Gut 30 Forderungen zur sogenannten "Wirtschaftswende" beschloss die FDP in ihrem Leitantrag auf dem Parteitag am Wochenende. Nur vier davon befassen sich mit Energiepolitik. Drei davon sind von vornherein eher nur fürs Polit-Schaufenster gedacht: die Punkte zum Wasserstoffhochlauf, zum Zulassen inländischer Gasförderung per Fracking sowie zu einem Kernfusionsgesetz.

 

In der öffentlichen Debatte sorgt nur die Idee für Aufregung, die Ökostrom-Förderung schnellstmöglich zu beenden. "Dazu braucht es jetzt einen Plan für den Ausstieg", steht im Leitantrag. Nach über zwei Jahrzehnten Förderung sei ein Abbau der Subventionen für die Erneuerbaren auch haushaltspolitisch geboten, heißt es noch.

Der Leitantrag klingt damit weniger aggressiv als das Zwölf-Punkte-Papier des FDP-Präsidiums vor dem Parteitag. Da hieß noch unter Punkt zehn: "Wir wollen erneuerbare Energien endgültig in den Markt übernehmen und die EEG-Förderung beenden."

EEG-Anlagen genießen Bestandsschutz

Vermutlich haben ein paar Leute, die Ahnung von der Energiepolitik haben, auf den Präsidiumsbeschluss geschaut und festgestellt: Selbst per Bundesgesetz kann die EEG-Förderung nur für solche Wind-, Solar- und Biomasseanlagen beendet werden, die ab einem Stichtag neu genehmigt werden. Alle bisher EEG-geförderten Anlagen genießen Bestandsschutz.

Das haushaltspolitische Sparpotenzial hält sich entsprechend in Grenzen. Ende 2022 erhielten laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur Erneuerbare-Energien-Anlagen von zusammen rund 145.000 Megawatt Zahlungen aus dem EEG.

Jedes Jahr fallen mehrere tausend Megawatt heraus, weil die 20-jährige Förderzeit abläuft. Diese Anlagen erfreuten sich noch eines hohen Fördersatzes, während die jetzt ans Netz gehenden nur einen Bruchteil davon erhalten.

Zwar kamen allein 2023 rund 17.000 Megawatt Erneuerbaren-Anlagen hinzu, gleichzeitig steigt aber vor allem bei der Freiflächen-Photovoltaik der Anteil frei finanzierter, ungeförderter Anlagen.

Reales Sparpotenzial beim EEG unklar

Was sich tatsächlich einsparen lässt, falls die EEG-Förderung für neue Anlagen gestrichen werden sollte, ist so nur schwer zu bestimmen. Das hängt am Ende von der erzeugten Strommenge ab. Denn vergütet wird die Kilowattstunde und nicht das gebaute Kilowatt. Weitere EEG-Kosten richten sich nach dem Strompreis an der Börse oder auch danach, ob mehr Photovoltaik oder mehr Windkraft hinzukommt.

Im Zwölf-Punkte-Papier der FDP fand sich deswegen auch die Forderung, "kurzfristig" alle Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen im EEG zu nutzen, etwa die "Abschaffung der Vergütung von negativen Strompreisen" oder die "Senkung der Höchstpreise".

Mit der Senkung der Höchstpreise ist offenbar eine noch stärkere Absenkung der Fördersätze gemeint, als sie ohnehin gilt. So sinken 2024 aufgrund bestehender Regelungen die Fördersätze für die meisten Photovoltaik-Anlagen im Jahresverlauf um rund zwei Cent je Kilowattstunde.

Bei der Vergütung negativer Strompreise meint die FDP offenbar den Mechanismus, dass vor allem Windkraft und Photovoltaik auch dann eine EEG-Vergütung für ihren Strom erhalten, wenn schon zu viel Strom im Netz ist und der Strompreis an der Börse ins Minus dreht.

Hier sind die EEG-Regeln bereits verschärft worden. Gegenwärtig erhalten Erneuerbaren-Anlagen ab 400 Kilowatt Nennleistung ab vier aufeinanderfolgenden Stunden mit negativen Strompreisen keine EEG-Förderung mehr. Diese Regelung soll bis 2027 auf jede einzelne negative Strompreisstunde ausgedehnt werden.

Photovoltaik-Anlagen erleiden dadurch nach Angaben des Erneuerbaren-Verbandes BEE schon heute in jährlich 100 bis 200 Stunden mit negativen Preisen keine Vergütung. Ein empfindlicher Verlust, denn hierzulande kommen die meisten Solarstromanlagen auf nicht mehr als knapp 1.000 Volllaststunden.

Dass die "Kurzfrist"-Forderungen des Präsidiums nicht mehr im Leitantrag auftauchen, verwundert nicht. Sie bieten zu wenig Substanz zum Einsparen und sind zu kompliziert zu verstehen.

Kopplung von Ausstieg aus Kohle und EEG-Förderung

Das verlangte Aus für die EEG-Förderung begründet FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler auch damit, dass die Ampel-Regierung bereits das Ende der EEG-Subventionen parallel zur Vollendung des Kohleausstiegs festgelegt hat. Nun solle man "gemeinsam überlegen, wie dieser Schritt vorgezogen werden kann", sagt Köhler.

Die Kopplung des Ausstiegs aus der EEG-Förderung und der Kohle geht auf den Koalitionsvertrag zurück. "Mit der Vollendung des Kohleausstieges werden wir die Förderung der erneuerbaren Energien auslaufen lassen", heißt es dort. Das klingt eher nach Ausstiegs-Plan als nach abruptem Ende.

Die Fachwelt hält die EEG-Förderung noch weit nach 2030 für unabdingbar. Hintergrund ist der auch bei "negativen Strompreisen" auftretende "Kannibalisierungseffekt" der Erneuerbaren. Sobald Windkraft und Photovoltaik gegenwärtig mehr als 75 Prozent der deutschen Stromlast abdecken, werden nach BEE-Angaben am Strommarkt negative Strompreise generiert.

Dass dann Erneuerbaren-Strom abgeregelt werden muss, liegt aber auch am zu gering ausgebauten Stromnetz sowie an fehlender Flexibilität der Stromverbraucher – nicht nur der Haushalte, sondern auch der Industrie. Auch wird derzeit praktisch noch kein Überschussstrom in grünen Wasserstoff oder Heizwärme umgewandelt.

Der Angebotsdruck der Erneuerbaren wird mindestens bis 2035 anhalten, sagt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research voraus.

Verdreifachung der Erneuerbaren "marktgetrieben" nicht erreichbar

In dem Zeitraum werden die erneuerbaren Energien für ihren Strom weniger erlösen, als die Erzeugung kostet. Deswegen seien die Ausbauziele für die Erneuerbaren – es geht schließlich um eine Verdreifachung der Kapazität – "rein marktgetrieben" nicht zu erreichen, schlussfolgern die Berater von Aurora.

Die Verdreifachung ist dabei klimapolitisch geboten. 2035 will Deutschland ein klimaneutrales Stromsystem haben. Wer also einen entsprechend schnellen Ausbau der Erneuerbaren will, kommt um weitere EEG-Förderung nicht herum.

Und wer die Kosten dafür gering halten will, darf eben nicht nur die Erneuerbaren ausbauen, sondern muss das ganze Stromsystem auf diese ausrichten. (Fusionskraftwerke passen da übrigens nicht hinein, liebe FDP.)

Ein Verzicht auf die EEG-Förderung würde darüber hinaus Bürgerenergie- oder andere Projekte benachteiligen, hinter denen kein finanzkräftiger Investor steht. Gegenüber den Banken sind die garantierten Einnahmen aus der EEG-Umlage das entscheidende Argument, um günstige Kredite zu bekommen.

In Ländern wie Großbritannien, wo es eine vergleichbare EEG-Förderung nicht gibt, ist der Erneuerbaren-Ausbau denn auch der alleinige Tummelplatz großer Investorengruppen. Nicht auszuschließen, dass das auch eine Intention der FDP ist.

Bei Wegfall tauchen EEG-Kosten woanders auf

Und selbst wenn die EEG-Umlage wegfiele, verschwänden ja die Kosten nicht, um ein klimaneutrales Stromsystem zu schaffen. Laut Überschlagsrechnungen würde derzeit eine – angenommene – EEG-Umlage bei knapp fünf Cent pro Kilowattstunde liegen. Dieses Geld würden sich beim Wegfall des EEG-Zuschusses aus dem Bundeshaushalt dann Erzeuger und Netzbetreiber auf anderem Weg von den Stromverbrauchern holen, beispielsweise über die Netzentgelte.

Haushalte, die sich schon jetzt mit Solarstrom selbst versorgen und wenig Strom aus dem Netz beziehen, wären dann fein raus. Denn die steigenden Netzentgelte würden damit künftig auf immer weniger Haushalte und Gewerbebetriebe umgelegt werden.

Die EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, hat somit auch eine soziale Komponente. Derzeit müssen sich daran auch die Haushalte beteiligen, die sich – öffentlich gefördert übrigens – mit Solardach, Stromspeicher und vielleicht noch E‑Auto-Wallbox ausstatten. Mit dem FDP-Vorschlag könnten sie sich dann aus der Solidargemeinschaft der Stromkunden verabschieden.

Dass die FDP mit Solidarität nicht viel am Hut hat, ist nun allerdings so gar keine Neuigkeit.