Wahlleiterin in Niedersachsen unter Druck: Wegen AfD-Listenaufstellung droht Wahlwiederholung - WELT
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Wegen der AfD-Listenaufstellung droht in Niedersachsen eine Wahlwiederholung

Freier Mitarbeiter Investigation & Reportage
Wahlpanne in Niedersachsen: Hätte die AfD mit ihrer Liste nie ins Rennen gehen dürfen? Wahlpanne in Niedersachsen: Hätte die AfD mit ihrer Liste nie ins Rennen gehen dürfen?
Wahlpanne in Niedersachsen: Hätte die AfD mit ihrer Liste nie ins Rennen gehen dürfen?
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Die AfD Niedersachsen soll bei der Aufstellung ihrer Liste für die Landtagswahl gravierende Fehler begangen haben. Obwohl der Landeswahlleiterin entsprechende Vorwürfe bekannt waren, hat sie die Liste zugelassen.

Insgesamt 22 Anfechtungen der Landtagswahl sind beim zuständigen Wahlprüfungsausschuss des Landtags eingegangen. Seit November wird in Niedersachsen über eine mögliche Wahlwiederholung diskutiert. Die wohl prominenteste Beschwerde hatten die FDP-Rechtsexperten Marco Genthe und Alexander Grafe eingereicht, wie WELT AM SONNTAG berichtete. Ihr Vorwurf: Bei der Aufstellung der AfD-Landesliste seien „die Grundsätze einer freien, geheimen und gleichen Wahl auf das Gröbste verletzt“ worden; dies sei „von entscheidender Bedeutung für den demokratischen Gesamtcharakter der Landtagswahl“.

Auch die CDU als größte Oppositionspartei im Landtag hat sich nun in die Angelegenheit eingeschaltet. Die Frage, die sich die Abgeordneten stellen: Hätte die AfD mit ihrer Liste nie ins Rennen gehen dürfen? Fakt ist: Skepsis gab es schon im Juli – aus den Reihen der AfD selbst.

Der frühere AfD-Landesvizechef Christopher Emden schrieb Landeswahlleiterin Ulrike Sachs am 22. Juli eine Mail; diese liegt WELT vor. Er wies Sachs darauf hin, dass laut AfD-Parteisatzung für die Listenaufstellung eine Mitgliederversammlung vorgesehen sei. Stattdessen hatte der neue AfD-Landesvorstand unter Verweis auf Corona bloß eine Delegiertenversammlung abgehalten, an der sich jedoch nicht alle Kreisverbände beteiligen durften. Aus Emdens Sicht hätte die Liste daher keine Zulassung erhalten dürfen.

Trotz dieses Alarmrufs stoppte Sachs die Aufstellung der AfD durch den Landeswahlausschuss am 12. August 2022 nicht. In einer Niederschrift der Sitzung, die WELT vorliegt, heißt es, der Landeswahlvorschlag der AfD habe zwar „Anlass zur Überprüfung gegeben, das Kandidatenaufstellungsverfahren darauf zu untersuchen, ob er unter Beachtung demokratischer Mindestregeln zustande gekommen sei“. Aber nachdem sie erörtert hatte, „ob das Aufstellungsverfahren den wahlrechtlichen Anforderungen gerecht geworden ist“ und dabei auf die von Emden aufgeworfenen Punkte eingegangen war, empfahl sie, die Liste unverändert zuzulassen. Der Ausschuss stimmte einstimmig dafür.

Uwe Schünemann, CDU-Landtagsabgeordneter und früherer niedersächsischer Innenminister, wollte also per Kleiner Anfrage nun wissen: Welche Möglichkeiten hat die Landeswahlleiterin überhaupt, die Rechtmäßigkeit einer Liste zu überprüfen? Wann hatte die Landeswahlleiterin welche Hinweise zur AfD erhalten – wie ist sie diesen nachgegangen? Mittlerweile ist die Antwort der Landesregierung eingegangen; sie liegt WELT vor.

Zum konkreten Vorgehen von Landeswahlleiterin Sachs heißt es darin, dazu könne man keine Angaben machen: Sie sei in der Ausübung ihres Amtes schließlich unabhängig. Grundsätzlich ziele die Prüfung der Landeswahlvorschläge durch die Landeswahlleiterin „vorrangig auf die Einhaltung der formalen Anforderungen sowie auf die Schlüssigkeit der Erklärungen der Parteien und der entsprechenden urkundlichen Belege“ ab. Die Landeswahlleiterin würde die Entscheidung des Landeswahlausschusses lediglich vorbereiten; Wahlvorschläge selbstständig zurückweisen dürfe sie nicht. Faktisch sei ihr Prüfumfang schon dadurch beschränkt, dass sie dafür nur elf Tage Zeit zwischen dem Termin, zu dem die Parteien ihre Listen eingereicht haben müssen, und der Sitzung des Landeswahlausschusses hat.

Aus Sicht von Schünemann bleibt damit offen, ob die Landeswahlleiterin den Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten bei der AfD konsequent nachgegangen ist – „und insbesondere den Wahlprüfungsausschuss entsprechend ausführlich darüber informiert hat.“ Gegenüber WELT kündigte er an, die Landeswahlleiterin in einem Brief um entsprechende Aufklärung bitten zu wollen.

Für FDP-Mann Genthe zeigt die Antwort auf Schünemanns Anfrage, dass sich das Ministerium bereits politisch von der Landeswahlleiterin absetzt, um selbst nicht beschädigt zu werden. Offenbar werde hinter den Kulissen immer deutlicher, dass im Vorfeld der Landtagswahl eklatante Fehler gemacht wurden. „Nun soll aber mit dem Argument der Unabhängigkeit die Landeswahlleiterin zumindest politisch allein für eine notwendige Wiederholungswahl verantwortlich gemacht werden“, so Genthe.

Wie WELT berichtet hatte, hatten mehrere AfD-Mitglieder auch angezweifelt, ob ihr neuer Landesvorstand überhaupt zur Einreichung der Landesliste berechtigt gewesen sei, da bis heute ein Protokoll über seine eigene Wahl fehlt.

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Wie die Sache ausgeht, ist unklar. Der Wahlprüfungsausschuss wollte ursprünglich noch im ersten Quartal 2023 seine erste Sitzung abhalten. Jetzt wird es wohl Mitte April werden. Grund dafür ist auch, dass die Landeswahlleiterin um eine Verlängerung der Frist für ihre Stellungnahme zu den Anfechtungen gebeten hat. Die Prüfung wird vermutlich mehrere Monate in Anspruch nehmen. Wie ein Untersuchungsausschuss kann er Unterlagen anfordern und Zeugen vernehmen. Am Ende muss der gesamte Landtag über eine mögliche Wiederholungswahl entscheiden.

Schünemann betont die Bedeutung des Verfahrens: „Die AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Vor diesem Hintergrund sind Demokratiedefizite auch bei der Aufstellung von Landeslisten zur Landtagswahl grundsätzlich nicht auszuschließen.“

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