Tilla Durieux, 200-mal im Kolbe-Museum Berlin – Alles unter ihrer Kontrolle
  1. Startseite
  2. Kultur
  3. Kunst

Tilla Durieux, 200-mal im Kolbe-Museum Berlin – Alles unter ihrer Kontrolle

KommentareDrucken

Max Slevogt: „Die Schauspielerin Tilla Durieux als Kleopatra“, 1907.
Max Slevogt: „Die Schauspielerin Tilla Durieux als Kleopatra“, 1907. Foto: Privatsammlung, Foto: Leopold Museum Wien © Leopold Museum Wien

Ikone, Muse, Femme fatale: Das Kolbe-Museum in Berlin zeigt Porträts von Tilla Durieux.

Jede Zeit hat ihr Idole, jede Kultur ihre Stars. Dies könnte kaum besser passen als auf die große Bühnen-Diva und Maler-Muse Tilla Durieux (1880-1971). Auf der Bühne gefeiert, beim Film gefragt, zigfach porträtiert von berühmten Malern, Bildhauern und Fotografen, war sie bis 1933 eine der gefragtesten Schauspielerinnen. Sie verursachte damit mindestens ebenso viel Auflauf und Bewunderung wie Jahrzehnte zuvor in Paris Sarah Bernhardt – Lieblingsmotiv der Jugendstilmaler.

Jetzt zeichnet das Berliner Georg-Kolbe-Museum mit der Schau „Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“ das Leben und Wirken dieser unverwechselbaren Wahlberlinerin nach. Es war ein wechselvolles Leben mit frühen Erfolgen in Wien und großer Karriere in Berlin. Ein Leben mit drei Ehen, Freiwilligendienst als Krankenschwester im Ersten Weltkrieg und Engagement für die inhaftierte Rosa Luxemburg. Im Mai 1919 versteckte sie in ihrem Kleiderschrank den Schriftsteller Ernst Toller, einen der führenden Köpfe der Münchner Räterepublik, der wegen Hochverrats gesucht wurde.

1933 wurde sie selbst zur Gejagten: Hals über Kopf floh sie mit ihrem dritten Ehemann, dem jüdischen Industriellen Ludwig Katzenellenbogen nach Kroatien, war dort Hotel-Direktorin und Antifa-Widerständlerin. Ihren sarkastischen Humor drückt diese Geste aus: In ihren Flüchtlingspass hatte Durieux einfach jenes Foto geklebt, das sie 1929 in der Rolle als Anna Balbanowa in Bernhard Blumes „Treibjagd“ zeigte: Femme fatale, mit Kippe im Mund, Weinglas in der Hand. 1941 wurde ihr Mann verraten, verhaftet und im KZ Sachsenhausen ermordet. Durieux kehrte 1955 aus dem Exil zurück und startete im Westteil der Stadt ihre hochgeehrte Alterskarriere auf der Bühne, in Film und Funk.

Kuratorin Daniela Gregori kooperierte für die Exponate mit dem Leopold-Museum in Wien und der Berliner Akademie der Künste. Die gebürtige Wienerin Durieux beschrieb den Einfluss der Städte auf ihr Leben und ihre Kunst einmal so: „Wien schenkte mir die Heiterkeit, Berlin Ausdauer und eisernes Wollen.“

Was für eine Frau! Franz von Stuck malte sie 1912 als „Circe“, in der Titelrolle des Stücks, mit dem sie am Münchner Theater frenetisch gefeiert wurde: rotes, hochgestecktes Haar, der Blick verführerisch, leicht hinterhältig. Allerdings war sie nicht froh mit diesem Porträt und schimpfte später in ihren Memoiren, von Stuck habe „unabgesprochen“ kommerzielle Werbung für sich selbst gemacht. Dass der Bildhauer August Gaul sie 1914 als Circe, nackt auf einem Schwein reitend, darstellte, gefiel ihr besser. Die Plastik gehört dem Kolbe-Museum. Ganz in der Nähe, auf dem Friedhof Heerstraße, befindet sich Tilla Durieux’ Grab.

200 Darstellungen – als Tragödin, Diva, Femme fatale – sind zu sehen, gemalt, geformt, fotografiert auch von den Bildkunst-Größen jener Jahre. Neben Franz von Stuck verewigten auch Max Slevogt, Lovis Corinth, Ernst Barlach, Oskar Kokoschka, Max Oppenheimer, Frieda Riess und Lotte Jacobi die Unvergleichliche. Meist zeigten ihre Porträtisten und Porträtistinnen sie in einer ihrer großen Rollen, die ihr nicht nur unter Max Reinhardt als „Salomé“ in Oscar Wildes Stück Ruhm bescherten.

Ihr erster Gatte, der Maler Eugen Spiro, malte sie 1905, als sie die Berliner Theaterszene in Euphorie versetzte: als „Dame mit Hund“, ganz privat und gutbürgerlich mit ihrem Vierbeiner auf dem Sofa. Der Bund fürs Leben hielt nicht. Die umschwärmte Durieux wechselte in Frieden alsbald zum neuen Ehemann, dem berühmten Galeristen Paul Cassirer. Etliche der besten Bildnisse entstanden auf dessen Vermittlung hin. So saß sie etwa für gefragte Maler wie Corinth und Slevogt, sogar für Max Beckmann Modell. Dabei wusste sie sich bewusst zu inszenieren. Sie sah das als Akt der Selbstermächtigung, sie wollte die Kontrolle über die Bilder.

Die Ehe mit Cassirer endete übrigens skandalös, der Verlassene verleumdete sie und starb 1926 infolge eines Suizidversuchs. Aber auch solch private Tragödien steckte Durieux souverän weg. Vier Jahre später wurde sie, im immer antisemitischer werdenden Deutschland, die Frau eines bald von den Nazis verfolgten Juden. Doch in der Kunst wie im Leben waren Selbstbestimmung, Freigeistigkeit und Mut die Maximen Durieux’, dieser Inkarnation der „Neuen Frau“.

Georg-Kolbe-Museum, Berlin: bis 20. August.

georg-kolbe-museum.de

Porträtfoto von Alex Binder, Berlin 1925–1927. Foto: AdK, Tilla-Durieux-Archiv
Porträtfoto von Alex Binder, Berlin 1925–1927. Foto: AdK, Tilla-Durieux-Archiv © AdK, Tilla-Durieux-Archiv

Auch interessant

Kommentare