TV-Drama

Überzeugende Kratzbürsten im ZDF-Montagsfilm

| Lesedauer: 3 Minuten
Karolin Jacquemain

Das ZDF-Sozialdrama "Mandy will ans Meer" erzählt von einer Familie, die in Armut lebt, und kann auf zwei wunderbare Darstellerinnen setzen.

Das ist mal eine erfrischende Heldin. Eine Motzkuh mit notorisch schlechter Laune, die keinerlei Zweifel aufkommen lässt, dass sie hauptsächlich von Volldeppen umgeben ist. Wer ihr ganz blöd kommt, nach dem schleudert sie das Küchenmesser. Ida Schmidt, die Starköchin mit Defiziten im sozialen Umgang, wird gespielt von Anna Loos, die den richtigen Ton findet zwischen Feldwebelschroffheit und trauriger Verletzlichkeit. Denn Ida marschiert natürlich nicht 90 Minuten lang als furienhafter Schreck der Belegschaft durch den ZDF-Montagsfilm. Etwa nach der Hälfte des Films hat sie sich mit der jungen Mandy (Hanna Müller) verbündet, die ihr in Sachen Kratzbürstigkeit kaum nachsteht. Mandy aber braucht jemanden, der ihr durcheinandergeratenes Leben in die Hand nimmt. Sie braucht eine Freundin.

Beim Titel "Mandy will ans Meer" hatte man einen Problemfilm vermutet, angesichts der gerade gezeigten ARD-Themenwoche "Leben mit dem Tod" am ehesten ein Sterbedrama, in dem die Protagonistin ihren letzten Wunsch verwirklichen will, noch einmal im warmen Sand zu liegen. Aber der Film von Regisseur Tim Trageser und Drehbuchautor Christian Pfannenschmidt ("Girlfriends") ist ein Sozialstück über Armut, das nicht den Fehler macht, mit einem falschen Happy End zu versöhnen. "Mandy will ans Meer" steht wie seine Protagonistin ein wenig ratlos vor den Umständen, dass manch eine Familie hierzulande nicht genug Geld hat, um Kleidung zu kaufen, Essen und Schulhefte für die Kinder.

Es ist ein cleverer dramaturgischer Schachzug, von einer solchen Familie aus prekären Verhältnissen aus dem Blickwinkel einer Frau zu erzählen, die aufgewachsen ist mit dem Gedanken, dass jeder für sein Schicksal selbst verantwortlich ist. Dass Arbeit findet, wer Arbeit sucht. Mandys Familie aber ist an einem Punkt angelangt, an dem die Eltern schon lang nicht mehr aufs Arbeitsamt laufen; die Kinder mit Lügengespinsten und vorgetäuschter Fröhlichkeit Jugendamt und misstrauische Lehrer abwimmeln. Mit Hanna Müller hat der Film dabei eine wunderbare junge Hauptdarstellerin, die der Geschichte trotz allem Ernst eine schöne Leichtigkeit verleiht.

Anna Loos, die schon immer ein überzeugendes Gespür für Rollen bewiesen hat, füllt auch diese Figur vom nächtlichen Glas Rotwein in der leeren Wohnung bis zum Quatschmachen in der Küche mit Petersiliensträußchen und Fischköpfen glaubhaft aus. Ihre Ida rettet das verwahrloste Mädchen auch nicht aus ihrem Zuhause, wie es Hollywood vielleicht erzählt hätte. Sie will helfen, aber weiß nicht so recht wie. Als sie Mandy ein paar Geldscheine zusteckt, kauft diese davon coole Turnschuhe und eine große Tüte Gemüse auf dem Markt. Ihr Vater haut ihr anschließend eine runter, weil sie keine neuen Schuhe braucht; das Essen wandert in den Mülleimer.

"Mandy will ans Meer" ist trotz einiger Schwächen nicht nur deshalb sehenswert, weil er ein gesellschaftlich relevantes Thema anfasst. Mit gutem Willen macht man schließlich noch keinen guten Film. Nein, er hat zwei überzeugende Argumente, die vollkommen ausreichen für eine Spielfilmlänge. Sie heißen Anna Loos und Hanna Müller.

"Mandy will ans Meer", heute, 20.15 Uhr, ZDF