Malu Dreyer: Die Frau, die Konflikte intern löst

St. Goar im Mittelrheintal. Sie hat sich spontan zu den Frauen auf die Bank gesetzt, die auf das belgische Königspaar warten, wie sie auch. Jetzt plaudern alle angeregt miteinander. Es ist keine Unterhaltung von Politikerin zu Bürger, sondern eine von Mensch zu Mensch. Sympathisch, zugewandt, interessiert. Das ist das Markenzeichen von Malu Dreyer.

Zehn Jahre steht die SPD-Politikerin nun schon an der Spitze der rheinland-pfälzischen Landesregierung - und sie ist beliebt. Die Flutkatastrophe im Ahrtal mit 135 Toten allerdings hat dem Ansehen der Landesregierung und auch der Popularität Dreyers einen Dämpfer versetzt. Es gab massive Versäumnisse und Fehleinschätzungen in der Flutnacht. Innenminister Roger Lewentz (SPD) musste zurücktreten.

"Das Land Rheinland-Pfalz mit seinen Kommunen musste erkennen, dass der Katastrophenschutz und der Hochwasserschutz zu klein waren für das, was da passiert ist", sagt Dreyer. Auch anderthalb Jahre nach der Flut stehen die Betroffenen beim Wiederaufbau vor großen Herausforderungen - vor allem der Antragsstau und der Mangel an Handwerkern macht den Menschen im Ahrtal zu schaffen. Viele fühlen sich vom Land zudem im Stich gelassen.

Oppositionschef Christian Baldauf (CDU) sieht auch Fehler bei der Ministerpräsidentin: "Sie hat keine eigenen Schritte unternommen, keinen eigenen Krisenstab gebildet, um Informationen auszutauschen." Und: "Es müsste jetzt viel mehr getan werden, um die Situation zu verbessern. Bisher ist das mehr als dürftig."

Bei aller inhaltlichen Kritik schätzt aber auch er Malu Dreyer als konstruktive und faire Politikerin.

Rheinland-Pfalz steht im Bund recht gut da. Es wurde vom Nehmer- zum Geberland, auch dank innovativer Firmen wie Biontech. Die Arbeitslosenquote liegt mit weniger als fünf Prozent klar unter dem Bundesdurchschnitt - nur in Bayern und Baden-Württemberg ist sie noch niedriger. 

Darauf sei sie stolz, sagt Dreyer. Sich selbst nennt sie eine soziale Optimistin: Für sie ist das Glas halbvoll und nicht halbleer. Sie setzt großes Vertrauen in ihre Bürger: "Selbst in den größten Krisen hat die Mehrheit der Bevölkerung hier immer zusammengehalten. Das ist eine soziale Kraft, die einem sehr viel Optimismus geben kann."

Schon lange bevor in Berlin die Ampel aus der Taufe gehoben wurde, hat man in Mainz auf Rot-Grün-Gelb gesetzt. Rheinland-Pfalz war sozusagen das Vorbild und ist es womöglich immer noch, denn die Mainzer Ampel arbeitet auch in der zweiten Auflage im siebten Jahr deutlich geräusch- und konfliktloser als die Berliner Koalition.

"Es ist unsere Mentalität, dass wir Konflikte intern lösen", erklärt Malu Dreyer das Phänomen. "Das Land und die Interessen der Menschen gehen immer vor, und das nehmen die Partner hier sehr, sehr ernst".

Die Politik stand eigentlich nicht auf ihrem Lebensplan. Doch es kam anders: Statt wie geplant Arbeitsrichterin wurde sie - damals noch parteilos - Bürgermeisterin in Bad Kreuznach. Kurz danach trat sie in die SPD ein, wurde Sozialdezernentin und später Sozialministerin im Kabinett von Kurt Beck. Seit 2013 ist sie die erste Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.

Ihr Privatleben steht eher selten im Fokus der Öffentlichkeit. Mit ihrer Multiplen Sklerose (MS) geht sie aber offen um. Von ihrem Tatendrang und ihrem Gestaltungswillen lässt sie sich dabei nicht abbringen: "Wir sind nicht auf der Welt, um zu jammern", sagt sie.

Amtsmüde? Davon ist keine Spur zu sehen. Dass der Oppositionsführer Baldauf meint, Dreyer verspreche viel und halte nicht viel, stört sie nicht. Im Gegenteil. "Ich habe immer noch sehr viel Lust und sehr viel Freude an dieser Aufgabe. Die Zeit ruft weiterhin nach Gestaltung und das ist der einzige Grund, warum ich in die Politik gegangen bin."