Uni Köln lädt bedeutende Philosophin wegen ihrer Haltung zu Israel aus
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Uni Köln lädt bedeutende Philosophin wegen ihrer Haltung zu Israel aus

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Die berühmte US-Philosphin Nancy Fraser wird von der Uni Köln wegen ihrer Haltung zu Israel ausgeladen.

Köln – Die Debatte über den Nahost-Konflikt ist in Deutschland um eine Eskalationsstufe reicher. Die Universität zu Köln hat die berühmte jüdische US-Philosophin Nancy Fraser ausgeladen, weil sie sich kritisch gegenüber Israel geäußert hatte. Sie sollte im Mai die Albertus-Magnus-Professur antreten und dort zwei Vorlesungen halten. Als Grund wurde die Unterschrift Frasers unter den offenen Brief „Philosophy for Palestine“ genannt.

In einer Stellungnahme der Universität heißt es: „Mit großem Bedauern hat die Universität zu Köln die Veranstaltungen der diesjährigen Albertus-Magnus-Professur 2024 abgesagt. In dem offenen Brief wird das Existenzrecht Israels als ‚ethno-suprematistischer Staat‘ seit seiner Gründung 1948 faktisch in Frage gestellt. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7.10.2023 wird in rechtfertigender Weise relativiert. Die Unterzeichner:innen rufen zum akademischen und kulturellen Boykott israelischer Institutionen auf.“ Man hatte trotz der massiven Debatten um den Brief nicht gemerkt, dass Frasers ebenfalls zu den Unterzeichnenden gehört hatte, hieß es aus Köln.

Die Unterzeichnenden waren kurz nach der Veröffentlichung des Briefes im Herbst 2023 öffentlich stark kritisiert worden. Die Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib sagte der Frankfurter Rundschau über den Brief: „Was mich daran störte und immer noch stört, ist, dass der Text so interpretiert werden kann, als wäre er eine Verteidigung der führenden Rolle der Hamas im palästinensischen Freiheitskampf. Ich glaube, die Unterzeichnenden haben nicht erkannt, wie unterschiedlich einzelne Passagen interpretiert werden können.“ Sie halte den Aufruf für problematisch. Und stellte zu Judith Butler und Fraser fest: Beide sind liebe Kolleginnen und beide sind Jüdinnen. Es ist vollkommen unsinnig, ihnen Antisemitismus vorzuwerfen.“

„Symptom einer Hysterie“

Fraser setzte sich gegen die Kritik zur Wehr: „Unser Statement verkleinert in keiner Weise die Brutalität und abstoßende Gewalt des Anschlags, den Hamas-Attentäter am 7. Oktober begangen haben“, sagte sie etwa in einem Interview mit der österreichischen Zeitung „Der Standard“. Israels Eingreifen in Gaza wurde von Fraser, Butler und rund 200 anderen Mitunterschreibenden als „sich entfaltender Genozid“ bezeichnet. Die Kritiker:innen stellten „fälschlich fest, wir würden die Hamas unterstützen – als hätte diese Organisation die Vorreiterrolle bei der Befreiung Palästinas inne. Nichts dergleichen wird von uns behauptet.“

Die US-Philosophin Nancy Fraser.
Die US-Philosophin Nancy Fraser. © imago/Belga

Ihr erscheine die Reaktion auf den Brief „als Symptom einer Hysterie. Das erschwert die Führung einer angemessenen Debatte“, sagte sie weiter. „Es muss das Ziel sein, eine Form der Autonomie und politischen Selbstbestimmung für Palästina zu finden.“ In Reaktion auf die Ausladung Frasers durch die Uni Köln sagte der Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz auf Anfrage der FR: „Die Universität ist der Ort der Auseinandersetzung, der Diskussion auch streitiger Themen... Über philosophische und politische Positionen der prominenten Philosophin Nancy Fraser hätte die Universität Köln den Raum zur Debatte bieten müssen“, erklärte er. Benz sagte weiter: „Sie auszuladen ist nicht nur krähwinkelhaft, es ist unwürdig.“

„Ein Recht auf ihre Meinung“

Seyla Benhabib sagte der FR über die Ausladung: „Ich verurteile auf das Schärfste, dass Professor Nancy Fraser die Albertus-Magnus-Professur entzogen wurde, weil sie den Brief „Philosophy for Palestine“ unterzeichnet hat. Dies ist ein Verstoß gegen die akademische Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Professor Fraser ist eine angesehene Wissenschaftlerin und öffentliche Intellektuelle, und sie hat ein Recht auf ihre Meinung zu kontroversen politischen Themen. Obwohl ich mit diesem Brief nicht einverstanden bin, schätze ich die herausragenden Beiträge meiner Kollegin zur Wissenschaft, auf deren Grundlage sie die Albertus-Magnus-Professur erhalten hat und erhalten sollte.“

Kritik aus der Wissenschaft

Kritik kommt auch von weiteren 22 Wissenschaftlern wie von den Soziologen Stephan Lessenich und Hartmut Rosa oder dem Philosoph Axel Honneth. Sie halten die Entscheidung der Universität Köln als kaum vereinbar mit der Wissenschaftsfreiheit und fordern eine sofortige Rücknahme der Ausladung Frasers.

Die israelische Soziologin Eva Illouz sagte auf Anfrage der FR: „Nancy Fraser ist eine wichtige philosophische Stimme und hat sehr viel zur Philosophie des Feminismus und des Marxismus beigetragen. Ihre Erkenntnisse über den Kapitalismus sind von unschätzbarem Wert. Es besteht kein Zweifel, dass sie die Albertus-Magnus-Professur verdient hat“, erklärte sie und gab zu bedenken:: „Aber bitte beachten Sie die Ironie: Dieselbe progressive Linke, die die simplen und einseitigen Philosophen-Petitionen initiiert hat, die sie unterschrieben hat, ist dieselbe Linke, die auch reichlich Boykott und Streichungen praktiziert hat. Sobald man anfängt, Leute zu streichen, die die Grenzen der eigenen Moral und Politik bedrohen, verändert man die Natur der öffentlichen Sphäre: Eine Streichung ruft eine andere Gegenstreichung hervor. Wenn eine Seite „Zionisten“ ausschließen kann, lässt sich nicht verhindern, dass auch jemand ausgeschlossen wird, der die Idee vertritt, dass Israel ein illegitimes politisches Unterfangen ist.“

Die Hamas hatte mehr als 1200 israelische Zivilisten und Zivilistinnen in einer massiven Attacke getötet, was weltweit für Empörung sorgte. In Reaktion darauf führt Israel Krieg im Gaza-Streifen. Hierbei wurden bereits mehr als 32 000 Menschen getötet, darunter zwei Drittel Frauen und Kinder. Die Vorwürfe gegenüber Israel, hier einen Genozid zu betreiben, hatten zuletzt zugenommen, so etwa von der Seite der Vereinten Nationen.

Dabei stützt man sich auch auf Äußerungen von Mitgliedern der rechts-nationalen Regierung in Jerusalem, die eine Vertreibung der Palästinenser aus der Region fordern. Israel sieht in der Kritik jedoch eine Umkehrung der Täter-Opfer-Rolle. Die Hamas provoziere die hohe Zahl an zivilen Opfern.

Das Land steht wegen seiner Politik gegenüber den Palästinensern seit längerem in der Kritik, unter anderem wurden Boykott-Aufrufe laut. Diese fanden sich auch in dem Brief „Philosophy for Palestine“. Einem Boykott-Aufruf wollte die Universität keine Bühne bieten. Die Entscheidung, Nancy Fraser nicht einzuladen, ist nach Informationen der FR kontrovers diskutiert worden. Man habe nichts gegen Auftritte der US-Philosophin in Veranstaltungen des philosophischen Seminars, hieß es, im Rahmen der Albertus-Magnus-Professur mit ihrer hohen Symbolkraft hatte man offenbar Befürchtungen, intern und in der Stadt Köln falsche Akzente zu setzen. Die Stadt Köln hatte vor einigen Jahren bereits eine israel-kritische Ausstellung von „Breaking the Silence“ abgesagt und war dafür massiv kritisiert worden.

Letztlich habe der Rektor der Uni Köln, Joybrato Mukherjee, die Entscheidung getroffen, die Philosophin auszuladen. Geplant sei nun eine Veranstaltung im Mai, auf der kontrovers über die Themen und die Ausladung diskutiert werden soll. Eingeladen dazu ist auch Nancy Fraser.

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