von der Leyen im Wahlkampf
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Europawahl 

von der Leyen im Wahlkampf: Spitzenkandidatin der leisen Töne

Brüssel / Lesedauer: 3 min

Ursula von der Leyen hält sich bisher aus dem Europawahlkampf heraus, ganz anders als ihre Konkurrenten. Doch auch sie muss Erwartungen ihres Klientel berücksichtigen.
Veröffentlicht:18.04.2024, 19:00

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An einem gewöhnlichen Mittwoch hat Ursula von der Leyen nur ein paar Schritte zu gehen von ihrem kleinen Wohn- und Arbeitsstudio im obersten Stock des Brüsseler Berlaymont-Gebäudes zum Sitzungssaal Jean-Monnet, wo sie einmal pro Woche die 26 Kommissare aus den anderen EU-Mitgliedsstaaten trifft, die zu ihrem Kollegium gehören.

In dieser Runde werden Gesetzesvorlagen aus Perspektive der jeweils zuständigen Fachabteilungen aufeinander abgestimmt und es wird versucht, gegenüber der komplizierten Welt da draußen eine einheitliche Linie in wichtigen Fragen zu finden. Auf den guten Willen aller Beteiligten kann die Kommissionspräsidentin dabei nicht mehr zählen. Seit sie im Februar die lange erwartete Erklärung abgab, sie werde sich um eine zweite Amtszeit bewerben, ist der Wahlkampf ausgebrochen - nicht nur in den parteipolitischen Zentren Europas, sondern auch im 13. Stock der Kommissionszentrale.

Probleme mit Sonderbeauftragten Pieper

Dort dürfte von der Leyen derzeit häufiger ihre bewährteste Waffe auspacken: Ihr eisernes Lächeln. Sie sieht sich vier politischen Schwergewichten gegenüber, die sie Anfang April in einem Brief aufforderten, die Ernennung ihres Parteifreundes Markus Pieper zum Sonderbeauftragten für kleine und mittlere Unternehmen zu erläutern. Der Auswahlprozess sei nicht überzeugend gelaufen. Pieper hat mittlerweile zurückgezogen, das Schreiben aber fand seinen Weg in die Medien, was vermutlich auch der Zweck der Aktion war. Denn die CDU-Personalie ist nur ein Vorwand.

Das sind ihre Konkurenten

Paolo Gentiloni, der sozialistische Budgetkommissar aus Italien, setzt sich engagiert dafür ein, dass die EU mehr Schulden aufnimmt, um ihre Aufgaben bewältigen zu können. Der Außenbeauftragte Josep Borell aus Spanien, ebenfalls S&D, sieht das ähnlich.

Nicolas Schmit aus Luxemburg, als Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei von der Leyens direkter Konkurrent um den Top-Job, hat gute Gründe, seine Chefin alt aussehen zu lassen. Industriekommissar Thierry Breton reist zwar auf dem liberalen Ticket. Doch ihm werden eigene Ambitionen auf das Brüsseler Spitzenamt nachgesagt. Dem stets mit dröhnender Stimme und sorgfältiger Föhnwelle auftretenden Machtmenschen gefällt es ganz offensichtlich nicht, in der zweiten Reihe hinter einer Frau der leisen Töne zu stehen.

von der Leyen im Dilemma

Doch das Spiel der Alphatierchen hat einen ernsten Hintergrund. Breton gehört der Partei des französischen Präsidenten an und wurde 2019 von ihm als Kommissar nach Brüssel geschickt. Im Vorfeld der letzten Europawahlen war es Emmanuel Macron, der sich besonders engagiert für die deutsche CDU-Politikerin als Kommissionspräsidentin einsetzte.

Ihre Arbeit als Sozial- und später Verteidigungsministerin wurde in Frankreich deutlich positiver bewertet als in ihrem Heimatland. Während ihrer fünf Jahre an der Spitze der EU-Kommission gab sie sich erkennbar Mühe, die französischen Erwartungen nicht zu enttäuschen und zum Beispiel Macrons Lieblingsthema, die gemeinsame Verteidigungsunion, voran zu bringen.

Doch seit ihrer Nominierung zur Spitzenkandidatin auf einem deutschen CDU-Parteitag im Februar muss sie auch die Erwartungen dieser Klientel berücksichtigen. Damit steht von der Leyen vor einem fast unlösbaren Dilemma. Im Europaparlament braucht sie nach den Wahlen eine möglichst breite Mehrheit, im Rat aber muss sie alle 27 Regierungen von sich überzeugen.

Was macht Manfred Weber? 

In der Klimapolitik hat sie in ihrer ersten Amtszeit entscheidende Weichen gestellt, drosselt nun aber das Tempo, um Bauern, Verkehrsteilnehmer und Häuselbauer nicht zu verärgern. Damit setzt sie die Unterstützung der Grünen aufs Spiel. Ihre Entscheidung, den CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper an zwei besser qualifizierten Bewerbern vorbei zum KMU-Beauftragten zu machen, sollte ein Signal Richtung CDU und CSU sein, bot aber der Opposition eine wunderbare Angriffsfläche.

Die Konservativen immerhin unterstützen sie, auch wenn es ein offenes Geheimnis ist, dass deren Fraktionschef Manfred Weber, Wahlsieger von 2019, bis heute nicht verwunden hat, dass er zu ihren Gunsten verzichten musste. Da von der Leyen es unmöglich allen recht machen kann, auf deren Unterstützung sie angewiesen ist, hält sie sich aus dem Wahlkampf heraus. Im 13. Stock, mit Blick über ganz Brüssel, fühlt sie sich ohnehin am wohlsten.