Das Kannibalen-Rätsel um den verschollenen Rockefeller - Tödliches Paradies Neuguinea - WELT
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Panorama Milliardärs-Dynastie

Das Kannibalen-Rätsel um den jungen Rockefeller

Das Rätsel um den Rockefeller-Erben

Michael Rockefeller, Sohn des ehemaligen US-Vizepräsidenten, gilt seit 1961 als verschollen. Der Film „The Search for Michael Rockefeller“ präsentiert jetzt eine neue Theorie über sein Schicksal .

Quelle: N24

Autoplay
1961 verschwand der Amerikaner Michael Rockefeller im Dschungel von Neuguinea. Manche glauben, er sei gefressen worden. Ein Film legt jetzt nahe, dass er länger lebte als gedacht – mit den Kannibalen.

Sein Urgroßvater gilt immer noch als einer der reichsten Menschen der Neuzeit: John D. Rockefeller, Begründer von Standard Oil. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts dann war sein Vater Nelson einer der ganz Großen in den Vereinigten Staaten, Gouverneur des Bundesstaates New York und US-Vizepräsident. Keine Frage: Michael Rockefeller war Spross einer Dynastie, die Macht und Geld im Zentrum der Welt repräsentierte.

All das aber nutzte Michael nichts am 20. November 1961, morgens, kurz nach Sonnenaufgang. Als er, von New York aus gesehen auf der Rückseite des Globus, in der Arafurasee auf die Küste von Niederländisch Neuguinea zuschwamm. Der 23-Jährige war da bereits 20 Stunden im Wasser.

Er war ein guter Schwimmer, dennoch am Ende seiner Kräfte. Er war um sein Leben geschwommen, nachdem sein Boot etwa 15 Kilometer vor der Küste gekentert war und weiter hinaustrieb. Der zweite Mann an Bord, René Wassing, traute sich nicht mit, er sah größere Chancen zum Überleben, wenn er sich weiter an den Rumpf klammerte. Jetzt war das Ufer nah für Michael.

Mann mit Krokodil verwechselt?

Etwa 50 Männer vom Volk der Asmat erwachten in dem Moment gerade, sie hatten am Strand bei ihren Kanus geschlafen, nahe der Mündung des Ewta-Flusses zwischen Mangrovenbäumen, hinter ihnen der Dschungel.

Erst dachten sie, es sei ein Krokodil, das da auf sie zuschwamm, eines jener riesigen Salzwasserkrokodile, die die Küstengebiete der Archipele Hinterindiens so unsicher machten. Als sie dann erkannten, dass es sich um einen Mann handelte, knieten sich einige von ihnen in ihre Kanus und paddelten hinaus.

„Das ist deine Chance“, sagte einer der ältesten, Ajim, zu Pep, einem jüngeren Asmat.

Ajim hatte schon viele Menschen getötet, mehr als alle anderen, er war stolz darauf. Pep war erst dabei, sich seinen Ruf aufzubauen. Die Asmats waren Kopfjäger, Konflikte zwischen Stämmen endeten oft tödlich. Und sie waren Kannibalen, aßen Menschenfleisch als Ritual. Als sie Michael Rockefeller erreicht hatten, war der zu schwach, ins Kanu zu steigen. Pep und ein weiterer Asmat griffen seine Arme, die anderen paddelten zurück zur Küste, mit Michael im Schlepp, er fühlte sich gerettet.

Recherche beim Stamm der Asmats

So schildert der US-amerikanische Autor Carl Hoffman die letzte Stunde Michael Rockefellers in seinem Buch „Tödliches Paradies. Über Kannibalen, Kolonialisten und Michael Rockefellers mysteriösen Tod“, das 2014 auf Deutsch erschien (btb). Eine Fiktion?

Quelle: Infografik Die Welt

Sicher konnte sich Hoffman nicht sein, mit unmittelbar Beteiligten konnte er nicht mehr sprechen, als er vor zwei Jahren lange bei den Asmats recherchierte und viele Menschen befragte. Immerhin auch mehrere ältere, die sich an 1961 noch erinnerten, aus deren Hinweisen sich Hoffman das Geschehen von damals zusammenpuzzelte.

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Der westliche Teil Neuguineas war die letzte niederländische Kolonie und wurde erst 1962, 13 Jahre nach dem übrigen Indonesien, zu dem es seither gehört, in die Unabhängigkeit entlassen. Michael Rockefeller war dort unterwegs gewesen, um „primitive Kunst“ für das Museum seines Vaters in New York aufzukaufen.

René Wassing, zweiter Schiffbrüchiger, war der Letzte, der öffentlich bezeugte, Michael gesehen zu haben. Wassing wurde von einem Flugzeug gerettet. Michael blieb verschollen.

40 Jahre altes Filmmaterial

Für alle Bekannten in Niederländisch Neuguinea, für seine Familie, für die Journalisten in Amerika und Europa, die sich damals vom Schicksal eines Rockefellers elektrisieren ließen und Spekulationen anstellten: Ertrunken, von Kannibalen aufgegessen, von Kopfjägern getötet? Entführt, gezwungen zum Urwaldleben – auch zur Kopfjagd? Ein Rockefeller?

„Bullshit, manche Asmats haben eben eine hellere Haut“
Carl Hoffman,, Buchautor

Fast scheint es, als sollten jetzt, Anfang 2015, die Spekulationen über Michaels Schicksal wieder aufblühen. „Neu aufgetauchtes Filmmaterial legt nahe, dass der 1961 verschwundene Clan-Erbe bei einem Stamm in Neuguinea lebt.“ So überschrieb eine Berliner Boulevard-Zeitung ihren Bericht über einen neuen Film des Regisseurs Fraser Heston.

Der war 2008 auf zuvor unveröffentlichtes, 40 Jahre altes Filmmaterial aus Neuguinea gestoßen, auf dem eine Szene mit dunkelhäutigen Männern zu sehen ist, die, in einem Kanu stehend, einen Fluss entlang paddeln. Dabei handelt es sich offenbar um Männer vom Volk der Asmat, aufgenommen im Jahr 1969. Auffällig: Einer von ihnen ist weißhäutig und würde Michael „verblüffend ähneln“, heißt es in der Ankündigung zum Film, „und das acht Jahre nach seinem Verschwinden“.

Heston sei deshalb bei Sichtung der alten Filmrollen regelrecht geschockt gewesen. Seit Anfang Februar ist sein Film über den Streaming-Dienst Netflix in den USA zu sehen, in Deutschland noch nicht.

Lange bei den Alten gesessen und zugehört

Ob die Rockefellers durch Hestons Film in ihrem Gedenken an Michael irritiert wurden? Vier seiner Geschwister leben noch. Die Familie hat sich, bei aller Ungewissheit, mit dem Tod abgefunden, im Glauben zunächst, dass er ertrunken ist.

Michael Rockefeller während seiner Expedition in Guinea.
Michael Rockefeller während seiner Expedition in Guinea.
Quelle: picture alliance/ASSOCIATED PRESS
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Das Filmmaterial von 1969 fand Heston im Nachlass des Journalisten Milt Machlin, der in Neuguinea recherchiert hatte für sein Buch „Die Suche nach Michael Rockefeller“. Darin vertritt Machlin selbst nicht die These, dass der Milliardärserbe noch leben würde. Die Folgerungen, die man jetzt aus seinen Filmresten zieht, hätte er wohl nicht geteilt.

Autor Carl Hoffman stellt Machlins Publikation und besonders Hestons Film schlechte Zeugnisse aus. „Bullshit, manche Asmats haben eben eine hellere Haut“, sagt er. Er selbst hielt sich ein halbes Jahr vor Ort auf, benötigte Monate, bis Stammesangehörige sich in Gesprächen öffneten und sich dann erstmals die Vorgänge an jenem Novembertag herausschälten.

Er sei auf alte Männer gestoßen, die sich an Erzählungen zu ihrer Jugendzeit in den 60er-Jahren erinnerten. Über einen Weißen, der, vollständig entkräftet, vor der Küste in ein Boot geholt und noch an Bord mit einem Speer erstochen worden war. Später hätten die Männer Teile von ihm in einer Zeremonie gegessen und einzelne Knochen zu Dolchen verarbeitet. Hoffman hatte sich dies von mehreren Asmats, unabhängig voneinander, erzählen lassen.

Nelson Rockefeller und der Flugzeugträger

Michael Rockefeller kannte seine Mörder, hatte sie Wochen vorher aufgesucht, mit ihnen über geschnitzte Stelen verhandelt, ohne Argwohn. „Da war er auch nicht in Gefahr gewesen“, sagt Hoffman, „weil er in Begleitung und bei Kräften war.“ Erschöpfte, einzelne Schiffbrüchige aber, die an Land gespült wurden, waren für jene Melanesier, als sie noch anfällig waren für kannibalistische Riten, bevorzugte Opfer.

Was hinzukam: Die Asmats waren damals monatelang auf Genugtuung gegenüber Weißen aus, seit die Niederländer bei einer Polizeiaktion in einem Dorf fünf von ihnen getötet hatten.

Nur wenige Tage nach dem Verschwinden seines Sohnes Michael flog Nelson Rockefeller in einer Sondermaschine mit geladenen Journalisten nach Neuguinea, mobilisierte Hubschraubergeschwader für die Suche. Er ließ sogar einen Flugzeugträger der US-Navy herbeiordern – was sich die niederländische Kolonialmacht allerdings verbat. Genutzt hätte er sowieso nichts mehr.

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