Luise – Programmkino.de

Luise

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Ein Kammerspiel, drei Personen, ein abgelegenes Haus im Elsass, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs. Betont reduziert sind die Teile von Matthias Luthardts „Luise“, der 17 Jahre nach seinem spektakulären Debüt „Ping Pong“ endlich einen zweiten Kinofilm realisieren konnte. Erneut geht es um verwickelte Beziehungen und die Liebe, diesmal verstärkt durch den Krieg als äußere Gefahr, doch so recht wollen die spannenden, ambitionierten Einzelteile sich nicht zu einem überzeugenden Ganzen fügen.

Luise
Deutschland/ Frankreich 2023
Regie: Matthias Luthardt
Buch: Sebastian Bleyl, Matthias Luthardt, nach der Novelle „Der Fuchs“ von D.H. Lawrence
Darsteller: Luise Aschenbrenner, Christa Theret, Leonard Kunz, Aleksandar Jovanovic

Länge: 95 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 31. August 2023

FILMKRITIK:

Ein kleiner Hof, irgendwo im Elsass. Es ist der Sommer 1918, der Krieg neigt sich langsam dem Ende entgegen, die Zukunft für die umkämpfte Region, die mal zu Frankreich, mal zu Deutschland gehörte, ist ungewiss. Gerade ist die Mutter von Luise (Luise Aschenbrenner) gestorben, sie liegt noch auf dem Totenbett, da wird ihre Einsamkeit von zwei Menschen durchbrochen. Erst steht plötzlich Hélène (Christa Theret) in Luises Küche, eine junge Französin auf der Flucht vor einem deutschen Soldaten. Dieser, Hermann (Leonard Kunz) heißt er, folgt prompt, verletzt ist er, verwundet vermutlich von Hélène, die Umstände bleiben lange offen.
Bald darauf taucht auch ein Hauptmann (Aleksandar Jovanovic) auf, auf der Suche nach Hermann, den Luise kurzentschlossen unter dem Bett, auf dem ihre tote Mutter liegt, versteckt hat. Das Sprachgewirr der Region deutet sich schon hier an, Elsässisch wird gesprochen, aber auch Französisch und Deutsch, die Zugehörigkeit ist eine Frage, die nicht leicht zu klären ist.
Während Hermann seine Wunden auskuriert und Hélène, die eigentlich auf dem Weg nach Holland war, überlegt, was sie tun soll, kommen sich die beiden Frauen nahe, eine intime Beziehung entsteht, die Hermann mit Argusaugen beobachtet. Ist er der Fuchs aus dem Titel, der Eindringling in eine bukolische Welt oder sind es die Umstände der Zeit, die die Liebe verhindern werden?
Lose basiert „Luise“ auf der Novelle „Der Fuchs“ von D.H. Lawrence, in der der englische Schriftsteller einmal mehr die Themen verhandelte, die ihn auch in seinen bekannteren Romanen „Lady Chatterleys Liebhaber“, „Liebende Frauen“ oder „Söhne und Liebhaber“ umtrieben, deren Titel ein gewissen monokausales Interesse verraten. Von England verlegten Matthias Luthardt und sein Co-Autor Sebastian Bleyl die Geschichte in das umkämpfte Elsass Ende des Ersten Weltkrieges, eine Entscheidung, die dem Film nun, im Schatten des Ukraine-Krieges, zusätzliche Resonanz verleiht, bzw. verleihen könnte.
Auch die tiefsitzenden Vorurteile, mit denen Hermann die sich entwickelnde Beziehung zwischen Luise und Hélène betrachtet lässt sich leicht als Allegorie der Gegenwart verstehen, auch das eigene Unbehagen, mit der die fromme Luise ihre für sie überraschenden Gefühle beobachtet. Gerade Luise Aschenbrenner und Christa Theret überzeugen dann auch in ihren Rollen, spielen nuanciert mitreißend, während Leonard Kunz in einer allzu schematischen Rolle blass bleibt.
So wie „Luise“ als Ganzes allzu schlicht wirkt, kaum mehr wie ein kleines Fernsehspiel, eine sehr reduzierte Geschichte, nur vier Sprechrollen gibt es, souverän inszeniert zwar, aber ohne das gewisse etwas, das Luthardts Debütfilm „Ping Pong“ so bemerkenswert machte. Über 15 Jahre ist das nun schon wieder her, seitdem drehte Luthardt Fernsehfilme oder Dokumentationen. Warum es das deutsche Kino immer wieder schafft, solche Talente auf dem Trockenen verhungern zu lassen, bleibt ein Mysterium. Mit „Luise“ findet Luthardt nun immerhin zurück ins Kino und es wird hoffentlich nicht wieder 15 Jahre dauern, bis er einen dritten Kinofilm realisieren kann, der dann vielleicht wieder an die Qualität seines Debüts anknüpft.

Michael Meyns