Bundesparteitag: FDP überzeugt vom Zwölf-Punkte-Programm
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Kurs der Ampel-Koalition 

Bundesparteitag der FDP: Liberale überzeugt vom Zwölf-Punkte-Programm

Berlin / Lesedauer: 5 min

In einem Leitantrag fordert die FDP-Parteispitze Vorhaben zur „Beschleunigung der Wirtschaftswende“. So reagieren die Koalitionspartner darauf.
Veröffentlicht:26.04.2024, 20:00

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Es ist schon ein Elend für die Liberalen: Da mühen sie sich seit Monaten um ein eigenes Profil in der Ampel-Koalition - und kommen nicht vom Fleck. Und dann, kurz vor Beginn des Bundesparteitags, wieder ein Dämpfer: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die FDP laut ZDF-Politbarometer auf vier Prozent. Sie wäre gleichauf mit der Linken - und nicht mehr im Parlament vertreten. Die neue gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht hingegen schon. Das muss wehtun, gerade auch Christian Lindner, der seit mehr als zehn Jahren an der Spitze der Partei steht.

Notwendigkeit der Wirtschaftswende

Vielleicht braucht es deshalb das Zwölf-Punkte-Papier des Präsidiums „zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“, über das die Delegierten an diesem Wochenende in Berlin beraten. Darin werden unter anderem Entlastungen für Unternehmen und ein Ende der Rente mit 63 gefordert. Es soll die Liberalen wohl darin bestärken, dass sich die Partei ihren Kurs in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht von einem links-grünen Regierungsbündnis verwässern lässt, auch wenn sie ihm selbst angehört. Da sei aber keine Strategie, „sondern wir sind der festen Überzeugung, dass es eine Wirtschaftswende braucht“, sagte Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, am Freitag im Bundestag. In der Debatte ging es um einen Antrag der Unionsfraktion, in dem ebenfalls eine „echte Wirtschaftswende“ gefordert wird - und der weitgehend dem Beschluss des FDP-Präsidiums entspricht. Das steht für sich. Doch Grüne und SPD wollen kein Gewese darum machen.

"Keine Relevanz für die Ampel"

„Das Papier enthält 100 Prozent FDP, vor einem Parteitag und im Zuge des Europawahlkampfes ist das selbstverständlich“, teilt Sandra Detzer, wirtschaftspolitischer Sprecherin der Grünen-Fraktion, auf Anfrage mit. Für den demokratischen Wettbewerb sei es wichtig, „dass sich Parteien unterscheiden“, so die Abgeordnete für den Wahlkreis Ludwigsburg. Diese Einschätzung teilt auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Anja Reinalter: „Dass die FDP und Bündnis90/Die Grünen unterschiedliche Ansichten haben und dass auch bei Parteitagen unterschiedlicher Parteien unterschiedliche Beschlüsse gefasst werden, ist ja logisch“, sagte die Abgeordnete für den Wahlkreis Biberach. „Das hat keine Relevanz für die Ampel und bringt mich nicht aus der Ruhe.“ Die Koalition habe schon genügend Diskussionsprozesse, „und ich habe definitiv kein Interesse an öffentlichen Streitereien“, so Reinalter.

Am vergangenen Wochenende, als der Beschluss des Präsidiums bekannt geworden war, werteten ihn vor allem Politiker von CDU und CSU als weiteres Anzeichen für ein baldiges Ende der Bundesregierung. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach in der „Bild am Sonntag“ von einer „Scheidungsurkunde für die Ampel“. Von dieser Interpretation distanzierten sich führende Liberale umgehend. Das sei kein Scheidungspapier, sondern ein Leitantrag für den Bundesparteitag, sagte FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei „Ippen.Media“. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen so enorm seien, dass es eine Wirtschaftswende brauche.

"Kritik aus der Praxis ist ein Warnsignal"

Pascal Kober, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erklärt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, warum auch er dafür ist, beispielsweise die Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger zu verschärfen und drei Jahre lang keine neuen Sozialleistungen zu beschließen. „59 Prozent der Jobcenter-Mitarbeiter sagen, dass Bürgergeld-Bezieher seit der Einführung des Bürgergelds schlechter erreichbar und weniger motiviert seien. 73 Prozent von ihnen lehnen mildere Sanktionen bei Termin- oder Fristversäumnissen ab. Diese Kritik aus der Praxis ist ein Warnsignal, das wir ernst nehmen müssen“, sagt der Abgeordnete für den Wahlkreis Reutlingen. Zudem werde die Quote der Sozialausgaben im Bundeshaushalt von 44,8 Prozent in diesem Jahr auf 48,4 Prozent im Jahr 2025 ansteigen. „Die Koalitionspartner können sich gerne mit eigenen Vorschlägen an der Debatte beteiligen“, so Kober.

Diese Einladung dürfte auf die Koalitionspartner nicht nur freundlich gewirkt haben. Denn ihre Vorschläge liegen ja auf dem Tisch - oder sind bereits umgesetzt. „Um den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv und wettbewerbsfähig zu machen, treiben wir die Energiewende voran wie gerade mit dem Solarpaket. Wir entlasten Bürger und Unternehmen beispielsweise durch die Abschaffung der EEG-Umlage und kümmern uns um die Arbeits- und Fachkräfteversorgung“, betont Detzer.

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Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion scheinen wenig Interesse an einer entsprechenden Debatte zu haben. „Die FDP macht unter der Überschrift ,Wirtschaftswende‘ viele Vorschläge, die der Wirtschaft überhaupt nichts bringen. Zum Beispiel wollen sie die Rente kürzen“, kritisiert Robin Mesarosch, Abgeordneter für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen. Das habe mit der Regierungsarbeit nichts zu tun, „denn die steht für Rentenerhöhungen“.

Unionspolitiker "irritiert" vom Vorgehen der Liberalen

Lachende Vierte und Fünfte könnte in dieser Konstellation CDU und CSU sein. Doch Unionspolitiker äußern sich mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung eher besorgt. „Was wir haben müssten, ist eine Regierung mit einem klaren Konzept“, sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) am Freitag im Bundestag. Die FDP wisse zwar, was zu tun sei, erreiche aber nichts. Sein Fraktionskollege Axel Müller (CDU), Abgeordneter für den Wahlkreis Ravensburg, zeigt sich hingegen „irritiert“ vom Vorgehen der Liberalen. Die FDP nehme Positionen ein, „von denen sie von vornherein wissen muss, dass diese in der gegenwärtigen politischen Konstellation der Bundesregierung keine Chance auf eine Mehrheit haben“, sagt er. „Es hätte der FDP besser zu Gesicht gestanden, wenn sie aus Verantwortung für das Land und die Menschen ihre Parteiprogrammatik hintangestellt hätten.“

Für die FDP-Delegierten wird das absehbar kein Grund sein, die umstrittenen zwölf Punkte nicht zu beschließen. Denn die Notwendigkeit einer Wirtschaftswende müsse ernst genommen werden, so Kober.