Ein Star im Schatten: Maurice Gibb von den Bee Gees ist im Alter von 53 Jahren gestorben: Der dritte Mann

Der dritte Mann

BERLIN, 12. Januar. Er war zwar Kinderstar, Teeniestar und Superstar, doch in erster Linie war er für die Weltöffentlichkeit der dritte Mann. Er war derjenige, der stets im Hintergrund stand, der Unscheinbare, der seinen Mund nur zum Chorgesang öffnete. Er war der, der sich an seinen Instrumenten festhielt und schwieg. Nur wenige wussten, dass Maurice Gibb bei den Bee Gees nicht nur für den Bass verantwortlich war, sondern auch für die Gitarre, das Piano, die Orgel und das Mellotron. Ohne seine Stimme hätte der charakteristische Bee-Gees-Gesang deutlich flacher geklungen, ohne sein Zutun hätte die Band wohl erheblich weniger Hits gehabt.Verhängnisvolle VorliebeUm sich bei all der Aufregung im Schattendasein am Laufen zu halten, entwickelte Maurice Gibb schon früh eine ebenso gut dokumentierte wie verhängnisvolle Vorliebe für hochprozentige Durstlöscher, die seine Gesundheit ruinierten. Am vergangenen Mittwoch brach Maurice Gibb in Miami zusammen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Noch bevor man ihn einer Notoperation wegen eines vermuteten Darmverschlusses unterziehen konnte, erlitt der Musiker einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. In der Nacht zum Sonntag starb er im Beisein seiner Frau Yvonne, seiner zwei Kinder sowie seiner Bandkollegen und Brüder Barry und Robin. Maurice Gibb wurde 53 Jahre alt. "Er war sehr geschwächt durch das, was er sich in den schlimmen, zerstörerischen Jahren zugemutet hat", sagte am Sonntag der ehemalige Pressesprecher der Bee Gees, Chris Hutchins.Weltweit unterbrachen Rundfunk- und Fernsehsender ihre Programme für die Todesnachricht. Vor dem Hospital hatten sich bereits am Sonnabend hunderte Fans versammelt. Viele harrten bei Kerzenlicht in der Nacht aus. "Die Musik der Bee Gees hat mir immer wieder über schwere Stunden hinweggeholfen", sagte ein älterer Mann.Keine andere Popband, die in den vergangenen vier Jahrzehnten aktiv war, hatte wohl vergleichbar viele Höhen und Tiefen zu verzeichnen wie die Bee Gees. Sie fingen Mitte der 60er-Jahre im Windschatten der Beatles an. Anschließend entwickelten sie einen überaus eigenen romantisch-psychedelischen Stil. Sie machten dann einen Schwenk in Richtung Progressiver Pop, um sich nach einem Karriereknick in den frühen 70ern und im Zuge der Disco-Ära in den späten 70ern als die erfolgreichste weiße Soul-Band neu zu erfinden. Zwar sollte ihr Ruhm in den darauf folgenden Jahren deutlich verblassen, doch hier und da gelang den Bee Gees immer wieder ein kleines Comeback.Die einzige Konstante in ihrem überaus wechselhaften Schaffen war der dreistimmige Gesang, bei dem die Stimmen von Barry, Robin und Maurice auf derart angenehme Weise miteinander verschmolzen, dass er Bands wie die Beatles, die Everly Brothers oder Simon & Garfunkel - allesamt für ihren Harmoniegesang berühmt - fast bemüht und künstlich wirken ließ. Als die Band, aus der die Bee Gees hervorgehen sollten, gegründet wurde, war Maurice Gibb nicht einmal zehn. Unter der Anleitung der musikschaffenden Eltern Hugh und Barbara trat das Brüdertrio Maurice, Barry (drei Jahre älter) und Robin (zwei Stunden älter) zunächst mit überschaubarem Erfolg und wechselnden Namen in Manchester und Umgebung auf. Als die Familie sich dann 1958 entschied, nach Brisbane in Australien umzusiedeln, hatte die Band ihren ersten Erfolg.Die Brothers Gibb, wie sie sich mittlerweile nannten, bekamen eine eigene Fernsehshow und veröffentlichten 1962 ihre erste Single "Three Kisses Of Love". Doch erst mit ihrer Rückkehr nach England wurde aus den singenden Brüdern die Hitmaschine Bee Gees. 1967 veröffentlichten sie mit ihrem Debüt "Bee Gees 1st" - auch bekannt unter dem Namen "New York Mining Disaster 1941" - einen Meilenstein in Sachen psychedelischer Beatmusik und ließen fortan Klassiker auf Klassiker folgen.Doch auch bei den Bee Gees folgten den Erfolgen interne Unstimmigkeiten, weshalb sie sich bereits 1969 im Streit über ihr frühes Opus Magnum "Odessa" voneinander trennten. Die angestrebte Solokarriere verlief dann jedoch für keinen der drei Brüder wie geplant, weshalb sie sich alsbald wieder zusammenraufen sollten.Obwohl die Bee Gees heute vor allem für ihren über 40 Millionen Mal verkauften "Saturday Night Fever"-Soundtrack und dessen Hits "More Than A Woman", "You Should Be Dancing" und "Night Fever" bekannt sind, kann man sagen, dass sie wohl eine der erfolgreichsten aller grob unterschätzten Bands sind. An diesem Erfolg hatte Maurice Gibb nicht unerheblichen Anteil."Die Musik der Bee Gees hat mir immer wieder über schwere Stunden hinweg geholfen. " Ein trauernder Fan vor dem Krankenhaus in Miami.SAT 1/EARL Die Bee Gees - unvergesslich: Maurice (l. ), Barry und Robin (r. ) Gibb.