Norbert Lammert wird 75 – heute Chef der Adenauer-Stiftung | Evangelische Zeitung

Norbert Lammert wird 75 – heute Chef der Adenauer-Stiftung

Als Bundestagspräsident lud Norbert Lammert den Papst ins Parlament, mehrfach wurde er als möglicher Bundespräsident gehandelt. Ungebrochen ist auch seine politische Leidenschaft, trotz ganz neuer Herausforderungen.

Er wolle dem politischen Geschehen verbunden bleiben, hatte der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seinem Abschied aus dem Parlament versichert. Das Versprechen löst der Christdemokrat, nun seit sechs Jahren als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), ein.

Dabei hat er die CDU-nahe Stiftung als eigenständigen Akteur und Impulsgeber profiliert, auch im Ausland. Zugleich ist der bekennende Katholik weiterhin als gefragter Festredner unterwegs. Angesichts der ungebrochenen politischen Leidenschaft und Rastlosigkeit überrascht es fast, dass er an diesem Donnerstag seinen 75. Geburtstag feiert.

„Politik, Kultur und Religion“ lautete der Titel eines Vortrags im saarländischen Benediktinerkloster Tholey im vergangenen Jahr. Damit sind jene drei Bereiche genannt, von deren „intelligenter Verbindung“ für Lammert die Grundlagen von Demokratie und innerem Zusammenhalt der Gesellschaft abhängen. Wie viel Religion erträgt aber eine aufgeklärte, moderne, liberale Gesellschaft? „Hoffentlich mindestens so viel, wie ein stabiler, demokratischer Rechtsstaat braucht“, betont er pragmatisch.

Dabei schwingt die Sorge um die Stabilität der Demokratie mit, hierzulande wie international. Zur besseren Vernetzung demokratischer Staaten eröffnete er in Australien und Kanada ein KAS-Büro und stärkte zugleich die Präsenz an den Sitzen internationaler Organisationen wie in Wien, Genf und New York. Derzeit steht vor allem der Nahe Osten im Fokus, wo die KAS traditionell sehr präsent ist.

Mit Blick auf Deutschland ist für den rhetorisch versierten Politiker die Verrohung von Sprache und gesellschaftlicher Auseinandersetzung ein Alarmsignal. Dem will die KAS eine offene Debattenkultur entgegensetzen, die sich auch in einer breiteren Auswahl an Podiumsgästen widerspiegelt.

Lammert galt zwar als Favorit für den KAS-Vorsitz. Allerdings nicht bei der damaligen CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Denn unter dem „milden Matriarchat“ – wie Lammert Merkels Regierungszeit einmal zusammenfasste – war zu viel Widerspruch nicht karriereförderlich. Als Bundestagspräsident hatte er sich allerdings mehrmals im Namen des Parlaments mit der Regierungschefin angelegt – vom Atomausstieg bis zur Griechenlandhilfe.

Vom damaligen Unions-Fraktionschef Volker Kauder handelte er sich dabei den Beinamen „der Unfehlbare“ ein. Merkel bekannte zum Abschied versöhnlich, er habe der Regierung „wenn nötig den ihr im Grundgesetz zugewiesenen Platz zugeordnet“. Mehrmals wurde Lammert auch als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt. Den Zuschlag erhielten andere.

Als intellektueller Kopf stieß Lammert in seiner Karriere schon viele Debatten an. Seit 1980 war er Mitglied im Bundestag. Von 1969 bis 1972 hatte er Politik, Soziologie, Neuere Geschichte und Sozialökonomie studiert – in seiner Heimatstadt Bochum und für ein Semester in Oxford. 1975 promovierte er an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Bochum. Honorarprofessor, NRW-Landesgruppenchef der CDU im Bundestag, profilierter Kulturpolitiker und Staatssekretär – so lauteten weitere Stationen.

Der Altstipendiat des bischöflichen Cusanuswerks ist verheiratet und hat vier Kinder. Er gehört zu der schrumpfenden Zahl von Unionspolitikern, für die der Glaube öffentliche Relevanz besitzt. Seit Jahrzehnten ist er regelmäßiger Gast auf Katholikentagen.

Als Bundestagspräsident lud er Benedikt XVI. ein. Die erste Rede eines deutschen Papstes vor einem gewählten deutschen Parlament 2011 zählt Lammert zu den Höhepunkten seiner Karriere. Umgekehrt besteigt der Politiker selbst gerne mal die Kirchenkanzel. Zuletzt trug er im Juni beim Bach-Fest in der Leipziger Thomaskirche „anstelle einer Predigt“ eine „Reflexion über die Johannes-Passion“ vor.

Sich selbst bezeichnet er als „protestantisch veranlagten Katholiken“ und mahnt Reformen im Sinne des Reformdialogs Synodaler Weg an. 2017 erhielt er den Ökumenischen Predigtpreis für sein Lebenswerk. Die Ehrung galt aber ausdrücklich dem Politiker: „Viele der politischen Reden Lammerts wirken wie Predigten“, hieß es – durchaus mehrdeutig – in der Begründung. Mit der ihm eigenen Ironie und Dialektik mag er bei sich gedacht haben: Entscheidend ist eben die „intelligente Verbindung“.