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Geschichte Tod mit 89 Jahren

Bis ganz zum Schluss blieb Margot Honecker der DDR treu

In Ostdeutschland nannte man sie hinter vorgehaltener Hand „lila Hexe“. Die Witwe von Erich Honecker starb im selbstgewählten Exil Chile. Von den Verbrechen der SED-Diktatur distanzierte sie sich nie.
Leitender Redakteur Geschichte
Margot Honecker im Alter von 89 Jahren verstorben

Margot Honecker ist tot. Die Witwe des früheren DDR-Staats- und SED-Parteichefs Erich Honecker starb am Freitag im Alter von 89 Jahren in Santiago de Chile. Sie erlag einer Krebserkrankung.

Quelle: Die Welt

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Ihre Ehre hieß Treue. Zur DDR, zum Sozialismus, zur Weltrevolution; nicht unbedingt zu ihrem Ehemann. Margot Honecker hat, soweit man weiß, niemals gezweifelt. Am Freitag ist die Witwe des einstigen Staats- und Parteichefs der SED-Diktatur Erich Honecker, drei Wochen nach ihrem 89. Geburtstag, in ihrem selbstgewählten Exil in Santiago de Chile gestorben. Im Beisein ihrer Tochter Sonja und einer Krankenschwester, als Ursache wurde in chilenischen Medien eine Krebserkrankung genannt.

Sie hatte sich in ihrem letzten knappen Vierteljahrhundert in Südamerika rar gemacht. Mit ganz wenigen Ausnahmen ließ sie nur ausgewiesene Kommunisten und Ostalgiker in ihre Nähe; den einst als Stasi-IM geführten Buchverleger Frank Schumann etwa oder Luis Corvalan, einen Spitzenfunktionär der chilenischen Kommunisten. Mit ihnen war sich Margot Honecker offensichtlich einig  – jedenfalls ausweislich der Bücher, die bald nach den Begegnungen erschienen.

„Der Staat gewährte den Genossenschaften von Anfang an Hilfe?“, fragte beispielsweise Corvalan in dem 2001 erschienenen Band „Gespräche mit Margot Honecker über das andere Deutschland“, und seine Gesprächspartnerin antwortete: „Ja, Landmaschinen wurden an die LPG zu Vorzugspreisen verkauft. Heute würde man in meiner Heimat wohl ,Schnäppchenpreise' sagen.“ Das war ein Interviewstil, der ihr gefiel.

Honecker verunglimpfte immer wieder die Opfer der SED-Diktatur

Kaum besser fiel zwölf Jahre später Schumanns Unterhaltung über „Volksbildung“ aus. 26 Jahre lang hatte Margot Honecker das Bildungssystem in der DDR verantwortet, zum Schaden von Millionen Kindern und Jugendlichen. Es hätte also genug Anlass zu kritischen Fragen gegeben. Stattdessen betätigte sich Schumann als reiner Stichwortgeber, vor allem in den langatmigen autobiografischen Passagen des Buches.

Doch selbst in den Kernkapiteln zur Bildungspolitik war es kaum besser. So erkundigte sich der ehemalige SED-Journalist Schumann zwar nach dem berüchtigten Wehrkunde-Unterricht, den die Ministerin persönlich zum 1. September 1978 in der DDR einführen ließ. Doch Margot Honeckers Antwort fiel eindeutig aus: „Eine ,Militarisierung' des Unterrichts oder der Schule vermag ich darin nicht zu erkennen." Darauf muss man auch erst einmal kommen.

Treue gegenüber den eigenen Überzeugungen kann durchaus lobenswert sein – es kommt allerdings darauf an, ob sich dadurch Menschen, die leiden mussten, verunglimpft oder beleidigt vorkommen. Beinahe jeder politische Satz, den Margot Honecker in Chile von sich gab, zielte auf die Opfer der SED-Diktatur und sollte sie mutmaßlich einmal mehr demütigen.

In ihrem einzigen nennenswerten TV-Interview, das der NDR-Journalist Eric Friedler 2012 auf Deutschlands Bildschirme brachte, nannte sie den friedlichen Sturz des kommunistischen Regime eine „Konterrevolution“ und beklagte den Untergang der DDR: „Es ist eine Tragik, dass es dieses Land nicht mehr gibt.“

Zu den Opfer der mörderischen Grenze, die Deutschland zerschnitt, um die Herrschaft der SED zu sichern, fiel ihr nur ein: „Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern, um diese Dummheit mit dem Leben zu bezahlen.“ Ohnehin seien alle „politisch Verfolgten“ der DDR in Wirklichkeit nur „Kriminelle“.

Nein, Mitleid verdiente Margot Honecker nicht. Sie beschwerte sich über ihre fast 2000 Euro monatliche Pension; für Santiago de Chile ein komfortables Einkommen. Sie bestritt den ökonomischen Niedergang der DDR und nannte die Wiedervereinigung Deutschlands einen „Irrtum“.

Schon 1945 wurde sie Mitglied der KPD

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Geboren wurde Margot Feist am 17. April 1927 in Halle an der Saale. Ihre Eltern, Schuster der Vater und Fabrikarbeiterin die Mutter, waren Mitglieder der KPD und hielten an ihrer Überzeugung auch nach 1933 fest; das brachte den Vater auf Jahre in verschiedene Gefängnisse und KZs. Margot trat mit elf Jahren den nationalsozialistischen Jungmädeln und später dem Bund Deutscher Mädel bei.

Das war wohl nur Überlebensstrategie, denn schon 1945 wurde sie Mitglied der KPD, ein halbes Jahr später der SED. Eine Parteikarriere war vorgezeichnet, zunächst in der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Mit 19 Jahren absolvierte Margot Feist ihre ersten Lehrgänge, mit 20 Jahren wurde sie in Halle FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda. Mit 21 gehörte sie zu den jüngsten Mitgliedern des Deutschen Volkskongresses, Gründungsversammlung der DDR, und ab 1949 war sie Abgeordnete der Volkskammer.

Entscheidend für ihren weiteren Lebensweg wurde die Bekanntschaft mit dem aufstrebenden Funktionär Erich Honecker; die gemeinsame Tochter Sonja kam unehelich Ende 1952 zur Welt. Im folgenden Jahr heirateten Erich und Margot; so spießig war die DDR eben doch.

Ab 1971 unbestrittene First Lady der DDR

Der Karriere der beinharten Kommunistin schienen nun keine Grenzen mehr gesetzt; Widerstände räumte ihr Mann aus dem Weg. 1963, als er schon unbestrittener Kronprinz des Regime war, stieg sie in den Ministerrat auf und übernahm, mit der Erfahrung von acht Jahren Volksschule, das Bildungsressort. In der DDR spottete man hinter vorgehaltener Hand: „Warum wird beim Neubau des Bildungsministeriums so tief gegraben? – Man sucht nach den Diplomen der Genossin Ministerin!“

Seit der Intrige ihres Mannes gegen Walter Ulbricht 1971 und seiner Machtübernahme war Margot Honecker die unbestrittene First Lady der DDR. Und das in doppelter Hinsicht: Zusammen mit Stasi-Chef Erich Mielke galt sie  als die am meisten gehasste Person in Ostdeutschland. Man nannte sie „Miss Bildung“ oder – wegen ihrer eigenwilligen Haartönung – die „lila Hexe“.

Margot Honecker 2008 in Chile
Margot Honecker 2008 in Chile
Quelle: AFP

Die Ehe der Honeckers war seit den 1970er-Jahren zerrüttet; das wusste selbst der Bundesnachrichtendienst. Doch um des Scheins willen trennten sich die beiden nicht. Für Erich Honecker vielleicht die beste Entscheidung seines Lebens, denn so hatte er nach seinem Sturz im Oktober 1989 eine nunmehr treu zu ihm haltende Kampfgefährtin.

War es doch Liebe? Oder weckte der Kampf gegen den kapitalistischen Feind die alten Instinkte von Margot Honecker? Jedenfalls wurde sie für die entschiedensten DDR-Anhänger zur Galionsfigur. Mit Erich zusammen floh sie 1990 in ein sowjetisches Militärhospital, dann nach Moskau und dort in die chilenische Botschaft.

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Statt aber ihren Mann bei dessen Auslieferung 1992 nach Berlin zu begleiten, zog sie das Exil in Chile vor; hierher durfte auch Erich nach nicht einmal sechs Monaten Haft ausreisen. Nach seinem Tod 1994 hielt sie sich zuerst aus der Öffentlichkeit zurück, durchbrach dann aber gelegentlich sehr gezielt ihr Schweigen.

Altersmilde hat sich bei Margot Honecker nach allem, was bekannt ist, nie eingestellt. Im Gegenteil: Mit den Jahren wurde sie immer härter. Trauern um sie wird jenseits der Kommunistischen Plattform der Linkspartei und ähnlichen orthodox-sozialistischen Gruppen kaum jemand.

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