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Michael Glos fehlt das Format seiner Vorgänger

Chefökonomin
Während Angela Merkel und Peer Steinbrück die Krise managen, wirkt Michael Glos (CSU) isoliert. Zur Lösung der Finanzkrise hat er wenig beizutragen, die Vorgänge am Markt kann er nicht schlüssig erklären. Dafür wird der Wirtschaftsminister angefeindet wie selten – sogar von Parteifreunden.

Das Bild von Angela Merkel und Peer Steinbrück als Manager der akuten Finanzkrise hat sich in den vergangenen Tagen tief ins Bewusstsein der Deutschen eingegraben. Als Duo verkündeten die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister das beispiellose Rettungsprogramm für den angeschlagenen Bankensektor. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos – von Amts wegen durchaus zuständig – war die meiste Zeit lediglich Zaungast, zum großen Ärger seiner CSU-Parteifreunde.

Heute nun sah ihn die Öffentlichkeit: Der Minister verkündete die deutlich gedämpfte Konjunkturerwartung der Regierung. Auf die großen Auftritte von Merkel und Steinbrück sei er nicht eifersüchtig, versicherte Glos. Ganz überzeugend klang das nicht.

Der Wirtschaftsminister wird derzeit angefeindet wie selten. Und nicht nur vom politischen Gegner. „Wo ist eigentlich Glos?“, spottete der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD). Der Fraktionschef der Grünen, Fritz Kuhn, bezeichnete den CSU-Mann als "Schlaftablette auf zwei Beinen“ und "Null-Bock-Minister“. Und die Kanzlerin schaute am Mittwoch im Parlament demonstrativ weg und unterhielt sich mit ihrem Nachbarn, als Peter Ramsauer, der Chef der bayerischen Landesgruppe, ein Loblieb auf den CSU-Wirtschaftsminister anstimmte.

Von der Öffentlichkeit wird Glos kaum wahrgenommen. Dies gilt jedoch nicht erst jetzt, in der Zeit der wirtschaftlichen Turbulenzen. Auch in den vergangenen drei vergleichsweise ruhigen Jahren seit seinem Amtsantritt schaffte es der CSU-Mann selten in die Nachrichten. Mitstreiter argumentieren, dass dieses Amt hierzulande nun einmal nur mit geringer Macht ausgestattet sei. In der Tat lebt ein Wirtschaftsminister vor allem von Worten. Er muss überzeugen können. Und er muss Ideen haben.

Die Großen unter seinen Vorgängern prägten auf diese Weise die jeweiligen Regierungen entscheidend mit. Allen voran Ludwig Erhard, der den Posten von 1949 bis 1963 innehatte. Der überzeugte Marktwirtschaftler setzte gegen große Widerstände die Unabhängigkeit der Bundesbank und das strenge Kartellrecht durch. Andere Weichenstellungen wie die Einführung der dynamischen Rente konnte er zwar nicht verhindern, warnte jedoch in weiser Voraussicht vor den langfristigen Kosten.

Gute Vorgänger

Auch etliche von Erhards Nachfolgern füllten die ihnen zugewiesene Rolle als „ordnungspolitisches Gewissen“ ihrer jeweiligen Regierung aus, etwa Karl Schiller (SPD), Otto Graf Lambsdorff (FDP), Günter Rexrodt (FDP) oder auch Werner Müller (parteilos) und Wolfgang Clement (SPD).

Gerade wenn es um den Ausbau des Sozialstaates oder den Marsch in die Staatsverschuldung ging, waren die Wirtschaftsminister im Regelfall diejenigen, welche die Fahne des Marktes hochhielten. Umgekehrt war beispielsweise Clement, der neben dem Wirtschafts- auch das Arbeitsressort innehatte, einer der wichtigsten Mitstreiter von Ex-Kanzler Gerhard Schröder bei dessen Durchsetzung der Agenda 2010.

Auch Glos, der Müllermeister und frühere Kleinunternehmer, sieht sich als Anwalt der Wirtschaft in der Regierung. Er wirbt für Steuererleichterungen und weniger Bürokratie. Reist mit Unternehmern ins Ausland, übt pflichtschuldig Kritik an steigenden Lohnnebenkosten. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lobt denn auch, dass die Verbände bei Glos stets ein offenes Ohr fänden.

Doch im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger fehlen dem CSU-Politiker feste wirtschaftspolitische Grundsätze – zumindest wirbt er nicht offensiv für sie. Erhard, Schiller, Clement konnten den Bürgern die komplexe Volkswirtschaft erklären. Glos dagegen vermag dies ganz offensichtlich nicht.

Peinlicher Auftritt bei Anne Will

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Als er jüngst in der sonntäglichen Fernseh-Talkshow von Anne Will saß, wirkte er vor dem Millionenpublikum hilflos angesichts des Debakels an den internationalen Finanzmärkten. Für die Union könnte sich diese Schwäche ihres zuständigen Ministers in den kommenden Monaten als großes Manko erweisen.

Denn im Zuge der akuten Finanzkrise haben sich auch die Konjunkturaussichten für Deutschland und den Rest der Welt drastisch verdüstert. Trotz des gigantischen Rettungspakets der Bundesregierung für den angeschlagenen Bankensektor schließen Experten nicht mehr aus, dass Deutschland im kommenden Jahr in eine Rezession rutscht.

Glos selber gab am Donnerstag bekannt, dass die Regierung für 2009 nur noch mit einem Wachstum von 0,2 Prozent rechnet. Die Konjunkturforschungsinstitute halten selbst diese Variante nur für den Fall für realistisch, wenn die weltweit geschnürten Rettungspakete im Umfang von insgesamt mehr als drei Billionen Euro auch tatsächlich nachhaltig die Finanzmärkte stabilisieren. Ansonsten drohe ein deutlicher Abschwung.

In jedem Fall wird in Deutschland die politische Debatte über die Marktwirtschaft und die Rolle des Staates an Schärfe gewinnen. Die Linken und auch weite Teile der SPD drängen darauf, die Arbeitsmarkt- und Sozialreformen der vergangenen Jahre wieder zurückzunehmen. Mehr Umverteilung, flächendeckende Mindestlöhne und die Wiedereinführung der Vermögensteuer sind weitere Forderungen.

Auch droht die Staatsverschuldung nicht nur infolge des Rettungspakets wieder in die Höhe zu schießen. Forderungen nach staatlichen Konjunkturprogrammen und neuen Sozialleistungen lassen den Wirtschaftsflügel der Union befürchten, dass nun alle Dämme brechen könnten.

Der Streit über das beste Konzept gegen eine drohende Rezession hat schon begonnen. Doch Glos’ Vorschläge hierzu, etwa das Vorziehen der Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen, finden kaum Beachtung. Dabei würde dies die Bürger um etliche Milliarden Euro entlasten.

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