Michael Verhoeven: „Ich habe nie bereut, dass ich ein Doppelleben führen konnte“

Michael Verhoeven: „Ich habe nie bereut, dass ich ein Doppelleben führen konnte“

Seinen Kriegsfilm „o.k.“ von 1970 gibt es nun  endlich auf DVD: Michael Verhoeven über den Berlinale-Skandal, seine Ehe mit Senta Berger und sein Long Covid.

German Glamour anno 1967: das junge Ehepaar Senta Berger und Michael Verhoeven auf dem Burda Ball in München.
German Glamour anno 1967: das junge Ehepaar Senta Berger und Michael Verhoeven auf dem Burda Ball in München.imago/United Archives/Heinz Browers

München-„Der Film, der die Berlinale sprengte!“, so lautete 1970 der Werbeslogan für „o.k.“, den wohl ersten deutschen Anti-Vietnamkrieg-Film. Der Regisseur Michael Verhoeven mag diesen Slogan gar nicht und erinnert sich nur zu gut, warum die Berlinale vor 51 Jahren tatsächlich das erste und einzige Mal in ihrer Geschichte abgebrochen wurde. 

Jahrzehntelang war der kontrovers diskutierte Skandalfilm nach einer wahren Begebenheit in Vietnam nicht mehr zu sehen. Am 19. März erscheint „o.k.“ nun endlich auf DVD. Für Verhoeven eine besondere Freude, weil er so um diesen Film kämpfen musste. Mit 82 blickt der waschechte Berliner noch einmal zurück, erzählt er von seinem Doppelleben als Arzt und Filmemacher und von seinem ersten Kuss mit Senta Berger, 79, mit der er seit 1966 (!) verheiratet ist. (Ihre beiden gemeinsamen Söhne Luca und Simon sind heute ebenfalls im Filmbusiness tätig.) Einen schweren Schlag musste Verhoeven im Oktober letzten Jahres einstecken: Er steckte sich in der Bahn mit dem Corona-Virus an und ist davon immer noch nicht ganz genesen. Aber reden wir doch zunächst einmal über den Film, der ihn international berühmt gemacht hat.

1970 kam es durch Ihren Film „o.k.“ zum Abbruch der Berlinale. Wie fing das alles an?

US-Regisseur George Stevens war der damalige Jury-Präsident, und er hatte allen Grund, meinen Film nicht zu mögen. Stevens war ein „Falke“, also ein Hardliner, und er verlangte, dass dieser Film aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden muss. Da die Berlinale aber ein A-Festival ist, war das gar nicht möglich. Das hat Stevens weder gewusst noch verstanden. Er hat gesagt: Entweder fliegt der Film raus oder ich fliege in die USA zurück.

Was gefiel ihm denn an „o.k.“ nicht?

Es ist ein Film nach einer wahren Begebenheit aus dem Vietnamkrieg. Fünf US-Soldaten langweilten sich in einer Gefechtspause und vergewaltigten und töteten eine junge Südvietnamesin. Einer der GIs hat Anzeige erstattet. Die Täter wurden zuerst hart bestraft, aber nach kurzer Zeit wieder in die Armee aufgenommen.

Ich habe diese Geschichte nach Deutschland verlegt und kleidete die Schauspieler in US-Uniformen, ließ sie aber in bayerischem Dialekt sprechen. Damit wollte ich das Geschehen näher an uns heranziehen. Denn über den Vietnamkrieg wurde damals allabendlich ausführlich im Fernsehen und in der Wochenschau berichtet. Der ferne Krieg war bei uns zum Entertainment geworden, so sah ich das. Und genau dagegen sollte mein Film ein Statement sein. Aber Stevens meinte, dieser Film verstoße gegen die Völkerverständigung. Angeblich verlangte er eine erneute Prüfung durch die Auswahlkommission. Viele sahen das als eine Art Zensur.

Welches Anliegen verfolgten Sie mit dem Film?

In einem kleinen Artikel im Magazin Der Spiegel hatte ich von dem Vorfall gelesen und habe daraus zunächst ein Theaterstück gemacht. Für den Filmproduzenten Rob Houwer hatte ich in den Jahren davor innerhalb eines Vertrags für vier Filme zwei Filmkomödien inszeniert, aber den dritten Film hatte ich wegen des schwachen Drehbuchs abgelehnt. Um aus dem ungeliebten Vertrag mit Houwer herauszukommen, habe ich ihm das Theaterstück als Filmstoff angeboten. Houwer war davon sehr angetan, und so kam es, dass er der Produzent von „o.k.“ wurde. Heute bedauere ich das. Ich wäre mit dem Film anders umgegangen.

Inwiefern?

Ich hätte den Film nicht beworben mit dem Slogan „Der Film, der die Berlinale sprengte!“.

Aber er hat doch die Berlinale gesprengt!

Nein, hat er nicht: Die Berlinale ist damals an den Lügengeschichten der Berlinale-Leitung kaputtgegangen.

Michael Verhoeven heute.
Michael Verhoeven heute.imago images/Mary Evans

Worauf kam es dem jungen Michael Verhoeven bei „o.k.“ denn vor allem an?

Es hieß immer, dieser Krieg würde für die gesamte westliche Welt ausgefochten. Das wollte ich nicht akzeptieren. Der Vietnamkrieg polarisierte damals die Deutschen. Die Älteren sahen ihn überwiegend als Verteidigung der westlichen Welt. Aber die jüngere Generation war gegen diesen Krieg, wenigstens überwiegend. Auf der Berlinale wurde mein Film vom jungen Publikum sehr positiv aufgenommen, ja sogar gefeiert.

Wie stand eigentlich der damalige Berlinale-Festivalleiter Dr. Alfred Bauer zu Ihnen und Ihrem Film?

Na ja, wie gesagt, er hat gelogen. Nach dem Film wurden wir von einem Lokal, der „Brasserie“, abgewiesen. Dieses Lokal gehörte ausgerechnet einem deutschen Jurymitglied. Und eine Cutterin, die ich kannte, hat mir im Vorbeigehen zugeraunt, gegen meinen Film sei etwas im Gange. Zufällig wohnte Rob Houwer im gleichen Hotel wie ein Jurymitglied aus dem damaligen Jugoslawien, und dieses Jurymitglied berichtete ihm, es habe große Aufregung im Vorführraum gegeben und der Film solle vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.

Wir sind am nächsten Tag sofort zu Dr. Bauer gegangen, der hat jedoch alles abgestritten. Es sagte, über „o.k.“ hätte es überhaupt keine Diskussion gegeben. Wir konnten uns aber nicht auf das Jurymitglied berufen, denn Mitglieder der Jury durften nichts über die Jurysitzungen berichten. Am selben Tag fand ein großer Dampferausflug für die Berlinale-Gäste statt, an dem auch die Presseleute teilnahmen. Das Pressebüro war praktisch verwaist. Darum gelang es Houwer, Fernschreiben an alle möglichen Zeitungen und Redaktionen zu verschicken, in denen wir mitteilten, „o.k.“ solle aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden. Dr. Bauer leugne das aber ab. Unseren Informanten – es war der Filmemacher Dušan Makavejev – nannten wir natürlich nicht.

Später gab sich Dušan Makavejev jedoch selber zu erkennen.

Es gab viele Pressekonferenzen, und die Journalisten wurden allmählich mit uns ungeduldig, weil wir den Namen nicht preisgeben wollten. Bei einer weiteren PK tauchte plötzlich ein Telegrammbote auf. Er rief in die Menge: „Gibt es hier einen Dr. Bauer?“ Der Saal teilte sich wie das Meer vor Moses und der Bote ging mit in die Höhe gehaltenem Telegramm nach vorn zum Tisch der Verantwortlichen, die gerade dabei waren, Houwer und mich als Lügner abzustempeln. Das Telegramm war von Dušan Makavejev und es wurde verlesen. Darin stand, dass alles stimmte, was Houwer und Verhoeven behaupteten: Dušan Makavejev erklärte seinen Austritt aus der Jury und berichtete, was sich hinter verschlossenen Türen tatsächlich abgespielt hatte.

Meine Frau und ich versuchen, dass unsere Erfahrungen bei unseren Kindern nicht verloren gehen. Aber wir sind nicht autoritär – gar nicht.

Michael Verhoeven, Regisseur und Arzt

Das war dann das Ende dieser Berlinale, oder?

Für die Journalisten war damit klar, dass sie von der Festivalleitung angelogen worden sind. So kam es zum Umschwung der Stimmung. Rob Houwer und ich zogen unseren Film zurück. Die internationalen Filmemacher waren ebenfalls empört und zogen geschlossen ihre Filme zurück. Auch Rainer Werner Fassbinder, der den zweiten deutschen Beitrag im Wettbewerb hatte. Das Festival stand urplötzlich ohne Filme da. Es wurde abgebrochen.

Wie fühlten Sie sich mit dem Abbruch?

Das war sehr traurig, weil wir natürlich Chancen gesehen hatten, einen Preis zu bekommen. Für den Film selbst war es generell nicht gut. Kurioserweise gab es noch eine letzte Pressekonferenz, zu der ausgerechnet ich aber nicht in den Saal eingelassen wurde.

Hat sich Dr. Alfred Bauer jemals bei Ihnen entschuldigt?

Nein, er hat nie zugegeben, dass er gelogen hat. Und ich bin gar nicht überrascht, wenn ich heute höre und lese, dass er eine ganz üble Rolle in der NS-Filmpolitik gespielt hat, die er nach dem Krieg verschwiegen und schöngeredet hat. Wie konnte Dr. Bauer seine Biografie als strammer Nazi verschweigen und nach dem Krieg in Berlin Festivalleiter werden? Warum ist das niemandem aufgefallen? Groteskerweise gab es bei der Berlinale noch bis 2019 einen wichtigen „Alfred-Bauer-Preis“.

Seit 2020 ist Bauer ganz offiziell in Ungnade gefallen. Empfinden Sie das als späte Genugtuung?

Ja, obwohl das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Der Zusammenbruch der Berlinale in der alten Fasson hatte aber auch etwas Gutes: Er führte zur Etablierung des sogenannten Forums, einer zeitgemäßeren Version des Wettbewerbs unter der Führung von Ulrich und Erika Gregor.

Besser in Deckung bleiben: Regisseur Michael Verhoeven als „Private Sven Eriksson“ in seinem Antikriegsfilm „o.k.“ aus dem Jahr 1970.
Besser in Deckung bleiben: Regisseur Michael Verhoeven als „Private Sven Eriksson“ in seinem Antikriegsfilm „o.k.“ aus dem Jahr 1970.Edition Filmmuseum

Das Dritte Reich war immer wieder Thema Ihrer Filme, von „Mutters Courage“ über „Die weiße Rose“ bis zu „Das schreckliche Mädchen“. Warum hat Sie das Thema nie losgelassen?

Ich hatte das Glück, in einem Elternhaus aufzuwachsen, wo die Nazizeit nicht unter den Teppich gekehrt wurde. Ich wusste schon mit 13 oder 14 von vielen Dingen, die passiert sind, und habe darüber natürlich auch mit Freunden gesprochen. Daraufhin hatte ich bei einigen Hausverbot. Ich habe die Nachkriegszeit und die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit also sehr bewusst wahrgenommen und konnte und wollte das nicht mehr abstreifen.

Ihr Vater Paul Verhoeven war ebenfalls ein berühmter Regisseur und Schauspieler, der aber während der NS-Zeit nur Unterhaltungs- und Musikfilme gedreht hat. Er hat jedenfalls, anders als viele Kollegen, keine Propagandafilme gemacht. Wie konnte er das durchhalten und wie hat er das Ihnen gegenüber in Ihrer Jugend erklärt?

Er war zum Glück nie in der Versuchung. Er musste nie ein solches Projekt ablehnen. Die Nazis haben ihm solche Filme gar nicht zugetraut. Das Dritte Reich war ja das bestimmende Thema in den Jahren nach dem Krieg. Wir haben in der Familie ständig über die NS-Zeit gesprochen. Das ist etwas, wofür ich meinen Eltern sehr dankbar bin.

Bei den meisten Familien wurde eher der Deckel draufgemacht.

Es war gar nicht so, dass man nicht darüber reden durfte, sondern es war einfach bequemer. Da mein Vater diese Ära als aktiver Filmschaffender erlebt hatte, konnte er mir davon erzählen. Was für mich sehr ergiebig war, weil ich damals ja auch anfing, in diesem Beruf zu arbeiten. Deshalb wusste ich es früh zu schätzen, dass wir nicht mehr in einer Diktatur leben. Dennoch habe ich es sehr kritisch gesehen, dass viele Deutsche, die mit dem Dritten Reich aktiv verbunden waren und unbehelligt geblieben sind, bis hinauf in der Regierung in leitenden Stellungen waren.

Wie stand Ihr Vater zu Ihren Filmen, speziell zu „o.k.“?

Mein Vater hatte ja schon den Theaterentwurf von „o.k.“ gelesen, und wir hatten darüber ausführlich gesprochen. Im Film hatte er Probleme, die grausamen Szenen, zum Beispiel die Vergewaltigung, auszuhalten. Aber er hat verstanden, dass es ein Fehler gewesen wäre, die Schreckensmomente auszulassen – denn um die ging es doch. Im Film wie im tatsächlichen Krieg in Vietnam. Es war aber schon gut für mich, immer zu wissen, dass meine Familie es in Ordnung findet, was ich da mache.

Ihr Vater ist 1975 auf der Bühne der Münchner Kammerspiele zusammengebrochen und gestorben. Sie saßen im Publikum und sind sofort zu ihm, konnten ihn aber nicht mehr retten. Wie blicken Sie heute auf diesen Tod Ihres Vaters zurück?

Es war ein in diesem Moment vermeidbarer Tod. Die Veranstaltung war ja eine offizielle Matinee der Kammerspiele – es hätte unbedingt ein Theaterarzt mit seinen Utensilien anwesend sein müssen und vor allem ein Defibrillator. Damit hätte er gerettet werden können. Ein tragischer Tod. Just an dem Ort, an dem mein Vater seine Theaterlaufbahn mit 21 Jahren begonnen hatte.

Sie sind längst selbst Vater von zwei Söhnen. Was macht Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen Ihres Erachtens nach aus?

Ich weiß, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kindern heute in den meisten Familien anders und besser gelöst wird. Meine Freunde wurden nach dem Krieg von ihren Vätern noch regelmäßig verprügelt. Auch die Lehrer haben geschlagen. Man kann erkennen, dass das Dritte Reich nach 1945 noch in vielen Bereichen weiterbestanden hat. Aber das ist heute anders. Ich muss ja nur mein Verhältnis zu meinen Söhnen, die inzwischen selber auch schon Söhne haben, mit den Jahren nach dem Krieg vergleichen. Mein Vater wollte, dass ich ihn als eine Art Freund sehe, aber in Wirklichkeit war er die unangefochtene Autorität in unserer Familie. Das ist heute bewusst nicht mehr so. Meine Frau und ich versuchen zwar, alles so zu sehen und zu gestalten, dass unsere Lebenserfahrungen bei unseren Kindern nicht verloren gehen, aber wir sind nicht autoritär – gar nicht. Mein Vater war das in vielen Bereichen schon noch, weil er es in seiner Familie nicht anders kennengelernt hatte.

Anfangs, so scheint es, wollten Sie aber nicht den gleichen Weg wie Ihr Vater einschlagen, und studierten Medizin.

Ich habe noch bis Ende 1972 im Krankenhaus gearbeitet. Der Entschluss, etwas anders zu machen als der Vater, war dabei nicht das Ausschlaggebende: Vielmehr hatte ich den Wunsch, etwas in der Welt zu bewegen. Es war ja nicht meine Absicht, in einem Krankenhaus zu arbeiten. Ich wollte nach Afrika, dorthin, wo es keine oder kaum Ärzte gibt. Das war aus heutiger Sicht wahrscheinlich eine romantische Vorstellung von mir.

Die sehr junge Eva Mattes in ihrer Rolle als das Opfer Phan Ti Mao im Film „o.k.“.
Die sehr junge Eva Mattes in ihrer Rolle als das Opfer Phan Ti Mao im Film „o.k.“.Edition Filmmuseum

Als Jugendlicher haben Sie auch vor der Kamera gestanden, etwa neben Heinz Rühmann in „Der Pauker“ und „Der Jugendrichter“. Dennoch entschieden Sie sich nach Ihrer Phase als Arzt für die Regie. Wieso?

Angefangen hatte ich mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung standen. An Regie war in meiner Jugendzeit einfach nicht zu denken. Aber ich habe sehr früh, schon als Jugendlicher, Theater gespielt und mich mit Bühnenstücken auseinandergesetzt. Also zu lesen, zu spielen und schließlich zu inszenieren, einfach, um „das Theater“ zu verstehen. Aber ich habe es nie bereut, dass ich ein Doppelleben führen konnte. Denn der Beruf des Arztes hat mir dann ganz andere Welten eröffnet.

Das heißt, Sie haben zeitweise sowohl als Arzt als auch als Filmemacher gearbeitet?

Es hatte mein Leben bereichert und ich fand Gefallen daran, dass ich beides machen kann. Ich habe dadurch natürlich andere Dinge versäumt, die mir aber nicht so wichtig waren. Viel Sport, viel Skifahren, viel in den Urlaub fahren – dafür hat es dann bei mir oft nicht gereicht. Aber ich habe eigentlich nichts versäumt.

Einer Ihrer ganz wichtigen Filme als Schauspieler ist „Jack und Jenny“ von 1963, bei dem Sie Ihre Frau Senta Berger kennen- und lieben gelernt haben. Allerdings soll Sie der erste Kuss vor der Kamera vor gewisse Schwierigkeiten gestellt haben.

Ja, ich konnte das nicht (lacht). Ich habe mich furchtbar aufgeführt. Ich schickte sogar den Produzenten und seine Finanziers aus dem Atelier. Dieser Kuss war ja etwas, was ich sehr gern gemacht hätte, aber eben unter anderen Bedingungen. Aus heutiger Sicht klingt das wie aus einer Komödie, aber damals war mir das bitter ernst. Irgendwann hat der erste Kuss dann aber doch geklappt, und vielleicht auch gerade deshalb.

Das war in den frühen sechziger Jahren und Sie sind noch heute zusammen. Da muss man die typische Frage stellen: Welches Geheimnis steckt dahinter?

Das werden wir öfters gefragt, aber wir haben das selbst nie auf einen einfach verständlichen Punkt bringen können. Offensichtlich haben wir eine gute Art, miteinander umzugehen. Wenigstens meistens.

Ihre Frau hat damals mit den berühmtesten Hollywoodstars von Kirk Douglas bis Charlton Heston gearbeitet, die ihr wahrscheinlich auch Avancen machten. Waren Sie nie eifersüchtig?

Ich war nicht eifersüchtig. Sondern davon überzeugt, dass Senta mit mir die beste Möglichkeit hat, glücklich zu sein.

Was hat Sie da so sicher gemacht?

Das ist natürlich auch eine Art Naivität, aber ich hatte ein natürliches Selbstbewusstsein. Wir haben ja später auch selbst Filme produziert und waren da ein gutes Gespann im Hindenken und Vorbereiten eines Projekts. Zum Beispiel die ZDF-Serie „Die schnelle Gerdi“ – da hat es uns einfach Freude gemacht, diese Figur einer Taxifahrerin zu erfinden. Also, wie redet diese Frau, was macht sie traurig, worüber muss sie lachen, wie verhält sie sich als Taxifahrerin gegenüber ihren Fahrgästen. Was steht hinter ihrem offensichtlichen Selbstbewusstsein?

Das Ehepaar Verhoeven 1988 beim Dreh des ZDF-Zwölfteilers „Die schnelle Gerdi“.
Das Ehepaar Verhoeven 1988 beim Dreh des ZDF-Zwölfteilers „Die schnelle Gerdi“.imago/teutopress

Was hat Ihnen an Ihrer Frau schon immer besonders gefallen?

Erstens fand ich ihr Aussehen unwiderstehlich, und dann hat sie einen interessanten Charakter: Sie hat nicht alles akzeptiert, was auf der Welt so passiert, und hat das auch ausgesprochen. Das hat mir imponiert und erinnert mich aus heutiger Sicht stark an meine Mutter. Die war eine sehr couragierte Frau, obwohl sie mit einem Mann verheiratet war, der in vielen Dingen der Stärkere war. Meine Mutter war sehr humorvoll, aber ein absolut ungehorsames Wesen.

Sie sind in Berlin geboren, wohnen aber schon sehr lange in Bayern. Wie viele Jahre Ihrer Kindheit verbrachten Sie eigentlich in Berlin?

Zweieinhalb Jahre – länger nicht. Denn dann fingen die Bombenangriffe auf Berlin an und wir Kinder wurden in bombensicher wirkende Gegenden auf dem Land evakuiert. Ab 1943 habe ich den Krieg mit meinen Schwestern Lis und Monika in einem Dorf in der Nähe von Coburg verbracht. Dort habe ich heute noch Freundschaften. Das waren wichtige Jahre für mich und das Leben auf einem großen Bauernhof war ein Geschenk für mich. Eigentlich haben wir Kinder in diesen Kriegsjahren, durch die Umstände des Kriegs, so schlimm er war, eine wunderschöne Kindheit gehabt. Denn wir wären ja ansonsten nie auf diesen Bauernhof gekommen.

Ich war nicht eifersüchtig. Sondern überzeugt, dass Senta mit mir die beste Möglichkeit hat, glücklich zu sein.“

Michael Verhoeven, Regisseur und Arzt

Also haben Sie wahrscheinlich gar keine Beziehung mehr zu Berlin, oder?

Doch, die habe ich dadurch, dass ich mir diese Stadt später noch mal ausgesucht habe: In Berlin habe ich Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre Medizin studiert. Tatsächlich stand in Berlin-Wannsee noch unser Elternhaus und ich konnte dort wohnen, weil es gerade von den Amerikanern freigegeben wurde. Davor war es zuerst eine russische und dann eine amerikanische offizielle Einrichtung. Schließlich sind meine Schwester Monika und ich wieder in das Haus unserer frühen Kindheit eingezogen. Na ja, und nicht zuletzt besaß ich in Berlin bis vor einigen Jahren auch noch das Kino Toni, das jetzt aber leider wegen Corona geschlossen ist.

Corona hat auch Ihnen selbst im letzten Jahr zu schaffen gemacht.

Ja, ich habe es im November 2020 bekommen und leide an dem sogenannten „Long Covid“. Also eine Langzeitfolge, die ein Vierteljahr oder länger oder ewig und drei Tage dauern kann. Damit geht es mir zurzeit natürlich nicht richtig gut. Ich fühle mich schwach und könnte am liebsten nur schlafen.

Ihrer Familie geht es aber gut?

Ich habe alle angesteckt. Bei meiner Familie ist der Verlauf aber zum Glück nicht so stark gewesen. Ich musste beatmet werden und lag zwei Wochen im Krankenhaus. Etwa ein Drittel der Erkrankten bekommen anschließend dieses Post-Covid-Syndrom, und ich gehöre eben leider dazu.

Können Sie sagen, wo Sie sich angesteckt haben?

In der Bundesbahn. Da gab es eine Vorführung von „o.k.“ in Bensheim und die Hinfahrt im Großraumwagen war gut organisiert. Auf der Rückfahrt hieß es dann, dass ein Großraumwagen leider nicht zur Verfügung steht. So wurden die Fahrgäste dann in die restlichen Abteile gepfercht, und dabei ist es wohl passiert.

Wie stehen Sie als Mediziner zu der ganzen Corona-Misere?

Es ist ein äußerst gefährliches Virus und ich verstehe nicht, warum in Europa dieser Mangel an Impfstoffen herrscht und wie es zu den Problemen überhaupt kommen konnte. Jeder konnte wissen, was da auf uns zukommt. Ich habe lange um einen Impftermin gebeten und komme jetzt endlich dran. Ich finde es aber richtig, dass das alles hierzulande besonders vorsichtig reglementiert wird. Meine Frau muss auf ihre Impfung leider noch ein bisschen warten, denn sie ist ja noch jung.


Den Film „o.k.“ von Michael Verhoeven erscheint am 19. März als DVD, um 16 Euro. 


Dr. Michael Verhoeven ...
  • ... wurde 1938 in Berlin geboren. Seine Eltern waren die Schauspielerin Doris Kiesow und der Schauspieler und Regisseur Paul Verhoeven.
  • ... spielte in den 1950er-Jahren als Jugenddarsteller in Filmen wie „Das fliegende Klassenzimmer“, „Der Jugendrichter“ und „Der Pauker“ mit Heinz Rühmann mit.
  • ... promovierte 1969 in Humanmedizin und arbeitete einige Jahre als Arzt in Boston, bevor er 1965 gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau, der Schauspielerin Senta Berger, die Filmproduktionsfirma Sentana gründete.
  • ... erzielte 1982 seinen Durchbruch als Regisseur mit dem Film „Die weiße Rose“, der die Geschichte der Geschwister Scholl erzählt, die mit Flugblättern zum Widerstand gegen Hitler und sein Regime aufriefen. Sein Film „Das schreckliche Mädchen“ erhielt 1990 eine Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film.
  • ... heiratete 1966 Senta Berger, mit der er die Söhne Simon und Paul hat. 2003 war er eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Filmakademie.