Mario Czaja: „Mit uns wird es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“

Mario Czaja: „Mit uns wird es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“

Der Generalsekretär der Union im Gespräch mit der Berliner Zeitung über Kritik an seiner Person, das neue Programm der CDU und die Wahlchancen im Osten.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja beim Interview mit der Berliner Zeitung im Konrad-Adenauer-Haus
CDU-Generalsekretär Mario Czaja beim Interview mit der Berliner Zeitung im Konrad-Adenauer-HausBenjamin Pritzkuleit

Das Gespräch mit Mario Czaja findet in seinem Büro im Konrad-Adenauer-Haus statt, ein großer heller Raum im fünften Stock mit Blick auf den Lützowplatz. Das Adenauer-Haus ist nach der Abwahl der CDU aus der Regierung die neue Machtzentrale, doch es gibt Kritik an der Arbeitsweise. 

Herr Czaja, wie läuft die Kampagne gegen das Heizungsgesetz der Bundesregierung? Ist sie ein Erfolg?

Die Bundesregierung hat ein schlechtes, sozial ungerechtes und für den Klimaschutz untaugliches Gesetz vorgelegt. Das Ziel unserer Kampagne ist, dass dieses Gesetz in dieser Form nicht kommt. Das wollen wir erreichen. Die Resonanz, die wir bisher aus der Bevölkerung erhalten haben, ist absolut positiv.

Welche Punkte sollen denn konkret geändert werden?

Die Union hat ein Konzept für klimafreundliches Heizen, mit Anreizen statt Verboten. Ohne Brechstange und ohne die soziale Kälte der Grünen. Unser stellvertretender Vorsitzender Andreas Jung und ich haben dies im März auch so in einem Präsidiumsbeschluss formuliert, der für die Partei die Rahmenbedingungen definiert, die wir für ein solches Heizungsgesetz für wichtig erachten. Zum einen wollen wir das Prinzip der Technologieoffenheit festschreiben. Die Wärmepumpe ist in vielen Neubauten ein geeignetes Instrument.

Das klang nicht immer so.

Aber gerade bei Sanierungen von vorhandenen Gebäuden muss Heizen mit zum Beispiel Biomasse oder zukünftig auch Wasserstoff möglich sein. Wenn wir uns verengen, kann die Wärmewende nicht gelingen. Vor allem aber wollen wir zum Instrument des Förderns und der Unterstützung zurückkehren, statt Bestrafung und Verbote. So sah auch in der Vergangenheit unser Heizungsgesetz aus, die Fördermöglichkeiten sind seinerzeit von vielen Bürgerinnen und Bürgern genutzt worden.

Wenn das genügt hätte, wäre der Gebäudesektor nicht immer noch einer der Schwachpunkte bei der Wärmewende in Deutschland, oder?

Interessanterweise ist das Land bei der Wärmewende durch die Politik, die Robert Habeck macht, weiter zurückgefallen, statt voranzukommen. Wir haben damals mit unseren Instrumenten gute Ergebnisse erzielt. Man kann immer der Auffassung sein, dass es schneller und besser geht. Das teilen wir auch. Aber das gelingt halt eben nicht mit Verboten, Vorschriften und Gängelei, sondern nur mit Anreizen. Eben mit den Menschen und nicht gegen sie.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja
CDU-Generalsekretär Mario CzajaBenjamin Pritzkuleit

Wie viele Menschen haben sich denn nun für Ihre Kampagne eingetragen?

Wir sind momentan bei knapp 30.000 Leuten, die diese Kampagne unterstützt haben, und es werden jeden Tag mehr. Aber wie gesagt, unser Ziel ist, dass wir dieses Gesetz verändern. Diese Kampagne ist kein Selbstzweck. Wir wollen dieses Gesetz verändern. Die Kampagne ist aber auch ein Mittel, mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten und im Austausch über unsere Politik zu bleiben. Es geht dabei nicht nur um die Heizungen. Wir müssen den Blick weiten.

Wie meinen Sie das?

Es geht um die Klimaverträglichkeit der gesamten Immobilie. Heißt: Wenn jemand die Einsparung nicht durch den Austausch der Heizungsanlage, sondern durch die Sanierung der Gebäudehülle erreicht, dann ist das genauso wichtig. Wir müssen die Dinge zusammendenken. Das Ergebnis zählt.

Bei diesen 30.000 Menschen, die sich eingetragen haben, sind da auch die mitgezählt, die jetzt in Sachsen und Thüringen unterschrieben habe. Die CDU in den beiden Ländern hat ihre Kampagne ja schon früher begonnen.

Die Zahl bezieht sich auf die Menschen, die sich bei uns gemeldet haben. Aber ja, der Unmut über die Heizungspläne ist riesig und einige Landesverbände haben parallel auch noch ihre eigenen Initiativen gestartet. Das sollte der Bundesregierung zu denken geben.

Weil Sie gerade von Unmut sprechen. Den gab auch in einigen CDU-Landesverbänden über die Bundespartei. Es hieß, das Konrad-Adenauer-Haus käme nicht schnell genug aus dem Knick. Was sagen Sie dazu?

Ich teile die Einschätzung nicht, die Sie haben. Ich bin mit den Landes-Generalsekretären und den Landesvorsitzenden im engen Austausch. Wir haben uns gemeinsam verabredet, wie wir diese Möglichkeit zügig und koordiniert schaffen. Wichtig ist: Alle ziehen mit!

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Benjamin Pritzkuleit
Mario Czaja
ist seit Januar 2022 Generalsekretär der CDU. Der gelernte Verkehrssicherungskaufmann sitzt seit einem Jahr im Bundestag, er nahm der Linken das Direktmandat in Marzahn-Hellersdorf ab. Von 1999 bis 2021 gehörte der 47-Jährige dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Von 2011 bis 2016 war er Gesundheitssenator. Seit 2018 ist er ehrenamtlicher Präsident des Berliner Roten Kreuzes.

Sie sind seit knapp anderthalb Jahren CDU-Generalsekretär. Wie ist Ihre Bilanz? Was ist gut gelaufen, wo gibt es Defizite?

Lassen Sie uns mal ganz nüchtern auf die Ergebnisse schauen. Nach der letzten Bundestagswahl waren wir zerstritten. Wir haben kein geschlossenes Bild von CDU und CSU geliefert. Viele haben sich die Frage gestellt, wofür steht die Union eigentlich im Land, und wir hatten inhaltliche Leerstellen, an denen arbeiten wir. Heute, anderthalb Jahre später, ist die Union geeint, und zwischen CDU und CSU gibt es eine gute und verlässliche Zusammenarbeit, ebenso wie zwischen Bund und Ländern, zwischen Fraktion und Partei.

Die Union ist wieder eine Erfolgsgeschichte?

Wir haben in den letzten zwölf Monaten drei Landtagswahlen deutlich gewonnen und führen dort heute die Regierung. Wir arbeiten an unserem Grundsatzprogramm und beschreiben darin, wie christdemokratische Politik für das nächste Jahrzehnt aussieht. Beim Thema Bürgergeld haben wir den Takt vorgegeben und verhindert, dass das bewährte Prinzip des Förderns und Forderns aufgeben wird. Unser Zukunftskongress zum Thema Wirtschaft, Klima und Energie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass jetzt im Deutschen Bundestag über Wasserstoff, über Kernfusion, über neue Technologien gesprochen wird. Wir führen in den Meinungsumfragen gut zehn Prozentpunkte vor der SPD.

Mit den Umfragewerten sind Sie zufrieden? Es gibt auch Verantwortungsträger in Ihrer Partei, die sagen, angesichts des schlechten Erscheinungsbilds der Koalition müssten für die Union mehr als 30 oder 32 Prozent drin sein.

Nein, aber es ist ein wichtiger erster Schritt. Wir dürfen und wir werden uns nicht darauf ausruhen. Es gibt immer noch sehr viele Menschen, die zwar mit der jetzigen Bundesregierung unzufrieden sind, aber uns noch nicht zutrauen, dass wir es besser machen. Wir haben immer noch viele Menschen, die an den politischen Rändern ihre Stimme abgeben, weil sie der politischen Mitte und in Teilen überhaupt der Demokratie misstrauen. Einige haben nicht mehr den Eindruck, dass in der demokratischen Mitte ihre Interessen vertreten werden. Das besorgt uns, dieser Aufgabe nehmen wir uns als große Volkspartei an.

Bei den Frauen sind Sie bisher noch nicht recht vorangekommen. Wie wirkt sich die Frauenquote bei der CDU aus?

Die Einführung der Frauenquote ist kein Wundermittel gewesen. Und ich denke, dass niemand geglaubt hat, dass sich dadurch einfach ein Schalter umlegt. Wichtig war und ist vor allem das Zeichen: Wir sprechen eine Einladung aus, bei uns mitzumachen, und sie wird auch von sehr vielen Frauen angenommen. Als wir jetzt im März eine besondere Mitglieder-Werbekampagne gemacht haben, waren deutlich über 30 Prozent der Neumitglieder Frauen. Das ist schon sehr viel mehr, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Ich habe verschiedentlich gehört, dass man in den Landesverbänden enttäuscht ist, dass es 2023 keinen Parteitag gibt, mit dem man als Oppositionspartei dann auch ein paar Tage lang in den Medien Themen setzen kann. Warum verzichten Sie darauf?

Wir haben gemeinschaftlich im Jahr 2022 entschieden, dass 2023 unser Programmjahr wird. Wir wollen mit unseren Mitgliedern diskutieren und gemeinsame Lösungsansätze für die großen Themen unserer Zeit erarbeiten. Dazu führen wir zum Beispiel Regionalkonferenzen durch, in denen wir zusammenkommen. Wir werden im Juni sowohl unseren Bundesausschuss, also einen kleinen Parteitag, als auch einen Konvent zu unserem Grundsatzprogramm haben.

Also kein großer Parteitag?

Wir planen kleinere Veranstaltungen, die sich mit konkreten Themen beschäftigen werden. Und die Rückmeldungen, die wir und auch ich persönlich dazu bekommen, sind ganz andere: Wir hören, dass lange keine so gute und offene Debattenkultur mehr geherrscht hat wie jetzt. Die Partei hat Lust, sich wieder einzubringen. Diese Lust an Debatte greifen wir auf und schaffen dafür die Räume. Unsere Satzung schreibt vor, dass wir alle zwei Jahre einen Parteitag durchführen, und wir werden im Frühjahr 2024 wieder einen haben.

Was würden Sie sagen, sind die spannendsten Inhalte, die Sie bisher in Ihrem Programmjahr erarbeitet haben?

Uns leitet in unserem Grundsatzprogramm die Frage, welche Antworten wir auf die drängenden Themen unserer Zeit geben müssen. Das beginnt mit der Frage nach unserem Wirtschaftssystem. Wir stehen zur sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet, dass wir auch zukünftig sicherstellen müssen, dass das Geld, das wir verteilen, zunächst erwirtschaftet werden muss. Wir sehen, dass gestörte Lieferketten, teurere Energie, höhere Personalkosten vielen Unternehmen Sorge bereiten. Und wir machen uns Gedanken darüber, wie die Wirtschaft, insbesondere wie Mittelstand und Handwerk, in unserem Land gut funktionieren kann. Dazu gehört, Konzepte zu entwickeln, wie die Betriebe von Bürokratie entlastet werden können. Wir machen uns Gedanken darüber, wie es in unserem Land gerechter zugehen kann, insbesondere für jene Menschen, die lange gearbeitet haben, aber eine niedrige Rente beziehen.

Was sind da Ihre Vorschläge?

Wir sehen ja sehr deutlich, dass unser Rentensystem unter Druck steht, allein schon aufgrund des demografischen Wandels, also weil immer mehr Menschen in den Ruhestand gehen, zugleich aber immer weniger Junge in den Arbeitsmarkt folgen. Wir arbeiten deswegen an einem Modell, wie Betriebsrenten auch für Menschen mit einem kleineren Einkommen funktionieren können. Wir sehen, dass die aktuellen Modelle der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge gerade von Menschen mit kleinerem Einkommen nicht genutzt werden. Weil häufig vom Netto nicht viel übrig bleibt. Über konkrete Maßnahmen dazu beraten wir derzeit.

Ist eine Ursache für die kleinen Renten nicht auch, dass die Löhne stagnieren?

Das ist jetzt ein bisschen arg vereinfacht, aber dass viele Menschen geringe Einkommen beziehen, ist natürlich ein Problem. Es muss der Grundsatz gelten, dass man von seiner Arbeit leben kann und nicht abhängig von sozialen Transferleistungen ist. Ich möchte nicht, dass man zum Amt gehen muss, wenn man 35 oder 40 Stunden pro Woche hart arbeitet, um ergänzende Hilfe für Wohngeld oder für den Kinderzuschlag zu bekommen. Das ist vor allem ein Problem in Ostdeutschland und in den Regionen mit wenig Industrie. Wir haben deswegen im Grundsatzprogramm vorgeschlagen, das Instrument einer sogenannten negativen Einkommenssteuer einzuführen.

Was heißt das?

Das heißt, dass der Zuschuss, den man sonst fürs Wohngeld oder für den Kinderzuschlag bekommen kann, unmittelbar mit dem Lohn ausgezahlt wird. Das ist für den Arbeitgeber relativ einfach verrechenbar und wäre unbürokratisch, weil er ja an einer anderen Stelle Lohnsteuer abzuführen hätte und das in seiner gesamten Lohnsteuer-Abführung nur einmal anzugeben hat. Der Arbeitnehmer würde so ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand an die Leistungen kommen, die ihm zustehen. Wir werben aber auch dafür, dass man die Tarifbindung wieder erhöht, denn wo Tarifbindung herrscht, sind Löhne und Altersvorsorge höher. Ich bin sehr dankbar, dass dazu seitens der Mittelstandsunion zusammen mit den Sozialausschüssen unserer Partei ein konstruktiver Vorschlag für den kommenden kleinen Parteitag am 16. Juni unterbreitet wird.

Nächstes Jahr wird in drei östlichen Bundesländern gewählt. Wie wird sich die CDU gegen die AfD positionieren, die womöglich in einigen Regionen stärkste Kraft wird?

Unser Ziel ist es, dass wir in diesen Ländern Regierungsverantwortung übernehmen können. Wir wollen in Sachsen, in Thüringen und in Brandenburg den Ministerpräsidenten stellen – mit Mehrheiten aus der politischen Mitte heraus. Klar ist und bleibt: Mit uns wird es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, in keinem Bundesland, auf keiner Ebene.

Die Brandmauer steht und wackelt nicht?

Die Brandmauer steht! Mit einer solchen Partei wird es keine Zusammenarbeit seitens der Union geben. Die Union grenzt sich klar von der AfD ab. Trotzdem: Die momentan hohen Umfragewerte stimmen uns – wie alle Parteien der politischen Mitte – besorgt. Wir wissen, dass unter denen, die jetzt der AfD ihre Stimme geben, auch viele sind, die vor allem durch Sorgen und Existenzängste an die politischen Ränder getrieben werden. Auch deswegen ist es so wichtig, den Menschen deutlich zu machen, dass wir Antworten auf die Sorgen und Probleme haben, die sie bewegen. Die sind im Osten teilweise andere als im Westen der Republik.

Was heißt das?

Zum Beispiel: Es gibt weniger Vermögen und weniger finanzielle Polster, um eine Krisenzeit zu überstehen. Bei vielen Menschen führt dies zu Ohnmachtsgefühlen, zu Sorgen und Angst, dass die jeweiligen Veränderungen nicht geschultert werden können. Hinzu kommt: Auch 33 Jahre nach der Deutschen Einheit haben wir in den neuen Bundesländern eine Reihe von Strukturproblemen. Gibt es einen Arzt im Ort? Ist das nächste Krankenhaus noch erreichbar? Gibts eine Polizei, die schnell da ist? Und um diese Sorgen, auch und gerade im ländlichen Raum, müssen wir uns kümmern und deutlich machen, dass wir dafür der Ansprechpartner sind. Dass wir diese Sorgen ernst nehmen. Wir werden diese Menschen nicht den Populisten mit den scheinbar einfachen Antworten überlassen, die aber einzig davon profitieren, dass sie bewusst Ängste schüren, aber im Kern die Probleme nicht lösen.

Auch im Westen haben viele Verlustängste, dennoch ist dort der Zuspruch für die AfD deutlich geringer.

Die hohen Umfragewerte für die AfD sind überall ein Problem.

Würden Sie der CDU in Thüringen im Falle des Falles empfehlen, auch weiterhin eine linke Minderheitsregierung zu tolerieren?

Unser Ziel ist es, in Thüringen wieder stärkste Kraft zu werden, den Ministerpräsidenten zu stellen und stabile Mehrheiten zu haben, die dafür sorgen, dass ein derart schwieriger, weil das Land lähmender Kompromiss nicht noch einmal gefunden werden muss.

Für die Union ist die Linke immer noch das gleiche Übel wie die AfD?

Wir haben eine Unvereinbarkeit in der Zusammenarbeit mit den Linken und der AfD, aber ich habe auch immer zum Ausdruck gebracht: Wer die AfD mit den Linken gleichsetzt, der verharmlost die AfD.