Comicseite
Hedy Lamarr war auf dem Höhepunkt ihrer Hollywoodkarriere weltberühmt. Eine neue Graphic Novel zeigt auch den Forschergeist, der in ihr steckte.
William Roy u. Sylvain Dorange

Verkannte Erfinderin: Eine Comic-Bio ehrt die Ikone Hedy Lamarr

Hedy Lamarr war zuletzt vor allem in Bezug auf das nach ihr benannte Kaufhausprojekt an der Wiener Mariahilfer Straße im Gespräch. Nach der Pleite des Signa-Imperiums, das hinter dem Projekt stand, ist die Zukunft des Rohbaus und der Memorabilien aus Lamarrs Nachlass ungewiss. Es bleiben die Baustellenabsperrungen, auf denen großflächig mittlerweile besprayte Bilder der Ikone prangen. Die Tragik der Szenerie passt allerdings gar nicht so schlecht zum Leben der Schauspielerin, die sich wohl so manches anders erträumt hätte.

Schon als Kind tüftelte Hedwig Kiesler an Erfindungen jeder Art, die sie in einem Notizbuch dokumentierte. 1914 in eine Wiener jüdische Familie geboren, wird sie früh von ihrem aufgeschlossenen Vater ermutigt, die Welt um sie herum in allen technischen Details zu verstehen. Ihren Traum, auf der Bühne zu stehen, macht sie kurzerhand selbst wahr, wie eine neue Comic-Biografie zeigt. Wenig später macht sie Furore mit dem Film "Ekstase" (1933), in dem sie nicht nur mit einer der ersten Nacktszenen, sondern auch mit der Darstellung des ersten weiblichen Orgasmus Kinogeschichte schreibt. Es folgt eine schillernde Hollywoodkarriere als Hedy Lamarr, "die schönste Frau der Welt", zu der sie stilisiert wird.

Die Ehe mit dem Industriellen Fritz Mandl, die wie alle folgenden scheiterte, aber auch der Knebelvertrag mit dem schmierigen Filmboss Louis B. Mayer bildeten eine Art goldenen Käfig, aus dem sie immer wieder ausbrach. Das in konventionellem Stil, aber flott gezeichnete Comic zeigt die zur Weltberühmtheit gewordene Lamarr zwischen High Life und dem Aufstieg Hitlers, zwischen den Erwartungen der Öffentlichkeit, die sie nur als Pin-up-Girl wahrnimmt, und den Enttäuschungen, nicht als Person ernster genommen zu werden. "Ich muss doppelt so hart arbeiten, um zu beweisen, dass ich auch etwas habe, das einem Gehirn ähnelt", schreibt sie ihrer Mutter.

Das zeigt sich in aller Tragweite, als sie gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil eine störungssichere Funkfernsteuerung für Torpedos entwickelt, die den Alliierten im Kampf gegen die Nazis helfen sollte. Trotz einer Patentierung wird sie von den Behörden abgeschmettert. Die Erfindung, die später Grundlage für die Bluetooth- und Wi-Fi-Technologie werden sollte, wird erst (zu) spät anerkannt. Die Graphic Novel, die auch die allürenhaften Seiten der im Jahr 2000 verstorbenen Lamarr nicht auslässt, ist eine weitere notwendige Würdigung einer Frau, die wohl weit mehr hätte sein können als ein Hollywoodstar.

Buchcover
William Roy, Sylvain Dorange, "Hedy Lamarr". € 28,– / 176 Seiten. Bahoe Books, Wien 2024
Bahoe Books

Schatzkammer: Die dunkle Geschichte des Bergwerks Altaussee

Seit Jahrtausenden wird im Sandling, einem der Hausberge von Altaussee, Salz geschürft. Seit dem 12. Jahrhundert ist die umfassende Förderung des weißen Goldes verbürgt – und hat seitdem das Leben der Menschen in der Region geprägt. Anlässlich des Kulturhauptstadtjahrs im Salzkammergut hat sich der renommierte Hamburger Comic-Künstler Simon Schwartz tief in die Geschichte des Salzbergs gegraben.

Seine Graphic Novel, die bildgewaltig in tiefem Schwarz, Grau- und Goldtönen gehalten ist, erzählt vom harten Leben der Bergleute, die lange Zeit quasi Leibeigene der Habsburger waren. Mit Widerständigen wurde nicht lange herumgefackelt. Später wurde das technisch innovative Bergwerk, in dem bis heute eines der ergiebigsten Salzvorkommen beackert wird, gar von Alexander von Humboldt besucht. Das Ausseerland wurde zum Magnet für gutsituierte Sommerfrischler vom Kaiser abwärts, für jüdische Künstler und Intellektuelle.

1943 schließlich befahl Hitler, in den abgelegenen Stollen die von den Nationalsozialisten in ganz Europa zusammengeraubten Kunstwerke vor den Alliierten zu verstecken. Als diese 1945 immer näher heranrückten, sollte die rund 6.500 Kunstschätze umfassende Sammlung zerstört werden – was in einem nervenzerreißenden Finale durch den mutigen Einsatz von Salinenarbeitern verhindert werden konnte. Die großteils vergessenen Partisaninnen und Partisanen und den Widerstand gegen die Nazis im Salzkammergut würdigt übrigens dieses Comic von Thomas Fatzinek. Die Bilder des eben erschienenen und opulent gestalteten Bands "Verborgen im Fels" – der ruhig etwas dicker hätte ausfallen können – sind ab 23. März in einer Ausstellung in den Salzwelten Altaussee zu sehen.

Buchcover
Simon Schwartz, "Verborgen im Fels". € 18,– / 40 Seiten. Avant-Verlag, Berlin 2024
Avant-Verlag

Evolution als Gameshow: Hararis dritte Graphic-Novel-Adaption

Warum ist die unsere Welt so und nicht anders? Was sind die Faktoren, die den Lauf der Menschheitsgeschichte bestimmten? Diese tiefgreifenden Fragen beantwortet der Starhistoriker Yuval Noah Harari im dritten Teil der Comic-Adaption "Sapiens" seines Weltbestsellers "Eine kurze Geschichte der Menschheit" gewohnt publikumswirksam. Wie auch bei den vergangenen Bänden handelt es sich keineswegs um einen drögen Geschichtsexkurs, ganz im Gegenteil: Die Story ist als TV-Show ("Evolution", Staffel 12) aufgezogen. Gesucht wird der "Master of History", der die Fäden der Geschichte zieht. Die Kandidatenriege, die gleichsam durch das Buch führt: Mr. Zufall, Clashwoman, Cyclowoman, Lady Empire, Captain Dollar und Skyman.

Nach "Sapiens. Der Aufstieg" und "Sapiens. Die Falle", das bei der landwirtschaftlichen Revolution vor 12.000 Jahren ansetzt, befinden wir uns in "Das Spiel der Welten" in einem Stadium, in dem die Menschen mächtige Königreiche und große Kulturen schaffen, Kriege führen, Handel treiben und sich immer wieder vermischen. Die Jury aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern verschiedenster Richtungen (darunter Harari himself) verhandelt appetitlich und durchaus differenziert die Entstehung der Zivilisationen der Frühzeit, die Bedeutung von Religionen und die Anfänge des Kapitalismus. Dabei kommt auch zum Tragen, dass es eben nicht nur eine einzige Wahrheit, sondern verschiedene Perspektiven auf die Vergangenheit gibt.

Ob es nun all die Action samt Shoppingkanaleinschaltungen oder eine Filmsequenz mit Lucas Earthwalker braucht, sei dahingestellt. Der Showcharakter passt aber ganz gut zur Vermarktungsmaschinerie des Unternehmens Sapienship, das mittlerweile Hararis Aktivitäten steuert und auch die Graphic-Novel-Reihe mitverantwortet. Trotz allem war kaum ein Ritt durch die Menschheitsgeschichte so unterhaltsam und zugänglich inszeniert. Wir sind gespannt auf den vierten und letzten Teil, der sich der wissenschaftlichen Revolution widmen wird.

Buchcover
Yuval Noah Harari, David Vandermeulen, Daniel Casanave, "Sapiens. Das Spiel der Welten". € 29,50 / 280 Seiten. C. H. Beck, München 2024
C.H. Beck

Fossile Giganten: Eine Zeitreise durch die Dinosaurierforschung

Dinos begegnen uns wirklich überall in der Popkultur. Und Bücher, die das Sammelsurium der faszinierenden Wesen mit all den unaussprechlichen Namen abbilden, gibt es zuhauf. Doch kaum kommt in den vielen Bildbänden für Kinder zur Sprache, woher das Wissen über sie überhaupt kommt. Es ist fast genau 200 Jahre her, dass der Geologe William Buckland mit den fossilen Fundstücken eines Megalosaurus zum ersten Mal einen Dinosaurier beschrieb. Buckland begegnet uns in diesem packenden Sach-Comic genauso wie Richard Owen, der wenig später den Namen Dinosaurier prägte, oder Mary Anning, die spektakuläre Funde machte. Der Band, der zu den ersten der neuen Loewe-Reihe "Superbrain-Comics" zu wissenschaftlichen Themen gehört, führt mit beeindruckenden Bildern vor, wie entdeckt wurde, dass die gigantischen Tiere einst auf unserer Erde lebten, wie sich unsere Vorstellungen von ihnen änderten und was die Forschung heute noch zutage bringt. Ein Muss für Dino-Nerds jeden Alters, aber auch für Fans von Wissenschaftsgeschichte.

In derselben Reihe erschienen ist bereits der Band "Die Geheimnisse der Wale", in dem der Meeresphysiologe Casey Zakroff gemeinsam mit dem Illustrator Pat Lewis sein Wissen in eine Erzählung packt, die den Walen selbst eine Stimme gibt. Ein kleiner Schnabelwal, der von einem Unterwassermikrofon getroffen wird, startet nämlich einen Podcast, in dem die Tiere von ihrem Leben im Ozean samt aller Wunderlichkeiten und Probleme erzählen. Beide Bücher vermitteln, eingebettet in die optisch ansprechenden Storys, viele Fakten durch grafische Kniffe, Glossare und Anmerkungen – und machen jedenfalls Lust auf Wissenschaft. (Karin Krichmayr, 24.3.2024)

Buchcover
MK Reed, Joe Flood, "Superbrain Comics: Auf den Spuren der Dinosaurier". € 15,50 / 128 Seiten. Loewe, Bindlach 2024. Ab 9 Jahren