Männer al Dente | Kritik | Film | critic.de

Männer al Dente – Kritik

Nach seinen letzten Erfolgen Das Fenster gegenüber und Saturno Contro kehrt Ferzan Ozpetek mit einer Geschichte um eine Großfamilie zurück und bedient sich vieler Zutaten der Commeddia all’italiana. Leider fehlt das entsprechende Rezept.

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Vorsicht ist geboten, wenn eine Komödie als „beschwingt“ angepriesen wird. Zwar kann dieses Prädikat im besten Fall tatsächlich auf großartige Filme hindeuten: Filme, denen ein leichter Umgang mit einer nicht zu banalen Thematik gelingt, die das richtige Gespür für Timing besitzen und Situationskomik kreieren, ohne den harmonischen Fluss des Gesamtwerks aus dem Auge zu verlieren. Filme also, nach denen man tatsächlich so beschwingt aus dem Kino kommt wie aus den frühen Komödien Almodóvars. Schlimmstenfalls sind die als „beschwingt“ beworbenen Filme allerdings Werke, die sich gerade durch ihren zwanghaft unbeschwerten Ton preisgeben. Die Entscheidung für eine fröhlich-leichte Inszenierung kommt dann als beschwingter Bumerang zurück und zerstört jegliche Substanz, die im Grundkonzept des Films noch angelegt war.

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Männer al dente des türkischstämmigen Italieners Ferzan Ozpetek gehört leider eher in die zuletzt beschriebene Kategorie. Aus seiner so originell wie absurd-komischen Ausgangssituation und jeder Menge Lokalkolorit hat Ozpetek eine erstaunlich biedere Komödie über eine typische italienische Großfamilie gemacht. Die tatsächlich überaus beschwingte Inszenierung kann dabei nicht über den Mangel an Originalität und humoristischem Timing hinwegtäuschen, versucht es aber ständig. Keine Szene, die nicht von schwungvollen Kamerabewegungen und zumeist völlig beliebiger Musik kommentiert wird. Vor allem die musikalische Untermalung zerstört auf unnötig dominante Art die komischen wie die sentimentalen Momente und lässt keinen Raum für Zwischentöne. Ozpetek scheint den eigenen Darstellern so wenig zu vertrauen wie der selbstständigen Bewertung der Bilder durch die Zuschauer.

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„Dabei fängt doch alles so nett an“, denkt man als beschwingten Filmen nicht grundsätzlich abgeneigter Zuschauer. Das Motiv des Coming-outs vor der eigenen konservativen Familie wird auf absurde Weise verdoppelt, als Protagonist Tommaso (Riccardo Scamarcio) seine geplante Ankündigung aufschieben muss, weil ihm sein älterer Bruder Antonio (Allesandro Preziosi) zuvorkommt – mit genau demselben Geständnis. Vater Cantone verstößt Antonio und erleidet einen mittleren Herzinfarkt, woraufhin Tommaso aus Angst um die Gesundheit des Vaters auf sein eigenes Coming-out verzichtet und vorerst die väterlichen Geschäfte übernimmt. Während Tommaso im neuen Beruf die schöne und liebesbedürftige Alba (Nicole Grimaudo) kennenlernt und sein Vater mit der Angst vor der dörflichen Gerüchteküche zu kämpfen hat, erweist sich Großmutter Cantone als fortschrittlichstes Familienmitglied. Der klischeehafteste, aber dennoch unterhaltsamste Teil des Films beginnt schließlich, als Tommasos schwuler Freundeskreis aus Rom im Hause der Cantones auftaucht und Spaß an der Aufgabe entwickelt, die eigene Homosexualität kaschieren zu müssen.

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Doch anders als noch in Ozpeteks erfolgreichen Filmen Das Fenster gegenüber (La finestra di fronte, 2003) und Saturno Contro – In Ewigkeit Liebe (Saturno contro, 2007) ist das Thema Homosexualität hier vor allem Quelle recht altbackener Gags. Die Neurosen der Familienmitglieder wie die Schwulenklischees und die immer dankbare Darstellung der Verbohrtheit provinzieller Italiener sorgen viel zu selten für wirkliche Lacher. Der Humor von Männer al dente erinnert vielmehr an die Eigenproduktionen der hiesigen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Die in den Materialien zum Film so häufig erwähnte Commedia all’Italiana wiederzubeleben hieße, sie der heutigen Zeit anzupassen, sie so frech zu gestalten, wie die Filme der 1950er und 60er Jahre auf die konservativen Kräfte der damaligen Gesellschaft gewirkt haben müssen. Mit einer letztlich aber selbst konservativen Inszenierung und der rein inhaltlichen „Provokation“, einen traditionellen Patriarchen mit der Homosexualität seiner Kinder zu konfrontieren, kann es jedenfalls nicht getan sein.

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Wirklich interessant sind allein die anfangs noch rätselhaften Zwischensequenzen, mit denen Ozpetek hintergründig die Großmutter Cantone als zentrale Figur konstituiert und sich schließlich zu einem weniger beschwingten, aber umso überzeugenderen Plädoyer für die Wahlfreiheit einer nicht mehr durch Familienrituale gebundenen Generation durchringt. Mine vaganti heißt der Film im Original, und „mina vaganti“ ist nicht nur der Spitzname der Großmutter. Die italienische Großfamilie traditioneller Art produziert durch ihre Konventionen ständig verstreute Minen, die jederzeit und überall hochgehen können. Der deutsche Verleih hat diese Vieldeutigkeit nicht übernehmen wollen: Die Übertragung ins griffigere Männer al dente, eine entsprechende Vermarktung und vermutlich eine noch stärker die Komik akzentuierende Synchronfassung verbannen die wenigen interessanten Elemente wohl endgültig in den Hintergrund.

Der italienische Filmkritiker Maurizio Grande hat in Bezug auf die Commedia all’italiana einmal die recht eigenwillige Metapher der Spaghetti alla carbonara bemüht. Selbst wenn die Zutaten allseits bekannt seien, liege die Reihenfolge der Verarbeitung und die Dosierung doch in den Händen des Kochs. Auch Männer al dente hat einige vielversprechende Zutaten – einen interessanten Einstiegskonflikt, durchaus vielschichtig angelegte Figuren –, die Dosierung ist Ozpetek aber weniger gelungen: Der Konflikt wird mehr wiederholt als entwickelt, die Figuren verschwinden hinter der schematischen Handlung und der irritierend unernsten Inszenierung. Fast jede Szene schreit heraus, dass sie doch nicht mehr will als unbeschwert und beschwingt daherzukommen. So liegt diese Carbonara trotz oder gerade wegen ihrer fröhlich-leichten Zubereitung am Ende etwas schwer im Magen.

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Kommentare


Fabian

Der Film hat uns super gefallen. Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Der Kritiker ist wohl allzu kritisch. Habe selten so gelacht, der Film ist köstlich inszeniert und ich und meine Frau werden ihn ganz sicher noch ein zweites mal sehen. Bis dahin ... Al dente. Im locker bleiben. Euer Fabian


Mathias

Selbstverständlich ist historisches Hintergrundwissen für die Erstellung einer Filmkritik unablässig. Ich allerdings, der mit der Comedia all'italiana nichts am Hut habe, ich sehe ein paar Dinge etwas anders. So kann ich vielen Kritikpunkten dieser Filmkritik nicht zustimmen.
Die Prämisse, welche kritisiert wird, nämlich dass sich der Sohn des konservativen Patriarchen fürchtet, ist zeitlos - leider. Die "altbackenen" Gags transportieren doch nur den ewigen Kampf der Schwulen nach gesellschaftlicher Anerkennung. Ich bin Ferzan Ozpetek dankbar dafür, dass er mutig viele Facetten des schwulen Lebens abbildet. Von den (tatsächlich überspitzt gezeichneten) Freunden, bis zu Tomasso und seinem Freund Marco - die beiden sind in ihrer Normalität fast schon bieder. Ich danke dem Regisseur für die wunderbare Szene, in der Tomasso mit seinem Bruder zuerst über ihr Coming-Out redet, und gleich darauf mit den Arbeitern Fußball spielen - wie normal.
Überhaupt die Figuren: Wunderbar skurril sind sie alle in diesem italienischen Ort. Selten überzeichnet, immer kurz vorm abrutschen ins Tragische. Sie sorgen mit ihrem Macken und Neurosen für viele Lacher, die auch in der Synchronisation gut funktionieren.
Auch sehe ich die Kameraarbeit und den Soundtrack keineswegs negativ. Vor allem letzterer transportiert viel italienisches Lebensgefühl, wie auch das ständig wiederkehrende Motiv des gemeinschaftlichen Essens: Immer wird gegessen und getrunken, Frühstück, Abendessen, Süßigkeiten, die Nudelfabrik!
Diese Filmkritik ist ein Beispiel, wie man mit zu viel Hirn und zu wenig Herz einen Film schlecht reden kann. Diese seltsame Comedia all'italiana ist tot, es lebe der zeitgemäße Ferzan Ozpetek mit seiner beschwingten Inszenierung, bei der (zum Glück) das Lachen oft im Halse stecken bleibt.


Sandra

Ja, auch in bin in Erwartung einer Komödie in den Film gegangen - und habe nach den ersten Minuten diese Erwartung gestrichen - zum Glück.
Mir hat der Film sehr gut gefallen, weil ich denke, dass es wahrscheinlich eine universelle Herausforderung, sich als junger Erwachsener den unterschwelligen Erwartungen zu entziehen - und sich von emotionalen Erpressungen nicht klein machen zu lassen. Deshalb: großes Kompliment.

Was mich aber ganz wild macht, war das offene Ende. Für wen entscheidet sich denn nun Thommaso? Für Alba oder Marco? Einmal schwul - immer schwul? Oder gibt es Menschen, für die es in ihrer Entwicklung dazugehört, beim gleichen Geschlecht zu schnuppern?


stefan

ich habe den film gestern gesehen und danach im internet vorhandene kritiken gesucht. ich bin ganz froh, nicht als einziger diesen film als lau emfunden zu haben. hatte in etwa zdf niveau.


Carmine

War gerade in dem Film und muss sagen, er hat mir ganz gut gefallen. Von einer Komödie kann keine Rede sein, da sie ganz strengen Regeln unterliegt.

Und darin liegt auch das Problem: Die Geschichte schlingert zw. Situationskomik, Gesellschaftskritik und Melancholie. Der Schluß bleibt auch offen.
Denke, der Regisseur wollte keinem wirklich weh tun und bleibt damit im eher seichten Bereich.

Bilder & MUsik waren toll!


Josefine

Stimme Till Kadritzke voll zu. Habe mich selten so gelangweilt. Sämtliche altbekannten Klischees (z.B. Italiener produzieren Pasta, die lebenskluge Großmutter usw.) werden hier ohne Gespür für Timing aufgetischt. Degeto-/RTL-Niveau.


Jimmy

Wer der Meinung ist, dieser Film sei langweilig, hat wohl ein Problem mit gewissen Themen in dem Film ....

Zum Glück stirbt diese Generation langsam aber sicher aus ;)


Dieter

Eine Komödie hinter der sich tiefe Tragik verbirgt ist,- das wissen unsere gebildeten Kritiker heute nicht mehr,- ein klassisches Thema. Dieser Film aber hat diese Tradition verinnerlicht und verdient ein großes Lob!


Dimi

ich habe das ende nicht verstanden...
Die Braut ,die im Film ab und zu auftauct ist wohl die großmutter....aber was genau damit gemeint sein soll verstehe ich nicht...

Kan mir das bitte jemand erklären,der das bverstanden hat??
danke im vorraus


Leyla

Stoße rein zufällig auf diese Seite und bin sehr enttäuscht, aber nicht von dem Film, im Gegenteil. Habe selten so viel lachen müssen. Anders ging es gar nicht!! Hätte ich die Kritik von Kadritzke vor dem Film gelesen, so wäre mir wahrscheinlich ein toller Film entgangen. Lasst Euch nicht von der Kritik abhalten, es lohnt sich auf jeden Fall ins Kino zu gehen, um in 'Männer al dente' herzlich, laut und viel zu lachen ;)
Özpetek hat bei mir jedenfalls genau den richtigen Humornerv getroffen... Danke!


H. Weigel

In meinem Provinz-Wohnort konnte ich des Films erst gestern ansichtig werden. Wohl auch der Last des Tages geschuldet hatte ich schon bald mit dem Schlafe zu kämpfen: Glücklicherweise konnten mich sowohl die immer wieder laut einsetzende Musik wie das gekicher umsitzender Damen, besonders be dem umwerfenden Gag, als der Infarktpatient stürzend auch das Tischtuch mitsamt der mediterranen Köstlichkeiten mit sich reißt, mich immer wieder aus Morpheus Armen reißen. Dankbar bin ich auch den humorvollen Szenen mit den tuntigen Freunden... Bully Herbig selbst hätte das nicht treffender inkorporieren können.
Nicht nur im Film sondern auch ihm gegenüber ist wohl alles ambivalent...


Unn B. Kannt

Mein ganz eigenes Urteil weicht auch von der Kritik ab. Habe den Film heute gesehen und fand großartig, dass er so schön zwischen Komödie und Ernsthaftigkeit pendelt. Und das von Anfang bis Ende. Das Konzept ist also klar: hier soll kein zigstes Coming-Out Drama mit entmutigendem Nachgeschmack oder vorhersehbarer Handlung entstehen. Loose Cannons ist ein durchaus tiefsinniger Film, der aber wunderbare auflockernde Momente innehat. Kann durchaus sein, dass ich ein Faible für derlei Filme habe. Überraschend anders fand ich, dass der Protagonist nicht wie in anderen Filmen dazu gezwungen ist, sich ständig für irgendetwas zu entscheiden (was der Zuschauer dann schockiert oder zufrieden aufnehmen würde). Irgendwie macht er einfach sein eigenes Ding, ist er selbst und lässt sich weder von der Familie noch vom Publikum ein vorgeschriebenes Handeln aufdiktieren. Er outet sich vor seinem Vater nicht als schwul. Er entscheidet sich nicht zwischen Marco und Alba. Er scheitert als Schriftsteller und wird trotzdem kein Nudelfabrikant. All diese Widersprüche wirken meiner Meinung nach sehr positiv GEGEN die Vorhersehbarkeit einer Fernsehproduktion. Wenn Filme mit den Erwartungen des Zuschauers brechen, erzeugen sie gerne auch Unmut. Mancher mag es als 'feige' ansehen, dass der Filmemacher den Hauptcharakter am Ende nicht die ganze Wahrheit sagen zu lassen. Andere, die mit dem inflationären Outing in Filmen nicht klarkommen, finden es vll gut. Ich behalte mir vor, mich wie Thomaso nicht zu entscheiden. Sondern verbleibe wie er als Beobachter, der zu gegebener Zeit seine ganz eigenen Entscheidungen zu fällen weiß.

Noch ein paar Worte zu Musik: sie brachte die Leichtigkeit immer wieder zurück und wirkte sehr belebend.

zu den schwulen Freunden:
da man in dem Film drei introvertierte und drei extrovertierte Schwule gesehen hat, fand ich das jetzt nicht so klischeebehaftet. Menschen die lauter schreien und singen, fallen generell nur mehr auf.

zur Großmutter: sie war ein wirkliches Klischee, irgendwo zwischen beeindruckendem Vorbild und weiser Verrücktheit - aber Großmütter SIND halt so.

zum Filmtitel: der ist ja auf deutsch sowas von schlimm albern! Deshalb spare ich mir auch die deutsche Synchronisation und schalte lieber nur Untertitel zu!

Naja, ich würde jedenfalls allen den Film empfehlen, die eine gewisse beherzte italienische Art zu schätzen wissen und einen fröhlichen Abend haben möchten.


Gerry

Ein gelungener Streifen über das Coming out auf italienisch...super!


Vero

Ich habe den Film heute gesehen und möchte mich eigentlich gar nicht kritisch dazu äußern, weil ich finde, dass er - genau wie al dente zubereitete Pasta (weshalb ich den Titel gar nicht so unpassend finde) ;o) - Geschmackssache ist. Da hier aber öfter die Frage auftauchte, was es mit der Großmutterrückblende auf sich hat, möchte ich zumindest dazu kurz meinen Eindruck kund tun. =)
Im Prinzip bildet diese Rückblende den Rahmen für die Geschichte, weil sie zeigt, dass schon die Großmutter familiären Zwängen unterworfen war und deshalb nicht den Mann, den sie liebte, heiraten durfte, was wiederum der Grund dafür ist, dass sie (gleich zu Anfang des Films) den Freitod wählen möchte, wovon sie ihr Geliebter jedoch abhält und stattdessen zu ihrer eigentlichen Hochzeit (d.h. dem späteren Ehemann) führt und diesem als Braut übergibt.
Ich hoffe, das war verständlich. =)






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