„Zeig’ alles, sag’ alles und sei b�se“ lautete die Maxime, die sich Timothy Tremper f�r sein Drehbuch gesetzt hat, und so ist der Film auch geworden: „Matze, Kebab und Sauerkraut“ (ZDF / CCC Cinema und Television) ist eine mitrei�ende romantische Multikulti-Kom�die �ber einen Juden und einen Moslem aus Berlin, die sich in eine blonde Christin aus Bayern verlieben. Fortan liefern sich Noah und Hakim ein Liebesduell, in dem alle Mittel erlaubt sind und auf Freundschaft keine R�cksicht mehr genommen werden kann. Eine Frau zwischen zwei M�nnern ist zwar ein beliebtes Romanzen-Muster, aber Tremper erz�hlt die Geschichte aus Sicht der beiden Freunde; das ist schon mal ungew�hnlich. Der religi�se Hintergrund sorgt f�r weitere Verwicklungen. Stilmittel des Films ist die konsequente �berh�hung, zumal Tremper geradezu lustvoll alle nur denkbaren Vorurteile und Stereotype bedient. Davon abgesehen hat schon allein der Auftakt gen�gend Witz und Tempo f�r zwei Filme; und dieses Niveau h�lt die Kom�die bis zum �berraschenden Schluss durch.
Foto: ZDF / Daniela IncoronatoLauniges Vers�hnungsessen. Zwei beste Freunde – und ein weibliches Objekt des Begehrens. Drei ist mal wieder einer zu viel im Beziehungsreigen zwischen Noah (Franz Dinda), Hakim (Omar El-Saeidi) und Charlotte (Christine Eixenberger).
Romantische TV-Kom�dien orientieren sich in der Regel an zwei Mustern. Bei Schema A basiert die Beziehung auf einer Notl�ge, die das Liebespaar am Ende zu entzweien droht, bei Schema B ist eine Frau, aus deren Perspektive die Geschichte erz�hlt wird, zwischen zwei M�nnern hin und her gerissen. Seit einigen Jahren gibt es noch ein drittes Muster: In Multikulti-Romanzen wie „Meine verr�ckte t�rkische Hochzeit“, „Zimtstern und Halbmond“ oder „Servus, Schwiegersohn“ m�ssen Eltern �ber ihren Schatten springen, weil sich die S�hne oder T�chter in Frauen oder M�nner aus g�nzlich anderen Kulturkreisen verliebt haben. Davon handelt auch „Matze, Kebab und Sauerkraut“. Ansonsten orientiert sich Autor Timothy Tremper an Schema B, aber er erz�hlt die Geschichte aus Sicht der beiden M�nner; und schon allein das macht diesen Film besonders. Vielleicht h�tte Regisseur Christoph Schnee seine Hauptdarsteller mitunter ein bisschen bremsen k�nnen, doch gerade in der �bertreibung von praktisch Allem liegt der kom�diantische Reiz dieser ZDF-Kom�die.
Foto: ZDF / Daniela IncoronatoLiebe geht in dieser intelligenten, bestens besetzten Multikulti-Kom�die auch durch den Magen. Die Hirschmanns (Andrea Sawatzki und Francis Fulton-Smith) f�hren� ein j�disches Restaurant; „seit 1923 mit kleiner tausendj�hriger Unterbrechung“.
Noah Hirschmann (Franz Dinda) und Hakim Abu Yazid (Omar El-Saeidi), zwei Berliner um die drei�ig, sind seit Kindheitstagen beste Freunde. Schon als Jungs waren sie in dasselbe M�dchen verliebt, doch Sandra hat sich damals f�r Klausi entschieden. Zwanzig Jahre sp�ter – Noah hat heute eine Werkstatt f�r Oldtimer, Hakim ist Deutschlehrer – ereilt die beiden dieses Schicksal erneut. Autonarr Noah l�uft vor einen VW-K�fer, freut sich erst �ber das Baujahr (1973) und dann �ber die Frau am Steuer: Als er Charlotte (Christine Eixenberger) erblickt, ist es um ihn geschehen. Aber Charlotte hat’s eilig, sie muss zu einem wichtigen Termin. Am selben Abend sind die Freunde f�r das Catering einer Verlobungsfeier zust�ndig; Hakim hat sich zwischenzeitlich ebenfalls unsterblich verliebt. Gastgeber ist ausgerechnet der schn�selige Klaus (Wilson Gonzalez Ochsenknecht), seine Zuk�nftige ist selbstredend Charlotte, und nat�rlich ist sie auch die Frau, an die Hakim sein Herz verloren hat.
Soundtrack: Lenny Kravitz („Are You Gonna Go My Way“), T-Rex („Get It On”), Jimmy Cliff („You Can Get It, If You Really Want”), The Temptations („Papa Was A Rolling Stone”), Santa Esmeralda („Don’t Let Me Be Misunderstood”), The Revels („Comanche”), Smokey Robinson („Cruisin’”), Jamie Lidell („Little Bit Of Feel Good”), Amy Winehouse („Amy Amy Amy”), Zero 7 („In The Waitingline”), Blood, Sweat & Tears („And When I Die”)
Schon der Auftakt hat Witz und Tempo f�r zwei Filme. Das gilt auch f�r das gro�artig besetzte Ensemble, denn die beiden Hauptfiguren w�ren nichts ohne ihre Eltern: Die Abu Yazids (Şiir Eloğlu, Adnan Maral) stammen aus dem Libanon und vertreiben arabische Spezialit�ten, die Hirschmanns (Andrea Sawatzki, Francis Fulton-Smith) f�hren ein j�disches Restaurant; „seit 1923 mit kleiner tausendj�hriger Unterbrechung“, wie es auf dem Messingschild neben dem Eingang hei�t. Die Elternpaare sind nicht �bertrieben religi�s, beide M�nner genehmigen sich gern mal nebenbei ein Schl�ckchen, aber die S�hne sollen standesgem�� heiraten: Hakim eine Muslima, Noah eine J�din, und zwar m�glichst bald, denn wie alle Eltern in ihrem Alter wollen die Hirschmanns und die Abu Yazids endlich Gro�eltern werden. Als blonde Christin aus Bayern w�rde Charlotte die Erwartungen beider Familien nicht mal ansatzweise erf�llen. Theoretisch ist sie ja ohnehin vergeben, doch bei Klausis Verlobungsfeier ist unerwartet die sichtbar schwangere Spielplatzliebe Sandra (Isabell Polak) aufgetaucht. Seither liefern sich Noah und Hakim einen Zweikampf, bei dem alle Mittel erlaubt sind und auf Freundschaft keine R�cksicht mehr genommen werden kann; obwohl sie sich doch einst geschworen haben, dass keine Frau sie jemals trennen soll.
Foto: ZDF / Daniela IncoronatoBeziehungs-Krisensitzung auf Charlottes Hausboot. Dinda, El-Saeidi & Eixenberger
Dank der Spielfreude von Franz Dinda und Omar El-Saeidi sowie der vielen witzigen Einf�lle beim Werben um Charlotte w�rde „Matze, Kebab und Sauerkraut“ auch ohne den religi�sen Hintergrund funktionieren; aber der sorgt nat�rlich f�r weitere Verwicklungen, weil die Eltern ihre S�hne mit Frauen verkuppeln wollen, die ihrer Ansicht nach als Heiratskandidatinnen ungleich geeigneter w�ren. Geschmacksache ist dagegen das Stilmittel der �berh�hung, denn es hat zur Folge, dass alle Mitwirkenden dick auftragen: Dinda und El-Saeidi sind oft zu laut, Fulton-Smith ist zu jiddisch, sodass Daniel Hirschmann fast zur Karikatur wird. Andererseits entsprechen sie damit der gesamten Anmutung des Films; Ausstattung (Olaf Rehahn) und Licht (Kamera: Christoph Krauss) sorgen f�r eine farbliche S�ttigung, die es im wahren Leben nicht gibt. Die st�ndigen �bertreibungen finden sich zudem auf jeder Ebene des Films, zumal Tremper geradezu lustvoll alle nur denkbaren Vorurteile und Stereotype bedient: „Du bist Lehrer, du hast Zeit“, sagt Vater Yussef zu Hakim. „Zeig’ alles, sag’ alles und sei b�se“ lautete die Maxime, die sich der Autor f�r sein auf einer Idee von Produzentin Alice Brauner basierendes Buch gesetzt hat. Der Humor ist gern auch mal handfest; in diesem Film werden mehr Ohrfeigen verteilt als einst in den Haudrauf-Western mit Terence Hill und Bud Spencer.
Foto: ZDF / Daniela IncoronatoBei Hakims Liebesleben wollen die Eltern ein W�rtchen mitreden. Maral, El-Saeidi
Und dann ist da ja noch Christine Eixenberger. Dass die Hauptdarstellerin der ZDF-Sonntagsfilmreihe „Marie f�ngt Feuer“ ihre Figur als Frau zum Verlieben verk�rpert, versteht sich von selbst. Erschwerend kommt aus Sicht zumindest von Noah und Hakim hinzu, dass sich die selbstbewusste Charlotte, die ihnen mit ihrem speziellen Humor dauernd das Segel aus dem Wind nimmt, gar nicht zwischen ihnen entscheiden will; sie m�chte lieber mit beiden befreundet sein. Das h�lt die M�nner nat�rlich nicht davon ab, ihr Werben fortzusetzen und sich gegenseitig auszustechen, zur Not buchst�blich, als sie sich zum Rapiergefecht treffen, in ihrer Fantasie stilecht wie Musketiere gekleidet.
Solche kleinen Ideen streut Christoph Schnee immer wieder ein, und meistens sind sie witziger als die eher �berfl�ssigen (aber auch nur seltenen) Kommentare der Protagonisten in die Kamera. F�r einen winzigen Gastauftritt wurde G�tz Otto in ein Eisb�rkost�m gesteckt, ein Blickduell der beiden Freunde inszeniert Schnee zur Musik aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, und wenn sie aus Liebeskummer Schnulzen anschauen und bergeweise Papiertaschent�cher verbrauchen, hat Martin Stock das Leitmotiv aus dem Klasser „Love Story“ in seine ansonsten �beraus schwungvolle Musik integriert. Schnee ist selbstredend nicht der erste, der ein Foto lebendig werden l�sst, doch es passt einfach prima, wenn Melek Abu Yazid im Bilderrahm auf dem Schreibtisch ihres Mannes zu zetern beginnt. Der erfahrene Serienregisseur hat diverse Male den Deutschen Fernsehpreis und den Deutschen Comedy-Preis bekommen, unter anderem f�r „Berlin, Berlin“, „Nikola“, „Der Lehrer“ und „Danni Lowinski“. Sein letzter Film war „Gr��er als im Fernsehen“ (2019, ARD), ebenfalls ein Vergn�gen mit Tiefgang. Die Filmografie von Tremper, der an „Matze, Kebab und Sauerkraut“ auch als Producer beteiligt war, ist deutlich �berschaubarer; zumindest als Autor. Sein bislang einziges verfilmtes Drehbuch war „Zwei Familien auf der Palme“ (2015, Sat.1), eine harmlos-heitere Kom�die �ber zwei Familien, die gemeinsam Schiffbruch erleiden. Da ist „Matze, Kebab und Sauerkraut“ von ganz anderem Kaliber, zumal Schnee zum verbl�ffenden Happy End mit Aby Era noch eine aufregende Fersehfilmentdeckung aus dem Hut zaubert.
Foto: ZDF / Daniela IncoronatoW�hnt sich da die begehrte Charlotte (Christine Eixenberger) nicht vielleicht im falschen Film? Oder ist das Gefecht der Musketiere nur eine m�nnliche Phantasie?
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.