufschüttungen von taubem Gestein und von Abfallmaterialien aus den Aufbereitungsanlagen (Asche und Schlacken).
HvO, Schr. I, S. 242.
HvO, Schr. I, S. 242.
HvO, Schr. I, S. 240.
Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, a.a.O., S. 185 (§ 28).
Vgl. ebd., S. 166ff.
Vgl. HvO, Schr. I, S. 261f.
Vgl. Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie, a.a.O., bes. S. 97ff und Joachim Ritter. Land- schaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft *1963*. In: J. R: Subjektivität. Frankfurt/M. 1980, S. 141ff. Die Differenz zwischen beiden liegt in der Bewertung: geglückte Kompensation vs. “Allegorie eines Jenseitigen”: “Wo die Entzweiung der Gesellschaft und ihrer ‘objektiven’ Natur von der ‘umruhenden’ Natur die Bedingung der Freiheit ist, da hat ästhetische Einholung und Vergegenwärtigung der Natur als Landschaft die positive Funktion, den Zusammenhang des Menschen mit der umruhenden Natur offen zu halten (chrw(133)).” (J. R: ebd., S. 161). Mit Adorno ist dagegen kritisch einzuwenden (ebd., S. 108): “Das Naturschöne bleibt Allegorie dieses Jenseitigen (was jenseits der bürgerlichen Gesellschaft, ihrer Arbeit und ihrer Waren wäre/H.G.) trotz seiner Vermittlung durch die gesellschaftliche Immanenz. Wird aber diese Allegorie als der erreichte Stand der Versöhnung unterschoben, so erniedrigt sie sich zum Behelfsmittel, den unversöhnten zu verschleiern und zu rechtfertigen (chrw(133)).”
Joachim Ritter. Landschaft, a.a.O., S. 150f/Hervorhebungen H.G.
Wieder einmal erweist er sich hier nicht als unbedarft-naiver Bergmann, der in die Natur eingebunden ist. Seine ‘Kindlichkeit des Herzens’ ist das Produkt eines imgrunde höchst reflektierten Bewußtseins.
An manchen Orten sah ich mich, wie in einem Zaubergarten. Was ich ansah, war von köstlichen Metallen und auf das kunstreichste gebildet. (chrw(133)) Man traute kaum seinen Sinnen an diesen wunderbaren Orten, und ward nicht müde diese reizendene Wildnisse zu durchstreifen und sich an ihren Kleinodien zu ergötzen.“(HvO, Schr. I, S. 262 ).
In: Schillers Werke. Bd. III (Gedichte und Erzählungen) Hrsg. von Dieter Schmidt. Frankfurt/M. 1966, S. 112f.
Vgl. dazu die wegweisende Interpretation von Jürgen Stenzel: Zum Erhabenen tauglich -Spaziergang durch Schillers ‘Elegie’. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft. Bd. XIX, 1975, S. 167ff.
Wolfgang Kloppmanns Deutung greift hier zu kurz, weil sie das Verhältnis als kompensa-torisches beschreibt: “Der Beruf inspiriert zu dichterischer Produktivität; die Dichtung kommt der Arbeitsproduktivität zugute.” (W. K.: Eine materialistische Lektüre, a.a.O., S. 227). Bedenkenswert scheint mir in diesem Zusammenhang der Vorschlag Ulrich Stadlers, den isoliert stehenden und Verwirrung stiftenden Satz aus den Paralipomena zu HvO: “Man kann die Poësie nicht gering genug schätzen.”(Schr. I, 335) in Zusammenhang mit Klingsohrs Ausführungen zur Poesie zu interpretieren. Es würde damit zum einen ein Praxisbezug der Poesie (Vgl. U. S.: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 224), aber auch ein poetischer (ästhetischer) Praxisumgang begründet: “Es ist recht übel, sagte Klingsohr, daß die Poesie einen besondern Namen hat, und die Dichter eine besondere Zunft ausmachen. Es ist gar nichts besonderes. Es ist die eigenthiimliche Handlungsweise des menschlichen Geistes. Dichtet und trachtet nicht jeder Mensch in jeder Minute? ” (HvO, Schr. I, S. 287/Hervorhebungen H.G.).
Vgl. Schr. II, S. 543 (Nr. 96). Auch wenn Novalis niemals das Konzept eines “schönen Bergbaus” explizit dargelegt hat, scheint er mir berechtigt, diese eingestreute Klassifizierung aus den ‘Vermischten Fragmenten’ von 1798 im Sinne des ‘Ofterdingen-Bergmanns’ zu interpretieren.
Die Poetisierung der Natur und der Wissenschaften ist - nicht nur beim Bergbau–für Novalis’ Werk grundlegend: “Künftig treib ich nichts als Poesie - die Wissenschaften müssen alle poetisiert werden.” (Brief an A.W. Schlegel v. 24.2.1798. In: Schr. IV, S. 252). Zur Poetisierung siehe vor allem die Arbeiten von Dennis F. Mahoney (Die Poetisierung der Natur bei Novalis Beweggründe, Gestalten, Folgen. Bonn 1980) und Johannes Hegener (Die Poetisierung der Wissenschaften. Bonn 1975). Bei beiden Autoren wird deutlich, daß Novalis seine ästhetisierte Naturphilosophie nicht als subjektivistische Träumerei verstand, sondern als wissenschaftliche Hypothese und daß der Naturwissenschaftler und Salinenbeamte Hardenberg nicht vom Dichter und Philosophen zu trennen ist - schon gar nicht im Widerspruch zu ihm steht, wie etwa das Bild vom progressiven Praktiker aber reaktionären Literaten Glauben machen will. (So bei Hans Mayer. Von Lessing bis Thomas Mann. Pfullingen 1959, S. 24ff).
HvO, Schr. I, S. 261f.
Schr. III, S. 247 und vgl. Schr. III, S. 252: “Die Natur soll moralisch werden. Wir sind ihre Erzieher - ihre moralischen Tangenten - ihre moralischen Reitze.” Siehe dazu auch Johannes Hegener, Die Poetisierung, a.a.O., S. 275ff und Christel Gallant: Der Raum in Novalis’ dichterischem Werk. Bern/ Frankfurt/M./ Las Vegas 1978, S. 61f.
Die Einsicht in die Dialektik, daß eine solche Unterwerfung unter das “selbstherrliche Subjekt zuletzt gerade in der Herrschaft des blind Objektiven, Natürlichen gipfelt” (Max Horkheimer/ Th.W. Adorno: Dialektik der Aufklärung *1947*. Frankfurt/M. 1981, S. 5), hatte der Bergmann bereits formuliert, als er sich gegen die Aneignung der Natur wandte: “Als Eigenthum verwandelt sie sich in böses Gift (chrw(133)) ”So untergräbt sie heimlich heimlich den Grund des Eigentümers und begräbt ihn bald in den einbrechenden Abgrund (chrw(133)).“ (HvO, Schr. I, S. 245).
Vgl. dazu auch die Erzählung der Arionssage im zweiten Kapitel. Dort gibt es einen Dich-ter, der im Einklang und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Natur steht. Seinen “Zaubergesang”, Mahoney spricht treffend vom “Lied von der Synipathie aller Kreaturen” (D. F. M.: Die Poetisierung, a.a.O., S. 74) fürchten selbst die Seeräuber, sie stopfen sich die Ohren zu, um nicht “von Reue ergriffen zu werden”. Damit können sie freilich dem allumfassenden Sympathie-Zusammenhang nicht entgehen, sie gehen unter, und dem Dichter kommt die wilde Natur, “ein dankbares Unthier”, zu Hilfe und rettet ihn und seine Schätze. (HvO, Schr. I, S. 211ff). Siehe dazu die ausführliche Interpretation Ulrich Stadien: Die theuren Dinge, a.a.O., S. 130ff.
Vgl. auch in den ‘Vermischten Fragmenten III’: “Aus einem Menschen spricht für dieses Zeitalter Vernunft und Gottheit nicht vernehmlich genug - Steine, Bäume, Thiere müssen sprechen, um den Menschen sich selbst fühlen, sich selbst besinnen zu machen.”(Schr. II, S. 571 (Nr. 214). Zum Subjekt/ Objekt Verhältnis vgl. die Aufsätze von Norbert W. Bolz (Die Öffnung der Geschichte. Zur Subjekt-Objekt Beziehung in der Frühromantik) und Gisela Dischner (Gedankenspiele zum orphischen Narzißmus), beide in: Romantische Utopie. Utopische Romantik. Hrsg. von Gisela Dischner und Richard Faber. Hildesheim 1979, S. 119ff bzw. 270ff.
HvO, Schr. I, S. 252.
Vgl. das ‘Blütenstaub’-Fragment Nr. 95: “Vor der Abstrakzion ist alles eins, aber eins wie Chaos; nach der Abstrakzion ist wieder alles vereinigt, aber diese Vereinigung ist eine freye Verbündung selbständiger, selbstbestimmter Wesen.” (Schr. II, S. 455ff). Die Annahme einer dergestaltigen Geschichtsentwicklung ist natürlich nicht nur bei Novalis zu finden. Vgl. Dazu Wilhelm Emrich: Begriff und Symbolik der ‘Urgeschichte’ in der romantischen Dichtung *1942*. In: W. E.: Protest und VerheBung. Frankfurt/M. 1960, S. 34ff.
Vgl. Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater *1810*. In: Werke. Kritisch durchgesehene und erläuterte Gesamtausgabe. Hrsg von Erich Schmidt. Bd. 4. Leipzig /Wien 1904/05, S. 133f.
Schr. I, S. 99.
Schr. III, S. 580 (Nr. 197).
Vgl. Johannes Mahr (Übergang zum Endlichen, a.a.O., S. 134), der auf die nivellierende Tendenz des Mondes hinweist.
HvO, Schr. I, S. 252.
HvO, Schr. I, S. 259, ebd: “Es ist mehr Wahrheit in ihren Mährchen, als in gelehrten Chroniken.”
Schr. II, S. 419 (Nr. 16). Diese Stelle wird oft vorschnell als wirklichkeitsferne Flucht oder Kompensation interpretiert, ohne ihre Relativierung und Differenzierung durch Novalis zu beachten; am deutlichsten im 26. Fragment derselben Sammlung: “Selbstentäußerung ist die Quelle aller Erniedrigung, so wie im Gegentheil der Grund aller ächten Erhebung. Der erste Schritt wird Blick nach Innen, absondernde Beschauung unsers Selbst. Wer hier steten bleib4 geräth nur halb. Der zweyte Schritt muß wirksamer Blick nach Außen, selbstthätige, gehaltne Beobachtung der Außenwelt seyn.” (Schr. II, S. 423/Hervorhebung H.G.). Vgl. dazu vor allem: Helmut Schanze: Romantik und Aufklärung. Untersuchungen zu Friedrich Schlegel und Novalis. (= Erlanger Beiträge zur Sprach-und Kunstwissenschaft. Bd. 27) Nürnberg 21976, S. 52ff.
Vgl.: Heinrich: “Keiner von uns hat je einen ähnlichen Menschen gesehn; doch weiß ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so ergriffen worden bin (chrw(133)).” (HvO, Schr. I, S. 195). Der Vater. “Noch nie hatte ich so davon reden hören. Es war mir, als sey ich in einer neuen Welt ans Land gestiegen.”(S. 200). Der Bergmann: Endlich sei ihm einmal ein Reisender begegnet, der zu ihm gesagt, er müsse Bergmann werden, da könne er die Befriedigung seiner Neugier finden.“(S. 63). In den ‘Lehrlingen zu Sais’ findet sich diesselbe Figur im Märchen von Hyacinth und Rosenblütchen, vgl. Schr. I, S. 92f.
HvO, Schr. I, S. 264f.
Ein bisher völlig Fremdes ist damit als das Nächste bedeutet. Freilich auch als das stets Gemeinte, auch in Ahnung sich vorspielend, ohne die es sich nicht als urvertraut erkennen ließe. Selbstverständlich ist bereits die blaue Blume, aus den ‘Erzählungen des Fremden’, darauf aufgetragen, besonders weil Heinrich von Ofterdingen sie nie erblickt hatte, sich nur ‘sehnte, sie zu erblicken’.“ (Ernst Bloch: Spuren *1969*. Frankfurt/M. 1983, S. 81 ).
HvO, Schr. I, S. 208 und 210.
HvO, Schr. I, S. 210.
Ein anderer Aspekt der Entdeckung des Vertrauten im Fremden ist der der Entdeckung des Fremden im Vertrauten, i.S. von Verfremden, was jedes Romantisieren ja auch ist: “Indem ich dem gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnißvolles An-sehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe so romantisire ich es (chrw(133)).” (Schr. II, S. 545 (Nr. 105). Vgl. dazu die Arbeiten von Wolfgang Kloppmann (Eine materialistische Lektüre, a.a.O., S. 233ff) und Gerhard Schulz (Der Fremdling und die blaue Blume. Zur Novalis Rezeption. In: Romantik heute. Bonn/ Bad Godesberg 1972, S. 40f), die hier Linien bis zur Brecht’schen Verfremdungstheorie ziehen.
Vgl. S. F. Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse *1916/17*. In: S. F.: Stu-dienausgabe. Htsg. von Alexander Mitscherlich, Angela Richards und James Strachey. Frankfurt/M., Bd. I, 71976, S. 293 (19. Vorlesung). Er nutzte dann aber zur Veranschaulichung des Verdrängungsprozesses ein Nebeneinander (Vorraum/ Schwelle/ Salon) statt Untereinander der Räume.
Ebd, S. 292. Freud betont, daß nicht aus jedem Negativ ein Positiv werden müsse.
René Descartes zitiert nach L. Oeing Hanhoff: Artikel ‘Anamnesis’. In: HistWbPhil, Bd. I,Sp. 266. Diese Anschauung steht in platonischer Tradition (Erinnerung an das in der Seele hegende Wissen von Ideen), sie ist auch bei dem Neuplatoniker Plotin zu finden, den Novalis ja kannte, und entspricht der Vorstellung Hemsterhuis’ vom ‘verschütteten’ moralischen Organ. (Vgl. zu Plotin Hans Joachim Mähl: Novalis und Plotin *1962*. In: Novalis. Beiträge zu Werk und Persönlichkeit Friedrich von Hardenbergs. Hrsg. von Gerhard Schulz. Darmstadt 1970, S. 381f und 402ff sowie Rolf Peter Janz: Autonomie und soziale Funktion der Kunst. Studien zur Ästhetik von Schiller und Novalis. Stuttgart 1973, S. 29ff). Zur Anamnesis in der Romantik (und der Psychoanalyse) vgl. ausführlicher den Schlußabschnitt VI., Kap. 4 dieser Arbeit.
Vgl. Richard Faber: Phantasie an die Macht, a.a.O. und die wesentlich differenziertere Arbeit von Wolfgang Kloppmann (Eine materialistische Lektüre, a.a.O., S. 222fí), der im HvO vor allem das Konzept nichtentfremdeter Arbeit im Sinne der Marx’schen “freien bewußten Tätigkeit” hervorhebt.
Georg Lukács: Die Romantik als Wendung in der deutschen Literatur *1945*. In: Ro- mantikforschung seit 1945. Hrsg. von Klaus Peter. Königsstein/Ts. 1980, S. 40ff und Ur-sula Heukenkamp: Die Wiederentdeckung, a.a.O., S. 105ff. Zwischen beiden Polen finden sich freilich differenziertere Urteile, vgl. vor allem Dennis F. Mahoney (Die Poetisierung, a.a.O., S. 73ff) Ulrich Stadler (Die theuren Dinge, a.a.O., S. 239ff) und Gisela Dischner (Gedankenspiele, a.a.O., S. 283ff).
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Gold, H. (1990). Novalis: Heinrich von Ofterdingen-Der konstruierte Bergbau. In: Erkenntnisse unter Tage. Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09974-1_3
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