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LINZ/ Brucknerhaus: „Anton Bruckner: 6. Symphonie “. Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner

26.04.2024 | Konzert/Liederabende

Linz: „Anton Bruckner: 6. Symphonie “ – Konzert im Brucknerhaus Linz, Großer Saal, 25. 04.2024

Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner

Dies ist die einzige Symphonie des Ansfeldener Orgel- und Orchestergenies, die nicht einer oft geradezu verwirrenden Vielfalt an Bearbeitungen, eigen- oder dritthändig, existiert. Zu Lebzeiten Bruckners wurde das Werk nie komplett aufgeführt, Bruckner hörte es aber bei Proben. Die erste komplette Aufführung unter Gustav Mahler (1899) war vom Dirigenten zwar eingreifend bearbeitet worden, jedoch hat sich dazu kein Notendokument erhalten. In Wikipedia steht zu lesen: „Dank der guten Ausgaben von Haas und Nowak (die einige Irrtümer der ersten ungekürzten Aufführung unter Franz Schalk anhand Bruckners Manuskript korrigierten) wurde dieses Werk inzwischen recht populär. Hilfreich war auch die Tatsache, daß es sich um eine der kürzesten Sinfonien Bruckners handelt, was dem Publikum und auch den Orchestern nicht unrecht ist.“ Einspruch, Euer Ehren: die Versenkung, die die längere 5. oder 7. erlaubt und fordert (vielleicht noch besonders unter Sergiu Celibidache…), trägt schon wesentlich zur Faszination Bruckners bei!

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Die Rote Couch mit Markus Poschner, Jacob Meining und Norbeert Trawöger. Foto: Petra und Helmut Huber

Zu Gast auf der „Roten Couch“ (immer 45 Min. vor Konzertbeginn) war bei Markus Poschner und BOL-Chef Norbert Trawöger der noch nicht einmal 30-jährige Erste Konzertmeister, der aus einer Dresdner Musikerfamilie stammende Jacob Meining: „Hast Du, als Du aus dem (nicht ganz hohen) Norden nach Österreich gekommen bist, hier irgend etwas Atmosphärisches bemerkt, in dem Du einen Anklang zu Bruckners Musik gespürt hättest?“ JM: „Nun ja, wenn, dann wärs ein Klischee. Eigentlich würde ich sagen, daß Bruckner in Vielem weit direkter ist, als ich die österreichische Art kennengelernt habe„.

Der relativ geringen Länge dieses Werkes verdanken wir auch, daß eine frühere Tradition des Brucknerorchesters wieder auflebt: vor der Pause gibt es eine Werkerklärung, und zwar mit vollem Orchester. Der Dirigent nennt das einen „Einblick in den Maschinenraum der Symphonie“. Und einiges Maschinelles hat die Partitur ja – ostinate Streicherfiguren als Vorausahnung von Minimal Music, Modulation durch Überlagerung verschiedener Rhythmen, fast wie bei Ligeti: Mit der 5. hatte der Komponist die höchste Komplexität in der traditionellen Kontrapunktik erreicht, und nun, nach dreijähriger Pause des symphonischen Schaffens und dem einzigen wirklichen Urlaub seines Lebens, der ihn in die Schweiz führte, bis zum Mont Blanc, ging er sein nächstes symphonisches Werk in ganz neuem Geist an. Trotzdem findet man auch rhythmische und tonartliche Beziehungen zu Beethovens 7. und Mendelssohns 4., der „italienischen“ Symphonie, was auch, teils voll orchestral, teils solistisch, mit Beispielen belegt wird. Und: „Im 3. Satz marschieren die tiefen Streicher und drüber tanzen die Violinenkobolde“.

Doch nun, nach einiger – kenntnisreich, mit Charme und Humor vermittelter – Theorie des symphonischen Lebens grüner Baum:

Schon in der Einleitung ist frappant zu spüren, wie unglaublich eng das 82-köpfige Orchester zusammenwachsen kann, mit dem Dirigenten als integriertem Körperteil: atemberaubend aus einem Guß erscheint die Interpretation, mit unglaublich weit gespannter Dynamik und absoluter Präzision der Intonation, gleichzeitig analytisch-transparent und völlig integriert, spannungsreich wie schwebend. Man ist im Moment von den Klangwelten gefangen und wird in der nun folgenden Stunde nicht mehr losgelassen.

Zwischendurch immer wieder besonders atemberaubende Momente: eine aus den höchsten Lagen auf der e-Saite absteigende Tonleiter der 16 ersten Violinen in absolut sauberster Intonation und ein ins Nichts verhauchendes ppp der Streicher im ersten Satz; im Trio des Scherzo ein Anklang der Strauss’schen Pizzicatopolka – mit einem unglaublich leisen und präzisen Echo etwas später. Feinst gewebte zarte Klangwelten, auftrumpfende Marschtakte, himmlische Choräle…

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Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber

Man wird gnadenlos gefangen genommen und fortgetragen von dieser Musik, von den evozierten Bildern, von der Einheit und der Spannung, die Poschner stets aufrecht erhält. Nein, das geht unmöglich besser, der Abend kann ruhigen Gewissens als Sternstunde bezeichnet werden!

Dieser Meinung war offensichtlich der ganze Saal, denn nach dem (vom Publikum respektierten!) Verhallen des letzten Akkordes fegte ein Begeisterungssturm durch das Brucknerhaus, wie wir ihn noch selten gehört haben. Nach rund 10 Minuten wird noch eine Zugabe angekündigt – „von Franz Schubert, der Bruckner voranging“: wir hören die Zwischenaktmusik aus „Rosamunde“, in unglaublich fein gewebter und präziser Struktur, zart, schwebend, duftig – ein weiterer, ein letzter Höhepunkt des aufwühlenden Abends, aber auch Kontrapunkt, der uns in eine entspannte Nachtruhe entließ.

Petra und Helmut Huber

 

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