Malonda: „Mir ist egal, wenn sich Weiße mit Dreadlocks ihre Haare ruinieren wollen“
Die Berliner Sängerin Malonda macht elektronischen Disco-Divenpop zwischen Grace Jones und Hildegard Knef. Aber sie ist auch Aktivistin. Wie geht das zusammen?

An einem milden Nachmittag im März sind wir mit Malonda im Bistro Oetke in Kreuzberg verabredet. Malonda ordert sich ein „Bauernfrühstück“ mit Kartoffeln. Statt Ketchup möchte sie lieber Pfeffer und Salz. Und ein großes Mineralwasser. Es gibt ja auch viel zu besprechen: die Silvesterdebatte, die sie rassistisch nennt, den Frust und die Wut über das Integrationsversprechen dieses Landes, und die Frage, wie Malonda all dies in ihrer Musik verarbeitet – auf die man dann am Ende auch noch tanzen können soll.
Malonda, Ihre Ikonen sind Grace Jones und Hildegard Knef.
Die Attitüde verbindet sie mehr als die Musik. Ich lasse mich von beidem beeinflussen. Vielleicht ein bisschen wie Sampling oder Remixing. Gewissermaßen etwas, was Schwarze Künstler*innen schon sehr lange tun – manchmal schon deshalb, weil eigene Instrumente zu teuer sind. Aber das ist es nicht allein. Es geht auch darum, Einflüsse von anderen aufzunehmen. Da sind wir schnell bei Debatten um kulturelle Aneignung. Diese Debatten finde ich aber sehr anstrengend.

Warum?
Weil sie völlig falsch geführt werden. Es geht nicht darum, wer welche Musik macht. Mir ist es auch egal, wenn sich weiße Menschen mit Dreadlocks ihre Haare ruinieren wollen. Die Leute reden nicht darüber, worum es eigentlich gehen sollte.
Und was wäre das?
Um Ausbeutungsverhältnisse innerhalb eines kapitalistischen Systems. Leute, die sich aus einer Machtposition heraus an Dingen bedienen, für die andere marginalisiert werden. Das ist eine beschissene Praxis. Und dann wird auch noch oft in einem kolonialen Duktus gesagt: Tja, aber Zivilisation funktioniert halt so. Aber bitte, noch mal zurück zur Musik!
Grace Jones und Hildegard Knef.
Sie inspirieren mich. Mein Album bildet auch meine musikalische Biografie ab. Was ich auf WDR 4, aber auch auf den Platten meiner leiblichen Mutter gehört habe. Donna Summer, Tina Turner, es gibt eine Hommage an die Ad-Libs von Whitney Houston. Auf meiner ersten Platte will ich zeigen, worauf ich so Bock habe. Elektronischer Divenpop. Der rote Faden bin ich als Erzählerin.
In „Feuerfrau 2.0“ nehmen Sie Bezug auf Ihren eigenen Song „Feuerfrau“ – und korrigieren darin eine eigene Zeile von sich, die Sie im Nachhinein als rassistisch empfinden.
Davon bin ich ja nicht frei. Deshalb war es mir wichtig, zu zeigen, zu markieren, dass es diesen Prozess gegeben hat. Wir sind alle rassistisch sozialisiert, wir sind gerade alle auch Lernende. Auch mit dem Privileg, voneinander lernen zu dürfen. Wenn wir uns darauf einlassen zuzuhören. Eine bessere Fehlerkultur stünde diesem Land eh ganz gut zu Gesicht.
Ihr Album beginnt mit der Geschichte von Hedy Lamarr. Was hat es damit auf sich?
Ich habe vor einigen Jahren mal einen Artikel gelesen über diesen Hollywoodstar, der nebenbei das WiFi erfunden hat: Hedy Lamarr. Letztlich bin ich mir nicht sicher, ob ihre Geschichte schön oder tragisch ist, wahrscheinlich beides. Ich wollte ihr eine Hymne widmen.
Inwiefern schön und inwieweit tragisch?
Zum Ende ihres Lebens hin hat sie das Haus kaum noch verlassen. Sie musste als Jüdin ins Exil gehen, aber hat sich eigentlich nach Österreich zurückgesehnt. Ihre Karriere, die sie hätte haben sollen als schönste Frau der Welt, als die sie ja galt, wurde durch den Zweiten Weltkrieg auf die denkbar unschönste Weise unterbrochen. Und in den 1950ern galt sie dann schon als zu alt für Hollywood. Trotzdem war sie eine Ikone, auch im queerfeministischen Sinne. Mit ihrem ersten gespielten Orgasmus on screen, ihrer freien Sexualität – das war schon cool!
Schade, dass sie Ihre Hymne nun nicht hören kann.
Weiß man nicht. Vielleicht hätte sie auch Dinge daran auszusetzen. Sie war ja sehr kritisch.
In einem anderen Song auf Ihrer Platte, „Weil ich’s kann“, geht’s auch darum, nach jeder abgeschlossenen Beziehung wieder bei null anzufangen.
Ich würde das Lied nicht so ernst nehmen, es geht ja um Dating, in einer Welt, in der Dating nicht super einfach ist. Zumindest für manche Menschen. Und zugleich können klare sexuelle Begegnungen ja Spaß machen. Ist das Datingleben nun gut oder schlecht? An einem Tag finde ich es frustrierend, am nächsten könnte ich es mir nicht anders vorstellen.
Sängerin Malonda: „Berlin ist wie eine super ehrliche beste Freundin“
Wie ist es um Ihre Beziehung mit Berlin bestellt?
Wir haben eine gute Beziehung zueinander. Komplex. Aber Berlin ist wie eine super ehrliche beste Freundin.
Sie sind ja nicht in Berlin aufgewachsen, sondern in Essen. Mit Zwischenstation in Hamburg.
Und in Freiburg. Und in Stuttgart.

Fühlt sich Dating in Berlin noch mal anders an in der Hauptstadt der Singles, in der sich viele nicht binden wollen?
Meine erste richtig ernste Beziehung hatte ich in Berlin. Aber wissen Sie was: Ich bin nicht die Person, mit der man über Dating reden sollte.
Aber Sie haben doch einen Song über Dating gemacht.
Oder ist es ein Song darüber, wie schwer mir Dating fällt?
Malonda: „Nach Frust in politischen Kämpfen ist Musik genau das Richtige“
Eben meinten Sie auch, wir sollen den Song nicht zu ernst nehmen. Wie partyentspannt sehen Sie denn Ihre Musik? Sie hat ja doch auch ernste Untertöne. Und Sie selbst sind Aktivistin.
Das lässt sich für mich nicht so krass voneinander abgrenzen. Alles, was in meinem Aktivismus vorkommt, findet sich auch in meiner Musik. Und umgekehrt ist es aber auch so, dass nach bestimmten Frustrationen, die ich in politischen Kämpfen erlebe, Musikmachen für mich genau das Richtige ist. Weil ich in meiner Kunst auch meine Freiheit ausdrücke. Und auch bei den Untertönen habe ich mir natürlich etwas gedacht. Wenn auch nicht alles so explizit ist wie bei „Deutschungshoheit“ oder bei der „Neujahrsansprache“.
„Deutschungshoheit“ hat mich auch an die Integrationsdebatte nach Silvester erinnert.
Es ist lange davor entstanden, die Silvesterdebatte ist ja nichts Neues. Es gibt diese rassistischen Integrationsdebatten seit jeher. Auch wenn Menschen so etwas sagen wie „2015 darf sich nicht wiederholen“, ist das ja nur eine rassistische Chiffre. All das ist Teil des Mainstreams, dominiert von rechten Politiker*innen. Wie erfolgreich das ist? Bei der Berlin-Wahl hat die CDU mit solchen talking points gewonnen.
In Ihrem Lied singen Sie: „Ich habe gedacht, wenn ich mich hier assimilier / Dann werd ich ein Stück vom glücklichen Wir.“ Spricht das auch aus Ihrer Seele?
Na klar. Die Ich-Form auf dem Album ist auch autobiografisch.
Also ist Malonda keine Kunstfigur?
Die Diva ist eine Kunstfigur. Darin fühle ich mich sehr sicher – auch um Dinge zu sagen, die, in anderer Form, nicht so unterhaltsam wären. Die Art der Präsentation, die Sprachlichkeit, ist eine künstlerische, bildhaftere als die Art, wie ich im Alltag spreche, auch in Tweets oder Essays. Wenn ich deutlich werde, fühlen sich auch manchmal Leute angegriffen. Aber wenn ich es als Kunstfigur singe, dann können Leute dazu tanzen.
Ist das Ihr Trick? Quasi Ihr Trojanisches Pferd, dass Sie den Leuten Disco geben und dann steckt Debatte drin?
Wenn es mein Trick wäre, wäre es ja maximal blöd, das zu verraten. (lacht) Aber eigentlich ist das ja kein verschleierter Vorgang. Ich habe in meiner Kunst den Anspruch, von meiner politischen Haltung zu sprechen. Aber auch zu sagen: Eine Diva im Deutschland des 21. Jahrhunderts sieht so aus!
Nochmal zum Glücksversprechen der Integration: Wann und wie haben Sie gemerkt, dass das für Sie so nicht aufgeht? Oder dass es vielleicht sogar eine Lüge ist?
Das ist bis zu meinen Zwanzigern immer wieder mal aufgeploppt. Aber am drastischsten habe ich es 2016 erlebt, als ich in Berlin auf dem Asphalt lag, wegen racial profiling. Da wusste ich es ganz genau.
Malonda: „In der Nähe vom Alexa ist ein Polizeiauto vor mir eingeschert“
Was ist da passiert?
Ich bin in Kreuzberg in mein Auto gestiegen, habe afrikanischen HipHop gehört und bin mit offenem Fenster im Hoodie nach Mitte gefahren. In der Nähe vom Alexa ist ein Polizeiauto vor mir eingeschert und eines hinter mir und eines von der Seite. Meine Tür wurde aufgerissen. Ich meinte, dass ich mich noch abschnallen müsse. Da haben die Polizisten mich nachgeäfft und rausgezerrt und nach Waffen abgetastet, mich auf den Boden gelegt und in Handschellen ins Polizeiauto geführt. Angeblich, weil das Auto, in dem ich fuhr, als gestohlen gemeldet war. Ich meinte: „Das wäre sehr seltsam, denn das ist mein Auto.“ Die Papiere lagen auf meinem Beifahrersitz.
Und wie konnte das sein, dass Ihr Auto als gestohlen gemeldet wurde?
Es wurde nicht als gestohlen gemeldet. Das war einfach racial profiling.
Wie hatten Sie denn davor eigentlich versucht, sich zu assimilieren?
Das fängt bei kleinen Dingen an. Als nichtweiße Person habe ich immer versucht, besonders klares Hochdeutsch zu sprechen. Mich besonders gewählt auszudrücken. Nicht so laut zu reden. Das war internalisierter Rassismus. Ich war mit geducktem Kopf zwischen den Schultern unterwegs.
Und seitdem Sie für sich erkannt haben, dass das eh nichts bringt, lassen Sie das bleiben? Insofern wäre die Erkenntnis ja auch empowernd.
Da kann Empowerment draus erwachsen, es führt aber erst zu Verzweiflung. Diese Erkenntnis, in einem Land zu leben, das einen schlicht nicht will. Weil du angeblich nicht so aussiehst, nicht so sprichst, als würdest du hierher gehören. Schon sehr doof. Es wird so getan, als wäre Deutschland kein Einwanderungsland. So als wäre es nicht auch von migrantischen Arbeiter*innen aufgebaut. Als würden wir uns unsere Erfahrungen einfach ausdenken. Empowerment kommt also nicht sofort. Davor kommt Wut. Und die kommt zwischendurch auch immer wieder.
Malonda: „Menschen, die hier leben, werden mit Gewalt zu Fremden gemacht“
Fühlen Sie dadurch auch mit den Jungs auf der Sonnenallee, denen gesagt wird, sie hätten sich nicht korrekt integriert? Haben Sie Empathie für die Menschen, denen vorgeworfen wird, Integrationsverweigerer zu sein?
Es geht mir um mehr als Empathie. Es geht um Solidarität. Menschen, die hier leben, werden mit Gewalt zu Fremden gemacht. Das ist doch Dreck! Ich mache Aktivismus nicht, weil ich nichts Besseres zu tun hätte, sondern weil ich Menschen eine Stimme geben will.
Sie meinen, Mitgefühl reicht nicht, sondern man muss handeln?
Aktivismus ist noch mal eine weitere Entscheidung. Aber Empörung und Solidarität sind das Mindeste.

Im finalen Track auf Ihrem neuen Album geben Sie selbst als Bundeskanzlerin die Neujahrsansprache. Eine Vision?
Eine Schwarze Frau als Bundeskanzlerin würde nicht reichen. Das kann nicht das Endziel sein. Es geht auch darüber hinaus um eine faire gesellschaftliche Teilhabe für alle. Nicht nur eine einzige Person, die als Token abgefeiert wird. Aber ich wusste: Wenn ich dieses Album mache, dann kommt meine Rede da drauf.
Rio Reiser sang mal: Das alles und noch viel mehr würd ich machen, wenn ich König von Deutschland wär.
Genau! Beim Texten dachte ich: Ab heute bin ich Mutti.
Mutti Merkel?
Nee, Mamalonda. Aber bitte, nicht alles in dieser Rede ist ernst. In dem ganzen Stück gibt es glaube ich nur einen ernstgemeinten Satz. Ich verrate nicht welchen.
Malonda: Mein Herz ist ein dunkler Kontinent. Springstoff 2023
Anmerkung: Malonda legt Wert auf das Gendern mit Sonderzeichen zur Sichtbarmachung aller Geschlechter, wie auch auf die Großschreibung von Schwarz als Eigenbezeichnung.