die blaue Blume / Novalis Heinrich von Ofterdingen

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Novalis

Die blaue Blume

Nach einer alten Volkssage, lange vor der Romantik,
findet jemand zuf�llig eine blaue Wunderblume;
durch sie erlangt er Zugang zu verborgenen Sch�tzen.
Seit Novalis' Romanfragment �Heinrich von Ofterdingen�
ist �die blaue Blume� zum Symbol der romantischen Poesie
und ihrer Sehnsucht nach dem Unendlichen geworden.

Mit diesem Roman bricht Novalis anfang 1800 als erster mit der fr�hromantischen
Verehrung Goethes. Er schreibt ihn gleichsam als Antithese zu Goethes �Wilhelm Meisters
Lehrjahre�, das Novalis als �fatales und albernes Buch� qualifiziert, �aus Stroh und Hobel-
sp�nen ... ein G�tterbild zusammengesetzt�, wie er Ludwig Tieck schreibt. Damit w�rde bei Goethe
jede Romantik zugrundegerichtet.

[Es folgt:
Novalis: Heinrich von Ofterdingen
Erster Theil: Die Erwartung
Erstes Kapitel]

 Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren einf�rmigen Takt, vor den klappernden Fenstern sauste der Wind; abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der J�ngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erz�hlungen. Nicht die Sch�tze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben, sagte er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufh�rlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken. So ist mir noch nie zu Muthe gewesen: es ist, als h�tt' ich vorhin getr�umt, oder ich w�re in eine andere Welt hin�bergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer h�tte da sich um Blumen bek�mmert, und gar von einer so seltsamen Leidenschaft f�r eine Blume hab' ich damals nie geh�rt. Wo eigentlich nur der Fremde herkam? Keiner von uns hat je einen �hnlichen Menschen gesehn; doch wei� ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so ergriffen worden bin; die Andern haben ja das N�mliche geh�rt, und Keinem ist so etwas begegnet. Da� ich auch nicht einmal von meinem wunderlichen Zustande reden kann! Es ist mir oft so entz�ckend wohl, und nur dann, wenn ich die Blume nicht recht gegenw�rtig habe, bef�llt mich so ein tiefes, inniges Treiben: das kann und wird Keiner verstehn. Ich glaubte, ich w�re wahnsinnig, wenn ich nicht so klar und hell s�he und d�chte, mir ist seitdem alles viel bekannter. Ich h�rte einst von alten Zeiten reden; wie da die Thiere und B�ume und Felsen mit den Menschen gesprochen h�tten. Mir ist grade so, als wollten sie allaugenblicklich anfangen, und als k�nnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es mu� noch viel Worte geben, die ich nicht wei�: w��te ich mehr, so k�nnte ich viel besser alles begreifen.

^up

    Sonst tanzte ich gern; jezt denke ich lieber nach der Musik. Der J�ngling verlohr sich allm�hlich in s��en Fantasien und entschlummerte. Da tr�umte ihm erst von unabsehlichen Fernen, und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte �ber Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Thiere sah er; er lebte mit mannichfaltigen Menschen, bald im Kriege, in wildem Get�mmel, in stillen H�tten. Er gerieth in Gefangenschaft und die schm�hlichste Noth. Alle Empfindungen stiegen bis zu einer niegekannten H�he in ihm. Er durchlebte ein unendlich buntes Leben; starb und kam wieder, liebte bis zur h�chsten Leidenschaft, und war dann wieder auf ewig von seiner Geliebten getrennt. Endlich gegen Morgen, wie drau�en die D�mmerung anbrach, wurde es stiller in seiner Seele, klarer und bleibender wurden die Bilder. Es kam ihm vor, als ginge er in einem dunkeln Walde allein. Nur selten schimmerte der Tag durch das gr�ne Netz. Bald kam er vor eine Felsenschlucht, die bergan stieg. Er mu�te �ber bemooste Steine klettern, die ein ehemaliger Strom herunter gerissen hatte. Je h�her er kam, desto lichter wurde der Wald. Endlich gelangte er zu einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren Fu� er eine �efnung erblickte, die der Anfang eines in den Felsen gehauenen Ganges zu seyn schien. Der Gang f�hrte ihn gem�chlich eine Zeitlang eben fort, bis zu einer gro�en Weitung, aus der ihm schon von fern ein helles Licht entgegen gl�nzte. Wie er hineintrat, ward er einen m�chtigen Strahl gewahr, der wie aus einem Springquell bis an die Decke des Gew�lbes stieg, und oben in unz�hlige Funken zerst�ubte, die sich unten in einem gro�en Becken sammelten; der Strahl gl�nzte wie entz�ndetes Gold; nicht das mindeste Ger�usch war zu h�ren, eine heilige Stille umgab das herrliche Schauspiel. Er n�herte sich dem Becken, das mit unendlichen Farben wogte und zitterte. Die W�nde der H�hle waren mit dieser Fl�ssigkeit �berzogen, die nicht hei�, sondern k�hl war, und an den W�nden nur ein mattes, bl�uliches Licht von sich warf. Er tauchte seine Hand in das Becken und benetzte seine Lippen. Es war, als durchdr�nge ihn ein geistiger Hauch, und er f�hlte sich innigst gest�rkt und erfrischt. Ein unwiderstehliches Verlangen ergriff ihn sich zu baden, er entkleidete sich und stieg in das Becken. Es d�nkte ihn, als umfl�sse ihn eine Wolke des Abendroths; eine himmlische Empfindung �berstr�mte sein Inneres; mit inniger Wollust strebten unz�hlbare Gedanken in ihm sich zu vermischen; neue, niegesehene Bilder entstanden, die auch in einander flossen und zu sichtbaren Wesen um ihn wurden, und jede Welle des lieblichen Elements schmiegte sich wie ein zarter Busen an ihn. Die Flut schien eine Aufl�sung reizender M�dchen, die an dem J�nglinge sich augenblicklich verk�rperten.

    Berauscht von Entz�cken und doch jedes Eindrucks bewu�t, schwamm er gemach dem leuchtenden Strome nach, der aus dem Becken in den Felsen hineinflo�. Eine Art von s��em Schlummer befiel ihn, in welchem er unbeschreibliche Begebenheiten tr�umte, und woraus ihn eine andere Erleuchtung weckte. Er fand sich auf einem weichen Rasen am Rande einer Quelle, die in die Luft hinausquoll und sich darin zu verzehren schien. Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tageslicht [,] das ihn umgab, war heller und milder als das gew�hnliche, der Himmel war schwarzblau und v�llig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zun�chst an der Quelle stand, und ihn mit ihren breiten, gl�nzenden Bl�ttern ber�hrte. Rund um sie her standen unz�hlige Blumen von allen Farben, und der k�stlichste Geruch erf�llte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Z�rtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr n�hern, als sie auf einmal sich zu bewegen und zu ver�ndern anfing; die Bl�tter wurden gl�nzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Bl�thenbl�tter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte. Sein s��es Staunen wuchs mit der sonderbaren Verwandlung, als ihn pl�tzlich die Stimme seiner Mutter weckte, und er sich in der elterlichen Stube fand, die schon die Morgensonne vergoldete. Er war zu entz�ckt, um unwillig �ber diese St�rung zu seyn; vielmehr bot er seiner Mutter freundlich guten Morgen und erwiederte ihre herzliche Umarmung.

    Du Langschl�fer, sagte der Vater, wie lange sitze ich schon hier, und feile. Ich habe deinetwegen nichts h�mmern d�rfen; die Mutter wollte den lieben Sohn schlafen lassen. Aufs Fr�hst�ck habe ich auch warten m�ssen. Kl�glich hast du den Lehrstand erw�hlt, f�r den wir wachen und arbeiten. Inde� ein t�chtiger Gelehrter, wie ich mir habe sagen lassen, mu� auch N�chte zu H�lfe nehmen, um die gro�en Werke der weisen Vorfahren zu studiren. Lieber Vater, antwortete Heinrich, werdet nicht unwillig �ber meinen langen Schlaf, den ihr sonst nicht an mir gewohnt seid. Ich schlief erst sp�t ein, und habe viele unruhige Tr�ume gehabt, bis zuletzt ein anmuthiger Traum mir erschien, den ich lange nicht vergessen werde, und von dem mich d�nkt, als sey es mehr als blo�er Traum gewesen. Lieber Heinrich, sprach die Mutter, du hast dich gewi� auf den R�cken gelegt, oder beim Abendsegen fremde Gedanken gehabt. Du siehst auch noch ganz wunderlich aus. I� und trink, da� du munter wirst.

^up

    Die Mutter ging hinaus, der Vater arbeitete emsig fort und sagte: Tr�ume sind Sch�ume, m�gen auch die hochgelahrten Herren davon denken, was sie wollen, und du thust wohl, wenn du dein Gem�th von dergleichen unn�tzen und sch�dlichen Betrachtungen abwendest. Die Zeiten sind nicht mehr, wo zu den Tr�umen g�ttliche Gesichte sich gesellten, und wir k�nnen und werden es nicht begreifen, wie es jenen auserw�hlten M�nnern, von denen die Bibel erz�hlt, zu Muthe gewesen ist. Damals mu� es eine andere Beschaffenheit mit den Tr�umen gehabt haben, so wie mit den menschlichen Dingen.

    In dem Alter der Welt, wo wir leben, findet der unmittelbare Verkehr mit dem Himmel nicht mehr Statt. Die alten Geschichten und Schriften sind jetzt die einzigen Quellen, durch die uns eine Kenntni� von der �berirdischen Welt, so weit wir sie n�thig haben, zu Theil wird; und statt jener ausdr�cklichen Offenbarungen redet jetzt der heilige Geist mittelbar durch den Verstand kluger und wohlgesinnter M�nner und durch die Lebensweise und die Schicksale frommer Menschen zu uns. Unsre heutigen Wunderbilder haben mich nie sonderlich erbaut, und ich habe nie jene gro�en Thaten geglaubt, die unsre Geistlichen davon erz�hlen. Inde� mag sich daran erbauen, wer will, und ich h�te mich wohl jemanden in seinem Vertrauen irre zu machen. - Aber, lieber Vater, aus welchem Grunde seyd Ihr so den Tr�umen entgegen, deren seltsame Verwandlungen und leichte zarte Natur doch unser Nachdenken gewi�lich rege machen m�ssen? Ist nicht jeder, auch der verworrenste Traum, eine sonderliche Erscheinung, die auch ohne noch an g�ttliche Schickung dabey zu denken, ein bedeutsamer Ri� in den geheimni�vollen Vorhang ist, der mit tausend Falten in unser Inneres hereinf�llt? In den weisesten B�chern findet man unz�hlige Traumgeschichten von glaubhaften Menschen, und erinnert Euch nur noch des Traums, den uns neulich der ehrw�rdige Hofkaplan erz�hlte, und der Euch selbst so merkw�rdig vorkam.

    Aber, auch ohne diese Geschichten, wenn Ihr zuerst in Eurem Leben einen Traum h�ttet, wie w�rdet Ihr nicht erstaunen, und Euch die Wunderbarkeit dieser uns nur allt�glich gewordenen Begebenheit gewi� nicht abstreiten lassen! Mich d�nkt der Traum eine Schutzwehr gegen die Regelm��igkeit und Gew�hnlichkeit des Lebens, eine freye Erholung der gebundenen Fantasie, wo sie alle Bilder des Lebens durcheinanderwirft, und die best�ndige Ernsthaftigkeit des erwachsenen Menschen durch ein fr�hliches Kinderspiel unterbricht. Ohne die Tr�ume w�rden wir gewi� fr�her alt, und so kann man den Traum, wenn auch nicht als unmittelbar von oben gegeben, doch als eine g�ttliche Mitgabe, einen freundlichen Begleiter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe betrachten. Gewi� ist der Traum, den ich heute Nacht tr�umte, kein unwirksamer Zufall in meinem Leben gewesen, denn ich f�hle es, da� er in meine Seele wie ein weites Rad hineingreift, und sie in m�chtigem Schwunge forttreibt.

    Der Vater l�chelte freundlich und sagte, indem er die Mutter, die eben hereintrat, ansah: Mutter, Heinrich kann die Stunde nicht verl�ugnen, durch die er in der Welt ist. In seinen Reden kocht der feurige w�lsche Wein, den ich damals von Rom mitgebracht hatte, und der unsern Hochzeitsabend verherrlichte. Damals war ich auch noch ein andrer Kerl. Die s�dliche Luft hatte mich aufgethaut, von Muth und Lust flo� ich �ber, und du warst auch ein hei�es k�stliches M�dchen. Bey Deinem Vater gings damals herrlich zu; Spielleute und S�nger waren weit und breit herzugekommen, und lange war in Augsburg keine lustigere Hochzeit gefeyert worden.

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    Ihr spracht vorhin von Tr�umen, sagte die Mutter, wei�t du wohl, da� du mir damals auch von einem Traume erz�hltest, den du in Rom gehabt hattest, und der dich zuerst auf den Gedanken gebracht, zu uns nach Augsburg zu kommen, und um mich zu werben? Du erinnerst mich eben zur rechten Zeit, sagte der Alte; ich habe diesen seltsamen Traum ganz vergessen, der mich damals lange genug besch�ftigte; aber eben er ist mir ein Beweis dessen, was ich von den Tr�umen gesagt habe. Es ist unm�glich einen geordneteren und helleren zu haben; noch jetzt entsinne ich mich jedes Umstandes ganz genau; und doch, was hat er bedeutet? Da� ich von dir tr�umte, und mich bald darauf von Sehnsucht ergriffen f�hlte, dich zu besitzen, war ganz nat�rlich: denn ich kannte dich schon. Dein freundliches holdes Wesen hatte mich gleich anfangs lebhaft ger�hrt, und nur die Lust nach der Fremde hielt damals meinen Wunsch nach deinem Besitz noch zur�ck. Um die Zeit des Traums war meine Neugierde schon ziemlich gestillt, und nun konnte die Neigung leichter durchdringen.

    Erz�hlt uns doch jenen seltsamen Traum, sagte der Sohn. Ich war eines Abends, fing der Vater an, umhergestreift. Der Himmel war rein, und der Mond bekleidete die alten S�ulen und Mauern mit seinem bleichen schauerlichen Lichte. meine Gesellen gingen den M�dchen nach, und mich trieb das Heimweh und die Liebe ins Freye. Endlich ward ich durstig und ging ins erste beste Landhaus hinein, um einen Trunk Wein oder Milch zu fordern. Ein alter Mann kam heraus, der mich wohl f�r einen verd�chtigen Besuch halten mochte. Ich trug ihm mein Anliegen vor; und als er erfuhr, da� ich ein Ausl�nder und ein Deutscher sey, lud er mich freundlich in die Stube und brachte eine Flasche Wein. Er hie� mich niedersetzen, und fragte mich nach meinem Gewerbe. Die Stube war voll B�cher und Alterth�mer. Wir geriethen in ein weitl�ufiges Gespr�ch; er erz�hlte mir viel von alten Zeiten, von Mahlern, Bildhauern und Dichtern. Noch nie hatte ich so davon reden h�ren. Es war mir, als sey ich in einer neuen Welt ans Land gestiegen. Er wies mir Siegelsteine und andre alte Kunstarbeiten; dann las er mir mit lebendigem Feuer herrliche Gedichte vor, und so vergieng die Zeit, wie ein Augenblick. Noch jetzt heitert mein Herz sich auf, wenn ich mich des bunten Gew�hls der wunderlichen Gedanken und Empfindungen erinnere, die mich in dieser Nacht erf�llten. In den heidnischen Zeiten war er wie zu Hause, und sehnte sich mit unglaublicher Inbrunst in dies graue Alterthum zur�ck. Endlich wies er mir eine Kammer an, wo ich den Rest der Nacht zubringen k�nnte, weil es schon zu sp�t sey, um noch zur�ckzukehren. Ich schlief bald, und da d�nkte michs ich sey in meiner Vaterstadt und wanderte aus dem Thore. Es war, als m��te ich irgend wohin gehn, um etwas zu bestellen, doch wu�te ich nicht wohin, und was ich verrichten solle. Ich ging nach dem Harze mit �beraus schnellen Schritten, und wohl war mir, als sey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht auf dem Wege, sondern immer feldein durch Thal und Wald, und bald kam ich an einen hohen Berg. Als ich oben war, sah ich die goldne Aue vor mir, und �berschaute Th�ringen weit und breit, also da� kein Berg in der N�he umher mir die Aussicht wehrte. Gegen�ber lag der Harz mit seinen dunklen Bergen, und ich sah unz�hlige Schl�sser, Kl�ster und Ortschaften. Wie mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel mir der alte Mann ein, bei dem ich schlief, und es ged�uchte mir, als sey das vor geraumer Zeit geschehn, da� ich bey ihm gewesen sey. Bald gewahrte ich eine Stiege, die in den Berg hinein ging, und ich machte mich hinunter. Nach langer Zeit kam ich in eine gro�e H�hle, da sa� ein Greis in einem langen Kleide vor einem eisernen Tische, und schaute unverwandt nach einem wundersch�nen M�dchen, die in Marmor gehauen vor ihm stand. Sein Bart war durch den eisernen Tisch gewachsen und bedeckte seine F��e. Er sah ernst und freundlich aus, und gemahnte mich wie ein alter Kopf, den ich den Abend bey dem Manne gesehn hatte. Ein gl�nzendes Licht war in der H�hle verbreitet. Wie ich so stand und den Greis ansah, klopfte mir pl�tzlich mein Wirth auf die Schulter, nahm mich bei der Hand und f�hrte mich durch lange G�nge mit sich fort. Nach einer Weile sah ich von weitem eine D�mmerung, als wollte das Tageslicht einbrechen. Ich eilte darauf zu, und befand mich bald auf einem gr�nen Plane; aber es schien mir alles ganz anders, als in Th�ringen. Ungeheure B�ume mit gro�en gl�nzenden Bl�ttern verbreiteten weit umher Schatten. Die Luft war sehr hei� und doch nicht dr�ckend. �berall Quellen und Blumen, und unter allen Blumen gefiel mir Eine ganz besonders, und es kam mir vor, als neigten sich die Andern gegen sie.

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    Ach! liebster Vater, sagt mir doch, welche Farbe sie hatte, rief der Sohn mit heftiger Bewegung.

    Das entsinne ich mich nicht mehr, so genau ich mir auch sonst alles eingepr�gt habe.

    War sie nicht blau?

    Es kann seyn, fuhr der Alte fort, ohne auf Heinrichs seltsame Heftigkeit Achtung zu geben. Soviel wei� ich nur noch, da� mir ganz unaussprechlich zu Muthe war, und ich mich lange nicht nach meinem Begleiter umsah. Wie ich mich endlich zu ihm wandte, bemerkte ich, da� er mich aufmerksam betrachtete und mir mit inniger Freude zul�chelte. Auf welche Art ich von diesem Orte wegkam, erinnere ich mir nicht mehr. Ich war wieder oben auf dem Berge. Mein Begleiter stand bey mir, und sagte: du hast das Wunder der Welt gesehn. Es steht bey dir, das gl�cklichste Wesen auf der Welt und noch �ber das ein ber�hmter Mann zu werden. Nimm wohl in Acht, was ich dir sage: wenn du am Tage Johannis gegen Abend wieder hieher kommst, und Gott herzlich um das Verst�ndni� dieses Traumes bittest, so wird dir das h�chste irdische Loos zu Theil werden; dann gieb nur acht, auf ein blaues Bl�mchen, was du hier oben finden wirst, brich es ab, und �berla� dich dann dem�thig der himmlischen F�hrung. Ich war darauf im Traume unter den herrlichsten Gestalten und Menschen, und unendliche Zeiten gaukelten mit mannichfaltigen Ver�nderungen vor meinen Augen vor�ber. Wie gel�st war meine Zunge, und was ich sprach, klang wie Musik. Darauf ward alles wieder dunkel und eng und gew�hnlich; ich sah deine Mutter mit freundlichem, versch�mten Blick vor mir; sie hielt ein gl�nzendes Kind in den Armen, und reichte mir es hin, als auf einmal das Kind zusehends wuchs, immer heller und gl�nzender ward, und sich endlich mit blendendwei�en Fl�geln �ber uns erhob, uns beyde in seinen Arm nahm, und so hoch mit uns flog, da� die Erde nur wie eine goldene Sch�ssel mit dem saubersten Schnitzwerk aussah. Dann erinnere ich mir nur, da� wieder jene Blume und der Berg und der Greis vorkamen; aber ich erwachte bald darauf und f�hlte mich von heftiger Liebe bewegt. Ich nahm Abschied von meinem gastfreyen Wirth, der mich bat, ihn oft wieder zu besuchen, was ich ihm zusagte, und auch Wort gehalten haben w�rde, wenn ich nicht bald darauf Rom verlassen h�tte, und ungest�m nach Augsburg gereist w�re.

[Ende des ersten Kapitels]

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