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Rockabilly Bewegung

Die Musik hat den Rockabilly geprägt und steht auch heute noch im Mittelpunkt seiner Anhänger

Was ist Rockabilly? Rockabilly wurde 1954 geboren, als Elvis Presley mit Scotty und Bill „Thats’s All Right“, einen Bluessong mit einem Country & Western-Rhythmus, einspielte. Dabei sind insbesondere Gitarre, Standbass, Schlagzeug und ein Klavier charakteristisch – und das sind auch die ziemlich einfachen Instrumente der Rockabilly-Musik. Die Vocals sind Uptempo und sie enthielten zuweilen Stottern und Schluckauf sowie Vocal Swoops von Bass zu Falsett und wieder zurück. Im Vergleich zum damals angesagten Standard-Radio-Mainstream waren das ziemliche Veränderungen und brachten so ein Gefühl von Rebellion der Teenager gegen das miefige Establishment, von jugendlichem Aufbegehren und von der Sehnsucht nach Freiheit mit sich.

Ende der 1950er Jahre hatte sich der ursprüngliche Rockabilly Sound zum Mainstream-Rock ‘n’ Roll hin verändert. Zwischenzeitlich entwickelte sich ein Rockabilly Style, der neben den Musikstücken auch die Kleidung, den Film und andere Bereiche der Jugendkultur veränderte. Bis heute wirkt Rockabilly nach – als besonderer Lifestyle zwischen Mode und Subkultur.

Inhalte

Pomade, Petticoat und Pompadour

Heute sind Retro und Vintage Looks besonders angesagt. Möbel und Dekorationen in einem den 50ern nachempfundenen Shabby Chic gehören dazu wie Petticoats unter schwingenden Röcken oder auch der Pompadour, ein Männerhaarschnitt mit ganz kurz geschnittener Seitenpartie und langem Deckhaar. Dabei sind Trends wie Retro und Vintage keine Erfindung unserer Zeit – hinter dem Style der Oldschool-Einrichtungen und der Mode von Frisuren und Kleidung verbergen sich die Auswirkungen der Rockabilly Kultur der 50er.

Dem Klischee zufolge sind Pomade im Haar, weit ausladende Petticoats und Elvis Presleys Hüftschwung die Hauptzutaten des Rockabilly.

Dabei war „Thats’s All Right“ Ausdruck einer Protestbewegung und Soundtrack der „jungen Wilden“: In den Vereinigten Staaten war der Beginn der 50er Jahre von der Nachkriegsgeneration der Beatniks geprägt worden – einer Kultur der Underdogs und des lauten Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Konventionen und Verhaltensmuster. Dabei ging es zunächst nicht vorrangig um die Musik, feierten doch Schriftsteller wie William Burroughs, Jack Kerouac oder Allen Ginsberg neben den Improvisationen des Black Bibop hauptsächlich einen ebenso spontanen und unkonventionellen wie kreativen Lebensstil.

Erst danach war „That’s Alright Mama“ zum Prototyp der Rockabilly Musik geworden – daneben machten sich Bill Haley & His Comets mit „Rock Around The Clock“ gleichfalls 1954 daran, die damalige Musikwelt aufzumischen.

Eine Spielart

Elvis Presleys “That’s All Right” steht heute auf Platz 112 in der Liste der 500 besten Songs aller Zeiten. Zusammen mit “Blue Suede Shoes” von Carl Perkins, “One Hand Loose” von Charlie Feathers With Jody and Jerry oder “The Train Kept A-Rollin’” von Johnny Burnette and the Rock ‘N’ Roll Trio veröffentlichte Elvis außerdem mit “Baby Let’s Play House” und “Good Rockin’ Tonight” waschechte Rockabilly Hits.

Zwar steht “Rock ‘n’ Roll” über allem – nichtsdestotrotz sind Rockabilly und Rock ‘n’ Roll nicht das dasselbe. Als weiße Musiker die Unterhaltungsmusik der Afroamerikaner für sich entdeckten und ihre ganz eigenen Versionen schufen, war der Rock ‘n’ Roll geboren. So ist Rock ’n’ Roll heute ein Sammelbegriff für die Vielzahl von Vorläufern unserer modernen Rockmusik.

Dagegen ist Rockabilly nur als Spielart der Rockmusik zu betrachten: Für ihn vermischten die Hillbillys der US-Südstaaten schwarzen Rhythm and Blues mit der ländlich geprägten Countrymusik.

Die eigentlich zu ihrer Entstehungszeit ziemlich nebensächliche Rock-Variante wurde erst zur Bezeichnung eines populären Trends, als zu Beginn der 1980er Jahre ein ebenso massentaugliches wie faszinierendes Revival der Rockabilly-Musik entstanden war. Im Jahr 2004 erreichte Elvis mit „That’s All Right“ erneut die internationalen Charts mit Platz 47 in Schweden und Platz 31 in Australien – und ganz egal, ob Neo-Rockabilly oder Rock’n’Roll-Bewegung – die beiden Trends prägten nicht nur die Musik. Vielmehr beeinflussten sie auch die Mode, die Frisuren, den Einrichtungsstil und die Attitüde ihrer Fans.

Die Befreiung

Im schwarzen Rhythm and Blues war zuerst irgendwann die Rede vom sexy „rock and roll“ für „wiegen und wälzen“. Später war der Begriff vom amerikanische DJ Alan Freed eingeführt worden, als er den Rhythm and Blues in seinen Radioshows spielte. Laut, wild und aggressiv unterschied sich dir Musik von Little Richard, Jerry Lee Lewis, Elvis Presley und Chuck Berry von den so süßlichen Radiohits der Elterngeneration. Sie lösten mit ihren spannungsreichen, oft sexuell konnotierten Darbietungen jede Menge Emotionen aus und führten so peu à peu zu einer Spaltung der Generationen. Die Jugend bekam nun ihre ganz eigene Musik, die Bedürfnisse und Stimmungen beschrieb, sich von den üblichen gesellschaftlichen Konventionen absetzte und regelrecht befreiend wirkte. Neben dem oftmals als respektlos empfundenen Verhalten drückte sich diese Befreiung auch im Tanzstil aus.

Diese dominierende Dimension hatte der Rock’n’Roll ein Jahrzehnt später wieder verloren. Einstige Helden wie Eddie Cochran und Buddy Holly oder James Dean waren nicht mehr am Leben und die Bühne gehörte fortan der Beatmusik, die als Merseybeat von London und Liverpool aus um die Welt zog. Daraus entstand in der zweiten Hälfte der 60er Jahre die Hippiebewegung – und plötzlich war der Rock’n’Roll wieder da: Bill Haleys „Shake, Rattle and Roll“ kam wieder in die Charts, gleichzeitig waren Tollen, Petticoats und die Longjacketts der Teddy Boys wieder en vogue und mit den Stray Cats und Shakin’ Stevens wurde ein Neo-Rockabilly erneut gesellschaftsfähig.

Von Beginn an gab es eine enge Verbindung von Rockabillymusik, Tanz, Filmen, Pin-Up ‘s und Rockabilly-Lifestyle – und das ist bis heute so: Ständig tanzen weltweit zahllose Weekender zur Rockabilly-Lifemusik. Tanzwettbewerbe werden veranstaltet und in den Metropolen gibt es Record Hops, bei denen Stroller-, Boogie-Woogie-, Jive- und Lindy-Hop-Fans über die Tanzböden wirbeln.

Das Rockabilly-Outfit

Direkte Erkennbarkeit ist eine der Regeln aller Subkulturen: Sowohl auf Events als auch im gesamten täglichen Leben wollen Rockabilly-Anhänger deutlich erkennbar sein.

Erstes Kriterium ist dabei das gepflegte Auftreten. Mit knallroten Lippen und definiertem Lidstrich à la Betty Boop in ihren Cartoons erstrahlt die Rockabella mit ausdrucksstarkem Make-up. Der Rockabilly hält stets den Kamm in der Hosentasche griffbereit, so wie James Dean und die anderen Darsteller der kultigen Film e.

“Jailhouse-Rock”, „East of Eden“, “The Rock and Roll Singer”, „Rebel Without a Cause“: Filme haben bis dato Einfluss auf die Popularität von Tatoos in der Szene. Als stilbildende Motive sind Kirschen, Pin-Up Girls, Würfel, Schwalben, Sterne, Anker, Totenköpfe, Eight Balls und das „True Love“-Pärchen besonders beliebt.

Dazu tragen Frauen Pferdeschwanz, akkurate geschnittene Ponys und kunstvolle Victory Rolls und die Männer saubere Pomadenfrisuren – „Graser“ genannt, von englisch „Fett- oder Schmierkopf. Variationen sind Teddy-Boy-Stirnlocken, Entenärsche oder schnell gemachte Einfach-Tollen.

Die Damengarderobe ist umfangreich: Ein Kleid mit Petticoat zu Pencil-Shirts, Tellerröcke, Marlenehosen, High-Waist-Shorts und die unverzichtbaren Neckholder-Dresses setzen die Figur gekonnt in Szene. Hibiskus-, Anker- und Schwalbendessins, Polka Dots, Leoparden- und Streifenmuster und ein Kleid im Matrosenlook gehören dazu. Dabei bevorzugen Rockabellas Vintage Teile aus den 1950ern und die passenden Designerstücke spezialisierter kleiner Fashionlabels.

Dank James Dean reichen den Männern weiße T-Shirts mit Zigarettenschachteln im hochgekrempelten Ärmel zu Blue Jeans mit Umschlag. Dazu passen Creepers mit besonders dicken Sohlen – und natürlich Hosenträger.

Dabei hat die Bekleidung eine wichtige Signalwirkung: Während die sanften Hep Cats mit Gamaschen, Mänteln und weichen Hüten dem feinen Swing-Look frönen, treten die maskulin-aggressiven Teddy Boys im knielangen Jackett mit Stirnlocke auf.

Handfesten Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gangs sind inzwischen längst Geschichte – nichtsdestotrotz spielen die optischen Merkmale bis heute eine bedeutende Rolle in der Rockabilly-Subkultur.

Retro Möbel und Hot Rods

Sounds und Fashion sind es nicht allein: Die Wohnungen werden mit Club- und Cocktailsesseln, Nierentischen, Barhockern, Glasvitrinen und Servierwagen ausgestattet, die entweder original erhalten, zeitgenössisch nachgebaut sind oder vom Flohmarkt stammen. American Diner, Retro oder Vintage StylesProduct Möbel sind ebenso angesagt wie robustes Resopal und zarte Pastelltöne.

Bei echten Rockabillyfans werden auch Fahrzeuge im autenthischen Style präsentiert: Zu namhaften Oldtimern wie Cadillacs, Plymouth Savoys, Chevrolets, Thunderbirds, Rolls Royces und Pick-ups kommen die Hot Rods der 1920er bis 1940er Jahre. Sie fahren besonders sorgfältig hochgerüstet und restauriert oder ziemlich naturbelassen als „Rusty Cars“ vor.

Authentizität vs. Modetrend

Das Rock’n’Roll überall optisch zum Ausdruck kommen kann, hat die weltweite Konsumindustrie schon längst entdeckt. Das Internet quillt über von Rockabilly-Online-Shops, die mit Slogans wie „Lebe den Rock’n’Roll-Lifestyle“ werben und damit die echten Rockabilly Fans regelrecht verärgern. Denn schließlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man sich lediglich einen Modefummel kauft oder den authentischen Stil pflegt.

So verteidigt die Community ihren Lebensstil vehement gegen die „Plastics“ – und wer mit amateurhaften Victory Rolls, falschen Petticoats zum hübschen Kleid aus dem neuen Modemagazin oder mit zeitweilig aufgekrempelten Jeans auftritt, muss sich über schiefe Blicke aus dem Zentrum der echten Szene nicht wundern.

So schotten sich die Tänzer, die Konzertgänger und die Weekenderbesucher immer mehr ab. Wahrscheinlich ist die große Leidenschaft für Rockabilly der ausschlaggebende Grund – eine Leidenschaft, die schon viele Modetrends überdauert hat.

Letztendlich unterscheidet sich Rockabilly deshalb von Retro, Vintage, Shabby Chic oder anderen Trends: Einmal Petticoat und Pompadour – immer Petticoat und Pompadour!

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